Zusammenfassung
Der vorliegende Beitrag gibt einen Literaturüberblick zum Produkt „Versicherungsschutz“ aus der Perspektive des Kunden. Als immaterielles Gut auf Basis des Austauschs von Zahlungsströmen sind Versicherungen in besonderem Masse erklärungsbedürftig. Die Normativ-Rationale Entscheidungstheorie fusst in erster Linie auf der Bewertung des stochastischen Zahlungsanspruchs des Versicherungsnehmers. Hierzu sind gewisse Informationsannahmen bezüglich der zugrundeliegenden Zufallsgesetzmässigkeiten notwendig; zudem gehen andere Aspekte wie z. B. Servicequalität oder Markenimage, die für Kunden wichtig sein können, regelmässig nicht in die Bewertung ein. Wir spiegeln die Erkenntnisse der Normativ-Rationalen Entscheidungstheorie mit fünf ausgewählten Studien aus dem Bereich der Verhaltenswissenschaften. Dabei zeigen sich interessante Einblicke in das tatsächliche Entscheidungsverhalten von Versicherungsnehmern sowie deren spezifischen Präferenzen für Versicherungen.
Abstract
This article provides a literature review on insurance from the policyholders’ perspective. Insurance as a product calls for explanation, being it an intangible asset based on an exchange of cash flows. The normative-rational decision-making theory bases the valuation of the Insurance product solely on the valuation of the stochastic claims of the policyholder. For this purpose, certain informational assumptions regarding the underlying distribution of claims are necessary. However, other aspects like service quality or brand image are systematically disregarded, even though they are relevant to the client. We reflect on the findings of the normative-rational decision-making theory through five selected studies from the field of behavioral Theory. Through these studies, we get interesting insights into the actual decision-making behavior of policyholders and their specific preferences for insurance.
Notes
Zur Risikotransfer- und Risikotransformationstheorie vgl. Albrecht (1992).
D. h., die übernommenen Risiken sind nicht vollständig stochastisch abhängig.
Dabei gilt anzumerken, dass bei zunehmender Portfoliogrösse das absolute Risiko – z. B. gemessen anhand der Portfolio-Varianz – gleichfalls zunimmt. Lediglich das relative Risiko, also z. B. die Varianz einer versicherungstechnischen Einheit, reduziert sich unter den genannten Bedingungen. Vgl. hierzu Albrecht (1982), S. 501–538.
Vgl. hierzu auch das Kap. 2 der vorliegenden Arbeit und die dort vorgenommene Unterscheidung zwischen absoluter und relativer Bewertung von Zahlungsströmen.
Vgl. z. B. Albrecht und Huggenberger (2017), Gatzert und Schmeiser (2012), Orozco-Garcia und Schmeiser (2019) und die dort angegebene Primärliteratur. Dabei kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass der Nutzenzuwachs beim Versicherten auch bei Transaktions- und Kapitalkosten des Versicherers, die durch Prämien gedeckt werden müssen, bestehen bleibt.
Im Falle eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit besitzt der Versicherungsnehmer zusätzlich Eigentümerrechte.
Vgl. hierzu Krömmelbein (2007).
Für einen Überblick vgl. Farny (2011), S. 2 ff.
Vgl. hierzu auch Spence und Zeckhauser (1978).
Vgl. hierzu auch die in dem Kap. 3 dargestellten Untersuchungen.
Die Gesamtschäden eines Portfolios ergeben sich dabei als stochastische Summe der Schadenanzahl- und Schadenhöhenverteilung (vgl. z. B. Heilmann 1988).
In der Terminologie von Albrecht und Schwake (1988) wird somit in der Regel auf eine Modellierung des reinen Zufallsrisikos abgestellt. Das Irrtumsrisiko (mit den Bestandteilen Diagnose – und Prognoserisiko) bleibt dann unberücksichtigt.
Der heutige Wert eines Versicherungsvertrags ergibt sich damit aus dem Barwert der zukünftigen Zahlungsströme an den Versicherungsnehmer. Der Barwert ist definiert als die diskontierten erwarteten Zahlungen nach Risikoadjustierung (sogenannten erwarteten Zahlungen auf Basis der risikoneutralen Verteilung).
Die Linearität des Preisfunktionals zur Bewertung zukünftiger unsicherer Zahlungsströme folgt aus der Annahme des arbitragefreien Kapitalmarkts. Dass die Wirtschaftssubjekte die Zielfunktion „Wert ihrer Ansprüche“ einmütig unterstützen, bedarf dagegen weiterer Prämissen. Vgl. hierzu Kürsten und Nietert (2006), S. 185. Eine einmütige Unterstützung („Unanimity“) der beschriebenen Zielfunktion erfolgt aber im Allgemeinen dann nicht mehr, wenn Wirtschaftssubjekte handelbare Eigen- und Fremdkapitalansprüche in unterschiedlichen Proportionen halten; vgl. zu dieser Problematik Wilhelm (1987).
Vgl. hierzu beispielsweise Gatzert und Schmeiser (2012): Im angesprochenen Beitrag wird dargestellt, dass nur risikoaverse Versicherungsnehmer (mit Erwartungswert‑/Varianzpräferenz), die zukünftige Zahlungsströme nicht replizieren können, einen Nutzerzuwachs durch die Diversifikation unsystematischer Risiken seitens des Versicherers erzielen.
Ohne diese Annahme ist kaum zu erklären, warum Versicherungsnehmer bereit sind, Prämien zu bezahlen, die über der erwarteten Entschädigungsleistung liegen.
In vielen Literaturbeiträgen zur Versicherungstheorie wird dennoch aus Praktikabilitätsgründen eine isolierte Betrachtung vorgenommen; für einen Überblick vgl. z. B. Zweifel und Eisen (2012), S. 71–108.
Die Bewertungslogik und die Modellannahmen von Black und Scholes gelten auch für die anderen Bestandteile des Versicherungsvertrags: Demnach erfolgt die Barwertbildung aller Zahlungsströme des Vertrags auf Basis von sicher diskontierten Erwartungswerten. Die Erwartungswertbildung fusst dabei auf der risikoneutralisierten Verteilung Q.
In Deutschland müssen z. B. in der Kranken- und Lebensversicherung Abschluss‑, Vertriebskosten und Verwaltungskosten separat ausgewiesen werden; vgl. hierzu Par. 7 (2) Nr. 2 und 3 VVG.
Dieses Ergebnis decken sich im Grundsatz mit Beshears et al. (2011). In dieser Studie wird aufgezeigt, dass eine verstärkte Kontentransparenz bei Altersvorsorgeprodukten keinen Effekt auf die Portfoliowahl der Befragten aufweist.
Cliquet-Style-Garantien sind typisch für gemischte Kapitallebensversicherungen. Hierbei wird dem Sparkapital des Versicherungsnehmers jährlich mindestens ein fixer Garantiezins zugeschrieben. Unter sonst gleichen Bedingungen ist der faire Preis einer Cliquet-style-Garantie regelmässig höher als der einer endfälligen.
Dies ist z. B. in der Schweiz im Bereich der sogenannten beruflichen Vorsorge der Fall.
Der verwendete Zwischen-Gruppen-t-Test besitzt eine hohe Signifikanz.
Für den Versicherungssektor existiert nach unserem Kenntnisstand zu dieser Thematik erst eine Arbeit (vgl. Pooser und Browne 2018). Dabei wird der US-amerikanische Motorversicherungsmarkt betrachtet und der Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Schadenquote/Kostenquote empirisch analysiert.
Vgl. hierzu Kap. 2 des vorliegenden Beitrags.
Vgl. im Folgenden auch Schmeiser (2019).
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Zweifel, P., Eisen, R.: Insurance Economics. Springer, Berlin, Heidelberg (2012)
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Der folgende Beitrag basiert auf einem Vortrag, den Prof. Dr. Hato Schmeiser am 27. März 2019 an der Jahrestagung der Deutschen Vereins für Versicherungswissenschaft in Berlin gehalten hat.
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Brutyan, A., Guxha, D. & Schmeiser, H. Versicherungen aus Kundensicht: Erkenntnisse aus der Wissenschaft. ZVersWiss 108, 365–381 (2019). https://doi.org/10.1007/s12297-019-00447-8
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