Zusammenfassung
Der Beitrag stellt die grundlegenden Anforderungen an Gutachten im Strafprozess, die in vielfältigen Aufgabenstellungen auftreten, dar, zeigt die Abgrenzungslinien zwischen Sachverständigem und Gericht auf, benennt wesentliche Fehlerquellen und ihre Ursachen und weist auf die Folgen schlechter Gutachten hin. Gefordert werden eine wesentliche Verbesserung der Aus- und Fortbildung der Gutachter, aber auch der auftraggebenden Richter, Staatsanwälte und Vollzugsbeamten sowie eine neue Kultur des gegenseitigen Austausches.
Abstract
The paper describes the requirements, both regulatory and developed by court decisions that have to be fulfilled by expert witnesses in criminal cases. It emphasizes the borderline between (psycho) science and law, names sources of mistakes made by experts and the reasons and shows some results caused by bad expertise. A much better basic and advanced training of experts is demanded for experts as well as for judges, prosecutors and prison officers and calls for a new culture for a mutual exchange of dialogue.
Notes
Beweistechnische Fragen wie die Bestimmung von Blutalkoholkonzentration oder Drogen, DNA-Spuren u.v.m. bleiben außer Betracht.
Die Begriffe „Beschuldigter“, „ Angeschuldigter“, „Angeklagter“, „Verurteilter“ und „Gefangener“ sind gesetzlich festgelegt (z. B. in § 157 StPO) und sollten vom Sachverständigen nicht verwechselt werden (Gefahr der Befangenheit!), wogegen er sich dadurch schützen kann, dass er stets vom „Probanden“ spricht oder einfach den Menschen bei seinem Namen nennt.
Und nicht selten überflüssigerweise: Nach der Rechtsprechung ist (auch) ein solches Gutachten nur erforderlich, wenn der dem Gericht unterstellte Sachverstand nicht ausreicht, und das ist nur in eher seltenen Konstellationen der Fall, z. B. bei Kindern unter 7 Jahren oder bei dem Verdacht einer psychischen Beeinträchtigung, die sich auf die Aussage auswirken kann.
Oft auch „Erkenntnisverfahren“ (Urteil: Erkenntnis) genannt; das „erkennende“ Gericht nennt der BGH oft auch „Tatgericht“ oder „Tatrichter“.
Auch die Vollstreckung einer Strafe kann schon im Urteil zur Bewährung ausgesetzt werden; dafür werden aber praktisch nie Gutachten eingeholt.
§ 56 Abs. 1 StGB: „Dabei sind namentlich [also gerade nicht abschließend] die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind“; für die Reststrafenaussetzung nach § 57 StGB zusätzlich „das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsgutes und das Verhalten im Vollzug“.
§ 46 StGB, wiederum „namentlich“, „die Beweggründe und Ziele des Täters, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen“.
Vgl. dazu auch Urbaniok [4].
Schon BGH, Urteil v. 23.02.1966 – 2 StR 15/66. BGHSt 21, 62.
Anders nur, wenn vorher eine Belehrung über das Zeugnisverweigerungsrecht durch den Richter erfolgt ist; Gutachter sollten immer darauf bestehen, dass dies geschieht, bevor sie eine Person aus dem Kreis der Zeugnisverweigerungsberechtigten explorieren.
Urteil v. 30.07.1999 – 1 StR 618/98. BGHSt 45, 164.
VRinBGH Rissing-van Saan, VRiBGH Nack, RiBGH Basdorf, Bode, Boetticher, Maatz und Pfister, VRiBGH a. D. Schäfer, Bundesanwälte Hannich und Altvater, Vollstreckungsrichter RiOLG Böhm und Müller-Metz sowie VRiLG Wolf, Kriminologe Schöch, Rechtsanwalt Deckers, forensische Psychiater Berner, Dittmann, Kröber, Leygraf, Müller-Isberner, Nedopil, Saß, Habermeyer, Sexualmediziner Beier und Bosinski und Rechtspsychologe Köhnken.
Boetticher et. al., für Schuldfähigkeitsgutachten NStZ 2005, 57 ff., für Prognosegutachten NStZ 2006, 537 ff.
Urteil v. 12.6.2008 – 3 StR 154/08, NStZ-RR 2008, 338; Urteil v. 14.04.2012 – 1 StR 15/12, juris.
BVerfG, Beschl. v. 10.2.2004 – 2 BvR 2029/01. NJW 2004, 739, 743.
Vgl. dazu FPPK 2007, 10 ff.
Vgl. dazu FPPK 2007, 10 ff.
Zum Beispiel LG Marburg, NStZ-RR 2006, 156 f.
BGHSt 49, [1]1, 151; im Fall hatte die (sachverständige!) Klinik einem Patienten Urlaub gewährt, in dessen Verlauf er Menschen tötete.
Literatur
BGHSt (2004) Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs. BGHZ 139:16
NStZ (o J) Neue Zeitschrift für das Strafrecht. Jahr, Seite
Urbaniok (2007) Forensisch Operationalisiertes Therapie-Risiko-Evaluations-System. Bern
Urbaniok (2012) Persönlichkeitstäter, Situationstäter und Prognostische Syndrome. Interventionen bei Gewalt- und Sexualstraftätern. Berlin
Interessenkonflikt
Es liegt kein Interessenkonflikt vor.
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Wolf, T. Zur Qualität forensischer Gutachten aus strafrechtlicher Sicht. Forens Psychiatr Psychol Kriminol 6, 235–242 (2012). https://doi.org/10.1007/s11757-012-0177-0
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DOI: https://doi.org/10.1007/s11757-012-0177-0
Schlüsselwörter
- Gutachten im Strafprozess
- Anforderungen an Gutachten
- Gutachtenfehler
- Folgen schlechter Gutachten
- Aus- und Fortbildung von Gutachtern, Richtern, Staatsanwälten und Vollzugsbeamten