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It’s the responsibility, stupid!

Determinanten der Verantwortlichkeitszuschreibung zwischen Europäischer Union und nationaler Regierung für die wirtschaftliche Lage

It’s the responsibility, stupid!

Explaining economic accountability of the European Union and national governments

  • Aufsätze
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Zeitschrift für Vergleichende Politikwissenschaft Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

Modelle ökonomischen Wählens rekurrieren auf zwei Elemente: die Evaluation ökonomischer Verhältnisse und die Zuschreibung von Verantwortlichkeit. So wird eine demokratietheoretisch wichtige Kontrollfunktion ermöglicht; bei schlechter Lage und perzipierter Regierungsverantwortung wird eine Stimme für die Regierung unwahrscheinlicher. In letzter Zeit finden sich vermehrt Studien, die einen Bias bei der Evaluation und teilweise auch bei der Zuschreibung von Verantwortlichkeit nachweisen.

Unser Beitrag transferiert diese Beobachtungen in den Kontext der EU. Die Ergebnisse dieser vergleichenden Analyse bestätigen, dass sowohl Parteineigungen zugunsten der Regierung als auch Einstellungen gegenüber der EU die Verantwortungszuschreibung, konditional zur wirtschaftlichen Lage, verzerren. Die demokratietheoretische Relevanz des Ansatzes ist somit stark beeinträchtigt.

Abstract

Two elements constitute economic voting models: the evaluation of economic conditions and responsibility. This enables an important control mechanism rooted in democratic theory. The combination of bad conditions and perceived accountability decreases the likelihood that votes will be cast for the incumbent. Recent studies have shown that these evaluations are biased; some studies state similar findings with regard to accountability.

Our contribution applies these observations to the EU context. Results of this comparative analysis confirm that both party identification in favour of the incumbent and positive attitudes towards the EU distort accountability. The degree of distortion depends on economic conditions. Thus the relevance of the approach in the context of democratic theory is strongly impaired.

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Abb. 1
Abb. 2
Abb. 3
Abb. 4
Abb. 5

Notes

  1. Die deutsche Sprache bleibt leider eine passende Übersetzung für den Begriff der Accountability schuldig. ‚Verantwortlichkeit‘ (im Englischen eher responsibility) trifft es nicht ganz, da Accountability in der politikwissenschaftlichen Verwendung auch die Verantwortungszuschreibung sowie das ‚Verantwortlich halten‘ mit einschließt. Daher werden wir, um den englischen Begriff zu vermeiden, auf verschiedene Begrifflichkeiten aus dem Wortfeld ‚Verantwortung‘ zurückgreifen.

  2. Wobei diesbezüglich wiederum unterschieden werden kann, ob das Wirtschaftswachstum, die Arbeitslosigkeit oder die Inflation bzw. die jeweiligen Veränderungen betrachtet werden.

  3. Siehe z. B. für eine Diskussion von egozentrischen vs. soziotropischen und objektiven vs. subjektiven Ansätzen bereits Weatherford (1983).

  4. Siehe dort oder Anderson (2007) für einen guten Überblick über die Entwicklung der Literatur zum ökonomischen Wählen.

  5. Für Großbritannien siehe bspw. Clarke et al. (2002), für Deutschland Rattinger und Kellermann (2007).

  6. Die Datengrundlage bildet der Nachwahl-Querschnitt der GLES (Rattinger et al. 2011).

  7. Aufgrund der Wirtschaftskrise sind positive Antworten bzgl. der wirtschaftlichen Entwicklung selten. Daher wurde die retrospektive Beurteilung der wirtschaftlichen Lage in Deutschland in eine binäre Variable überführt, in der Werte von null für schlechte und sehr schlechte Entwicklungen stehen, Werte von eins eine gleich gebliebene oder (stark) verbesserte Lage widerspiegeln. Ebenfalls aufgrund andernfalls sehr geringer Fallzahl wurde die Verantwortungszuschreibung von fünf auf drei Kategorien reduziert. Es wurde ein kombiniertes sozial-, regionalstrukturelles und Transformationsgewicht verwendet.

  8. Augenzwinkernd fasst er den wissenschaftlichen Prozess wie folgt zusammen: „First X presents an impressive study of the Vote or Popularity function for country Z, with a nice theory and – most important – very fine econometric fits: a high R2, very significant t-ratios, and, in addition, some new econometric trick like the ζζ-test from the latest issues of Esoterica. Everybody is impressed, until a few years later Y demonstrates that, by one little change, X’s result collapses.“ (Paldam 1991, S. 10).

  9. Weitere Forschung fokussiert auf Unterschiede zwischen Wählerinnen und Wählern bezüglich des Ausmaßes, in dem ökonomische Evaluationen in ihre Entscheidungsfindungsprozesse eingehen (Anderson 2007; Steiner und Steinbrecher 2012).

  10. Diese Sichtweise klammert den Einfluss von weiteren Akteuren, bspw. multinationalen Konzernen oder anderen politischen Akteuren wie den USA, vorerst aus. In den empirischen Analysen werden aber Kontrollvariablen eingeführt, die das Ausmaß abbilden, in welchem überhaupt Effekte der politischen Entscheidungen auf den beiden Ebenen – Nationalstaat und Europäische Union – perzipiert werden.

  11. Detaillierte Informationen finden sich auf der Homepage des Projektes (www.piredeu.eu).

  12. In der deutschen Version des Fragebogens lauten die beiden Fragen wie folgt: Wie steht es mit der Zuständigkeit der Bundesregierung für die wirtschaftlichen Bedingungen in Deutschland? Und wie steht es mit der Zuständigkeit der Europäischen Union für die wirtschaftlichen Bedingungen in Deutschland?

    Diese Operationalisierung des Verantwortlichkeitsindex als Nullsumme erscheint gerechtfertigt, auch wenn beachtet wird, dass das Verhalten externer Akteure („Dritte“) Einfluss auf die wirtschaftlichen Entwicklungen in den EU-Staaten hat. Dies gilt so lange, wie nicht davon ausgegangen werden muss, dass diese Dritten einen stärkeren Einfluss auf die Verantwortung der nationalen als der EU-Ebene (oder umgekehrt) für die wirtschaftliche Entwicklung ausübten.

  13. Die Fallzahl wurde für diese Abbildung an jene der Regressionsanalyse (Tab. 2) angepasst und wie für die Regressionsanalyse in Tab. 2 wurden Anpassungsgewichte zur Verbesserung der Repräsentativität verwendet.

  14. Eine Berechnung der Intra-Klassen-Korrelation (ICC) im Mehrebenenmodell schwächt diese Einschätzung etwas ab. Lediglich 5,3 % der vorhandenen Varianz lassen sich auf Unterschiede zwischen den Gruppen, in diesem Fall also den Ländern, zurückführen. Daraus folgt, dass sich ein Großteil der Unterschiede zwischen Ländern auf eine Ungleichverteilung von individuellen Charakteristika zurückführen lässt. Nichtsdestotrotz ergibt sich ein signifikanter LR-Test für das Mehrebenenmodell im Vergleich zum einfachen Regressionsmodell.

  15. Die detaillierten Ergebnisse der Analyse finden sich im Anhang (Tab. 4). Im Gegensatz zu allen anderen Berechnungen in diesem Papier beruht dieses Modell nicht auf durch Anpassungsgewichte korrigierten Daten. Die xtmelogit-Prozedur in Stata ist leider nicht in der Lage, Berechnungen mit Gewichten vorzunehmen. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass dies zu einer signifikanten Verzerrung der Ergebnisse führt.

  16. Die Befragtenzahl schwankt dabei zwischen 535 und 872 pro Land. Um zu überprüfen, inwiefern die Ergebnisse durch Ausfälle von Befragten aufgrund fehlender Werte verzerrt werden, haben wir ein identisches Modell mit imputierten Daten berechnet. Die multiple Imputation basiert auf einem iterativen Markov Chain Monte Carlo (MCMC)-Verfahren (Rubin 2004) in Stata 13, wobei die hierarchische Struktur der Daten beachtet wurde. Bereits bei einer geringen Anzahl von Imputationen (N = 10) erwiesen sich die Parameter als robust. Im Vergleich zum durch fehlende Werte reduzierten Sample ergeben sich keine relevanten Veränderungen, außer, dass durch die Fallzahl von über 27.000 noch höhere Signifikanzniveaus erreicht werden. In Summe kann geschlussfolgert werden, dass die Ausfälle keinen systematischen Einfluss auf die Ergebnisse haben, was für ihre Verallgemeinerbarkeit spricht.

  17. In anderen, ebenfalls komparativen Studien zu ökonomischem Wählen (Alt und Lowry 2010; Anderson 2000; Powell und Whitten 1993) wird die Relevanz der durch das politische System bestimmten Klarheit der Verantwortlichkeit betont. Abträglich für eine solche Klarheit sind etwa Koalitionsregierungen oder Föderalismus. Wir verzichten in unserem Modell aus zwei Gründen auf die Inklusion einer entsprechenden unabhängigen Variable. Zum einen erscheint es äußerst schwierig, ein entsprechendes Klarheitsmaß für die EU zu bestimmen, da dieses Varianz zwischen Mitgliedsstaaten aufweisen müsste. Politische Informiertheit und Medienaufmerksamkeit bezüglich der Europäischen Union variieren stark (de Vries et al. 2011; Schuck et al. 2011). Zum anderen ist das Ausmaß an zusätzlich zu erklärender Varianz zwischen Ländern äußerst gering.

  18. Da fast alle unabhängigen Variablen Dummyvariablen sind, kann die Effektstärke direkt verglichen werden.

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Die Autoren bedanken sich ausdrücklich bei den beiden anonymen Gutachterinnen und Gutachtern für ihre wertvollen Hinweise und bei Josephine Lichteblau und Antonia May für die Unterstützung bei der Erstellung der Druckfassung des Beitrags.

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Correspondence to Aiko Wagner.

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Tab. 4 Logistische Regressionsergebnisse für die Wahlabsicht (zu Abb. 4). (Quelle: European Parliament Election Study 2009 (van Egmond et al. 2011))

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Wagner, A., Giebler, H. It’s the responsibility, stupid!. Z Vgl Polit Wiss 8 (Suppl 2), 123–142 (2014). https://doi.org/10.1007/s12286-014-0210-0

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