Einleitung

Aussagekräftige Informationen über die schlafmedizinische Versorgung in Deutschland sind bisher kaum verfügbar. Dies erklärt sich unter anderem durch die intersektorale Verankerung der Schlafmedizin mit einem starken ambulanten Schwerpunkt sowie durch die Interdisziplinarität des Faches innerhalb der Humanmedizin und auch über die Humanmedizin hinaus. Während Daten zur stationären Versorgung in Deutschland zentral erfasst und grundsätzlich für eine wissenschaftliche Auswertung zugänglich sind, existiert für die Mehrzahl der ambulanten Leistungen und der nichtinterventionellen Therapieverfahren keine zentrale Stelle, welche diese Leistungen erfasst und für eine Auswertung zur Verfügung stellt.

Bezüglich der schlafmedizinischen Qualifikationen wurde kürzlich eine systematische Analyse der Situation in Deutschland publiziert, durch die die Anzahl und Fachzugehörigkeit der Schlafmedizinerinnen (zur besseren Lesbarkeit wird im Folgenden ausschließlich die weibliche Form verwendet) mit der Zusatzbezeichnung Schlafmedizin bzw. mit dem Qualifikationsnachweis Somnologie der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) erkennbar wurde [1]. Hier zeigte sich neben erheblichen regionalen bzw. länderspezifischen Unterschieden in der Verfügbarkeit schlafmedizinisch qualifizierter Ärztinnen eine unzureichende Versorgungssituation insbesondere für einige Bundesländer und Fachdisziplinen. Diese Analyse ermöglichte jedoch lediglich die Erfassung der jeweiligen Anzahl der Ärztinnen mit den genannten Qualifikationen, eine Aussage über deren Schwerpunkte, diagnostische und therapeutische Angebote oder die Anzahl der durch diese Ärztinnen durchgeführten diagnostischen und therapeutischen Leistungen war jedoch nicht möglich.

Für eine strategische Planung der Zukunft der schlafmedizinischen Versorgung in Deutschland sind grundlegende Kenntnisse über die Versorgungsrealität jedoch unabdingbar. Vor diesem Hintergrund wurde im Auftrag der DGSM eine deutschlandweite Umfrage gestartet, deren Ergebnisse im Folgenden dargestellt werden.

Die vorliegende Publikation fasst die wesentlichen Ergebnisse in Bezug auf die übergeordneten Fragestellungen zusammen. Eine Detailanalyse der Ergebnisse für die beiden Krankheitsgruppen schlafbezogene Atmungsstörungen (SBAS) und Insomnie werden zu einem späteren Zeitpunkt in einer weiteren Analyse aufbereitet und getrennt publiziert.

Materialien und Methoden

Im Juni 2021 wurden schriftliche Einladungen zur Teilnahme an der Umfrage an 5397 Personen postalisch verschickt. In der Einladung war ein QR-Code bzw. ein Link auf eine Homepage enthalten, über die die Onlinebefragung realisiert wurde (QuestionPro GmbH, Berlin). Die Adressdatenbank bestand aus verschiedenen öffentlich zugänglichen Quellen und wurde ergänzt mit einer Datenbank eines kommerziellen Anbieters (ArztData AG, Hamburg). Die öffentlichen Quellen bestanden unter anderem aus den Arztsucheportalen auf den Internetseiten der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Landesärztekammern sowie der Schlaflaborsuchfunktion der Homepage der DGSM. Entsprechend den zugrunde liegenden Datenbanken lag der Schwerpunkt der Adressatinnen auf den ärztlich tätigen Schlafmedizinerinnen, da öffentlich zugängliche oder kommerziell erhältliche Datenbanken zu schlafmedizinisch tätigen Psychologinnen bzw. psychologischen Psychotherapeutinnen nicht verfügbar waren.

Der Fragebogen bestand aus 32 Fragen zu folgenden 4 Kategorien: Teilnehmerinneninformationen (9), angewendete diagnostische und therapeutische Verfahren (8), Kenntnis von aktuellen Leitlinien und ausgewählten Therapieverfahren (10) und Barrieren der Versorgung (5). Die technische Funktionsfähigkeit der Onlineplattform wurde durch mehrere Probeläufe sichergestellt, die Zeit für die Beantwortung des gesamten Fragebogens lag in diesen Probeläufen zwischen 10 und 15 min. Die Fragen und Antwortmöglichkeiten, die Grundlage der vorliegenden Publikation sind, können der Tab. 1 entnommen werden.

Tab. 1 Auszug aus dem Fragebogen (aufgeführt sind die Fragen, die Grundlage der vorliegenden Auswertung sind)

Die Antworten wurden auch dann gewertet, wenn der Fragebogen nicht vollständig beantwortet wurde. Die Ergebnisse wurden deskriptiv mit Angaben von prozentualen Anteilen, Mittelwerten und Standardabweichungen ausgewertet. Die prozentualen Angaben beziehen sich je nach Fragestellung auf die Anzahl der Teilnehmerinnen, die die jeweilige Frage beantwortet haben oder bei Mehrfachnennungen auf die Gesamtzahl der Nennungen.

Ergebnisse

Teilnehmerinnen

Die Einladung wurde an 5397 Personen versendet, 511 konnten nicht zugestellt werden. Weitgehend vollständig ausgefüllt wurde der Survey von 435 Personen, womit die Rücklaufquote bei 8,9 % liegt. Angaben zum Geschlecht wurden von 352 Teilnehmerinnen (davon 25,6 % weiblich, 74,4 % männlich) vorgenommen, 83 (19,1 %) machten keine Angaben. Das Alter wurde von 78,6 % der Teilnehmerinnen angegeben und lag zwischen 30 und 81 Jahren und im Mittel bei 53,1 ± 8,4 Jahren. Bis auf wenige Ausnahmen (6,2 %) äußerten alle Teilnehmerinnen, in welchem Sektor sie primär tätig sind, hierbei waren deutlich mehr Teilnehmerinnen primär ambulant (67,2 %) als stationär (32,8 %) tätig.

Die Mehrheit der Teilnehmerinnen gab an, über eine Zulassung der Kassenärztlichen Vereinigung zu verfügen, 68,0 % für eine Polygraphie und 32,6 % für eine Polysomnographie.

Während 16,1 % keine Angaben hierzu machten, gaben von den verbliebenen Teilnehmerinnen nur 5,2 % an, weniger als 10 Jahre als Ärztin oder Therapeutin tätig zu sein (0,5 % weniger als 5 Jahre). Die Mehrheit (69,6 %) gab an, mehr als 20 Jahre ärztlich oder therapeutisch tätig zu sein. Bezüglich der schlafmedizinischen Tätigkeit ergab sich ein ähnliches Bild, auch wenn hier deutlich mehr Teilnehmerinnen Angaben tätigten (421 von 435 entsprechend 96,8 %). Die Dauer der schlafmedizinischen Tätigkeit wurde von der Mehrzahl (72,2 %) mit mehr als 10 Jahren angegeben.

Bezüglich der schlafmedizinischen Qualifikation gaben 17 Teilnehmerinnen (3,9 %) an, über keine Qualifikation zu verfügen. Am häufigsten genannt wurde der Kurs zur Diagnostik und Therapie der Schlafapnoe („BUB-Kurs“) (267 Nennungen, entsprechend 61,4 % der Teilnehmerinnen), gefolgt von der Zusatzbezeichnung Schlafmedizin (44,1 %) und dem Qualifikationsnachweis Somnologie der DGSM (26 %), die anderen genannten Qualifikationen spielen in der Versorgungslandschaft praktisch keine Rolle. Genauere Angaben hierzu können der Abb. 1 entnommen werden.

Abb. 1
figure 1

Schlafmedizinische Qualifikationen der Teilnehmerinnen (Anzahl der Nennungen, Mehrfachnennungen möglich, n = 435, ZB Zusatzbezeichnung, QN Qualifikationsnachweis; ESRS European Sleep Research Society)

In Bezug auf die Zugehörigkeit zu einer Fachdisziplin wurden am häufigsten die Disziplinen Innere Medizin/Pneumologie (142-mal, entsprechend 32,6 % der Teilnehmerinnen) und HNO-Heilkunde (128-mal, entsprechend 29,4 %) genannt. Alle anderen Disziplinen waren deutlich seltener vertreten (alle unter 10 %). Genauere Angaben hierzu zeigt die Abb. 2.

Abb. 2
figure 2

Fachzugehörigkeit der Teilnehmerinnen (die Summe der Prozentzahlen liegt geringfügig über 100 %, da von den 435 Teilnehmerinnen 473 Angaben getätigt wurden und damit einige wenige über mehrere Fachzugehörigkeiten verfügen)

Die Teilnehmerinnen waren überwiegend in den folgenden Bundesländern tätig: Nordrhein-Westfalen (20,3 %), Bayern (15,4 %) und Baden-Württemberg (14,5 %).

Entsprechend der dargestellten Ergebnisse sind in Deutschland überwiegend männliche Pneumologen oder HNO-Ärzte schlafmedizinisch tätig, die über einen „BUB“-Kurs oder die Zusatzbezeichnung Schlafmedizin verfügen und bereits seit über 20 Jahren ärztlich bzw. seit über 10 Jahren ambulant schlafmedizinisch tätig sind und eine ambulante Diagnostik der SBAS anbieten.

Diagnostik und Therapie

In Bezug auf die schlafmedizinische Diagnostik gaben entsprechend der ambulanten Ausrichtung der Mehrzahl der Teilnehmerinnen 77,9 % an, eine kardiorespiratorische Polygraphie anzubieten. Die alternative ambulante Diagnostik basierend auf der peripheren arteriellen Tonometrie wird nur von 6,0 % der Teilnehmerinnen angeboten. Bezüglich der Verfahren, die auf einer Polysomnographie (PSG) beruhen, wurden folgende Angaben zur Verfügbarkeit getätigt: ambulante PSG 29,9 %, stationäre PSG 34,5 %, multipler Schlaflatenztest (MSLT) 27,4 % und multipler Wachbleibetest (MWT) 35,4 %. Darüber hinaus verfügen 21,4 % der Teilnehmerinnen über Möglichkeiten zur Vigilanztestung. Die Aktigraphie, neuropsychologische Untersuchungen bei Tagesschläfrigkeit oder eine Fahreignungsdiagnostik werden jeweils nur von ungefähr 10 % der Teilnehmerinnen angeboten.

Passend zu den oben dargestellten schlafmedizinischen Leistungen gaben 88,7 % der Teilnehmerinnen an, einen diagnostischen und therapeutischen Schwerpunkt im Bereich der obstruktiven Schlafapnoe (OSA) zu setzen; 43,0 % gaben als Schwerpunkt andere Formen der SBAS an. Insomnien, Bewegungsstörungen, hypersomnische Störungen und Parasomnien wurden jeweils von etwa 20 % der Teilnehmerinnen als Schwerpunkt angegeben (27,8 %; 27,1 %; 20,9 %; 17,9 %). Auffällig ist, dass die Mehrzahl der Teilnehmerinnen die Möglichkeit genutzt hat, mehrere Schwerpunkte anzugeben. Obwohl formal nur nach einem Schwerpunkt gefragt wurde, summieren sich die prozentualen Angaben zur Häufigkeit auf 231 %, sodass im Schnitt jede Teilnehmerin 2,3 Schwerpunkte genannt hat. Die schlafmedizinischen Schwerpunkte sind in Abb. 3 dargestellt.

Abb. 3
figure 3

Diagnostische und therapeutische Schwerpunkte der Teilnehmerinnen. SBAS schlafbezogene Atmungsstörungen

Ähnlich zur Schwerpunktsetzung zeigte sich auch die Anzahl der Patientinnen pro Jahr, die von den Teilnehmerinnen gesehen werden (Angaben in Bezug auf die Teilnehmerinnen, die Angaben zu dieser Frage machten). Während nur 13 % weniger als 50 Patientinnen mit obstruktiver Schlafapnoe (OSA pro Jahr sehen, gaben knapp zwei Drittel (63,8 %) der Teilnehmerinnen an, gar keine oder weniger als 50 Patientinnen pro Jahr mit Insomnie zu sehen. Ähnliches zeigt sich für schlafbezogene Bewegungsstörungen (71,9 %). Bezüglich der Hypersomnien ohne Narkolepsie gaben 65,5 % der Teilnehmerinnen an, weniger als 10 Patientinnen pro Jahr zu sehen, bei der Narkolepsie liegt der Wert bei 88,0 %. Während bei den beiden letztgenannten Entitäten aufgrund ihrer Seltenheit die Angaben nicht überraschen, zeigt sich hier eine Diskrepanz zwischen der Anzahl der gesehenen Patientinnen mit OSA und Insomnie. Bezüglich der OSA sehen immerhin 60,7 % der Teilnehmerinnen mehr als 100 Patienten im Jahr, während dies bei der Insomnie nur bei 14,9 % der Fall ist. Eine detaillierte Übersicht hierüber gibt die Tab. 2.

Tab. 2 Anzahl der jährlich gesehenen Patientinnen (die Angaben in Prozent beziehen sich auf die Anzahl der Teilnehmerinnen, die eine Auswahl getätigt hatten)

Entsprechend der Ergebnisse kann festgehalten werden, dass die überwiegende Mehrzahl der Teilnehmerinnen über diagnostische Möglichkeiten zur Erfassung von SBAS verfügt und fast alle deutschen Schlafmedizinerinnen einen Schwerpunkt im Bereich der OSA angeben. Trotz der vergleichbaren Prävalenz werden deutlich mehr Patientinnen mit OSA als mit Insomnie von den Teilnehmerinnen gesehen.

Bei der Frage, mit wem die Teilnehmerinnen schlafmedizinisch kooperieren, zeigten sich Parallelen zur Repräsentanz der Fachdisziplinen innerhalb der Schlafmedizin. Mit denjenigen Disziplinen, die stark in der Schlafmedizin vertreten sind, wird regelmäßig kooperiert, während die weniger vertretenen Disziplinen deutlich seltener als Kooperationspartner genannt werden. So gaben 52,7 % der Teilnehmerinnen an, keine Kooperation mit Kinderärztinnen im Kontext der Schlafmedizin zu pflegen (bezogen auf die Teilnehmerinnen, die bei dieser Frage Angaben machten). Nur 7,5 % gaben eine regelmäßige Kooperation an. Ähnliches zeigte sich für die Fächer Psychotherapie und Psychiatrie. Hier gaben etwa ein Drittel bis knapp die Hälfte der Teilnehmerinnen an, mit diesen Disziplinen nicht zu kooperieren (35,9 % bzw. 45,5 %) und nur 16,3 % bzw. 11,7 % berichten über eine regelmäßige Kooperation. Am häufigsten wurde eine regelmäßige Kooperation mit den Fächern Innere Medizin/Pneumologie (56,4 %) und HNO-Heilkunde (53,0 %) angegeben, also mit den Disziplinen, die auch zahlenmäßig am stärksten vertreten sind. Eine regelmäßige Kooperation mit der Allgemeinmedizin wurde von 60,9 % angegeben, was auf die koordinative Funktion der Allgemeinmedizin in der ambulanten Versorgung hindeutet. Etwa ein Viertel der Teilnehmerinnen berichtete über eine regelmäßige Kooperation mit den Disziplinen Neurologie (27,5 %) und Zahnmedizin (25,3 %). Überhaupt nicht schlafmedizinisch zu kooperieren, gaben 27 Teilnehmerinnen (6,2 %) an. Eine grafische Darstellung der wechselseitigen Kooperationen bietet die Abb. 4.

Abb. 4
figure 4

Grafische Darstellung der schlafmedizinischen Kooperationen

Die Ergebnisse machen deutlich, dass Kooperationen bevorzugt zwischen bzw. mit den beiden Disziplinen bestehen, die zahlenmäßig am stärksten in der schlafmedizinischen Versorgung verankert sind. Überraschend ist die verhältnismäßig geringe Kooperation mit den Fächern Psychotherapie und Psychiatrie. Etwa ein Drittel der Teilnehmerinnen gab an, hier nicht schlafmedizinisch zu kooperieren, was in Anbetracht der Häufigkeit der entsprechenden Krankheitsbilder aus diesem Fachbereich, insbesondere der Insomnien, und dem Umstand, dass nur etwa ein Viertel der Schlafmedizinerinnen selbst über einen Schwerpunkt in diesem Bereich verfügen, bedenklich erscheint. Offenbleibt auch, ob die Patientinnen mit einer schlafbezogenen Atmungsstörung angemessen versorgt werden, wenn eine Insomnie als häufige komorbide Störung vorliegt und aufgrund der limitierten Erfahrungen mit diesem Krankheitsbild unerkannt bleibt oder nicht angemessen therapiert wird.

Kenntnisse von Leitlinien

Die drei Fragen, ob den Teilnehmerinnen die aktuelle Leitlinie der DGSM zu den SBAS bekannt sei, ob sie sich damit auseinandergesetzt haben oder daran orientieren, lieferten nahezu identische Ergebnisse. Circa die Hälfte der Teilnehmerinnen beantwortete diese Frage mit „stimme vollkommen zu“ (55,1 %, 54,0 % und 55,6 %), etwa ein weiteres Viertel mit „stimme teilweise zu“ (23,3 %, 29,0 % und 31,9 %), bezogen auf die Anzahl der Teilnehmerinnen, die diese Frage beantworteten. Während 8,3 % keine Angaben machten, gaben lediglich 3,8 % der Befragten an, die Leitlinie nicht zu kennen. Auf die Frage, ob die Leitlinie helfe, die Patienten sinnvoll zu versorgen, war die Zustimmung geringfügig geringer, aber auch hier antworteten nur 2,1 % mit „stimme nicht zu“.

Bezüglich der Leitlinie zur Insomnie antworteten auf die Frage, ob die Leitlinie bekannt sei, 24,9 % mit „stimme teilweise zu“ und 27,1 % mit „stimme vollkommen zu“; 18,3 % der Teilnehmerinnen gaben an, die Leitlinie nicht zu kennen. Bezüglich der Auseinandersetzung mit der Leitlinie bzw. in Bezug auf die Orientierung und die Nutzung zeigte sich in den drei Fragen das gleiche Bild. Hier gaben etwa 60–70 % der Teilnehmerinnen an, der Aussage teilweise oder vollkommen zuzustimmen. Auffällig ist bei diesen Fragen allerdings, dass ca. ein Viertel der Teilnehmerinnen diese Fragen nicht beantwortete.

Auf Basis der Ergebnisse kann daher festgehalten werden, dass die Teilnehmerinnen, die die Leitlinien kennen, sich auch damit inhaltlich auseinandersetzen und diese als hilfreich empfinden. Während ca. 75 % der Teilnehmerinnen die Leitlinie zu den SBAS offenbar hinreichend bekannt ist, gilt dies für die Leitlinie Insomnie in geringerem Umfang.

Diskussion

Die vorgestellte Umfrage stellt die bisher größte systematische Erhebung zur schlafmedizinischen Versorgung in Deutschland dar. Die Rücklaufquote erscheint mit knapp 9 % zunächst relativ gering und insbesondere geringer als in entsprechenden Übersichtsarbeiten zur Frage der Rücklaufquoten bei Umfragen unter Ärztinnen [2]. Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass der Fragebogen relativ umfangreich war und daher eine gewisse Motivation zur Teilnahme erforderte. Darüber hinaus wurde der Kreis der Adressatinnen bewusst sehr breit gewählt und insbesondere bei der kommerziell erworbenen Datenbank, die den größten Teil der Adressen ausmachte, wurde zuvor nicht verifiziert, ob die Adressatinnen tatsächlich (noch) schlafmedizinisch tätig waren. Die absolute Anzahl an ausgefüllten Fragebögen erlaubt jedoch eine zuverlässige Interpretation. Ein Teil der Ergebnisse lässt einen Vergleich mit externen Quellen zu: die Frage nach der Fachdisziplin in Verbindung mit der Zulassung zur ambulanten Polygraphie und die Angaben zur Postleitzahl. In der aktuellen Umfrage verfügte die Mehrzahl der Teilnehmerinnen über eine Zulassung zur Polygraphie und war ambulant tätig, zudem bestanden die Teilnehmerinnen zu fast gleichen Anteilen aus Pneumologinnen und HNO-Ärztinnen. Eine Analyse der öffentlich zugänglichen Angaben in den Arztsucheportalen der Kassenärztlichen Vereinigungen in Deutschland, die 2021 veröffentlicht wurde [1], ergab ein praktisch identisches Bild. Betrachtet man die Gesamtzahl der Ärztinnen in den einzelnen Bundesländern, so sind die drei Bundesländer mit der größten Anzahl (in absteigender Häufigkeit) Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg [3]. Dies entspricht exakt der Häufigkeit der Rückläufer in der vorliegenden Umfrage. Beide Sachverhalte sprechen für eine Repräsentativität der vorliegenden Stichprobe für die Gesamtpopulation der schlafmedizinisch tätigen Ärztinnen und Therapeutinnen in Deutschland. Es bleibt allerdings die Einschränkung, dass aufgrund der zahlenmäßigen Dominanz der Pneumologinnen und HNO-Ärztinnen die Aussagen vornehmlich die Situation in diesen Berufsgruppen wiederspiegelt. Eine getrennte Betrachtung der dargestellten Ergebnisse für die einzelnen Berufsgruppen wäre zwar technisch möglich, die Stichprobengröße insbesondere für die zahlenmäßig kaum vertretenen Berufsgruppen wäre jedoch zu klein für eine verlässliche Interpretation.

Die „typischen“ in Deutschland schlafmedizinisch tätigen Personen sind männliche Pneumologen und HNO-Ärzte in der fünften Lebensdekade, die über einen „BUB“-Kurs oder die Zusatzbezeichnung Schlafmedizin verfügen und bereits seit über 20 Jahren ärztlich bzw. seit über 10 Jahren ambulant schlafmedizinisch tätig sind und vornehmlich eine ambulante Diagnostik schlafbezogener Atmungsstörungen anbieten.

Die Analyse verweist damit auf eine Reihe struktureller Probleme in der deutschen Schlafmedizin. Obwohl bereits vom Ansatz her ein interdisziplinäres Fach, verteilt sich die schlafmedizinische Versorgung der Bevölkerung vornehmlich auf zwei Fachdisziplinen, die beide ihren Schwerpunkt im Bereich der SBAS aufweisen. Überraschend ist der geringe Anteil an Internistinnen anderer Spezialisierung als der Pneumologie und der der Neurologinnen, die in Anbetracht der Gesamtzahl an Vertreterinnen dieser Fachdisziplin nur in sehr geringem Umfang an der schlafmedizinischen Versorgung der Bevölkerung teilhaben, wie sich auch in der Erhebung der schlafmedizinischen Qualifikationen in Deutschland gezeigt hat [1]. In Anbetracht der Häufigkeit schlafmedizinischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen erscheint der Umstand, dass lediglich 2,8 % der Teilnehmerinnen der Umfrage Kinder- und Jugendärztinnen waren, besonders besorgniserregend. Der relativ geringe Anteil an Psychologinnen bzw. psychologischen Psychotherapeutinnen weist auf eine strukturelle Unterversorgung von Patienten mit entsprechenden schlafmedizinischen Krankheitsbildern hin. Hierbei muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Psychologinnen und psychologischen Psychotherapeutinnen im Kreis der Adressaten vermutlich unterrepräsentiert waren.

In Bezug auf den Zeitraum der ärztlichen/therapeutischen bzw. schlafmedizinischen Tätigkeit verweist die Analyse zwar zum einen auf eine jahrzehntelange Erfahrung der Mehrzahl der Teilnehmerinnen, auf der anderen Seite macht sie jedoch einen eklatanten Mangel an schlafmedizinischem Nachwuchs deutlich, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Umfrage rein online-basiert ablief und damit tendenziell vermutlich jüngere Kolleginnen stärker angesprochen wurden als ältere.

Bei der Betrachtung der angegebenen Schwerpunkte der Teilnehmerinnen und deren Kooperationsverhalten gaben fast 90 % der Teilnehmerinnen an, einen Schwerpunkt im Bereich der OSA für sich zu definieren, andere Schwerpunkte waren deutlich weniger vertreten, insbesondere die Insomnien. Die starke Ausrichtung auf die Diagnostik der SBAS zeigt sich auch in der Anzahl der durchgeführten diagnostischen Maßnahmen.

Es überrascht, dass schlafmedizinische Kooperationen mit Kolleginnen aus den Bereichen Psychotherapie und Psychiatrie vergleichsweise gering ausgeprägt waren, obwohl nur etwas mehr als ein Viertel der Teilnehmerinnen angab, insomnische Störungen selbst als Schwerpunkt zu vertreten. Dies könnte jedoch auch auf eine eingeschränkte Verfügbarkeit von Kooperationspartnern dieser Disziplinen hinweisen.

Die Mehrzahl der niedergelassenen Schlafmedizinerinnen in Deutschland hat demnach keinen Schwerpunkt in Bereich der Insomnie, kooperiert aber auch nicht mit den hierfür primär qualifizierten Fachdisziplinen. Dies wirft die Frage auf, durch wen diese Patientinnen in Deutschland versorgt werden. Dies betrifft auch Patientinnen mit einer SBAS und einer Insomnie als komorbide Störung. Auch verfügt nur die Hälfte der deutschen Schlafmedizinerinnen über hinreichende Kenntnisse zur Leitlinie zur Insomnie. In Anbetracht der Häufigkeit der Insomnie als primäre oder auch komorbide Störung im Kontext der Schlafmedizin erscheint dies bedenklich.

Aus der Erhebung lassen sich eine Reihe von Maßnahmen ableiten, um die schlafmedizinische Versorgung in Deutschland zu verbessern. Besonders bedeutsam erscheint in diesem Kontext die Gewinnung von schlafmedizinisch interessiertem und qualifiziertem Nachwuchs. Hierzu wurde seitens des Vorstandes der DGSM bzw. seitens der Fachgesellschaft bereits eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet, wie z. B. die Gründung und Unterstützung einer Arbeitsgruppe für den klinisch-wissenschaftlichen Nachwuchs, die Intensivierung der Arbeit in den sozialen Netzwerken, die gezielte Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen und die Gewährung von Stipendien zur Unterstützung schlafmedizinischer Qualifikationen. Insbesondere in der Zusammenschau mit der Publikation zur schlafmedizinischen Qualifizierung in Deutschland wird jedoch evident, dass die schlafmedizinische Versorgung auf eine breitere Basis gestellt werden muss, um dem ansteigenden Bedarf gerecht zu werden. In diesem Kontext ist die Einführung einer Qualifizierungsmaßnahme für die schlafmedizinische Primärversorgung zu verstehen, die ebenfalls seitens der Gesellschaft initiiert wurde und zum Ziel hat, die schlafmedizinische Kompetenz bei den primärversorgenden Ärztinnen zu verbessern. Zur Verbesserung der Versorgung von Patientinnen mit Insomnie wurden zahlreiche Pilotprojekte, auch zur telemedizinischen Versorgung initiiert und es werden derzeit Modelle zur Stepped-care-Versorgung evaluiert. Nicht zuletzt erscheint es erforderlich, die interdisziplinäre Versorgung zu verbessern, um der einseitigen Ausrichtung auf die Versorgung von Patientinnen mit schlafbezogenen Atmungsstörungen zu begegnen. In diesem Zusammenhang wird derzeit an der Entwicklung eines Stufenmodells zur schlafmedizinischen Versorgung gearbeitet, welches u. a. Zentren mit besonderen interdisziplinären Versorgungsstrukturen auszeichnen soll.

Fazit für die Praxis

  • Basierend auf diesen Ergebnissen hat die Deutsche Schlafmedizin sowohl ein Gender- als auch ein Nachwuchsproblem, was die Zukunft des Faches existenziell gefährdet.

  • Die Schlafmedizin ist nicht in allen klinischen Disziplinen hinreichend repräsentiert bzw. überproportional auf die ambulante Diagnostik von Patientinnen mit schlafbezogenen Atmungsstörungen (SBAS) ausgerichtet.