Psychodrama: Empirische Forschung und Wissenschaft. Ein Feld, das im deutschsprachigen Raum leider lange Zeit nicht gerade brach lag, aber sicher nicht in ausreichendem Rahmen Beachtung fand. Psychodramatische Therapie, Beratung und Supervision sind wirksam, das können nicht nur Generationen von PsychodramatikerInnen bezeugen, sondern auch die zahlreichen KlientInnen und PatientInnen, die mit diesem Verfahren in Berührung kamen. Qualitative Studien und Fallstudien liegen in großer Zahl vor, damit haben wir eine ausgezeichnete praxis-orientierte qualitative Evidenz im Psychodrama. Die Anforderungen von Wissenschaft an ein Verfahren wie das Psychodrama bezieht selbstverständlich diesen Sachverhalt ein, auch ist längst die qualitative Sozialforschung ein anerkannter Zweig der Forschung, wie der Beitrag vonHintermeier in diesem Band belegt, aber die Ergänzung um quantitative Daten war längst überfällig im Sektor PD. Für den vorliegenden Band konnten wir eine Reihe interessanter AutorInnen gewinnen, die einen Beitrag zur empirischen Psychodrama-Forschung geleistet haben. Darunter sind renommierte AutorInnen ebenso wie engagierte NewcomerInnen.

Der Band gliedert sich in vier große Bereiche: Grundlagenbeiträge zur Forschung, Beiträge zum Themenfeld Kinder und Jugendliche, Störungsorientiertes Psychodrama und Psychodrama-Forschung in Aus- und Weiterbildung sowie Supervision.

Der Band beginnt mit einem historischen Beitrag:John H. Mann und Carol Honroth Mann haben bereits vor langer Zeit einen wichtigen Beitrag zur systematischen Erforschung des psychodramatischen Rollenspiels geliefert. Sie weisen in ihrer Studie den Effekt des Rollenspiels auf die Fähigkeit der Rolleneinnahme anderer Rollen in anderen Kontexten nach. Die Untersuchung wurde an 96 zufällig ausgewählten ProbandInnen durchgeführt. Das Design umfasste mehrere Versuchs- und Kontrollgruppen sowie externe BeobachterInnen. Der Einfluss von einer Rollenspiel-Erfahrung auf die generelle Fähigkeit zum Rollenspiel wurde mit Hilfe von a) Einschätzung durch Mitglieder in der Rolle der ZuschauerInnen, b) Einschätzungen durch andere RollenspielerInnen, c) Selbsteinschätzung der RollenspielerInnen, d) Einschätzungen von BeurteilerInnen, die sich Tonbandaufnahmen der Rollenspiel-Sitzung anhörten, e) Einschätzung der BeobachterInnen im Situationstest und f) Einschätzung der BeurteilerInnen über die Anzahl der Rollen, die von den Gruppenmitgliedern im Situations-Test übernommen wurden, erfasst. Eine signifikante Zunahme der Fähigkeit zum Rollenspiel wurde in allen Messungen ermittelt. Die Ergebnisse unterstützen die These, dass eine Rollenspiel-Erfahrung die Fähigkeit zum Rollenspiel verbessert.

David A. Kippers Beitrag ist der letzte, den er verfassen konnte. Unmittelbar nach Abgabe seines Beitrags verstarb der amerikanische Psychodrama-Kollege, der wie kein anderer (nicht nur) die akademische empirische Psychodrama-Forschung zu seinem Anliegen gemacht hat. Wir schätzen uns glücklich, seinen zusammenfassenden Beitrag empirischer Studien zur Spontaneität hier abdrucken zu dürfen. Sein Artikel beschäftigt sich mit zehn empirischen Studien, welche die Hypothese prüfen, dass es sich bei der Spontaneität um eine positive Persönlichkeitseigenschaft handelt. Es wird die theoretische Behauptung untersucht, dass Spontaneität einen positiven Bezug zu Wohlbefinden und einen negativen zu psychischen Anpassungsstörungen aufweist. Diese Untersuchungen werfen ein neues Licht auf die Natur und die Bedeutung von Spontaneität, und versuchen Probleme, Verwirrungen und die für die traditionelle Definition der Spontaneität so typischen Inkonsistenzen zu vermeiden. Die empirischen Untersuchungen zur Spontaneität wurden durchgeführt mithilfe des überarbeitetenSpontaneität Assessment Inventars (SAI-R) und dessen Vorgänger, demSpontaneität Assessment Inventar (SAI). Der Überblicksartikel diskutiert die Probleme mit der traditionellen Definition der Spontaneität und die Gründe, warum bislang keine empirischen Untersuchungen durchgeführt wurden. Es wird einerseits eine alternative Daten-basierte Definition vorgeschlagen, andererseits ein neues Untersuchungs-Tool, welches die quantitative Forschung ergänzt. Das Review stellt die Ergebnisse einer Serie von Studien dar, erläutert ihre Bedeutung und Implikationen für zukünftige Forschung. Spontaneität ist einer der zentralsten Begriffe im Psychodrama. Es ist ein großer Verdienst vonKipper, dieses Theorem klarer zu fassen. Eine Gruppe um den Zweitherausgeber hat den SAI-R ins Deutsche übertragen, die Validierungsstudie wird gerade durchgeführt.

Der kanadische Psychodramaforscher und Moreno-BiografRené Marineau ist der dritte Autor aus dem nicht-deutschsprachigen Raum. Sein Beitrag reflektiert die Lage der Forschung im Bereich Psychodrama. Er resümiert, dass der aktuelle Stand des Psychodramas, der Soziometrie und des Soziodramas neu überdacht werden muss. In einer Welt, in der verschiedene Denkansätze angeboten werden, um Probleme einzelner Personen aber auch Gruppen zu lösen, muss Forschung stärker mit der Anwendung des Psychodramas verbunden werden. Als „reflexive practitioner“ ist er überzeugt, dass wir maßgebliche Verantwortung tragen und folgende Fragen zu beantworten haben: „Was mache ich, wenn ich tue, was ich tue?“

Unter GruppenpsychotherapeutInnen sehr bekannt istVolker Tschuschke, der vor allem durch seine Wirksamkeitsstudien zur Gruppenpsychotherapie in Psychodramakreisen Aufmerksamkeit erlangt hat. Davon handelt auch sein Beitrag: Wirksamkeit psychodramatischer Gruppenpsychotherapie.Die PAGE-Studie untersuchte die Wirkungen von ambulanten analytischen/tiefenpsychologisch-fundierten und psychodramatischen Gruppenpsychotherapien im Rahmen einer naturalistischen Studie. 40 erfahrene niedergelassene GruppenpsychotherapeutInnen – davon 12 PsychodramatikerInnen – kooperierten in der Studie, die vollständige Datensätze (Prä-Post) von 244 PatientInnen analytischer/tiefenpsychologisch fundierter und von 91 PatientInnen psychodramatischer Gruppentherapien umfasst. Die Effektstärken beider Therapierichtungen sind im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hoch … und unterstreichen die Bedeutung von psychotherapeutischen Langzeitbehandlungen bei einer psychisch schwerer belasteten PatientInnen-Klientel… Ebenfalls erhobene Therapieziele summierten sich über alle PatientInnen auf fast 2.000 und geben Aufschlüsse über das Verhältnis von intrapsychisch versus interpersonal-sozial verortbaren Zielen.“

Thomas Schwinger untersucht in seinem Artikel Beziehungslandschaften. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die These, dass menschliche Beziehungen die Grundlage individueller Persönlichkeit sind. Er stellt interpersonale Theorien dar und untersucht, wie ein Mensch seine Beziehungen kognitiv konstruiert. Welche Muster des Erlebens und Interpretierens von Interaktionen in Beziehungen werden verwendet? „Die Art und Weise, wie jemand Beziehungen konstruiert kann unterschiedlich differenziert sein. Es werden Untersuchungen zu individuellen Beziehungskonstrukten dargestellt.“ Ein Ergebnis ist dabei, dass „je weniger differenziert Beziehungskonstrukte sind, desto weniger gelingt die Übernahme der Perspektive eines Beziehungspartners.“ Der Autor beschreibt Vorgehensweisen anhand von Beispielen und liefert eine Analyse von Beziehungskonstrukten.

Hans-Werner Gessmann liefert einen empirischen Beitrag zur Prüfung der Wirksamkeit psychodramatischer Gruppenpsychotherapie bei NeurosepatientInnen der ICD-10-Diagnosegruppen F3 und F4. „Die Gruppenpsychotherapie bei NeurosepatientInnen mit dem Psychodrama zeigte nach 50 Therapiestunden im Vergleich zu parallelisierten Vergleichsgruppen signifikante Veränderungen in auf ein definiertes Therapieziel relevanten Erlebens- und Verhaltensweisen. Alle acht KlientInnen bewerteten in der Nachbefragung die Therapiezeit für sich als erfolgreich und hatten wesentliche, vorab formulierte Ziele erreicht. Die subjektiv beschriebenen positiven Veränderungen konnten mit psychometrischen Verfahren objektiviert werden.“

Der Beitrag zum Thema Qualitative Psychodramaforschung vonSonja Hintermeier gibt einen Überblick, wie sich die heutige qualitative Psychotherapieforschung historisch und methodisch entwickelt hat, auf welchen theoretischen Grundlagen und methodischen Grundsätzen sie beruht und welche Verfahren sich für qualitative Psychodramaforschung besonders anbieten. Qualitative Forschungsansätze sind weniger bekannt als quantitative, obwohl sie auch schon eine lange Wissenschaftstradition vorweisen können. Die qualitativen Ansätze sind nach Ansicht der Autorin für psychodramatische Therapieprozessforschung besonders gut geeignet und kommen dem spontan-kreativen Ansatz des Psychodramas sehr entgegen. Der Beitrag von Hintermeier schließt den Grundlagenteil.

Der folgende Teil beschäftigt sich mit Forschungen zum ThemaPsychodrama mit Kindern und Jugendlichen.

Daniel Bindernagel und seine Co-AutorInnen Alexandra Scherrer, Anna Lea Winzeler und Agnes von Wyl beschreiben ein Untersuchungssetting zur Wirksamkeit von Psychodrama-Gruppentherapie mit Kindern. Sie geben mit der vorliegenden Arbeit Anregungen für eine praxisorientierte Forschung. Die AutorInnen zeigen „Forschungsansätze in einer ambulanten Kinder- und Jugendpsychiatrischen Versorgung zu Psychodramagruppentherapie mit Kindern und ihren Eltern auf. Ziel ist es, zu einer praxisorientierten Wirksamkeitsforschung und einer systematischen Reflexion von Gruppenprozessen mit Kindern beizutragen. Nach einer einleitenden Darstellung des beforschten Feldes und der praktischen Durchführung der Gruppentherapie wird eine Outcomestudie mit katamnestischer Befragung und eine qualitative Einzelfallstudie mit Blick auf die Beziehungsentwicklung eines einzelnen Kindes in der Gruppe dargestellt. Das Behandlungsmodell dieser psychoanalytisch orientierten Psychodrama-Gruppentherapie mit Kindern und ihren Eltern wurde über ein Jahrzehnt an den Kinder- und Jugendpsychiatrischen Diensten St. Gallen, Schweiz entwickelt und praktiziert.“ Für ihre Outcome-Studie befragten sie die Kinder und ihre Eltern zu verschiedenen Zeitpunkten. „Die Wirksamkeit der Behandlung wird anhand einer Verbesserung der Lebensqualität nachgewiesen. Die Zufriedenheit der Eltern und der Kinder mit der Behandlung wird gemessen und reflektiert. In der Einzelfallanalyse wird die Beziehung eines ausgewählten Kindes zum Gruppenpsychotherapeuten anhand der Beziehungsachse des OPD-KJ mittels Videorating von 6 ausgewählten (aus insgesamt 40) Therapiesitzungen jeweils aus der Anfangs-, der Mittel- und der Schlussphase analysiert. Die Veränderung von maladaptiven Interaktionsmustern zu adaptiven Mustern innerhalb der therapeutischen Beziehung wird dargestellt.“

Ulrike Altendorfer-Kling, Barbara Herzog-Schuster und Leonhard Thun-Hohenstein zeigen in ihrer Studie zu „Psychodramagruppen für Kinder mit psychosozialen Schwierigkeiten und Kindern von psychisch kranken Eltern“, dass man mithilfe des Psychodramas auch „Siegen [kann], wenn die Chancen schlecht stehen!“ Das elementar wichtige Thema Kinder psychisch kranker Eltern wird hier bearbeitet. „Schätzungsweise in jeder vierten Familie leidet ein Familienmitglied an einer psychischen Erkrankung. Der Fachliteratur zufolge haben Kinder psychisch kranker Eltern ein deutlich erhöhtes Risiko, im Laufe ihres Lebens selbst eine klinisch relevante psychische Störung zu entwickeln. Den weitreichenden Auswirkungen, die die elterliche Erkrankung auf die Kinder der Betroffenen hat, steht ein minimales Angebot an Hilfestellungen gegenüber. Daraus ergibt sich deutlich der Bedarf an präventiven und therapeutischen Angeboten. In Österreich ist es außerdem notwendig, das Thema von Kindern psychisch kranker Eltern mehr im Bewusstsein der BehandlerInnen zu verankern, um die wenigen bestehenden Angebote für die Betroffenen nutzbar zu machen.“ Sie stellen in ihrem Artikel eine Psychodramagruppe für Kinder und Jugendliche vor. Die Fortschritte der behandelten Kinder werden in semistandardisierten Interviews sowohl von den Eltern, als auch von den TherapeutInnen als positiv eingeschätzt (> 50 %). Nur 30 % der Eltern sieht die Schwierigkeiten und Symptome der Kinder als gleichbleibend an.“ Ihr Resümee lautet: „Psychodrama als Therapiemethode eignet sich ausgezeichnet dafür, Kinder- und Jugendlichengruppen nicht ausschließlich diagnosen- oder themenzentriert zu leiten.“ Sie zeigen sogar auf, dass es möglich ist, „erfolgreich mit einer altersinhomogenen Gruppe von Kindern- und Jugendlichen zu arbeiten.“

Mit etwas älteren Kindern beschäftigt sichKai-Christian Koch in seiner empirischen „Analyse einer entwicklungspsychologischen Erklärung des Wandels der soziometrischen Beziehungen zwischen Jungen und Mädchen in Grundschulklassen“ mit dem Titel: „Zunehmende Segregation durch Akzeleration? Ausgangspunkt seiner Studie sind soziometrische Zeitwandelstudien, die zwischen Anfang der 70er und Ende der 90er Jahre durchgeführt wurden mit dem unter anderem auffälligen Ergebnis, dass die Segregation der Geschlechter in Grundschulklassen im Zeitvergleich zunahm. Auf der Suche nach Erklärungen dieses Wandels wird deutlich, dass das Phänomen der säkularen Akzeleration als mögliche Veränderungsdeterminante in Betracht zu ziehen ist.“ Der Artikel beschreibt die „empirische Analyse dieser Annahme anhand von Befunden zur Geschlechtersegregation und Entwicklungsbeschleunigung sowie einer Stichprobe von 754 GrundschülerInnen…. Die Ergebnisse des Autors belegen, dass die säkulare Akzeleration die zunehmende Trennung der Geschlechter nur unzureichend erklären kann und auch spezifischen Faktoren im direkten Umfeld der SchülerInnen eine zentrale Bedeutung zuzuschreiben ist. Sie implizieren wichtige praxisrelevante Erkenntnisse, die abschließend diskutiert werden.“

Sonja Čejka zeigt in ihrem Beitrag auf, dass das soziale Atom als Analyseinstrument sozialer Netzwerkforschung wichtige Erkenntnisse bringt. Am Beispiel einer Projektevaluation innerhalb der Jugendwohlfahrt analysiert sie „die Herausforderungen der Netzwerkgestaltung unter den Bedingungen der Migration. Die Ergebnisse der Studie zeigen im Wesentlichen drei Bewältigungsweisen auf: Der Netzwerktransformation mit Entwicklung der notwenigen Lernschritte steht der soziale Rückzug oder das abgeschottete Leben in der ethnischen Community gegenüber. Der erstgenannte Typ stellt eine gelungene Bewältigung der Migration dar, die beiden anderen Typen gehen mit Risiken insbesondere für die Kinder einher. Die Netzwerk-ErhebungstechnikSoziales Atom ermöglicht die Auffindung von „schwachen Beziehungen“, die unter bestimmten Bedingungen hilfreich für die Arbeitsmarktintegration, aber auch für die Anbindung und Öffnung zu verschiedenen anderen Gemeinschaften und Institutionen sein können. Das Soziale Atom erlaubt auch Rückschlüsse auf die Veränderungsdynamik der befragten Personen,“ welche die Autorin mit der Haltung „Die Befragte ist die Expertin“ durch narrative Interviews untersuchte.

Gabriele Kastner eröffnet den AbschnittPsychodramaforschung störungsspezifisch, der vor allem für therapeutisch tätige KollegInnen interessante Einblicke gibt. „Vom Blick aus dem Muster zum Blick auf das Muster“ nennt sie ihren Beitrag und setzt die grounded theory mit dem Psychodrama in Beziehung. „Beiden gemeinsam ist der Prozesscharakter und eine in vieler Hinsicht ähnliche Vorgangsweise, weshalb sich die grounded theory gut zur Beforschung psychodramatischer Fragestellungen eignet. Um dies zu verdeutlichen wird im zweiten Teil der Arbeit als Anwendungsbeispiel eine grounded theory zum psychodramatischen Störungs- und Therapieverständnis der Dissoziation vorgestellt. Als Kernkategorie mit der höchsten Integrationskraft hat sich das gemeinsame Einnehmen einer Außenperspektive in der Spiegelposition erwiesen. Diese Außenperspektive eröffnet eine Metaebene, ermöglicht die Integration bislang unverbundener Anteile und bewirkt Selbstregie.“

Die psychodramatische „Gruppentherapie bei strukturellen Störungsbildern“ beforschen und beschreibenGerda Trinkel und Andrea Nindler. „Die Autorinnen stellen ihre psychodramatische Arbeitsweise mit einer therapeutischen Gruppe an einer Beratungsstelle vor. Besondere Beachtung findet die Weiterentwicklung struktureller Fähigkeiten, die durch entsprechende Interventionen gefördert werden. Die psychodramatische Gruppentherapie mit PatientInnen, die unter strukturellen Störungen leiden, erstreckte sich über einen Zeitraum von sechs Monaten. Die Evaluation der Gruppentherapie erfolgte mit demBrief Symptom Inventory. Bei allen PatientInnen zeigten sich eine Reduktion der Symptome und eine positive Veränderung der strukturellen Kompetenzen.“

Wolfgang Färber untersucht die „Möglichkeiten und Risiken von Psychodrama-Therapie während des Drogenentzuges“, besonders in der Craving-Phase. Diese Phase zeichnet sich durch körperliche und psychische Labilisierung aus und ist geprägt von unterschiedlichen psychischen Herausforderungen, die zuvor durch den Konsum nicht sichtbar waren. Psychotherapie kann in dieser Phase hilfreich sein; sie wird aber häufig aus Angst vor einer möglichen Problemeskalation als kontraindiziert angesehen. Der Autor versucht sich der Frage zu nähern, „unter welchen Bedingungen bzw. bei welchen PatientInnen Psychodrama während der ‚heißen Phase‘ des Drogenentzuges sinnvoll sein könnte.“

Im letzten Teil des Bandes stehen dieAus- und Weiterbildung sowie qualitätssichernde Maßnahmen wieSupervision im Mittelpunkt. Dass sich Weiterbildung bzw. Ausbildung in einem Psychotherapieverfahren und Forschung nicht ausschließen zeigenPia Andreatta, Arthur Drexler, Elisabeth Pauza und Heidi Möller, die die „Entwicklung interpersoneller Problemlösekompetenz während der psychotherapeutischen Ausbildung in Psychodrama“ untersuchen. Ausgehend von der Hypothese, dass Beziehungskompetenzen über alle Therapieschulen hinweg von PsychotherapeutInnen zu den zentralsten Elementen einer gelingenden Psychotherapie gehören, plädieren die AutorInnen dafür, dies in der Psychotherapie-Ausbildung entsprechend zu vermitteln. In ihrer Studie fokussieren sie „auf interpersonelle Problemlösekompetenzen von AusbildungsteilnehmerInnen und fragen ob diese erlern- und entsprechend evaluierbar sind… Zur Erfassung interpersonaler Probleme setzten die AutorInnen dasIIP – Inventar ein. In diesem Pilotprojekt zeigt sich, dass dasIIP grundsätzlich in der Psychotherapie-Ausbildungsforschung erkenntnisgenerierend ist. Im Laufe der Ausbildung haben sich wesentliche Beziehungsmerkmale signifikant verbessert. Die interpersonelle Problemlösekompetenz der Ausbildungsgruppe hat sich deutlich gesteigert.“

„Das Rollenspiel in der Psychodramaausbildung im Fokus der Sozialforschung“.Hermann Mitterhofer, Pia Andreatta und Manuela Seewald greifen ein altbewährtes Dramatherapie-Instrument auf, denDiagnostic Role-Playing Test (DRPT) nachJohnson. In ihrem Artikel „wird vor dem Hintergrund des Ziels von Psychotherapieausbildungen, den KandidatInnen psychotherapeutische Kompetenzen zu vermitteln, der Kompetenzerwerb in der Psychodramaausbildung“ untersucht. „Der Fokus richtet sich dabei auf die Kompetenzen Spontaneität und Kreativität in der Rollenausgestaltung. Die Analyse … erfolgt aus einer sozialwissenschaftlichen Perspektive und orientiert sich an der Grounded Theory. Die Ergebnisse der vergleichenden Analyse – Beginn der Ausbildung und am Ende derselben – zeigen deutliche Veränderungen in der Ausgestaltung der Rollen. ImDRPT kann zur Untersuchung dieser Veränderungen ein hoch geeignetes Instrument gesehen werden.“

Maria Stippler und Heidi Möller fokussieren die „Entwicklung der Konzeptkompetenz in der Psychodrama-Ausbildung“. Diese Konzeptkompetenz wird „schulenübergreifend als grundlegende therapeutische Kompetenz“ angesehen „und sollte daher auch in der Psychotherapieausbildung gefördert werden. In diesem Beitrag wird eine Möglichkeit der Messung der Konzeptionellen Kompetenz anhand der Bearbeitung von Fallvignetten und der Analyse dieser Bearbeitungen mitGABEK bzw.WinRelan und der qualitativen Inhaltsanalyse dargestellt und die Veränderung dieser Kompetenz während der Psychodrama-Ausbildung abgebildet. Der Prä-Post-Vergleich der Daten zeigt sowohl quantitative als auch qualitative Unterschiede hinsichtlich Komplexität, Kohärenz und zirkulärer Vernetztheit der Antworten, die auf eine Veränderung der Konzeptionellen Kompetenz im Rahmen der Psychodrama-Ausbildung hinweisen.“

Der letzte Beitrag kommt vonHannes Krall und Jutta Fürst und hat die „Supervision in der Psychodrama-Psychotherapieausbildung“ zum Thema. Sie untersuchen mithilfe einer empirischen Studie die „Wirksamkeit von Ausbildungssupervision. In der Ausbildung zur Psychotherapeutin bzw. zum Psychotherapeuten stellt die Supervision psychotherapeutischer Praxis ein entscheidendes Bindeglied zwischen den vermittelten theoretischen und methodischen Grundlagen der Psychotherapie und der eigenständigen psychotherapeutischen Tätigkeit dar. In Form einer Fallstudie wird in ihrem Beitrag vorgestellt, in welchem Ausmaß die Ziele in der Supervision erreicht werden und welche methodischen Aspekte in der Supervision dabei unterstützend und hilfreich sind. Eine besondere Aufmerksamkeit gilt der Frage, wie sehr die AusbildungskandidatInnen in ihrer psychotherapeutischen Praxis belastet sind und ob bzw. in welchem Ausmaß die Supervision zur Belastungsreduktion beiträgt. Um die Nachhaltigkeit der supervisorischen Arbeit zu erfassen, erfolgt diese Einschätzung unmittelbar nach der Supervision sowie im Rückblick nach einem zeitlichen Abstand von etwa zwei bis vier Wochen. Die Ergebnisse belegen, dass die Ziele in der Supervision in hohem Maße erreicht werden und die Supervision nachhaltig zur Entlastung beiträgt. Dabei zeigt sich, dass insbesondere mit Hilfe der szenischen Bearbeitung von Fallbeispielen, wie sie im Psychodrama üblich ist, eine nachhaltige Belastungsreduktion erzielt werden kann.“

Für diesen bunten Reigen an Psychodrama-Forschung, der verschiedene Aspekte beleuchtet, konnten wir die vorgenannten AutorInnen aus USA, Kanada, Österreich, Deutschland und der Schweiz gewinnen. PsychodramatikerInnen entdecken ca. 40 Jahre nachMorenos Tod gerade (wieder) die empirische Forschung für sich, was dem Verfahren innerhalb der scientific community sicher zu weiterer Anerkennung verhelfen wird. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Anerkennungsfrage als Psychotherapieverfahren in den verschiedenen Ländern unterschiedlich gehandhabt wird. Während Österreich zum Beispiel auf die komfortable Situation, Psychodrama ist ein akzeptiertes Psychotherapieverfahren, blicken kann, in der Schweiz die Lage sich zumindest gebessert hat, sind die deutschen Psychodrama-KollegInnen damit konfrontiert, dass sie – von wenigen Ausnahmen abgesehen – ein weiteres Verfahren erlernen müssen, um die sozialrechtliche Anerkennung zu erhalten. Obwohl die meisten Mitglieder der darüber entscheidenden Gremien durchaus der Meinung sind, dass Psychodrama als Therapieverfahren wirkt, erfolgt eine Aufnahme in den Kreis der wissenschaftlich anerkannten und sozialrechtlich zugelassenen Verfahren nicht ohne ausreichende empirische Belege. Auch aus diesem Grund haben wir uns entschlossen, den vorliegenden Band herauszugeben. WieMarineau in seinem Beitrag schreibt: „Wir müssen alle zusammenhelfen.“ Eine Initiative über die methodischen Grenzen des Psychodramas hinweg ist dieArbeitsgemeinschaft Humanistische Psychotherapie (AGHPt), die es sich in Deutschland zum Ziel gesetzt hat, das gleichnamige Verfahren als Dach, unter dem sich auch das Psychodrama befindet, zu vertreten. In diesem Kontext stehen weitere Forschungsaufgaben an.

Wenn der Band Sie als LeserIn anregt, eigene Forschungen zu beginnen oder bestehende fortzusetzen, wäre dies durchaus in unserem Sinne. Wir planen einen Folgeband und nehmen gerne Vorschläge für Beiträge entgegen.

Auch auf europäischer Ebene schließen sich PsychodramatikerInnen seit ein paar Jahren zusammen, um die Forschung voranzubringen, sowohl in den einzelnen Ländern, als auch über Ländergrenzen hinweg in kooperativen Projekten. So hat sich z. B. das Research Committee derFederation of European Psychodrama Organizations (FEPTO) die Evaluation von Psychodrama zum Ziel gesetzt und versucht dazu, verschiedenartige Projekte zusammenzuführen.