1 1 Einleitung

Der Klimaschutz ist in den letzen Jahren immer stärker zu einem zentralen Thema der Umweltpolitik geworden. Aktuelle politische Zielsetzungen der Europäischen Union fordern deswegen einen Anteil von erneuerbaren Energien am Primärenergieverbrauch von 20 % bis 2020 (BMU 2006, KOM 2007). In Deutschland soll bis 2020 der Anteil am Strombedarf 25 bis 30 %, am Wärmebedarf 14 % und am Kraftstoffbedarf 17 % (bezogen auf den Energiegehalt) betragen (Kabinettsbeschluss Meseberg 23. 8. 2007).

Energie aus Biomasse hat derzeit den größten Anteil bei den erneuerbaren Energien, die zur Reduktion von Treibhausgasen beitragen. Durch die gesteigerte Bedeutung der Bioenergie hat sich der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) im ersten Halbjahr des Jahres 2007 diesem Thema gewidmet. Der folgende Beitrag basiert auf dem Gutachten des SRU und fasst die Kernaussagen zusammen (SRU 2007).

Bei der Biomasse handelt es sich um biogene Rohstoffe aus der Land- und Forstwirtschaft (so genannte nachwachsende Rohstoffe) und um biogene Reststoffe, die stofflich oder energetisch genutzt werden. Im Vergleich zu anderen Energieträgern bietet Biomasse zur energetischen Nutzung vielfältige Vorzüge. So ist es möglich, diese als feste, flüssige und gasförmige Energieträger zur Verfügung zu stellen. Folglich können mit Biomasse im Gegensatz zu anderen erneuerbaren Energien alle Energieformen (Wärme, Strom und Kraftstoffe) ersetzt werden. Ferner kann die Energie durch die gute Lagerfähigkeit von Biomasse zeitlich und räumlich flexibel bereitgestellt werden.

Die Diskussion um die energetische Nutzung von Biomasse wird allerdings zunehmend durch Schlagworte wie ‚unerschöpflich‘ und ‚unendlich‘ charakterisiert. Der Eindruck, Biomasse könne in wenigen Jahren die fossilen Rohstoffe fast vollständig ersetzen und den Treibhauseffekt nachhaltig eindämmen, ist wissenschaftlich nicht tragbar.

Mit der Biomassenutzung verbinden sich konkrete Zukunftserwartungen verschiedener Branchen. Derzeit steht die Nutzung als Strom, Wärme und Kraftstoff im Vordergrund. Biogene Ressourcen werden jedoch weiterhin in der Lebensmittelindustrie sowie für zahlreiche stoffliche Anwendungen (Papier, Chemie, Textilien, Möbel usw.) genutzt. Die unterschiedlichen Interessen, die mit der Biomassenutzung verbunden sind, spiegeln die Zielkonflikte der derzeitigen Agrar-, Energie- und Umweltpolitik und der damit verbundenen segmentierten Förderlandschaft wieder. In Anbetracht der globalen Bedrohungen durch den Klimawandel sowie der von Deutschland freiwillig und explizit eingenommenen Vorreiterrolle im Klimaschutz und auf der Grundlage seiner Position zum Klimaschutz sollte die Reduktion von Treibhausgasemissionen derzeit und für die nähere Zukunft als wichtigstes Ziel der Biomassenutzung gesetzt werden. Der Anbau und die Nutzung von Biomasse sollten demnach an diesem Ziel gemessen werden.

Es liegt auf der Hand, dass die Nutzung der land- und forstwirtschaftlichen Flächen für Nahrungsmittel, Rohstoffe sowie für Energie (Wärme, Strom und Mobilität) zwangsläufig zu Nutzungskonkurrenzen bezüglich der begrenzten Anbaufläche führen muss. Zudem wird die Gewinnung und Nutzung von Biomasse weitgehend als dezentrale Technologie wahrgenommen und gilt daher von vornherein als umweltverträglich und nachhaltig. Diese Annahme erscheint allerdings bei den ambitionierten politischen Zielen fragwürdig, da diese dazu führen, dass Biomasse importiert und damit die internationale Perspektive berücksichtigt werden muss. Im Folgenden soll gezeigt werden, welchen Beitrag Biomasse zur energetischen Nutzung als auch zum Klimaschutz in Deutschland beitragen kann, indem die Chancen, aber auch die Grenzen der Biomassenutzung beleuchtet werden.

2 2 Biomasse und deren Nutzungsmöglichkeiten

Biomasse fällt einerseits in der Form von biogenen Reststoffen an, andererseits kann sie durch den Anbau von so genannten nachwachsenden Rohstoffen erzeugt werden. Für Biomasse sind die zwei Nutzungswege energetische und stoffliche Nutzung möglich. Die energetische Nutzung dient dabei der Bereitstellung von Kraft, Wärme und Strom, wohingegen mit der stofflichen Nutzung Produkte für den materiellen Gebrauch erzeugt werden. Da beide Nutzungspfade auf die im weitesten Sinne gleichen Rohstoffe zurückgreifen, besteht zwischen ihnen eine Konkurrenzsituation. Darüber hinaus existiert hinsichtlich nachwachsender Rohstoffe noch die Konkurrenz zwischen diesen beiden Nutzungspfaden und der Nahrungs- und Futtermittelerzeugung.

Als prinzipielle Wege zur Bereitstellung von Energie aus Biomasse existieren physikalisch-chemische Verfahren, wie Pressung und Extraktion, biochemische Umwandlungsverfahren, z. B. zu Ethanol oder Biogas, sowie die thermochemischen Verfahren Pyrolyse, Vergasung und Verbrennung. Abgesehen von der direkten Verbrennung werden bei allen Verfahren gasförmige, flüssige oder feste Energieträger erzeugt. Diese werden letztlich ebenfalls verbrannt; je nach Einsatzzweck in Feuerungen, Motoren, Turbinen oder zukünftig verstärkt auch in Brennstoffzellen (Kaltschmitt und Hartmann 2001; FNR 2005).

Im Gegensatz zur energetischen Nutzung gibt es bei der stofflichen Nutzung eine große Vielfalt an Einsatzfeldern. Verschiedenste Industriezweige sind an der Verwertung der Biomasse beteiligt. Dazu gehören die holzverarbeitende Industrie, Bau- und Dämmstoffindustrie, Textilindustrie, Papierindustrie und chemische Industrie.

Biomasse ist komplex zusammengesetzt, sodass die Auftrennung in die Grundstoffe vor einer weiteren Verarbeitung zweckmäßig ist. Die Grundstoffe der pflanzlichen Biomasse sind Kohlenhydrate (Stärke, Zucker, Cellulose), Lignin, Proteine und Öle bzw. Fette, daneben diverse Sekundärpflanzenstoffe wie Vitamine, Farbstoffe, Geschmacks- und Geruchsstoffe der unterschiedlichsten chemischen Struktur. Über diese Grundstoffe werden chemische Grund- und Verfahrensstoffe, Polymere (Kunststoffe), Schmierstoffe, Papier und Pappe, Bau- und Dämmstoffe sowie Pharmaka gewonnen. Im Gegensatz zur energetischen Nutzung ist die Menge an verwendeter Biomasse relativ gering, ausgenommen bei der holzverarbeitenden Industrie (CARMEN 2004; Kamm et al. 2006; Menrad 2006; FNR 2006a).

3 3 Bedarf und Angebot von Biomasse zur energetischen Nutzung

3.1 3.1 Bedarf

Der jährliche Primärenergiebedarf in Deutschland betrug 14.464 PJ/a in 2006 (BMWi 2007). Nach derzeitigen Prognosen könnte dieser Bedarf bis zum Jahr 2030 auf 12.000 bis 10.500 PJ pro Jahr zurückgehen (Nitsch 2007; EWI und Prognos 2006). Der Endenergieverbrauch beträgt nur etwa zwei Drittel des Primärenergieverbrauches. Bei der Umwandlung der Primärenergieträger zu Endenergieträgern entstehen demnach energetische Verluste von rund einem Drittel (BMWi 2007).

Im Jahr 2006 konnten schon 5,3 % des Primärenergieverbrauchs und 7,4 % des Endenergieverbrauchs durch erneuerbare Energien bereitgestellt werden. Der Anteil an Biomasse innerhalb der erneuerbaren Energieträger betrug dabei rund 71 % (BMU 2007). Bioenergie ist demnach der wichtigste Teil im Mix der erneuerbaren Energien. Prognosen gehen davon aus, dass der Anteil von Biomasse am erneuerbaren Energiemix auch zukünftig (bei einem Betrachtungszeitraum bis 2030) in etwa gleich bleiben wird (Nitsch 2007).

Nach Prognosen des EWI (Energiewirtschaftliches Institut der Universität zu Köln) und Prognos (2006) kann der Anteil an erneuerbaren Energien am PEV bis 2020 auf 11 % steigen. Nitsch (2007) dagegen geht davon aus, dass bis 2030 sogar 15,7 % des PEV über erneuerbare Energien gedeckt werden können. Beiden Prognosen zufolge kann das Ziel von 20 % bis 2020 demnach nicht erreicht werden. Allein für Biomasse bedeutet das Ziel einen Anteil am Primärenergiebedarf von 14 % bis 2020. Wie im Folgenden näher erläutert hält der SRU einen Anteil der Bioenergie am Primärenergiebedarf in Deutschland von rund 8 % bis 2020 und 10 % bis 2030 für realistisch.

3.2 3.2 Angebot

Die verfügbare Biomasse ist einerseits von den nutzbaren biogenen Reststoffen und andererseits von den zu gewinnenden nachwachsenden Rohstoffen abhängig. Die Nutzung von biogenen Reststoffen, die in der Abfallwirtschaft (im Sinne des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG)) und als land- und forstwirtschaftliche Reststoffe (außerhalb des KrW-/AbfG) anfallen, stellt dabei ein bedeutsames Potenzial für die energetische Nutzung dar. Knappe et al. (2006) berechneten ein technisches Potenzial von rund 72 Mio. Mg TS/a. Dabei muss aber berücksichtigt werden, dass diese – vorhandene – Biomasse bereits jetzt zum Teil genutzt wird. Konkurrierende Nutzungen, zum Beispiel stoffliche Nutzung als Holzwerkstoff in der Spanplatten- oder Papierindustrie oder zur Bodenverbesserung (organischer Dünger, Mulchmaterial) vermindern das energetisch nutzbare Potenzial, sind jedoch häufig auch erwünschte und ökologisch sinnvolle Nutzungen. So ist es beispielsweise aus Gründen des Bodenschutzes erforderlich je nach Standort bis zu 80 % des Strohs auf dem Acker zu belassen (Fritsche et al. 2004).

In mehreren Studien wird das technisch nutzbare Potenzial der Reststoffe mit 523 bis 908 PJ/a für das Bezugsjahr 2000 angegeben, das entspricht 3,7 % bis 6,4 % des derzeitigen Primärenergieverbrauchs. Bis 2030 werden nur geringe Änderungen der Potenziale prognostiziert. Je nach Studie und dem jeweiligen Szenario kommt es zu einer Zunahme oder sogar zu einer leichten Abnahme des Potenzials. Eine Zunahme des technischen Potenzials wird bei fast allen Szenarien im Bereich des Restholzaufkommens, des organischen Hausmüllanteils, des Landschaftspflegematerials und Klärschlammaufkommens angenommen (vgl. dazu Fritsche et al. 2004; Nitsch et al. 2004; Thrän et al. 2005). Dadurch, dass verschiedene vor allem ökologische Restriktionen in den Studien und Szenarien angenommen werden, kommt es zu den Unterschieden zwischen den Studien. Nachdem in den Szenarien mit den höchsten Potenzialen kaum bis gar keine ökologischen und naturschutzfachlichen Restriktionen auch hinsichtlich des heutigen rechtlichen Rahmens angenommen werden, ist der SRU (2007) zu dem Schluss gekommen, dass das Potenzial aus biogenen Reststoffen maximal 5 % des Primärenergiebedarfs erreichen kann.

Für das Potenzial an nachwachsenden Rohstoffen stellen die zur Verfügung stehende Anbaufläche sowie die Erträge der Energiepflanzen pro Fläche die Schlüsselgrößen dar. Die Ackerfläche in Deutschland hat einen Anteil von 33 % (DESTATIS 2007) an der Gesamtfläche. Davon wurden 17 % in 2007 für den Anbau von nachwachsenden Rohstoffen genutzt (FNR 2006b). Für die Berechnung eines energetischen Potenzials für nachwachsende Rohstoffe muss zuerst das zukünftig verfügbare Flächenpotenzial ermittelt werden. In einem weiteren Schritt können Annahmen zu den angebauten Pflanzenarten und deren Erträge pro Fläche sowie der verwendeten Umwandlungstechnologien vorgegeben werden, um das Energiepotenzial zu ermitteln.

Abbildung 1a zeigt die Flächenpotenziale für nachwachsende Rohstoffe, die in verschiedenen Studien und deren Szenarien für die Jahre 2010, 2020 und 2030 ermittelt wurden. In allen Studien bzw. Szenarien wird eine Zunahme der möglichen Anbaufläche für nachwachsende Rohstoffe bei gleichzeitiger Abnahme der benötigten Anbaufläche für Nahrungsmittel prognostiziert. Allerdings weisen die Studien dabei untereinander, aber auch innerhalb der Szenarien erhebliche Unterschiede auf.

Grundsätzlich werden die Szenarien unterschieden in ein Referenzszenario, das den bisherigen Trend fortschreibt, ein umweltbezogenes Szenario, das Umwelt- und Naturschutzvorgaben im besonderen Maße berücksichtigen soll, und ein Szenario, das die Maximierung der Biomassenverfügbarkeit zum Ziel hat und eine Obergrenze der Biomassenutzung darstellen soll. Innerhalb der Maximalszenarien werden jedoch derzeitige rechtliche Regelungen vor allem bezüglich des Naturschutzes nicht vollständig beachtet wie z. B. die Vorgabe nach § 3 BNatSchG, dass ein Netz verbundener Biotope geschaffen werden soll, das mindestens 10 % der Landesfläche umfasst. Dadurch kommt es bei diesen Szenarien zu einer Überschätzung des Potenzials, sodass diese nicht als Obergrenze aus heutiger Sicht gewertet werden können. Sie sollten deshalb auch nicht für die Erarbeitung politischer Ziele hinsichtlich der Biomassenutzung herangezogen werden.

Die großen Unterschiede zwischen den Szenarien begründen sich in den unterschiedlichen Annahmen, die in Bezug auf Produktionssteigerung in der Nahrungsmittelproduktion sowie generell in der Pflanzenproduktion, Selbstversorgungsgrad für Nahrungsmittel, Bevölkerungsentwicklung, Naturschutzbelange, Anteil von Brachflächen, Anteil an ökologischer Landwirtschaft, Flächenverbrauch usw. getroffen wurden. Der SRU (2007) kommt zu dem Schluss, dass die Szenarien, in denen die heutigen naturschutzfachlichen Rahmenbedingungen berücksichtigt werden, als realistisch angesehen werden können. Damit ergibt sich ein Flächenpotenzial zwischen 3 und 4 Mio. ha bis 2030. Zu kritisieren an den abgebildeten Potenzialen ist allerdings, dass kein Szenario weiterführende naturschutzfachliche Restriktionen berücksichtigt, wie sie beispielsweise vom SRU gefordert werden (SRU 2007).

Das Energiepotenzial hängt des Weiteren von den genutzten Pflanzenarten – auch hinsichtlich einer einzuhaltenden Fruchtfolge – sowie von möglichen Produktionssteigerungen und den verschiedenen technischen Nutzungsmöglichkeiten ab. In Abb. 1b sind diese Unterschiede verdeutlicht. Es ist klar zu erkennen, dass die Nutzung von Festbrennstoffen wie Kurzumtriebsplantagenholz (KUP) zur Wärme- und Wärme- und Stromnutzung sowie auch die gekoppelte Wärme- und Stromnutzung von Mais über Biogas wesentlich höhere Energieerträge pro Hektar erzielen als die Nutzung von Energiepflanzen zur Herstellung von Flüssigkraftstoffen der ersten Generation. Für das Kraftstoff-Beimischungsziel mit 6,75 % bis 2010 werden bei Nutzung von 2/3 Biodiesel und 1/3 Bioethanol 3 Mio. ha Anbaufläche benötigt. Die Markierung in Abb. 1a verdeutlicht, dass dieses Ziel nicht mit Biomasse nationaler Herkunft erreicht werden kann. Insgesamt können bei einem durchschnittlichen Energieertrag und einem Flächenpotenzial von 4 Mio. ha bis 2030 auch mit dem Reststoffpotenzial zusammen nur rund 10 % des Primärenergiebedarfs mit Biomasse gedeckt werden. Damit wird klar, dass die angestrebten Ausbauziele weder in naher noch in ferner Zukunft mit Biomasse nationaler Herkunft zu erreichen sind.

Abb. 1
figure 1

a Übersicht über die Anbauflächenpotenziale in Deutschland für nachwachsende Rohstoffe verschiedener Studien von 2010 bis 2030 (ohne Grünland; * keine Angaben für 2030; Quelle: SRU 2007, nach Fritsche et al. 2004; Nitsch et al. 2004; Thrän et al. 2005, EEA 2006); b Darstellung durchschnittlicher Energieerträge (netto) und deren Schwankungsbereiche von nachwachsenden Rohstoffen bei verschiedenen Nutzungspfaden in GJ/ha (Quelle: SRU 2007)

Das Erreichen der derzeitigen politischen Ziele hinsichtlich des Ausbaus der Bioenergie ist demnach nur mit einem erheblichen Importaufwand von Biomasse oder Bioenergieträgern möglich. Im Hinblick auf zukünftige Zielhorizonte wird sich dieser Importaufwand voraussichtlich noch verstärken, auch bei einer Ertragssteigerung in der Pflanzenproduktion und bis dahin möglicherweise großtechnisch einsetzbaren effizienteren Technologien. Durch die ambitionierten politischen Ziele vor allem für eine Biokraftstoffnutzung werden also Importe von Biomasse bzw. Bioenergieträgern forciert.

4 4 Umweltauswirkungen

Der derzeit vorangetriebene zügige Ausbau von Biomasse kann sowohl auf nationaler als auch auf der internationalen Ebene signifikante Folgen für die Umwelt haben. Der intensive Anbau steht dabei oft mit Zielen des Naturschutzes im Konflikt, zumal die konventionelle Landwirtschaft bereits jetzt negative Auswirkungen auf den Naturhaushalt – insbesondere auf Böden und Gewässer – verursacht (Rode et al. 2005). Nachhaltige Anbauverfahren können hingegen Synergieeffekte mit dem Naturschutz nach sich ziehen. Negative Auswirkungen sind auf nationaler Ebene vor allem bei der flächenhaften Zunahme z. B. von Raps und Mais auf Kosten weniger umweltgefährdender Anbauformen zu finden. Die in Tabelle 1 dargestellten Umweltbelastungen ausgewählter Anbaupflanzen in Europa machen deutlich, dass diese Hauptenergiepflanzen Raps und Mais höhere Umweltrisiken bewirken als andere Anbaupflanzen (Europäische Energie Agentur (EEA) 2006). Des weiteren verursachen die Um- oder Übernutzung von CO2-speichernden Vegetationsformen wie Wald oder Grünland negative Umweltauswirkungen. Diese Gefährdungen müssen durch eine Anpassung des rechtlichen Rahmens eingedämmt werden (s. dazu Abschn. 5).

Tabelle 1 Umweltbelastungen ausgewählter Anbaupflanzen in Europa (Quelle: EEA 2006)

Grundsätzlich können nachwachsende Rohstoffe auch in nachhaltiger Anbauweise erzeugt werden. Neben der Erprobung und Anwendung alternativer Anbauverfahren und traditionell verwendeter Sorten gehört dazu auch die Entwicklung von Sorten, die sich durch einen minimalen Pestizid- und Düngemittelbedarf auszeichnen. Neben dem Schutz der Böden und Gewässer führen nachhaltige Anbauverfahren – insbesondere dort, wo Intensivkulturen ersetzt werden – zu positiven Begleiteffekten für die Artenvielfalt.

Durch die energetische Nutzung von Biomasse kommt es auf der einen Seite zu ökologischen Entlastungen hinsichtlich der Schonung fossiler Energieressourcen und gegebenenfalls der Verringerung von Treibhausgasemissionen. Auf der anderen Seite kommt es aber wie bei jeder technischen Nutzung vor allem bei der thermo-chemischen Umwandlung zu Umweltbelastungen wie Emissionen mit versauernden und eutrophierenden Wirkungen (Schwefeldioxide und Stickoxide) sowie Emissionen von Stäuben (vor allem Feinstaub) und anderen Schadstoffen.

Wegen nicht hinreichender ökobilanzieller Betrachtungen wird die Minderung von Treibhausgasen bei der energetischen Nutzung von Biomasse tendenziell überschätzt. Vor allem wegen der Vernachlässigung der Treibhausgasemissionen, die durch den Anbau von Biomasse entstehen, kann zurzeit keine abschließende Bewertung vorgenommen werden, da in den bisher vorhandenen Ökobilanzen unterschiedliche Bilanzrahmen festgelegt sind. So können sich die Ergebnisse der Ökobilanzen signifikant unterscheiden, beispielsweise je nachdem, inwiefern Neben- bzw. Sekundärprodukte berücksichtigt werden. Im Allgemeinen kann man aber davon ausgehen, dass ähnlich wie bei den Energiepotenzialen die Nutzung von biogenen Flüssigkraftstoffen nachteilig gegenüber der stationären Nutzung (Wärme und Strom) ist. Biogas aus Gülle birgt stets ein hohes THG-Einsparungspotenzial, da die Methanemissionen vermieden werden, die bei der Gülleausbringung ohnehin entstehen. Auch Biogas aus nachwachsenden Rohstoffen erweist sich als vorteilhaft, vor allem im Vergleich mit Flüssigkraftstoffen, sodass dessen Einsatz als gasförmiger Kraftstoff nicht vernachlässigt werden sollte. Hinsichtlich der flüssigen Kraftstoffe erweisen sich Biomass-to-Liquid (BtL)-Kraftstoffe zwar als vorteilhafter gegenüber den Biokraftstoffen der so genannten ersten Generation. Jedoch erscheint nach derzeitigem Stand auch diese Technologie, die noch dazu erst mittelfristig für eine großtechnische Produktion zur Verfügung stehen wird, gegenüber der stationären ungünstiger zu sein (vgl. dazu Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Potenziale zur Reduktion der Treibhausgasemissionen bei verschiedenen Biomassenutzungspfaden (Quelle: Vollmer 2007)

Diese Ausführungen zeigen, dass nur ein mäßiger Ausbau der Biokraftstoffe angestrebt werden sollte. Dagegen sollte die stationäre Nutzung gefördert werden, die vor allem bei der Wärmenutzung bzw. bei kombinierter Wärme- und Stromnutzung gute THG-Einsparungspotenziale aufweist. Generell ist anzustreben den Aggregatzustand der jeweiligen Energieträger möglichst nicht mehrfach zu ändern (z. B. Biogas als Erdgassubstitut, Holz zu Wärme statt zu BtL), um möglichst geringe Umwandlungsverluste zu ermöglichen. Auch wenn diese generellen energetischen Grundsätze nicht immer den Marktpraktiken entsprechen, sollten diese auf jeden Fall von der Förderpolitik berücksichtigt werden.

5 5 Eine nachhaltige Biomassestrategie

Eine nachhaltige Steuerung des Einsatzes von Biomasse sollte aus Sicht des SRU (2007) auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene zwei grundlegende Anforderungen erfüllen:

  • Sie muss die Biomassenutzung im Hinblick auf die Vermeidung von Treibhausgasemissionen optimieren.

  • Sie muss einen nationalen, europäischen und internationalen Ordnungsrahmen für einen umweltgerechten Anbau von Energiepflanzen entwickeln. Dieser Ordnungsrahmen kann nicht ungeachtet der generellen Instrumente für eine umweltgerechte Landwirtschaft entwickelt werden.

Auf nationaler Ebene sollte die derzeitige Förderung der energetischen Biomassenutzung in zwei Phasen weiterentwickelt werden, um den zuerst genannten Punkt zu erfüllen. Eine Übergangsphase, in der ein breites Spektrum von Technologien gefördert wird, sollte in eine abschließende zweite Phase des effizienten Klimaschutzes durch ein erweitertes grundlegend reformiertes Emissionshandelssystem für Treibhausgase überleiten. In dieser Übergangsphase sollte eine Förderung von Technologien vermieden werden, deren mittel- bis langfristiger Klimaschutzbeitrag nicht in einem vernünftigen Referenzrahmen von gesamtwirtschaftlich kosteneffizienten Klimaschutzmaßnahmen liegt. Aussichtsreiche Technologien lassen sich unter Berücksichtigung realistischer Schätzungen von Lernkurveneffekten hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Potenziale identifizieren und auf Basis von Lebenszyklusanalysen umweltpolitisch bewerten. Langfristig sollte die Vermeidung von Treibhausgasen prioritär dort stattfinden, wo sie relativ am kostengünstigsten ist. Für die einzelnen Förderbereiche bedeutet dies ein mittelfristiges Auslaufen der mengenbezogenen Förderung und die möglichst weitgehende Integration in einen sektorübergreifenden Emissionshandel. Langfristig anzustreben wäre hier der Emissionshandel auf der ersten Handelsstufe, da dieser gegenüber den im Entstehen begriffenen sektoralisierten Handelssystemen einfacher und zu geringeren Transaktionskosten und -brüchen realisierbar ist.

Funktionsvoraussetzung solcher Modelle der Einbeziehung in den Treibhausgashandel ist eine realitätsnahe Abbildung der Treibhausgasbilanz verschiedener energetischer Verwendungen von Biomasse. Notwendig ist eine Erweiterung der Bilanzierung um die Betrachtung von CO2-Äquivalenten, um zumindest die bei der Herstellung der Bioenergie relevanten Emissionen an Methan und Lachgas einzubeziehen. Auch sollte der gesamte Produktionspfad der Biokraftstoffe von eventuellen Landnutzungsänderungen über den Anbau, die Verarbeitung bis zum Verbrauch in den betreffenden Motorentypen betrachtet werden. Landnutzungsänderungen spielen dabei im Hinblick auf die Speicherfähigkeit der Böden für CO2 eine wichtige, bisher weitgehend ausgeklammerte Rolle.

Für einen umweltgerechten Anbau der Biomasse sollten grundsätzlich die gleichen Standards wie für die Nahrungs- und Futtermittelproduktion gelten. Die Veränderungen der Landwirtschaft, die angesichts der gezielten Förderung des Anbaus von nachwachsenden Rohstoffen zu erwarten sind, sind allerdings Anlass dafür, die umweltverträgliche Entwicklung der Landwirtschaft insgesamt voranzutreiben. Die bestehenden ökologischen Standards auf nationaler und europäischer Ebene, die sich im Rahmen der guten fachlichen Praxis (GfP) oder der europäischen Vorgaben des Cross Compliance finden, sollten in jedem Fall konsequent umgesetzt, aber auch partiell weiterentwickelt werden.

Spezifische Standards für den Biomasseanbau sind vor allem hinsichtlich der Reststoffentnahme erforderlich, die im Übermaß zu negativen Eingriffen in die Nährstoffkreisläufe führen kann. Darüber hinaus kann sich ein spezifischer Regulierungsbedarf künftig hinsichtlich des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen ergeben. Im Falle von fruchtart- und standortspezifischen Auswirkungen sollte durch Maßnahmen der räumlichen Gesamtplanung Vorsorge getroffen werden. Auch die flächenbezogene Förderung der nachwachsenden Rohstoffe sollte nur unter der Bedingung erfolgen, dass keine schutzwürdigen oder empfindlichen Gebiete durch unangepasste Anbauformen in Anspruch genommen werden.

Da aufgrund der ambitionierten Biomassepolitik der EU und der Bundesrepublik Deutschland mit einer deutlichen Ausweitung der Biomasseimporte aus nicht der EU zugehörigen Ländern, darunter insbesondere auch Schwellen- und Entwicklungsländer, zu rechnen ist, muss sichergestellt sein, dass die Importsteigerung umweltschädigenden Herstellungspraktiken in den Erzeugerländern keinen Vorschub leistet. Mit der Ausweitung der Biomasseproduktion im internationalen Rahmen gehen erhebliche Gefahren eines Raubbaus an den Naturgütern der Erzeugerländer einher, dem durch verbindliche Standards entgegengewirkt werden muss. Private Zertifizierungssysteme sind dabei kein funktionales Äquivalent für verbindliche Standards des Biomasseanbaus, bieten aber einen wichtigen konzeptionellen Ansatz für deren Entwicklung. Dabei muss aber beachtet werden, dass die Entwicklung von Zertifizierungssystemen nicht kurzfristig möglich sein wird.

6 6 Fazit

Die Nutzung von Biomasse ist vor dem Hintergrund der mittlerweile breit geführten Klimadebatte ein zentrales Thema geworden. Wie beschrieben, bietet Biomasse große Chancen hinsichtlich ihrer stofflichen und energetischen Nutzungsmöglichkeiten. Das nationale Angebot an Biomasse ist aber zwangsläufig durch die zur Verfügung stehende Fläche begrenzt. Allein die für 2010 angestrebte Kraftstoffquote von 6,75 % würde theoretisch die zukünftig für nachwachsende Rohstoffe zur Verfügung stehende landwirtschaftliche Fläche benötigen. Die derzeit artikulierten, sehr ambitionierten politischen Ziele in Deutschland können demnach nicht mit Biomasse nationaler Herkunft realisiert werden. Biomasse ist ein internationales Handelsgut, sodass grundsätzlich gegen entsprechende Importe nichts eingewendet werden kann. Dabei sind jedoch die ökologischen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Biomasseproduktion in den Exportländern angemessen zu berücksichtigen und sollten Bestandteil einer nationalen Biomassestrategie sein.

Auch auf nationaler Ebene ist der Anbau von Biomasse nicht zwangsläufig nachhaltig und umweltverträglich. Er kann mit negativen Auswirkungen auf den Naturhaushalt verbunden sein. Es ist zu befürchten, dass durch einen verstärkten Anbau negative Auswirkungen der Landwirtschaft im allgemeinen in gesteigertem Maße auftreten. Dieser Zusammenhang sollte vor einem weiteren Ausbau der Biomassenutzung intensiver untersucht werden. Die Förderung von Bioenergie sollte mit einem naturverträglichen Ausbau des Anbaus einhergehen. Generell muss hinsichtlich des energetischen Einsatzes von Biomasse ökologisch wie auch gesellschaftlich ein Verschlechterungsverbot gelten.

Der Klimaschutz, zusammen mit einem naturverträglichen Ausbau, sollte im Hinblick auf die ambitionierten Klimaschutzziele der Bundesregierung wie auch der Europäischen Union das vorrangige Ziel der Biomassenutzung sein. Die verschiedenen Nutzungspfade führen allerdings zu unterschiedlichen Treibhausgas-Einsparungspotenzialen. Aufgrund unterschiedlicher Bilanzrahmen der bisher erstellten Ökobilanzen kann keine eindeutige Beurteilung der verschiedenen Techniken vorgenommen werden. Generell scheint derzeit aber der Einsatz von Biomasse bezogen auf den Klimaschutz im mobilen Bereich schlechter zu sein als der Einsatz im stationären Bereich. Dagegen erweist sich die Biogasnutzung hinsichtlich aller Nutzungsoptionen als vorteilhaft. Eine priorisierte Förderung des Einsatzes von Biomasse im Transportsektor steht dennoch dem Klimaschutzziel konträr gegenüber.

Wird die Nutzung der Biomasse getrennt nach den zur Verfügung stehenden Fraktionen betrachtet, sollte bis auf die fermentativ nutzbaren Reststoffe und nachwachsenden Rohstoffe eher wenig Biomasse für die Kraftstoffherstellung genutzt werden. Feste Biomasse, vor allem der Rohstoff Holz, sollte vielmehr für die Bereitstellung von Wärme eingesetzt werden. Insbesondere die Nutzung für Prozesswärme in der Industrie stellt einen sinnvollen Einsatz dar, da keine andere erneuerbare Energie diese substituieren kann. Hinsichtlich Strom und Raumtemperatur bieten sich zusätzlich und langfristig die erneuerbaren Energiequellen Windkraft, Solarthermie und Geothermie als Substitute an. Wichtig ist aber auch eine verstärkte Nutzung in Nahwärmenetzen statt in Einzelfeuerstätten. Die Biomassenutzung sollte demnach nicht isoliert von anderen erneuerbaren Energien hinsichtlich ihrer Klimaschutzpotenziale betrachtet werden. Ziel sollte vielmehr die Entwicklung eines ganzheitlichen Konzeptes für einen hinsichtlich des Klimaschutzes optimierten Einsatz aller Energieträger sein. Die Integration von Bioenergie in heutige und zukünftige Versorgungsstrukturen ist jedoch noch nicht genügend untersucht worden.

Die energetische Nutzung von Biomasse ist ein wichtiger Baustein für den Klimaschutz. Es sind alle energetischen Nutzungen wie Strom, Wärme und Kraftstoff anzustreben. Die derzeitigen Förderinstrumente berücksichtigen jedoch zu wenig die unterschiedlichen Effizienzgrade und Beiträge zum Klimaschutz, sodass insgesamt keine optimale Nutzung der Biomasse erfolgt. Mittelfristig sollen durchaus möglichst viele Erfolg versprechende Umwandlungstechnologien in Entwicklung und Markeinführung gefördert werden. Langfristig empfiehlt der SRU den Emissionshandel auf der ersten Handelsstufe als Steuerungsinstrument, um zu gewährleisten, dass die Technologien bevorzugt gefördert werden, die ökonomisch und ökologisch den größten Nutzen versprechen.