Veränderungen der Mundschleimhaut stellen nicht nur eine diagnostische Herausforderung dar, sondern können auch bezüglich ihrer Entwicklung zum Malignom für den Patienten von höchster Relevanz werden. Aus diesem Grund muss es uns überraschen, dass der Erfolg der Zahnmedizin entweder im Sinne der Ästhetik oder im Bereich der Karies- und Parodontitisprävalenz gemessen wird. In der Realität erfüllt die Zahnmedizin noch weitaus mehr (sozial)medizinische Aufgaben. Die Zahnärztin und der Zahnarzt erfüllen mit ihrem Blick auf die Mundschleimhaut eine weit darüber hinausgehende Aufgabe. Nicht nur die Beurteilung weißer Schleimhautveränderungen und ihre mögliche Einordung als Vorläuferläsion oder bereits als Karzinom erfolgt durch Zahnärzte, sondern auch die Verbindung zu systemischen Erkrankungen wird von Zahnärzten beurteilt. In Zusammenarbeit mit den Nachbarfächern der Medizin kann die Diagnosestellung und Therapie sinnvoll eingeleitet werden. Wichtig für das Verständnis ist die Vorstellung, dass eine Vorläuferläsion eines Karzinoms eben nicht krank oder gesund ist, sondern im Übergang eine unterschiedliche Ausprägung der Dysplasie zeigen kann. Auch wissenschaftlich hat sich auf diesem Gebiet viel entwickelt. Gerade in jüngster Zeit gibt es eine wichtige Diskussion um die Rolle der chronischen Infektion, z. B. durch Candida oder Prothesenreizung, bei der Tumorgenese.

Damit wird deutlich, wie wichtig die Einordnung von Mundschleimhauterkrankungen in der täglichen zahnärztlichen Praxis ist. Gerade weil die Diagnosestellung nicht immer einfach ist, kann nur eine regelmäßige Auffrischung der Kenntnisse und der klinischen Krankheitsbilder dazu führen, dass Zahnmedizin auch in Zukunft mehr ist als die mechanische Behandlung von Karies und Parodontitis.

Im Sinne der oralen Medizin widmet sich dieses Heft den Mundschleimhauterkrankungen an ihrer Schnittstelle zur Zahnmedizin und beleuchtet auch aktuelle Aspekte, die für die praktisch Tätigen von höchster Relevanz sein dürften. Ich wünsche viel Spaß beim Lesen des vorliegenden Hefts. Möge es dazu beitragen, unsere Freude am Beruf im Sinne einer ganzheitlichen Behandlung unserer Patienten aufrechtzuerhalten.

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Prof. Dr. Dr. B. Al-Nawas