Zusammenfassung
In diesem Beitrag analysieren wir Kriegsberichterstattung aus einer Längsschnittperspektive. Das in der Kommunikationswissenschaft häufig diskutierte Themenzyklusmodell übertragen wir auf medial beachtete Kriege. Dabei differenzieren wir nach der Dauer und Vorhersehbarkeit der Kriegsereignisse verschiedene Typen von Themenverläufen mit unterschiedlichen Phasen. Wir nehmen an, dass sich die Berichterstattung von Phase zu Phase nicht nur quantitativ, sondern auch in ihren inhaltlichen Merkmalen unterscheidet. Anhand der Berichterstattung über den Libanonkrieg 2006 in den Tageszeitungen Süddeutsche Zeitung und Frankfurter Allgemeine Zeitung wird das vorgeschlagene Modell empirisch exploriert. Die Analyse zeigt, dass die Berichterstattung in diesem Fall in vier verschiedene Phasen eingeteilt werden kann und vor allem ereignisgetrieben ist. Die größte Vielfalt der Sprecher, die zu Wort kommen, herrscht in der Hochphase der Berichterstattung, in der insbesondere Medien- und Kriegsakteure deutlich mehr Raum in der Berichterstattung einnehmen als in den anderen Phasen.
Abstract
In this article, we analyse war coverage from a longitudinal perspective. In doing so, we refer to the classical issue cycle model, which has been discussed frequently in communication science. We adapt the model to war coverage and – according to the duration and the predictability of war events – we distinguish different types of news cycles. We assume that different stages of news coverage differ not only quantitatively, but also qualitatively with regard to the cited sources. The coverage on the war in Lebanon (2006) in the newspapers Süddeutsche Zeitung and Frankfurter Allgemeine Zeitung serves as a case study for the empirical exploration of the suggested model. The coverage can be divided into four different phases, and the results show that it was mainly event-driven. In the peak phase of coverage, increased citations of actors participating in the conflict and of other media actors are observed, as well as generally the most diverse range of voices to be heard in the coverage.
Notes
Für die Kriegsdefinition soll hier das Verständnis der Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung gelten, die unter Krieg einen gewaltsamen Massenkonflikt zwischen mindestens zwei bewaffneten Streitkräften versteht, der ein Mindestmaß an Kontinuität und zentral gelenkter Organisation aufweisen muss (vgl. Schreiber 2008, S. 8). Die Definition macht es möglich, Anfang und Ende von Kriegen zu identifizieren und somit auch zwischen Vor- und Nachkriegsberichterstattung zu unterscheiden.
Die Akteure Militär und Politik sind in Abb. 1 zusammengefasst, da besonders im Kriegsfall von einer engen Ankopplung des Militärs an die Politik ausgegangen wird.
Die Benennung der Phasen erfolgte in Anschluss an die oben benannte Literatur (Phasen 1–4, 6) und nach eigenen Überlegungen (Phase 5).
Suchstrategie: F.A.Z.-BiblioNet / http://fazarchiv.faz.net/intranet/biblionet: („Hizbullah“ OR „Libanon“) AND „Israel“; SZ Archiv / http://librarynet.szarchiv.de: („Hisbollah“ OR „Libanon“) AND „Israel“.
Die Analyse aller 80 vor Kriegsausbruch erschienenen Artikel spricht gegen das Vorhandensein einer Durchbruchphase, da nur in fünf Artikeln ein Bezug zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen den späteren Kriegsparteien und somit ein möglicher, konkreter Bezug zum Krieg im Sommer festzustellen ist.
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Miltner, P., Waldherr, A. Themenzyklus der Kriegsberichterstattung – ein Phasenmodell. Publizistik 58, 267–287 (2013). https://doi.org/10.1007/s11616-013-0180-2
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