1 Einleitung

In Deutschland sind etwa 20.000 Biozid-Produkte auf dem Markt. Biozide sind wie folgt definiert: „Biozide Wirkstoffe und Biozid-Produkte sind dazu bestimmt, auf chemischem oder biologischem Wege Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, Schädigungen durch sie zu verhindern oder sie auf andere Weise unschädlich zu machen“. Dabei sind Anwendungen gemeint wie Holzschutzmittel, Antifouling-Produkte, Desinfektionsmittel, Schädlingsbekämpfungsmittel u. ä. Daraus ergeben sich 23 verschiedene Produktarten mit ganz unterschiedlichen Anwendungsfeldern. Die Anwendung der eingesetzten Wirkstoffe bestimmt den Regelungsbereich: Als Biozide gelten Stoffe und Zubereitungen dann, wenn sie z. B. nicht als Pflanzenschutzmittel oder Medizinprodukte verwendet werden.

Das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten wird durch die Richtlinie 98/8/EGFootnote 1, die seit dem 14. Mai 1998 in der Europäischen Union in Kraft ist, geregelt (BiozidRL). Damit wurde ein neues, EU-weit harmonisiertes Zulassungsverfahren für Biozid-Produkte, das dem für Pflanzenschutzmittel ähnelt, eingeführt. Bis dahin gab es in Deutschland, aber auch in den meisten anderen EU-Mitgliedstaaten kein Zulassungsverfahren; die Produkte waren ungeprüft auf dem Markt.

Biozid-Produkte müssen nun vor ihrem erstmaligen Inverkehrbringen ein Zulassungsverfahren durchlaufen, das einerseits eine EU-weite Wirkstoffprüfung und andererseits eine nationale Produktzulassung umfasst.

Es erhalten nur solche Produkte eine Zulassung, die Wirkstoffe enthalten, die im Anhang I (EG-Positivliste) oder IA (Stoffe mit niedrigem Risikopotenzial) der Richtlinie gelistet sind. Die Zulassung ist auf maximal zehn Jahre befristet und muss dann erneut überprüft werden. Die Wirkstoffe werden in den Anhang I aufgenommen, wenn eine Risikobewertung ergeben hat, dass sie hinreichend wirksam sind und keine unannehmbaren Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben. Dies ist anhand eines repräsentativen Beispielprodukts nachzuweisen.

Für Wirkstoffe, die in Biozid-Produkten bereits vor 1998 auf dem Markt waren, läuft seit dem Jahre 2004 gestaffelt nach Prioritäten ein Zehnjahresarbeitsprogramm, auch Review-Programm bzw. EU-Altwirkstoffprogramm genannt, mit dem Ziel, zu prüfen, ob diese Wirkstoffe in den Anhang I der BiozidRL aufgenommen werden können. Ursprünglich waren 955 Stoffe auf dem Markt. Davon wurden 365 Wirkstoffe für das Altwirkstoffprogramm angemeldet. Derzeit sind noch 318 Wirkstoffe im Verfahren (Stand: September 2008). Für jeweils knapp die Hälfte der Stoffe je Produktart wurde kein Dossier eingereicht.

Für Biozid-Produkte, die diese Alt-Biozid-Wirkstoffe enthalten, gelten Übergangsregelungen für deren Vermarktung. Sie dürfen bis zur Entscheidung über den Wirkstoff auf dem Markt bleiben. Bei Ablehnung der Aufnahme in den Anhang I oder IA müssen die Produkte vom Markt, bei Aufnahme des Wirkstoffes muss auch für die betreffenden Produkte ein Zulassungsantrag gestellt werden. Anfang 2009 werden erste Anträge auf Produktzulassung für Holzschutzmittel und Rodentizide (Nagetierbekämpfungsmittel) erwartet.

Die BiozidRL wird durch das Biozid-GesetzFootnote 2 (BiozidG) vom 20. Juni 2002 in deutsches Recht umgesetzt. Das Umweltbundesamt (UBA) ist Einvernehmensstelle im Vollzugsverfahren des BiozidG. Das UBA überprüft die Zulassungsvoraussetzung für den Umweltbereich.

Zulassungsvoraussetzung ist, dass das Biozid-Produkt selbst oder seine Rückstände keine unannehmbaren Wirkungen auf die Umwelt haben. Dabei werden berücksichtigt: Verbleib und Verteilung in der Umwelt – insbesondere Kontamination von Oberflächengewässern (einschließlich Ästuar- und Meeresgewässer), Trinkwasser und Grundwasser, Sediment, Boden und Luft – sowie Auswirkungen auf Nichtzielorganismen.

Nach Artikel 19 der geltenden Richtlinie ist die EU-Kommission verpflichtet, sieben Jahre nach Ende der Umsetzung einen Bericht vorzulegen, der den Vollzug der Richtlinie, insbesondere das Funktionieren der vereinfachten Verfahren analysiert, und, falls erforderlich, Vorschläge zur Änderung der Richtlinie unterbreitet. Dieser Bericht war Ende 2007 vorzulegen. Die Kommission hat Befragungen der beteiligten Kreise durchgeführt und arbeitet derzeit an Vorschlägen zur Änderung der BiozidRL aufgrund der erhobenen Erfahrungen. Es wird damit gerechnet, dass die EU-Kommission in Kürze den Bericht und einen Vorschlag zur Revision der BiozidRL vorlegen wird.

Das UBA hat sich mit Änderungsvorschlägen an der nationalen und EU-weiten Diskussion zur Änderung der BiozidRL beteiligt. Diese Änderungsvorschläge resultieren aus der nun zehnjährigen Erfahrung des UBA mit der BiozidRL und dem BiozidG.

2 Erfahrungen mit der Biozid-Richtlinie: Probleme und Lösungsvorschläge aus der Sicht des UBA

2.1 Anwendungsbereich der BiozidRL

Die Zuordnung einiger biozider Anwendungen zu den im Anhang V der BiozidRL definierten 23 Produktarten gestaltete sich in der Vergangenheit schwierig. Die Klarstellungen und die Beschreibung von Grenzfällen erfolgte nach Beratung und Beschluss auf EU-Ebene in verschiedenen Leitfäden, den sogenannten „Guidance Documents“ oder „Manuals of Decisions“. Bei der Überarbeitung der BiozidRL muss die Abgrenzung des Anwendungsbereiches der Richtlinie zu anderen Regelungsbereichen, z. B. zum Pflanzenschutz- oder Arzneimittelrecht, überarbeitet werden. Ziel sollte eine klare Zuordnung bestimmter Anwendungsbereiche zur BiozidRL oder eben zu anderen Regelungsbereichen sein (z. B. Algizide zu Bioziden als eigene Produktart, Flohhalsbänder zu Tierarzneimitteln).

Insgesamt bereitet auch die Definition des Begriffs „Biozid“ als solcher Schwierigkeiten. Insbesondere das Kriterium „Auslobung“ als Biozid lässt den Firmen durchaus Handlungsspielraum. Es sind einzelne Fälle bekannt, in denen Firmen diesen auszunutzen versuchen, um die Biozid-Regelungen zu umgehen. Ein solcher Fall könnte z. B. entstehen, wenn für einen Reiniger die desinfizierende Wirkung nicht mehr benannt wird. In dem für dieses Beispiel zugrunde liegenden Falle wurde zwar entschieden, dass die Verbrauchererwartung für dieses Produkt die Desinfektion beinhaltet, aber es zeigt auch, wie schwierig die Identifikation von bioziden Produkten sein kann. Hier muss klargestellt werden, dass alle Stoffe mit einer bioziden Wirkung, die in einem Produkt enthalten sind, zu nennen, zu deklarieren und zu prüfen sind. Gegebenenfalls sind hier noch genauere Regelungen festzulegen.

Lebens- und Futtermittel sowie natürliche Produkte wie Lavendelsträuße oder Zedernholz, die als Lockmittel oder Repellentien (Produktart 19) eingesetzt werden, müssen von der Biozid-Richtlinie ausgenommen werden. Hier besteht Konsens zwischen den EU-Mitgliedsstaaten, dass von solchen Stoffen und Produkten in Produktart 19 kein erkennbares Risiko für die Gesundheit und Umwelt ausgeht. Denkbar wäre hier die Positivlistung von natürlichen Produkten, vergleichbar mit den Anhängen IV und V der REACH-Verordnung.

Hersteller von Wirkstoffen auf Basis natürlicher Öle (z. B. Lavendelöl, Citronella usw.) haben diese aufgrund des Umfangs der im EU-Altwirkstoffverfahren vorzulegenden Daten nicht mehr verteidigt, d. h. der Hersteller hat aus Kostengründen keine Aufnahme in den Anhang I angestrebt. Somit werden diese Öle in Zukunft nicht mehr für Biozid-Produkte zur Verfügung stehen. Es ist jedoch nicht sinnvoll, den Einsatz solcher Stoffe zu Gunsten gefährlicherer, meist synthetischer Stoffe zu verbieten, nur weil die Erstellung eines vollständigen Wirkstoffdossiers im EU-Wirkstoffverfahren schwer möglich war. Dies lag z. T. daran, dass die Zusammensetzung der natürlichen Gemische und die komplexe chemische Struktur des Hauptwirkstoffes nur schwer zu identifizieren sind. Die Entwicklung spezieller Prüfanforderungen, die diesem Problem Rechnung tragen und den Prüfaufwand für solche Stoffe reduzieren, könnte dazu beitragen, diese Stoffe auf dem Markt zu halten. Dabei darf jedoch das Schutzniveau der BiozidRL insgesamt nicht abgesenkt werden.

Analoges gilt für Pheromone: Sie stellen ein Nischenprodukt mit einem sehr begrenzten Absatzmarkt dar. Die Erstellung eines umfangreichen Dossiers ist für die Hersteller oft nicht wirtschaftlich. Pheromone als Naturstoffe sollten jedoch auf dem Markt gehalten werden. Wir halten es auch hier nicht für sinnvoll, den Einsatz solcher Stoffe zu Gunsten gefährlicherer, zumeist synthetischer Stoffe, die dann zur Bekämpfung der Schadorganismen gebraucht werden, zu verbieten, nur weil ein vollständiges Wirkstoffdossier nicht vorgelegt wurde. Wir plädieren daher auch in diesen Fällen für eine Vereinfachung der Prüfanforderungen für Pheromone im Rahmen des EU-Wirkstoffverfahrens, z. B. vergleichbar dem Vorgehen bei der Pflanzenschutzmittelzulassung.

2.2 Zulassungsverfahren für Biozid-Produkte

Die Biozid-Richtlinie sieht neben der Antragstellung für Produkte in einem Mitgliedstaat auch die Anerkennung von Zulassungen zwischen den Mitgliedstaaten vor. Diese Anerkennung muss innerhalb einer Frist von 120 Tagen ausgesprochen werden. Dieses Verfahren der gegenseitigen Anerkennung bei der Zulassung von Biozid-Produkten beurteilen sowohl Industrie als auch Behörden skeptisch:

Wichtigste Voraussetzung für die gegenseitige Anerkennung von Zulassungen sind EU-weit harmonisierte Grundsätze der Risikobewertung. Nur wenn es für das Ergebnis der Risikobewertung unerheblich ist, in welchem Mitgliedstaat die Risikobewertung für die Erstzulassung erfolgt, ist ein verlässliches Verfahren bei der gegenseitigen Anerkennung einerseits für die Antragsteller, andererseits auch für einen einheitlichen Schutz von Umwelt und Gesundheit in allen Mitgliedstaaten gewährleistet. Basierend auf den Erfahrungen des EU-Wirkstoffverfahrens ist es jedoch in der Kürze der Vorbereitungszeit bis zu den ersten Produktzulassungen im Jahr 2009 nicht möglich, eine harmonisierte Risikobewertung in allen EU-Mitgliedstaaten zu etablieren. Zu viele Bewertungsfragen sind noch offen, nicht immer sind Bewertungsgrundlagen, wie z. B. Test- und Auswertungsvorschriften oder ausreichende Ressourcen für die Bewertung vorhanden. Auch sind die Notwendigkeiten und Voraussetzungen in den Mitgliedstaaten sehr verschieden.

Darüber hinaus bestehen rechtliche Lücken: Zwar kann ein Mitgliedstaat im Rahmen der gegenseitigen Anerkennung die Zulassung mit Auflagen verbinden, diese dürfen bisher aber nur den Gesundheits- und Arbeitsschutz umfassen. Die Möglichkeit, zum Schutz der Umwelt, die in den Mitgliedstaaten unterschiedlich ist, zusätzliche Auflagen oder gar Ablehnungen auszusprechen, fehlt. So können – im Gegensatz zu den gesundheitlichen Schutzmaßnahmen – Maßnahmen, z. B. für bestimmte Regionen oder für einen bestimmten Anwendungsbereich, nicht ohne Zustimmung der EU erlassen werden. Andere als in der Erstzulassung niedergelegte Auflagen oder gar eine Zurückweisung der Zulassung muss der betreffende Mitgliedstaat an alle Beteiligten bekannt geben und begründen. Die Kommission wird dann einen Vorschlag dem ständigen Ausschuss zur Entscheidung vorlegen.

Hier muss eine Gleichbehandlung erfolgen. Deshalb müssen auch Umweltauflagen ermöglicht werden, ohne das EU-Abstimmungsverfahren auszulösen. Der betreffende Text der BiozidRL sollte daher wie folgt geändert werden (ergänzter Text kursiv): „Die Zulassung kann mit Auflagen verbunden werden, welche (…) dem Schutz der Gesundheit der betreffenden (…) Arbeitnehmer und dem Schutz der Umwelt dienen.“

Um den vorgenannten Schwierigkeiten, die im jetzigen Zulassungsverfahren angelegt sind, auszuweichen, muss auch über Möglichkeiten eines dezentralen Verfahrens für die Produktzulassung diskutiert werden. Ein Vorschlag ist, dass Produktzulassungsanträge bei allen Mitgliedsstaaten, in denen eine Zulassung angestrebt wird, gleichzeitig gestellt werden. Ein Mitgliedsstaat übernimmt die Federführung und beteiligt die anderen Mitgliedsstaaten an der Bewertung des Biozid-Produktes, vor allem an der Entscheidung. Sollte kein einvernehmliches Votum für eine Zulassung und deren Bedingungen oder eine Nicht-Zulassung zwischen den betroffenen Mitgliedsstaaten abgegeben werden, ist ein Instrument der Schlichtung, z. B. die Moderation durch die EU-Kommission oder das European Chemicals Bureau (ECB), vorzusehen. Diese Mitsprachemöglichkeit aller von einer Zulassung betroffenen Mitgliedstaaten – wie sie derzeit im Wirkstoffprogramm praktiziert wird – ist aus unserer Sicht dringend aufrechtzuerhalten.

Für bestimmte Produktarten, die sich durch eine EU-weite Vermarktung und/oder durch eine Verwendung im geschlossenen System auszeichnen (z. B. Produktart 6 Topfkonservierungsmittel), erscheint die Etablierung eines zentralen EU-Zulassungsverfahrens sinnvoll. Das zentrale Zulassungsverfahren ließe sich entweder beim ECB etablieren oder auch an die neue EU-Behörde für die REACH-Verordnung (Europäische Chemikalienagentur, ECHA) angliedern.

Eine zentral in der EU zuständige Stelle – dies kann auch ein Ausschuss der Mitgliedstaaten sein – für Biozid-Belange im Produktzulassungsverfahren ist in jedem Falle auch als Schlichtungsstelle für Probleme im dezentralen Verfahren und für die EU-weite Weiterentwicklung der Bewertungsgrundlagen notwendig.

2.3 Registrierungsverfahren von Biozid-Produkten mit niedrigem Risikopotenzial („Low Risk Products“) – Entwicklung von Kriterien für die Aufnahme in Anhang IA

Anders als im Zulassungsverfahren von Biozid-Produkten ist der Umfang der einzureichenden Daten im Registrierungsverfahren von Biozid-Produkten mit niedrigem Risikopotenzial sehr eingeschränkt. Eine Aussage, ob es sich um ein Produkt mit niedrigem Risikopotenzial handelt oder nicht, ist auf Basis der für die Registrierung vorzulegenden Daten unter Umständen gar nicht möglich. Besonders gravierend wird es, wenn ein Antrag eingereicht wird, der einen anderen Verwendungsbereich beinhaltet als der im EU-Wirkstoffverfahren geprüfte. Zudem muss über einen Antrag auf Registrierung eines Produktes mit niedrigem Risikopotenzial innerhalb von 60 Tagen entschieden werden. Diese Frist ist für die notwendige fachliche Prüfung absolut nicht ausreichend.

Aus Sicht des UBA kommen folgende Lösungsmöglichkeiten in Frage:

  1. 1.

    Eindeutigere Ausgestaltung der Kriterien für die Aufnahme von Wirkstoffen in den Anhang IA und die Registrierung von Produkten mit niedrigem Risikopotenzial:

    Bislang sieht die BiozidRL nur den Ausschluss von krebserzeugenden, erbgutverändernden, reproduktionstoxischen, sensibilisierenden Stoffen oder bioakkumulierenden und schwer abbaubaren Stoffen aus dem Anhang IA vor. Dies ist aus unserer Sicht auch auf endokrin wirkende Stoffe auszudehnen. Zusätzliche Kriterien, die gegen eine Aufnahme in Anhang IA sprechen, sind zukünftig auf EU-Ebene zu erarbeiten.

  2. 2.

    Einschränkung auf die beantragte Verwendung:

    Im Rahmen der Aufnahme eines Wirkstoffs in den Anhang IA der BiozidRL werden die genauen Kriterien für seine Verwendung – die ein Biozid-Produkt mit niedrigem Risikopotenzial kennzeichnet – geprüft. Der daraus resultierende Anhang-IA-Eintrag gilt dann nur für die geprüfte Verwendung des Wirkstoffs. Dies bedeutet auch, dass nicht bewertete Verwendungen grundsätzlich von einer Registrierung ausgeschlossen sein müssen, mit der Konsequenz, dass für ein solches Biozid-Produkt das Produktzulassungsverfahren beschritten werden muss. Zeigt sich in diesem Zulassungsverfahren, dass es sich um ein Biozid-Produkt mit niedrigem Risikopotenzial handelt, könnte die beantragte Verwendung im Rahmen eines EU-Verfahrens nachträglich in den Anhang IA aufgenommen werden.

2.4 Datenanforderungen

Bisher müssen Teilnehmer nach Artikel 8 Absatz 5 der BiozidRL nicht alleihnen vorliegenden Informationen auch einreichen. Dies führt unter Umständen dazu, dass weniger günstige Untersuchungsergebnisse nicht vorlegt werden. Aus Vorsorgegründen ist hier eine rechtliche Änderung notwendig. Der Teilnehmer muss gesetzlich dazu verpflichtet werden, alle relevanten Studien und Informationen, die er für den Wirkstoff bzw. das Produkt vorliegen hat oder die ihm bekannt sind, mit seinem Dossier oder Zulassungsantrag einzureichen.

Die Datenanforderungen der BiozidRL für die Bewertung der Umweltrisiken – bestehend aus einem Kerndatensatz, einem Zusatzdatensatz für bestimmte Produktarten und einem vom Bewertungsergebnis abhängigen Zusatzdatensatz – hat sich im EU-Altwirkstoffverfahren bewährt und muss unangetastet bleiben. Etwaige Überlegungen, den Grunddatensatz zur Umwelt weiter zu reduzieren, sind nicht akzeptabel, da das Schutzniveau erheblich verringert würde und eine belastbare Risikobewertung nicht mehr gelänge.

Aus unserer Sicht sind weitere Prüfanforderungen für bisher nicht ausreichend berücksichtigte Endpunkte notwendig. Dazu gehört eine stärkere Berücksichtigung der PBT-Eigenschaften (persistent, bioakkumulierend und toxisch) von Bioziden bei der Aufnahme in den Anhang I.

Darüber hinaus ist der Anhang IIIA der BiozidRL (Zusatzdatensatz für Wirkstoffe) durch Aufnahme des Endpunktes endokrine Wirkung im Zuge der Anpassung der BiozidRL an neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu ergänzen. Dies ist notwendig, um bei begründeten Verdachtsmomenten – auch in Vergleichbarkeit mit anderen Stoffbewertungsverfahren (z. B. nach REACH-Verordnung) – Studien zur Klärung des endokrinen Wirkpotenzials von Stoffen einfordern zu können.

Eine besondere Situation entsteht durch die Verwendung von Nanopartikeln als Biozide, z. B. von Silbernanopartikeln. Stoffe als Nanopartikel können völlig andere Eigenschaften aufweisen als ihre amorphe Form. Auch die jeweilige Form der Nanopartikel selbst kann ihre Eigenschaften verändern. Daher sind biozide Wirkstoffe, die aus nanoskaligen Partikeln bestehen, wegen ihrer besonderen Eigenschaften als selbstständige Wirkstoffe mit eigener Identität zu behandeln. Über die Wirkungen von Nanopartikeln in der Umwelt liegen bisher nur wenige Erkenntnisse vor. Bisherige Testverfahren sind meist nicht geeignet. Daher sind die notwendigen Daten- und Testanforderungen, die die speziellen Risiken von Nanopartikeln erfassen, anzupassen oder noch zu entwickeln.

Die BiozidRL regelt nur die Verwendung von Bioziden. Deshalb besteht eine Regelungslücke im Bereich der Lebenszyklen Produktion des Wirkstoffes und Formulierung des Biozid-Produktes. Da dieser Bereich weder unter REACH – Biozide gelten im Sinne von REACH als registriert – noch unter der BiozidRL umfassend bewertet wird, muss über geeignete Lösungen nachgedacht werden.

2.5 Datenschutz

Aus Tierschutzgründen ist die Verpflichtung zur Teilung von Daten aus Wirbeltierversuchen nach Vorbild des deutschen Chemikaliengesetzes (ChemG) oder gemäß REACH-Verordnung auch in der BiozidRL umzusetzen.

Für Wirkstoffe, die von mehreren Firmen unterstützt werden (sog. „multiple dossiers“), sollte die BiozidRL eine Verpflichtung zur Bildung von „Task Forces“ oder zum Datenaustausch, z. B. über Einverständniserklärungen, enthalten (siehe auch REACH-Verordung). Dies reduziert die Kosten und ermöglicht auch die notwendige einheitliche Bewertung des Wirkstoffes auf Basis aller verfügbaren Daten in der Gesamtschau.

2.6 Behandelte Materialien (Treated Articles)

Viele Biozide haben Materialschutzeigenschaften (z. B. Produktart 7 Beschichtungsschutzmittel, Produktart 8 Holzschutzmittel, Produktart 9 Schutzmittel für Fasern, Leder, Gummi und polymerisierte Materialien etc.). Viele in die EU importierte Waren des alltäglichen Bedarfs haben deshalb eine Ausstattung oder Beschichtung mit solchen Bioziden. Der Import von biozid-behandelten Erzeugnissen ist aus Sicht des UBA in der BiozidRL zu regeln. In den EU-Binnenmarkt sollten nur solche Waren eingeführt werden dürfen, die mit Biozid-Wirkstoffen behandelt wurden, die im Anhang I oder IA der BiozidRL aufgeführt sind. Zugleich ist eine Kennzeichnungspflicht (z. B. Die Ware xx ist mit Biozid-Wirkstoff/-Produkt xy behandelt) sowie regelmäßige Kontrollen von in die EU importierten Waren einzuführen.

2.7 Erfassung von Verbrauchs-,Verwendungs- und Vermarktungsmengen

Die BiozidRL fordert, dass die „Menge, die voraussichtlich pro Jahr in Verkehr gebracht werden soll“ angegeben wird. Die tatsächlich in Verkehr gebrachte Verbrauchs-/Vermarktungsmenge eines Wirkstoffs bzw. Biozid-Produkts wird bisher nicht erfasst. Wir schlagen daher vor, Berichtspflichten zu Vermarktungs- und Verwendungsmengen von Wirkstoffen bzw. Biozid-Produkten einzuführen.

Das ist zum einen für die Kontrolle erforderlich, ob die von der BiozidRL geforderte Minimierung des Biozid-Einsatzes erfolgreich war. Zum anderen ist das Vorliegen von Daten zu Verbrauchsmengen für eine vergleichende Bewertung der Wirkstoffe und Produkte hilfreich. Schwerpunkte des Einsatzes bestimmter Stoffe sind dadurch besser zu identifizieren und die Ableitung von Risikominderungsmaßnahmen, lokaler Maßnahmen oder auch eine Ersatzstoffdiskussion zielorientierter möglich.

Bei Risikobewertungen im EU-Wirkstoffverfahren oder bei der Produktzulassung, die expositionsseitig auf Basis der Verbrauchs- bzw. Vermarktungsmengen durchgeführt wurden, ist zudem die Kontrollmöglichkeit über die Mengenerfassung vorzusehen. Insbesondere bei ansteigenden Vermarktungsmengen ist eine Überprüfung der Risikobewertung und der Zulassung in regelmäßigen Abständen notwendig.

3 Ausblick

Es ist damit zu rechnen, dass der Bericht der EU-Kommission und der erste Entwurf der Neufassung der BiozidRL in Kürze vorgelegt werden. Neben Verfahrensvereinfachungen und der Abgrenzung zu anderen Rechtsbereichen sind Änderungen der Datenanforderungen die Kernthemen der Revision der BiozidRL. Entscheidend dabei ist, dass die Änderungen nicht zu einer Absenkung, sondern möglichst zu einer Erhöhung des Schutzniveaus für Mensch und Umwelt führen.

Darüber hinaus arbeitet die Kommission an Vorschlägen zur rechtlichen Regelung der Verbrauchsphase von Bioziden. Ein Vorschlag der Kommission wird in Kürze erwartet. Das UBA unterstützt diesen Prozess z. B. im Rahmen eines in diesem Jahr zu vergebenden Forschungsvorhabens. Das Vorhaben soll Möglichkeiten und Voraussetzungen für die nachhaltige Nutzung von Bioziden aufzeigen sowie diese an einigen exemplarischen Produktarten konkret ausarbeiten.