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Empirische Deliberationsforschung – eine systematische Übersicht

Empirical deliberation – a systematic review

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Zusammenfassung

Die empirische Deliberationsforschung hat nach zögerlichem Start in den 1990er Jahren einen wahren Boom erlebt: das philosophische Konstrukt des vernünftigen Dialogs wurde nicht nur auf sein Vorkommen in der politischen und zivilgesellschaftlichen Sphäre hin untersucht, sondern zunehmend auch in Modelle politischen Entscheidungshandelns eingebaut. Folgender Literaturbericht fragt systematisch nach den Funktionsweisen deliberativen Handelns, seiner institutionellen, kulturellen und akteursspezifischen Voraussetzungen sowie den Ergebnissen, die aus deliberativ hochwertigen Prozessen erfolgen. Die mittlerweile vielfältigen empirischen Studien zeigen, dass insbesondere unter günstigen institutionellen Bedingungen Akteure in Politik und Zivilgesellschaft vernünftig miteinander diskutieren können, wobei sich dann auch normativ wünschbare Ergebnisse (wie höhere epistemische Qualität oder breiter abgestützte Kompromisse) einstellen. Gleichwohl bleiben nach einer Dekade intensiver Forschung einige zentrale Fragen offen, insbesondere die Frage nach der stringenten Trennung von deliberativem (und verständigungsorientiertem) und strategischem Handeln.

Abstract

After a hesitant start in the 1990s, empirical research on deliberation has experienced a veritable boom in the past decade. Not only have there been numerous attempts at studying the empirical occurrence of the philosophical construct of deliberative action in the political and the civic sphere, deliberation is also increasingly being incorporated into political decision models. This systematic literature review sheds light on the functioning of deliberative action in the real world by taking an in-depth view of its institutional, cultural, and actor-specific preconditions as well as the outcomes of high-quality deliberative processes. By now, various empirical studies have shown that deliberative action in politics and the civic sphere takes place especially under conducive institutional conditions; under these conditions, normatively desirable outcomes (such as higher epistemic quality and broad-based compromises) also occur. However, after a decade of intense research, a number of crucial questions remain unanswered, especially the question of how to distinguish deliberative (and communication-oriented) action from strategic action in empirical research.

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Abb. 1

Notes

  1. Dieser Beitrag ist komplementär zu einem Lehrbuch-Artikel zu empirischer Deliberationsforschung (Bächtiger 2013); allerdings will letzterer mehr einen allgemeinen und breiten Überblick über die empirische Deliberationsforschung bieten, während sich dieser Artikel aus einer forschungsorientierten Perspektive stärker auf die Funktionsweisen von Deliberation, ihren Voraussetzungen und Folgen in Politik und Zivilgesellschaft konzentriert.

  2. Andere Weiterentwicklungen betreffen etwa die verstärkte Berücksichtigung von story-telling, Rhetorik und Emotionen (siehe Bächtiger et al. 2010a).

  3. Bezüglich Ergebnis unterscheiden Mansbridge et al. (2012) zwischen epistemischer Qualität, Fairness und ethischen Zielen (Respekt). Wir simplifizieren diese Typologie, indem wir neben Präferenztransformationen auch zwischen epistemischer Qualität und (verschieden Stufen von) Akkommodation unterscheiden.

  4. Ein alternatives, aber vielversprechendes methodisches Instrument zur Erfassung von Mikro-Interaktionen in Gremien ist der von Pritzlaff und Nullmeier entwickelte praktikentheoretische Ansatz (Pritzlaff und Nullmeier 2009; Weihe et al. 2008). Kalwitzki et al. (2013) wiederum schlagen eine prozessbezogene Individualanalyse des Entscheidungsverhaltens in Gruppen vor, mit dem Ziel, anhand von Begründungszusammenhängen eine Neubewertung der quantitativen Experimentalergebnisse vorzunehmen.

  5. Interessanterweise sind sämtliche Interaktionseffekte zwischen den verschiedenen Kontextfaktoren entweder insignifikant oder je nach Modellspezifikation nicht robust. Substantiellere Effekte ergeben sich deshalb durch die simple additive Kombination der Kontextfaktoren.

  6. In den deutschen Debatten, bei denen die Parteidisziplin von den Parteileitungen aufgehoben wurde (wodurch auch die Regierungs-Oppositions-Logik konterkariert wird), ähnelt das Deutsche dem Schweizerischen System mit seinem nicht-parlamentarischen und relativ losen Koalitionsarrangement.

  7. 16 % aller Reden in Europolis waren explizit respektvoll (Parlament: 12 Prozent), und nur gerade vier Prozent abwertend (Parlament: 25 Prozent); eigene Berechnungen auf der Basis der Europolis-Daten (siehe Gerber et al. 2012).

  8. Bei Europolis beinhalten über 40 % aller Reden mindestens eine vollständige Begründung; zehn Prozent aller Reden in Europolis beinhalten komplexe Begründungen. Bei den von Steiner et al. (2004) untersuchten Parlamentsdebatten sind in 39 % der Reden komplexe Begründungen vorzufinden.

  9. Im Gegensatz zu Gerber et al. (2012) und French und Laver (2009) kontrolliert Hansens Studie aber nicht für weitere Faktoren der Meinungsänderung (wie Grundpräferenzen oder politische Orientierung).

  10. Erste Ansätze in einer systemische Betrachtungsweise finden sich bei Landwehr und Holzin­ger (2010) und Pedrini 2013); für einen interessanten Operationalisierungsvorschlag siehe Beste (2013).

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Correspondence to André Bächtiger.

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Für sehr hilfreiche Kommentare und Hinweise zu diesem Artikel danken wir Marianne Kneuer, Seraina Pedrini, Marlène Gerber, Simon Beste und Patrick Emmenegger. Für eine vorzügliche Durchsicht auf sprachliche und andere Unzulänglichkeiten danken wir Annelène Bächtiger und Christoph Mohamad-Klotzbach.

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Bächtiger, A., Wyss, D. Empirische Deliberationsforschung – eine systematische Übersicht. Z Vgl Polit Wiss 7, 155–181 (2013). https://doi.org/10.1007/s12286-013-0153-x

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