Zusammenfassung
Es gibt seit Jahrzehnten eine stabile und schlüssige Rechtsprechung zu den Mordmerkmalen. Zwischen ihr und der psychiatrischen Wahrnehmung und Bewertung von Tötungsdelikten bestehen zwar Spannungen infolge der unterschiedlichen Intentionen von juristischem und psychologischem Verstehen, aber keine ernstlichen Konflikte. Der Beitrag erläutert in Anlehnung an Janzarik (Nervenarzt 63:656–667, 1992) das forensisch-psychiatrische Verständnis der Mordmerkmale, mit denen die Höchststrafwürdigkeit der Tötung eines Menschen begründet wird. Es sind zum einen Merkmale, die sich auf die Tatmotive beziehen und damit sehr direkt die Täterschuld adressieren. Andere Mordmerkmale beziehen sich auf die Begehensweise und sollen stärker auf das Tatunrecht verweisen. Der Beitrag setzt die Merkmale in Beziehung zu den empirisch vorfindlichen Tatbildern und erkennt wenig Änderungsbedarf. Unstreitig aber ist der Begriff „Mörder“ aus dem Strafgesetzbuch zu tilgen und durch die Rede von Mord und Totschlag zu ersetzen.
Abstract
For decades there has been a constant and coherent jurisdiction regarding murder criteria. While there is some tension between this jurisdiction and the psychiatric perception and assessment of homicides due to different intentions of legal and psychological understanding, no serious conflict exists. Referring to Janzarik (Nervenarzt 63:656–667, 1992), this article illustrates the forensic psychiatric understanding of murder criteria, which serve to constitute the highest degree of culpability. Murder criteria can be divided into two groups: firstly, those related to motives of the crime and thus related to the individual culpability of the offender and, secondly, those related to the way the crime was committed and thus related to the unjustness of the act itself. The article compares these criteria with the empirically present categories of committal and finds little need for change. Indisputably, however, the term “murderer” must be removed from the criminal code and replaced by “murder” and “homicide”.
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Interessenkonflikt
H.-L. Kröber versichert, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Es wurden auch keine Versuche an Menschen oder Tieren durchgeführt.
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Professor Werner Janzarik, meinem verehrten psychiatrischen Lehrer, zum 95. Geburtstag gewidmet.
Gekürzte und überarbeitete Fassung des Referats, das der Verfasser in der „Kommission zur Reform der Tötungsdelikte“ beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gehalten hat und das in dessen Dokumentation zum Abschlussbericht (2015) enthalten ist.
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Kröber, HL. Die Mordmerkmale aus forensisch-psychiatrischer Sicht. Forens Psychiatr Psychol Kriminol 9, 251–257 (2015). https://doi.org/10.1007/s11757-015-0340-5
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