Zusammenfassung
Hintergrund
Ein Teil der Bevölkerung befürchtet negative Auswirkungen niederfrequenter Magnetfelder (NF-MF), die z. B. von Hochspannungsleitungen und anderen Anlagen und Geräten mit der Frequenz 50 Hz bzw. 16 2/3 Hz ausgehen. Manche Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen einer NF-MF-Exposition und einem erhöhten Risiko für neurodegenerative Erkrankungen, u. a. für die Alzheimer-Demenz (AD).
Ziel der Arbeit und Methode
In dem vorliegenden narrativen Review wird der aktuelle Stand der Forschung zu NF-MF und möglichen Auswirkungen auf das AD-Risiko und den Schlaf anhand epidemiologischer und experimenteller Studien zusammengefasst und methodenkritisch diskutiert.
Ergebnisse und Diskussion
In epidemiologischen Studien konnte sowohl in Untersuchungen zur beruflichen Exposition gegenüber niederfrequenten Magnetfeldern als auch in Untersuchungen zur häuslichen Exposition durch Hochspannungsleitungen ein geringfügig erhöhtes Risiko für Alzheimer-Demenz beobachtet werden. Als signifikant erwies sich dieses Risiko allerdings nur in den Metaanalysen zur beruflichen Exposition. Die Studien zeichnen sich durch eine große Heterogenität aus, weshalb offen bleibt, ob den Beobachtungen ein ursächlicher Zusammenhang zugrunde liegt. Während ein Wirkmechanismus noch nicht bekannt ist, könnte der Schlaf bei der Suche nach einem solchen eine Schlüsselrolle spielen. Da ein gestörter Schlaf nachweislich zu einer erhöhten Konzentration der Biomarker der Alzheimer-Demenz (Amyloid und Tau und deren Ablagerungen) führt, ist eine Störung durch externe Faktoren als Auslöser oder Verstärker denkbar. In epidemiologischen Studien kann der Schlaf nur sehr ungenau gemessen werden und ist anfällig für Confounder, die im Rahmen von experimentellen Studien besser kontrolliert werden können.
Einige experimentelle Studien zeigen eine negative Auswirkung von NF-MF auf den Schlaf von Menschen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Aussagekraft der meisten dieser Studien aufgrund einer schlechten Studienqualität nur sehr beschränkt ist, weshalb hier ein deutlicher Bedarf an Studien mit guter Qualität besteht.
Abstract
Background
A part of the population fears the negative effects of low-frequency magnetic fields (NF-MF), for example, from high-voltage lines and other systems and devices using a frequency of 50 or 16 2/3 Hz. Some studies show an association between NF-MF exposure and an increased risk of neurodegenerative diseases, including Alzheimer’s dementia (AD).
Objectives and methods
In the present narrative review, the current state of research on NF-MF and possible effects on the risk of AD and on sleep is summarized based on epidemiological and experimental studies and is critically discussed in terms of methods.
Results and conclusions
In epidemiological studies on occupational exposure to low-frequency magnetic fields and in studies considering high-voltage power lines, a slight increased risk of Alzheimer’s dementia was observed. However, this risk was only found to be significant in the meta-analyses on occupational exposure. The studies are characterized by great heterogeneity, which is why it remains open whether the observations are based on a causal relationship. While a mechanism of action is not yet known, sleep may play a key role in the search for one. Since disturbed sleep has been shown to lead to an increased concentration of the biomarkers of Alzheimer’s dementia (amyloid and tau and their deposits), a disturbance by external factors as triggers or amplifiers is conceivable.
Epidemiological and experimental studies partially show a negative effect of NF-MF on human sleep. However, it should be kept in mind that the informative value of most of these studies is only very limited, since the quality of the studies is lacking.
In epidemiological studies, sleep can only be measured very imprecisely and is susceptible to confounders that can be better controlled in experimental studies.
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Hintergrund
Bei jeder Nutzung elektrotechnischer Geräte und Anlagen entstehen elektrische und magnetische Felder (MF). Statische Felder, d. h. solche mit einer Frequenz von 0 Hz, treten z. B. bei der Hochspannungsgleichstromübertragung oder auch bei Straßenbahnen auf. Der Bereich über Null bis 100 kHz wird als Niederfrequenz (NF) bezeichnet. Niederfrequente elektrische und magnetische Felder treten bei elektrischen Geräten und Maschinen (z. B. bei der Nutzung von elektrischen Werkzeugen, Büro- und Haushaltsgeräten), bei Stromkabeln und z. B. auch bei Hochspannungsleitungen (50 Hz) und bei Anlagen und Fahrzeugen der Bahn (16 2/3 Hz) auf.
Im Zuge der Energiewende in Deutschland ist ein Ausbau des Stromübertragungsnetzes erforderlich. Damit einher gehen Bedenken bei Teilen der Bevölkerung und betreffen z. T. auch Fragen zu eventuellen gesundheitlichen Auswirkungen. In diesem Zusammenhang wurde im Auftrag des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) eine Studie zum Thema „Welchen Stellenwert haben Magnetfelder in der öffentlichen Wahrnehmung des Stromnetzausbaus? Eine deutschlandweite telefonische Befragung“ an 2500 Personen (51,1 % Frauen) im Alter ab 18 Jahren durchgeführt [7]. Bei der Frage nach konkreten befürchteten Gesundheitsrisiken wurden von 32 % der Befragten Schlafstörungen, von 24 % Kopfschmerzen/Migräne und von 17 % Konzentrationsstörungen als häufigste mit elektromagnetischen Feldern in Verbindung gebrachte Gesundheitsrisiken genannt. Von den Befragten, die angaben, innerhalb der vorangegangenen 12 Monate Schlafstörungen bei sich beobachtet zu haben, sahen 13 % in irgendeiner Form magnetische Felder als Ursache.
Neben Leukämie im Kindesalter gehören neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer-Demenz (AD), Morbus Parkinson und Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) zu den am häufigsten untersuchten Auswirkungen einer Exposition mit niederfrequenten Magnetfeldern.
Methode und Zielsetzung
Aufgrund der komplexen Zusammenhänge zwischen Schlaf, Biomarkern und kognitiver Leistungsfähigkeit [16,17,18, 21, 22] stellt sich die Frage, ob das unter beruflicher Exposition mit niederfrequenten Magnetfeldern in epidemiologischen Studien beobachtete erhöhte Risiko für Alzheimer-Demenz möglicherweise durch eine Beeinflussung des Schlafs, der Konzentration von Biomarkern und/oder der kognitiven Leistungsfähigkeit durch niederfrequente Magnetfelder bedingt ist.
Ziel dieser Arbeit ist es, in einem narrativen Review den wissenschaftlichen Kenntnisstand zum Zusammenhang zwischen niederfrequenten Magnetfeldern (NF-MF), Schlaf und AD-Biomarkern als Grundlage für die Konzeption einer experimentellen Studie zum Thema zusammenzutragen.
Ergebnisse zu niederfrequenten Magnetfeldern und dem Risiko für Alzheimer-Demenz
Alzheimer-Demenz und niederfrequente Magnetfelder – Evidenz aus epidemiologischen Studien
Zum Zusammenhang zwischen beruflicher Exposition gegenüber niederfrequenten Magnetfeldern und der Alzheimer Demenz gibt es inzwischen sechs Metaanalysen [5, 10, 11, 13, 15, 28]. Zu den möglichen Auswirkungen von häuslicher Exposition liegen bisher keine Untersuchungen vor.
Berufliche Exposition und Risiko für Alzheimer-Demenz
Garcia et al. [5] identifizierten für den Publikationszeitraum von 1995–2004 insgesamt 14 Fall-Kontroll-Studien (FKS) und 11 Kohortenstudien (KS) mit mehr als 5000 Fällen. Sowohl in KS als auch in FKS wurde ein signifikantes Risiko beobachtet (siehe Tab. 1), wobei die statistische Heterogenität (I2) in beiden Analysen als moderat bis hoch bewertet wurde. Eine geschlechtsspezifische Betrachtung ergab ein signifikant erhöhtes Risiko für Männer in KS und für Frauen in FKS. Der Geschlechtsunterschied war jedoch nur in KS statistisch signifikant. In FKS ließ sich bei Studien, die auf einer klinischen Diagnose basierten (n = 12), ein statistisch signifikant höheres Risiko als in Studien beobachten, die auf Sterbeurkunden (n = 2) basierten. Das Risiko für AD war in KS, die auf einer klinischen Diagnose basierten (n = 4), geringer als in Studien (n = 7), die auf Todesursachen in Sterbeurkunden basierten, dieser Unterschied war jedoch statistisch nicht signifikant. In FKS war die Intensität der Exposition (magnetische Flussdichte) für einen Cut-off-Wert von 0,2 µT mit einem höheren AD-Risiko assoziiert, nicht jedoch für einen Cut-off-Wert von 0,3 µT. In KS gab es einen Zusammenhang für den Cut-off-Wert von 0,5 µT, nicht jedoch für die Cut-off-Werte 0,2 µT bzw. 0,3 µT und 1,0 µT. In den Studien gab es Hinweise auf einen Publikationsbias (größere Effekte in kleineren Studien), insbesondere für die FKS. Insgesamt war die Heterogenität groß, es gab keine monotone Dosis-Wirkungs-Beziehung.
Vergara et al. [28] berücksichtigten in ihrer Metaanalyse 42 Publikationen zu verschiedenen Erkrankungen, wobei knapp die Hälfte der Studien (20) ausschließlich oder unter anderem Patient*innen mit einer Demenzerkrankung untersucht hatten. Die Studien wurden im Zeitraum 1983 bis 2011 publiziert. Für die AD ließ sich ein geringes, aber signifikantes Risiko im Random-Effects-Modell beobachten (Tab. 1). Dies war in KS höher als in FKS. In Studien, in denen eine MF-Job-Expositionsmatrix als Proxy für die Exposition bei Ausübung bestimmter Berufe herangezogen wurde, betrug das relative Risiko (RR) = 1,08 (95 %-CI [0,81, 1,45]), bei Verwendung einer geschätzten MF-Exposition auf Basis von gemessenen Expositionswerten war es mit RR = 1,58 (95 %-CI [1,20, 2,08]) deutlich höher. Die Autor*innen weisen darauf hin, dass in den meisten Studien eine falsche Klassifizierung der Erkrankungen sowie eine ungenaue Expositionsbewertung das Ergebnis beeinflussten. Eine gewisse Asymmetrie im Funnel-Plot weist auf einen möglichen Publikationsbias hin.
Im Jahr 2017 haben Jalilian et al. [15] einen systematischen Review mit Metaanalyse publiziert, der auf insgesamt 20 Studien aus den Jahren 1995 bis 2017 basierte. Mit einem Random-Effects-Modell wurde ein für Studientypen gepooltes signifikant erhöhtes Risiko ermittelt (Tab. 1). Bei getrennter Betrachtung war das Risiko in FKS höher als in KS. Die Heterogenität der Studien war moderat bis hoch (I2 = 61,0 %), und es gab Hinweise auf einen Publikationsbias (Eggert-Test: p < 0,001). Verschiedene Sensitivitätsanalysen ließen keinen Hinweis auf Unterschiede im Hinblick auf das Geschlecht, das Studiendesign, die Höhe der Exposition bzw. auf die Art der Erfassung des Ergebnisparameters (Sterbeurkunden oder medizinische Unterlagen) erkennen. Damit steht diese Metaanalyse in Einklang mit früheren Ergebnissen, wobei jedoch die hohe Heterogenität möglicherweise darauf hindeutet, dass andere relevante Faktoren das Studienergebnis beeinflusst haben könnten.
Während vorhergehende Metaanalysen im Wesentlichen alle vorliegenden Publikationen zum Thema berücksichtigt hatten, wurden in einer Metaanalyse von Gunnarsson und Bodin (2019) [10] nur Studien mit hoher wissenschaftlicher Qualität einbezogen, die nach den bei Armon (2003) [2] beschriebenen Kriterien bewertet wurden. Es wurden nur Studien berücksichtigt, die als Klasse II oder III bewertet wurden. Es gingen 13 Studien aus den Jahren 1998 bis 2017, welche diese Kriterien erfüllten, in die Analyse ein (siehe Tab. 1). Darüber hinaus wurden stratifizierte Analysen für Faktoren durchgeführt, die mögliche Confounder darstellen könnten: Jahr der Publikation, statistische Präzision des Risikoschätzers (Range des 95%-Konfidenzintervalls) und Publikationsbias. Diese Analysen wurden jedoch gepoolt für Studien zu AD und ALS durchgeführt. Insgesamt sehen die Autor*innen bei beruflicher Exposition gegenüber niederfrequenten elektromagnetischen Feldern für Alzheimer-Demenz ein etwa 10 % erhöhtes Risiko.
Huang et al. (2020) [13] haben einen systematischen Review sowie eine Metaanalyse durchgeführt, welche das Risiko, an einer Demenz (nicht weiter spezifiziert) zu erkranken, im Zusammenhang mit einer beruflichen Magnetfeldexposition untersucht haben. Es wurden fünf KS berücksichtigt (Tab. 1; I2 = 69,0 %) und sieben FKS mit beruflicher Magnetfeldexposition (I2 = 66,0 %). Das Risiko für eine leichte kognitive Beeinträchtigung („mild cognitive impairment“, MCI) betrug RR = 1,20 (95 %-CI [0,71, 2,03]). Die Studien belegen bei mittlerer bis hoher Heterogenität ein geringfügig, aber signifikant erhöhtes Risiko, bei erhöhter Magnetfeldexposition an einer Demenz zu erkranken.
Die neueste Metaanalyse zum Thema vom Health Council of the Netherlands (2022) [11] ergab ebenfalls sowohl für Teile der Allgemeinbevölkerung mit einer über dem Hintergrundlevel liegenden Exposition (basierend auf 14 Studien) als auch für spezifische Berufsgruppen (basierend auf 13 Studien) ein erhöhtes Risiko, an AD zu erkranken (Tab. 1).
Exposition durch Hochspannungsleitungen und Alzheimer-Demenz
Zum Risiko für das Auftreten von AD in Abhängigkeit von der Distanz zu Hochspannungsleitungen liegt lediglich eine Metaanalyse vor. Basierend auf drei Originalstudien [4, 6, 14] hat der Health Council of the Netherlands [11] ein Risiko von 1,11, 95 %-CI [0,97, 1,28] ermittelt. Personen, die in einem Abstand bis zu 50 m von einer Hochspannungsleitung leben, haben danach im Vergleich zu Personen, die in einem Abstand > 600 m leben, kein statistisch signifikant erhöhtes Risiko, an AD zu erkranken. Zum Risiko für AD durch häusliche Exposition liegt bisher keine Studie vor.
Allen beschriebenen Zusammenhängen ist gemein, dass ein zugrundeliegender Wirkmechanismus bisher nicht bekannt ist. Für die AD ist dokumentiert, dass ein gestörter Schlaf nicht nur Symptom der Erkrankung ist, sondern dass ein gestörter Schlaf auch einen eigenständigen Risikofaktor für die Entwicklung einer AD darstellt. Auf der Ebene von Biomarkern ist die AD u. a. durch die Ablagerung von Beta-Amyloid(Aβ)-Plaques sowie durch die Bildung von Tau-Fibrillen charakterisiert. Es gibt Hinweise darauf, dass die Konzentrationen verschiedener Biomarker der AD in der Rückenmarksflüssigkeit bzw. im Blut in Abhängigkeit vom Schlaf variieren. Wenn eine Exposition mit niederfrequenten Magnetfeldern mit einer Beeinträchtigung des Schlafes einherginge, wäre es denkbar, dass ein gestörter Schlaf zur Erklärung des auf epidemiologischer Basis beobachteten Zusammenhangs zwischen AD und Exposition gegenüber niederfrequenten Magnetfeldern beitragen könnte.
Studien zu niederfrequenten Magnetfeldern und Biomarkern
Ein möglicher Effekt von NF-MF auf Biomarker der AD wurde nahezu ausschließlich in In-vitro Studien untersucht. In einer Studie an Menschen wurde von Noonan et al. [24] der Zusammenhang zwischen beruflich bedingter Exposition mit magnetischen Feldern und der Höhe der Konzentration des Melatoninmetaboliten 6‑Hydroxymelatoninsulfat (6-OHMS) im Urin sowie der Plasmakonzentrationen von Aβ40 und Aβ42 bei 60 Arbeitern eines Elektrizitätswerks überprüft. Die durchschnittlichen Aβ-Spiegel waren schwach positiv mit Kategorien der Magnetfeldexposition assoziiert, jedoch statistisch nicht signifikant. Der Melatoninmetabolit war negativ mit Aβ42 und dem Verhältnis Aβ42/Aβ40 korreliert. Die Autor*innen sahen darin einen möglichen Mechanismus, der das erhöhte Risiko, durch MF-Exposition an einer AD zu erkranken, erklären könnte.
Studien zum Einfluss niederfrequenter Magnetfelder auf den Schlaf
In den letzten drei Dekaden wurden in einer überschaubaren Anzahl epidemiologischer und experimenteller Laborstudien mögliche Wirkungen einer NF-MF-Exposition auf den Schlaf beim Menschen untersucht.
Berufliche NF-MF-Exposition und Schlaf
In vier epidemiologischen Studien wurde ein möglicher Zusammenhang zwischen der Prävalenz von selbstberichteten Schlafproblemen und dem Ausmaß der NF-MF-Exposition am Arbeitsplatz untersucht (siehe Tab. 2). Drei der vier Studien stammen aus dem Iran, davon waren in zwei Studien Autor*innen derselben Arbeitsgruppen involviert [3, 23], eine Studie stammt aus China [20].
In der Querschnittsstudie von Barsam et al. (2012) [3] wurde ein möglicher Einfluss der Exposition mit extrem niederfrequenten elektrischen und magnetischen Feldern auf die Schlafqualität von Arbeitern, die in Hochspannungs-Umspannwerken beruflich exponiert worden waren, untersucht. Als Kontrollgruppe wurden Arbeiter von Zement‑, Reifen- und Kupferwerken herangezogen. Es wurden ausschließlich männliche Arbeiter untersucht und beide Gruppen waren hinsichtlich des Alters, des Body-Mass-Index (BMI) und des Familienstands vergleichbar. Die Kontrollgruppe hatte allerdings ein signifikant niedrigeres Bildungsniveau als die Expositionsgruppe. Alle Untersuchten waren Schichtarbeiter, wobei keine Angaben über die Art und Dauer der Schichtarbeit gemacht wurden. Raucher und Probanden mit Vorliegen eines Diabetes, einer kardiovaskulären, einer pulmologischen oder einer anderen Erkrankung wurden anhand der Angaben, die die Teilnehmer in einem entsprechenden Fragebogen machten, ausgeschlossen. Die Teilnehmer der exponierten Gruppe arbeiteten in 16 verschiedenen Umspannwerken mit unterschiedlicher Hochspannung (132 KV: 12 Umspannwerke, n = 41; 230 KV: 3 Umspannwerke, n = 20 und 400 KV: 1 Umspannwerk, n = 1). Die elektrischen Feldstärken und magnetischen Flussdichten wurden an den Arbeitsorten mit den Standardmethoden des Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) erhoben. Für die Gruppe der Nichtexponierten wurden keine Messungen durchgeführt. Der Ergebnisdarstellung nach zu schließen wurde der Pittsburgh-Schlafqualitäts-Index (PSQI) an drei aufeinanderfolgenden Tagen allen Teilnehmern wiederholt vorgelegt und die Messungen der Exposition wurden dreimal wiederholt. Die beiden Gruppen unterschieden sich nicht in Bezug auf den PSQI-Gesamtwert, die Kontrollgruppe hatte jedoch einen signifikant höheren Wert in der Komponente Tagesschläfrigkeit an den ersten beiden Tagen. Der PSQI-Gesamtwert korrelierte signifikant positiv mit der Höhe der magnetischen Flussdichte. Es wurden zusätzlich eine signifikant längere Schlaflatenz sowie eine kürzere Schlafdauer in der Expositionsgruppe angegeben, wobei es weder Informationen zur Art der Analyse (Mittelung?) gab, noch konkrete deskriptive Werte berichtet wurden. Woher diese Daten stammen, ist nicht nachvollziehbar, die jeweiligen PSQI-Komponenten unterschieden sich nicht signifikant. Neben offensichtlicher Mängel in der Darstellung der Ergebnisse ist die Aussagekraft der Studie sehr eingeschränkt, da die beruflichen Expositionsbedingungen in der Kontrollgruppe nicht erfasst und die Art der Schichtarbeit nicht berücksichtigt wurde. Mögliche Unterschiede in den Schichten und den Arbeitsbedingungen könnten auch die größere Müdigkeit in der Kontrollgruppe erklären. Der PSQI eignet sich bei Schichtarbeit auch nur sehr bedingt, da bei zu erwartenden deutlich variierenden Bett- und Aufstehzeiten zeitliche Parameter in Bezug auf die letzten vier Wochen nicht eindeutig erhoben werden können. Eine wiederholte Verwendung innerhalb von drei Tagen ist aufgrund der retrospektiven Beurteilung des Schlafs hinsichtlich der letzten vier Wochen ebenfalls wenig sinnvoll.
In der Querschnittsstudie von Hosseinabadi et al. (2019) [12] wurde ein möglicher Einfluss berufsbedingter Exposition mit NF-MF auf die Schlafqualität, Stress, Depression und Angst untersucht. Die genannten Endpunkte wurden mit Fragebögen bei 132 Arbeitern, die seit mindestens zwei Jahren Vollzeit in einem Kraftwerk arbeiteten, erhoben und mit den Ergebnissen von 143 Mitarbeitern, die im Büro arbeiteten, verglichen. Die Höhe der MF-Exposition wurde mittels IEEE-Standardmethoden an den individuellen Arbeitsplätzen gemessen und in Relation zu der zeitlichen Aufenthaltsdauer mit einer speziellen Gleichung gesetzt. Es zeigte sich hinsichtlich der Schlafparameter, dass der Gesamtwert und die Komponente „Schlafqualität“ im PSQI signifikant höher in der Gruppe der Exponierten waren, was für eine schlechtere Schlafqualität spricht. Der Wert der Komponente „Schlafeffizienz“ war in der Gruppe der Exponierten signifikant geringer, was fälschlicherweise von den Autoren als geringere Schlafeffizienz interpretiert wurde. Ein niedriger Wert in dieser Komponente bedeutet eine höhere Schlafeffizienz. Die Studie weist weitere Mängel auf, so wurden z. B. keine Angaben zum Geschlecht der Teilnehmer gemacht, die Angabe zum Alter erfolgte in Kategorien ohne Angabe von Minimal- und Maximalwerten. Die Einflüsse unterschiedlicher Arbeitsbedingungen und möglicher gesundheitlicher Faktoren, die die Schlafqualität beeinträchtigen können, wurden nicht erhoben bzw. nicht berichtet. Es ist unklar, ob sich die im Büro arbeitende Kontrollgruppe auch am Standort aufhielt.
In der dritten iranischen Studie zu berufsbezogener Exposition [23] wurde die Schlafqualität von 18 Arbeitern zweier Umspannwerke eines petrochemischen Betriebs wie zuvor mit dem PSQI erhoben und mit einer Kontrollgruppe von 22 Mitarbeitern, die in Kontrollräumen oder Büros desselben Werkes arbeiteten, verglichen. Alle Untersuchten waren Männer und arbeiteten unter ähnlichen Arbeitsbedingungen und in irregulären Schichten. Das Alter wurde nicht angegeben, wodurch unklar bleibt, ob sich die Gruppen in diesem Punkt unterschieden. Die Exposition wurde nach dem IEEE-Standard erfasst und es wurde zusätzlich ein Fragebogen zum allgemeinen Gesundheitszustand eingesetzt. Der PSQI-Gesamtwert war in der MF-exponierten Gruppe signifikant höher als in der Kontrollgruppe, wohingegen der Gesamtwert im Gesundheitsfragebogen in der Kontrollgruppe signifikant höher lag, was einem schlechteren Gesundheitszustand entspräche. Dennoch berichten die Autoren, dass nur 72 % Arbeiter aus der Expositionsgruppe in diesem Fragebogen als „gesund“ klassifiziert wurden, im Gegensatz zu 100 % in der Kontrollgruppe. Anhand der Mittelwerte und Standardabweichungen sind diese Prozentsätze nicht nachvollziehbar [23]. Die Höhe der Gesamtwerte der beiden Fragebögen korrelierte nicht signifikant mit der Stärke der Exposition. Eine Schwäche der Studie liegt im Fehlen der Altersangaben sowie dem Fehlen der Angaben zu den gemessenen Flussdichten und Feldstärken. Aus der Expositionsmessung wurde lediglich der jeweilige Maximalwert der Flussdichte in den zwei Umspannwerken ohne Angabe von Mittelwerten oder Streuungsmaß berichtet. Mögliche Einflussfaktoren des Gesundheitszustands und der Schichtarbeit wurden nicht kontrolliert. Wie auch in den zuvor genannten Studien ist der PSQI kein geeignetes Verfahren, um die Schlafqualität bei Schichtarbeit abzubilden.
In einer Querschnittsstudie von Liu et al. (2014) [20] wurden die selbstberichtete Schlafqualität („gut“, „mittelmäßig“, „schlecht“, wobei die letzten zwei Kategorien zusammengefasst wurden) und die selbst eingeschätzte durchschnittliche Schlafdauer (< 7 h = kurz; mittel = 7–8 h; ≥ 8 h = lang) des vorangegangenen Monats von 854 Arbeiter*innen eines Elektrizitätswerks untersucht. Die elektrischen Feldstärken und magnetischen Flussdichten wurden an verschiedenen Stellen des Elektrizitätswerks gemessen. Zusätzlich wurde über weitere Selbsteinschätzungen und Expositionsprotokolle, die über die Arbeiter*innen geführt wurden, das individuelle tägliche berufliche Expositionsmaß bezüglich elektromagnetischer Felder bestimmt. Arbeiter*innen, die täglich länger exponiert worden waren (> 1,5 bis ≤ 4 h oder > 4 h/Tag; OR = 1,68, 95 %-CI [1,18, 2,39] bzw. OR = 1,57, 95 %-CI [1,10, 2,24]) hatten ein höheres Risiko für eine schlechte Schlafqualität als die weniger exponierten (≤ 1,5 h/Tag). Bei den Arbeiter*innen, die über einen längeren Zeitraum (≥ 23 Jahre) und täglich länger exponiert worden waren, zeigte sich ebenfalls ein höheres Risiko für eine schlechte Schlafqualität (> 1,5 bis ≤ 4 h: OR = 2,12, 95 %-CI [1,23, 3,66]; > 4 h/Tag: OR = 1,83, 95 %-CI [1,07, 3,15]). Die Schlafdauer hingegen wurde weder durch die tägliche noch durch eine längerfristige Expositionsdauer beeinflusst. Eine Einschränkung dieser Studie bestand darin, dass Arbeiter*innen in der Gruppe mit schlechter Schlafqualität im Vergleich zu der Gruppe mit guter Schlafqualität zwar einen signifikant geringeren Tabak- und Teekonsum angaben, aber dafür ein höheres Maß an Arbeitsstress. Diese Faktoren wurden jedoch in der weiteren Analyse nicht kontrolliert. Auch die generelle tägliche Arbeitsdauer als unabhängiger Einflussfaktor wurde nicht berücksichtigt. Vergleichbare Expositionseffekte zeigten sich, wenn die Faktoren „Schichtarbeit“ sowie Erkrankungen, die die Schlafqualität beeinflussen können, wie z. B. Diabetes oder Hypertonie, in der Analyse kontrolliert wurden [20]. Im Gegensatz zu den vorherigen drei Studien wurden eine ausführliche Anamnese und medizinische Untersuchung durchgeführt und Personen, die bereits im Ruhestand oder schwer erkrankt waren, wurden ausgeschlossen. Eine deutliche Einschränkung für die Aussagekraft der Studie stellen die überwiegend auf subjektiven Angaben beruhende Expositionseinschätzung sowie die Erhebung der Schlafqualität dar, die lediglich auf zwei Fragen beruhte.
Häusliche NF-MF-Exposition durch Hochspannungsleitungen und Schlaf
In einer Querschnittsstudie aus Taiwan [19] wurden 5078 Frauen im Alter von 20 bis 59 Jahren, die in einem von drei Hochspannungsleitungen durchzogenen städtischen Wohngebiet lebten, u. a. mit einem Fragebogen zur Erfassung von Insomniesymptomen interviewt. Alle Frauen waren verheiratet und es wurde angenommen, dass die Mehrzahl nicht arbeite, da sie wochentags zuhause angetroffen worden waren. Entsprechende Informationen wurden aber nicht eingeholt. Es wurden die Häufigkeit von Ein- und Durchschlafstörungen sowie frühmorgendliches Erwachen erfasst. Wenn mindestens drei Episoden von Störungen des Ein- oder Durchschlafens oder von morgendlichem Früherwachens pro Woche im vorangegangenen Monat angegeben wurden, wurde dies als Vorliegen von Insomniesymptomen gewertet. Elektrische und magnetische Felder im Wohnbereich wurden sowohl während alle Geräte eingeschaltet waren als auch bei ausgeschaltetem Zustand (Hintergrundexposition) gemessen. Zusätzlich wurden das Ausbildungsniveau, die Etage, auf der sich die Wohnung befand, sowie der Alkohol- und Nikotinkonsum und der Status der Menopause als mögliche Einflussfaktoren erhoben.
Eine höhere MF-Exposition (≥ 0,2 µT) im Schlafzimmer bzw. im Hintergrund führte zu einem höheren Risiko häufiger auftretender Einschlafstörungen (mind. 3 ×/Woche). Die Häufigkeit von Durchschlafstörungen war signifikant höher bei Frauen, in deren Wohnung eine höhere Hintergrundexposition festgestellt worden war. Morgendliches Früherwachen war signifikant mit höheren Feldstärken im Schlafzimmer, größerer Hintergrundexposition und höherer gesamter häuslicher Exposition assoziiert [19]. Zu den Limitationen der Studie zählen potenzielle Einflussfaktoren auf den Schlaf, die nicht näher ausgeführt oder kontrolliert wurden, wie z. B. gesundheitliche und soziodemografische Faktoren, wie z. B. Versorgung von Kindern, finanzieller und Beschäftigungsstatus sowie Umweltfaktoren, wie z. B. Lärmverhältnisse.
Experimentelle Studien zum Einfluss von NF-MF auf den Schlaf
Von den wenigen experimentellen Studien, die zum Einfluss niederfrequenter Magnetfelder auf den Schlaf durchgeführt wurden, wurden vier im Labor und eine im häuslichen Umfeld durchgeführt (siehe Tab. 3). In einer Laborstudie von Akerstedt et al. (1999) [1] wurde der Schlaf von 18 gesunden Erwachsenen (10 Männer, 8 Frauen) 3–5 Tage nach einer Adaptationsnacht in einem doppelblinden ausbalancierten Cross-over-Design unter einem 50 Hz-Magnetfeld mit einer Flussdichte von 1 µT bzw. unter einer Scheinbedingung während einer achtstündigen Polysomnografie (PSG) abgeleitet (24:00 bis 08:00). Der Abstand zwischen den zwei Expositionsbedingungen betrug eine Woche. Während der Untersuchung im Schlaflabor wurde den Proband*innen ein Venenkatheter gelegt, über den um 23:00, 02:30, 05:00 und 08:00 Blutproben zur Bestimmung von Melatonin und Wachstumshormon sowie Prolaktin- und Cortisolwerten aus dem Plasma entnommen wurden. Die Schlafdauer („total sleep time“, TST) lag zumindest in den ersten Experimentalnächten im Mittel unter 7 h. In Abhängigkeit von der Reihenfolge zeigte sich, unabhängig von der Bedingung, eine nicht signifikante Verbesserung der Schlafparameter von der ersten zur zweiten Experimentalnacht. Unter Verum-Exposition waren die TST, die Schlafeffizienz (SE), die Tiefschlafdauer (SWS) und die Aktivität langsamer Wellen im Deltaband (0,5–4,5 Hz) in NREM (Slow Wave Activity, SWA, %) sowie die selbstbeurteilte Schlaftiefe im Vergleich zur Scheinexposition signifikant geringer. Acht der zwölf objektiven Parameter und vier der fünf selbstbeurteilten Schlafparameter unterschieden sich zwischen den Bedingungen nicht. Sämtliche Plasma-Hormonspiegel zeigten signifikante Veränderungen im Verlauf der Nacht, jedoch keine Unterschiede zwischen oder Interkationen mit den Expositionsbedingungen.
Zum Ausschluss von Daten machten die Autoren unterschiedliche Angaben. Während im Methodenteil beschrieben wurde, dass zwei Personen, deren subjektiven Angaben zur gewöhnlichen Schlafdauer nicht mit der Selbsteinschätzung der gewöhnlichen Schlaflänge in der Adaptionsnacht übereinstimmten, ausgeschlossen wurden, wurde im Ergebnisteil eine Anzahl von drei ausgeschlossenen Proband*innen genannt, für die zu wenig Daten vorgelegen hätten, um die acht Stunden zu „füllen“. Nach welchen konkreten Kriterien ein Ausschluss erfolgte, wurde nicht genauer definiert. Die TST lag zumindest in den ersten Experimentalnächten im Mittel unter 7 h. Inwiefern Alter und Geschlecht bei der Randomisierung berücksichtigt wurden und ob der Ausschluss von drei Personen diesbezüglich neben einer möglichen Ungleichverteilung der Anzahl der Personen (n = 15) einen Effekt hatte, wird von den Autoren nicht thematisiert. In den Abbildungen zu individuellen Ergebnissen sind jeweils n = 8 pro Gruppe dargestellt, was der berichteten Gesamtzahl von 15 in der Analyse widerspricht.
In einer doppelblinden experimentellen Cross-over-Laborstudie von Graham und Cook (1999) [8] wurden gesunde junge Männer jeweils während 8 h kontinuierlich und intermittierend (im Wechsel 1 h on-1 h off mit 15 s on-15 s off Exposition) mit einem 60 Hz/28,3 µT-Magnetfeld und mit einer Scheinexposition im Schlaf exponiert. Die drei Nächte fanden im Abstand von jeweils einer Woche statt. Unter den Bedingungen der intermittierenden Exposition waren TST, SE und REM (% TST) sowie die selbstbeurteilte Schlafqualität und Erholsamkeit (nicht näher spezifizierter Fragebogen bzw. Fragen) im Vergleich zur Schein- und kontinuierlichen Exposition signifikant niedriger und die Gesamtwachzeit, Stadium 2 (%TST) und die REM-Latenz signifikant höher.
Graham und Cook (1999) [8] führten mutmaßlich keine gewöhnliche Polysomnografie durch, sondern leiteten ein Elektroenzephalogramm (EEG: Cz, C4, Oz), ein Elektrookulogramm (EOG) und ein Elektrokardiogramm (EKG) sowie eine nicht näher bezeichnete Aufzeichnung der Atmung ab. Die Schlafparameter wurden ausschließlich für die dritte Nacht auf Basis des EEG und EOG analysiert. Obwohl die Autor*innen angeben, dass die Schlafstadienklassifikation nach Rechtschaffen und Kales (1968) [25] erfolgte, ist dies ohne Ableitung eines Elektromyogramms (EMG) eigentlich nicht korrekt möglich. Ein weiterer Kritikpunkt an der Studie ist, dass die Reihenfolge der Bedingungen zwar nach Angaben der Autor*innen ausbalanciert gewesen sei, dies war jedoch im präsentierten Datensatz nicht der Fall: Um mögliche Effekte der Adaptation zu vermeiden, wurden nur Daten der dritten Nächte analysiert und in der Folge Daten von sieben Nächten der kontinuierlichen, neun der intermittierenden und acht der Scheinexposition miteinander verglichen. Warum in den Adaptationsnächten exponiert wurde und warum nicht alternativ die Reihenfolge in der Analyse aufgenommen wurde, wurde nicht erklärt. Aufgrund des ungewöhnlichen Auswertungsansatzes und der damit verbundenen Nachteile sowie der unklaren Ausgangwerte ist die Studie nicht aussagekräftig.
In einer ähnlich konzipierten/weiteren randomisierten doppel-blinden Cross-over-Studie von Graham et al., (2000) [9] wurden kardiologische Parameter von 24 gesunden Frauen und 22 gesunden Männer mittleren Alters (40–60 Jahre) während einer ca. 8-stündigen MF-Exposition bzw. Scheinexposition untersucht. Die Untersuchungen der Herzratenvariabilität (HRV) und der Herzrate (HR) fanden an zwei nicht aufeinanderfolgenden Nächten in ausbalancierter Reihenfolge während einer Woche statt. Eine Woche später erfolgten zwei weitere Untersuchungsnächte, in denen EEG/EOG-Aktivität abgeleitet wurde, um eine polysomnografische Analyse durchzuführen. Die Kontrollbedingung war mit einer typischen häuslichen Expositionssituation vergleichbar (60 Hz Hintergrundaktivität; ≤ 0,2 µT), in der Expositionsbedingung wurde ein 60 Hz-MF mit einer Flussdichte von 28,3 µT erzeugt, was im Bereich der beruflichen Expositionsstärke lag. Die Exposition erfolgte intermittierend mit jeweils einer Stunde, in der das Feld aktiv war, und einer Stunde, in der das Feld ausgeschaltet blieb. Während der aktiven Phasen erfolgte eine Exposition im 15 s-„on“-„off“-Wechsel. Es zeigte sich eine Abnahme der HR im Verlauf der Nächte bei beiden Geschlechtern, aber die HR unterscheiden sich weder zwischen der Verum- und der Scheinexpositionsbedingung noch zwischen den Geschlechtern. Der Prozentsatz der mittleren Power im niedrigen Frequenzband (0,04–0,15 Hz) der HRV nahm unter MF-Exposition nur bei den Männern signifikant ab. In der PSG zeigten sich keine Effekte der MF auf den Schlaf der Männer, bei den Frauen war lediglich die Dauer in REM (%) unter MF signifikant geringer als in der Kontrollbedingung.
Graham et al. (2000) [9] gaben, wie auch in ihrer zuvor publizierten Studie [8] an, dass die Analyse der PSG nach Rechtschaffen und Kales (1968) [25] erfolgte, ohne dass die Ableitung eines EMG erwähnt worden wäre. Laut Autoren bezog sich die Auswertung auf 6 h (von Mitternacht bis 06:00 Uhr morgens), obwohl der Untersuchungszeitraum von 23:00 bis 07:00 stattfand. Die exakte Expositionsdauer wurde nicht explizit genannt, die Bettzeit lag bei ca. acht Stunden.
In einer experimentellen Studie, die zuhause bei den Teilnehmerinnen durchgeführt wurde, fanden Tworoger et al. (2004) [27] bei jungen Frauen keine Wirkung auf den mittels Aktigrafie ermittelten Schlaf. Die Frauen waren zwischen 20 und 40 Jahre alt (mittleres Alter: 31 Jahre) und hatten einen regelmäßigen Menstruationszyklus. Die Messperioden begannen jeweils zwei Tage nach dem Anstieg des luteinisierenden Hormons. Die Exposition erfolgte einfachblind für jeweils fünf Nächte in der Nähe des Kopfs mit einem kontinuierlichen 60-Hz-MF (0,41–1,21 µT) oder mit einer Scheinexposition (Umgebungs-MF: 0,001–0,50 µT). Das MF wurde durch ein gewöhnliches Ladegerät einer elektrischen Zahnbürste, welches unter dem Bett mit einem elektrischen Kabel verbunden war, hervorgerufen und in 30-Sekunden-Intervallen mit einem Messgerät erfasst. Von ursprünglich 77 Frauen, die einer Teilnahme zustimmten, gingen nach diversen Ausschlussgründen (u. a. hormonelle, mehr als 4–5 fehlende Nächte) Daten für zwei Messperioden von 46 Frauen und von einer Messperiode von 25 Frauen in die Analyse ein. Mögliche Unterschiede zwischen den Datensätzen wurden durch Imputationen und Vergleiche der Charakteristika der beiden Gruppen weitestgehend ausgeschlossen. Die untersuchten aus der Aktigrafie geschätzten Parameter Einschlaflatenz, Gesamtschlafdauer, Schlafeffizienz, Wachzeit, Anzahl der Aufwachereignisse unterschieden sich zwischen den Bedingungen nicht. Neben einer nicht kontrollierten bzw. vordefinierten Schlaf- und Expositionsdauer und fehlender Kontrolle weiterer Einflussfaktoren, die zuhause zusätzlich auftreten können (u. a. Kinder, Partner, Lärm- und Lichtverhältnisse; nächtliche Aktivitäten), sind die wenig standardisierte, einfachblinde Exposition sowie der große Datenverlust mit u. a. Folgen für die Ausgewogenheit der Reihenfolge der Expositionsbedingungen als stark limitierende Faktoren in Bezug auf die Aussagekraft der Studie zu nennen. Des Weiteren gab es keine Untersuchung des Gesundheitszustands und der Schlafqualität bzw. das Vorliegen möglicher Schlafstörungen und eine Medikamenteneinnahme waren keine Ausschlussgründe.
In der von Schmid et al. (2012) [26] publizierten Laborstudie wurden 25 junge gesunde Männer für jeweils 30 min vor dem Beginn einer achtstündigen Polysomnografie (dazwischen 10 min Pause) unter drei verschiedenen Bedingungen exponiert: mit einem hochfrequenten (HF) pulsmodulierten Signal, mit einem mit der Grundfrequenz 2 Hz pulsierenden Magnetfeld sowie mit einer Scheinexposition. Die Expositionsbedingungen fanden jeweils im Abstand von einer Woche in einem doppelblinden randomisierten Cross-over-Design statt. Vor jeder Experimentalnacht wurde eine Adaptationsnacht durchgeführt. Von 23 der 25 Probanden wurden die Schlafarchitektur sowie die Power im EEG in verschiedenen Frequenzbändern und die Herzrate (HR) während der Nacht analysiert. Die Schlafarchitektur sowie die HR unterschieden sich unter beiden Expositionsbedingungen im Vergleich zur Scheinexposition nicht. Unter MF nahm die Power im Delta- und Thetafrequenzband in NREM und Stadium 2 sowie im unterem Deltafrequenzband (0,75–1,5 Hz) im 2. und 4. REM-Schlafzyklus signifikant zu. Die spektrale Zusammensetzung der magnetischen Wechselfelder hatte zwar keinen Bezug zu Expositionen durch netzbetriebene elektrische Geräte bzw. Leitungen der Energieversorgung, aber es waren Signalkomponenten enthalten, die mit den Magnetfeldern des Bahnstroms vergleichbar sind. In der Studie von Schmid et al. (2012) wurde mit den experimentellen Magnetfeldern insgesamt der Grenzwert gemäß International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection (ICNIRP) ausgeschöpft. Die Flussdichten der Komponenten bei 16 und 18 Hz hatten daran einen geringeren Anteil, lagen aber etwa in der gleichen Größenordnung wie bei Bahnarbeitsplätzen. Daher könnte dieses Experiment (mit Einschränkungen) auch als relevant für diese berufliche Exposition gewertet werden.
Zusammenfassung der experimentellen Studien und Ausblick
Insgesamt sind die Studien zu niedrigfrequenten Magnetfeldern (NF-MF) methodisch recht heterogen und weisen größtenteils Limitationen aufgrund methodischer Mängel auf. Während die Ergebnisse in den epidemiologischen Studien zu beruflicher Exposition und häuslicher Exposition hauptsächlich negative Auswirkungen von NF-MF auf die Schlafqualität zeigen, wurden in experimentellen Laborstudien sowohl negative, neutrale als auch positive Auswirkungen auf den Schlaf berichtet.
Auffallend ist, dass ältere Erwachsene ab einem Alter von 60 Jahren bei den experimentellen Studien gänzlich fehlen. Diese Altersgruppe ist im Kontext von NF-MF allerdings von großer Bedeutung, da mit zunehmendem Alter das Risiko für die Entwicklung einer Alzheimer-Demenz (AD) steigt. Zu einem möglichen Effekt von NF-MF auf Biomarker der AD, die nach kontrollierter Exposition am Morgen analysiert werden, fehlen Studien bisher gänzlich. Die Gedächtniskonsolidierung im Schlaf wurde bisher nicht untersucht.
Die Autor*innen führen im Auftrag des Bundesamts für Strahlenschutz eine Studie zum „Einfluss von niederfrequenten Magnetfeldern auf den Schlaf und Marker der Alzheimer Demenz bei Menschen“ (BfS, 3621SNA403) durch. Die Studie zählt im Forschungsprogramm Strahlenschutz beim Stromnetzausbau zu den Projekten, die zur Aufklärung eines möglichen Zusammenhangs zwischen niederfrequenten Magnetfeldern und neurodegenerativen Erkrankungen beitragen sollen. In einer randomisierten, doppelblinden Cross-over-Studie zu einem möglichen Einfluss von NF-MF auf den Schlaf, AD-Biomarker sowie die Gedächtniskonsolidierung werden je 20 gesunde Frauen und Männer im Alter von 55 bis 75 unter drei verschiedenen NF-MF-Expositionsbedingungen (niedrigere, höhere Exposition, Scheinexposition) polysomnografisch untersucht. Mit diesem Studiendesign sollen die Limitationen, die in den meisten der hier vorgestellten Studien beschrieben wurden, überwunden werden. Aktuell befindet sich die Studie in der Datenerhebungsphase, das Projekt läuft noch bis Ende 2024. Weitere Informationen finden sich auf der Homepage des BfS:
https://www.bfs.de/DE/bfs/wissenschaft-forschung/emf/laufend/stromnetzausbau/schwerpunkt1.html.
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Interessenkonflikt
C. Sauter, H. Dorn, J. Hellmann-Regen, A. Bueno-Lopez und H. Danker-Hopfe geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Unser Dank gilt Dr. habil. Blanka Pophof (BfS) für die fachliche Begleitung.
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Sauter, C., Dorn, H., Hellmann-Regen, J. et al. Niederfrequente Magnetfelder und das Risiko für das Auftreten von Alzheimer-Demenz. Somnologie 27, 255–264 (2023). https://doi.org/10.1007/s11818-023-00425-4
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DOI: https://doi.org/10.1007/s11818-023-00425-4
Schlüsselwörter
- Neurodegenerative Erkrankungen
- Umweltbedingte Schlafstörungen
- Biomarker
- Berufliche Exposition
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