Die postpartale Bindungsstörung: Eine Risikokonstellation für den Infantizid ?

Zusammenfassung

Hintergrund:

Die Wirksamkeit präventiver Maßnahmen zum Kinderschutz hängt u.a. von der Identifikation typischer Risikokonstellationen für Kindestötungen ab. Die postpartale Bindungsstörung, eine emotionale Beziehungsstörung einer Mutter zu ihrem Kind, stellt eine Risikokonstellation für den Infantizid neben anderen negativen Folgen für die kindliche Entwicklung dar. Sie geht häufig mit einer postpartalen Depression einher, unterscheidet sich jedoch von dieser, in der emotionalen Qualität dem Kind gegenüber. Das Gelingen präventiver Maßnahmen zur Kindeswohlgefährdung hängt unter anderem von der therapeutischen Beeinflussbarkeit mütterlicher Störungen ab. Methode: 42 postpartal erkrankte, in einer Mutter-Kind-Einheit behandelte Mütter (25 depressiv, 17 schizophren) wurden auf das Vorliegen einer Bindungsstörung und den Therapieerfolg hinsichtlich der Mutter-Kind-Beziehung untersucht. Zentrale Merkmale waren Bindungserleben, mütterliche Selbstwirksamkeit und objektiv beurteilte Parameter der Mutter-Kind-Interaktion.

Ergebnisse:

Ungefähr 60% der Mütter wiesen eine Bindungsstörung auf. Signifikante Besserungen wurden hinsichtlich der psychiatrischen Grunderkrankung wie auch in den zentralen Merkmalen der Mutter-Kind-Beziehung und des Mutterschaftserlebens erzielt.

Schlussfolgerungen:

Mütterliche Bindungsstörungen sind eng assoziiert mit postpartalen Depressionen und einem geringen mütterlichen Selbstwirksamkeitserleben, woraus eine Risikokonstellation für den Infantizid entstehen kann. Der vorliegenden Untersuchung zufolge ist die therapeutische Beeinflussbarkeit gegeben. Früherkennung und Behandlung postpartaler Depressionen könnten sich somit als ein weiterer früh wirksamer Ansatz zur Prävention von Kindeswohlgefährdung erweisen.

Abstract

Background

The effectiveness of preventive approaches in the field of child protection depends, amongst other things, upon identifying typical risk constellations of infanticide. Postpartum bonding disorder, a disorder affecting a mother’s emotional relationship with her child, is one of those risk constellations alongside other negative consequences to child development. It frequently accompanies postpartum depression, which is determined by other emotional qualities. The therapeutic response is a determinant factor for the success of preventive measures.

Method

42 mothers with postpartum disorders (25 depressive, 17 schizophrenic) undergoing treatment at a mother-baby-unit were examined for bonding disorders and the therapeutic response, primarily regarding the mother-child relationship. Perception of bonding, maternal self-efficacy and objectively measured parameters of mother-child interaction were the most important parameters assessed. Results. Nearly 60% of the mothers suffered from a bonding disorder. Overall, the results indicated a clear improvement in psychiatric disorder as well as in the assessed parameters for the mother-child relationship and the experience of motherhood.

Conclusions.

Maternal bonding disorders are strongly associated with postpartum depression and low maternal self-efficacy, which can lead to a risk constellation for infanticide. The data confirm the therapeutic response, thus demonstrating that early diagnosis and treatment of postpartum depression can represent a timely and effective preventive approach in the field of child protection.