Zusammenfassung
Während die formalen Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern bei Bildungsabschlüssen und die Unterschiede im Erwerbsverhalten im Zeitverlauf in Deutschland zurückgehen, präsentiert sich der geschlechtsspezifische Lohnunterschied unverändert stabil. Dies ist insbesondere deshalb erstaunlich, weil der Lohnunterschied verstärkt in den Blick der Antidiskriminierungsdiskussion geraten ist. Unter Verwendung von Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) untersucht der Beitrag, ob die durchschnittlichen Lohnunterschiede zwischen vollzeitbeschäftigten Frauen und Männern mit der unterschiedlichen Verteilung der Geschlechter auf Wirtschaftsbereiche, Berufe und Betriebe erklärt werden können. Als kleinste Analyseebene werden gleiche Berufe innerhalb von Betrieben betrachtet (Jobzellen). Damit wird für den Analysezeitraum von 1993 bis 2006 eine bestmögliche Annäherung an den „within-job wage gap“ erzielt. Es zeigt sich: Bei gleicher Ausbildung und gleicher Berufserfahrung verdienen Frauen in solchen Jobzellen 12% weniger als Männer. In zeitlicher Hinsicht hat sich der Lohnabstand trotz Veränderungen in der Bildungsbeteiligung, der Zusammensetzung der Erwerbstätigen und des politischen Gleichstellungsdrucks nicht verändert. Am Ende des Beitrags diskutieren wir inhaltliche und methodische Gründe, die für dieses empirische Bild verantwortlich sein könnten.
Abstract
Whereas educational inequalities between women and men and differences in labor market participation shrinked or even diminished during the last decades, the gender pay gap remained stable over time. This is remarkable because the pay gap has attracted much more attention as the main target of anti-discrimination policies. Using data from the IAB (Institute for Employment Research), we analyze whether the average pay gap between women and men working full-time can be explained by their employment in different industries, occupations, and firms. As the smallest level of analysis we focus on occupations within firms (job cells). This strategy of analysis yields the best possible approximation to the concept of “within-job wage gap”. The results show that women with equivalent training and occupational experience earn wages that are 12 percent less than the wages of men in such job cells. Even though the educational participation of women rose to that of their male counterpart, the gender composition of labor market participation changed and the pressure of equal employment policies grew, the gender wage gap does not decrease within our observation period (1993–2006). In conclusion, we discuss theoretical and methodological reasons for this finding.
Résumé
Tandis que les inégalités formelles entre hommes et femmes en matière de diplômes et les différences en termes de parcours professionnel diminuent avec le temps en Allemagne, les écarts de salaire entre hommes et femmes restent stables. Ce fait est d’autant plus étonnant que les écarts de salaire ont fait l’objet d’une plus grande attention dans le cadre du débat sur la lutte contre la discrimination. Cet article étudie à partir de données de l’Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (Institut de recherche sur le marché de l’emploi et les professions) si les écarts de salaire moyens entre hommes et femmes employés à plein temps peuvent s’expliquer par l’inégale répartition des hommes et des femmes entre différents secteurs économiques, professions et entreprises. Les personnes exerçant la même profession au sein d’une même entreprise (cellules d’emploi) ont été retenues comme niveau d’analyse le plus fin. Cette approche permet d’appréhender avec la plus grande précision possible les écarts de salaire au sein d’une même profession („within-job wage gap“) sur la période analysée de 1993 à 2006. Il apparaît ainsi que dans de telles cellules d’emploi, les femmes gagnent 12 pourcent de moins que les hommes à niveau d’éducation et expérience professionnelle égale. Les écarts de salaire n’ont pas évolué dans le temps en dépit de changements dans l’accès à l’éducation et la composition de la population active et de la pression politique en faveur de la lutte contre la discrimination. À la fin de cet article, nous discutons les raisons de fond et de méthode qui pourraient rendre compte de ce tableau empirique.
Notes
Betriebe verwenden in der Personalpraxis, beispielsweise bei Beurteilungsgesprächen oder Zielvereinbarungen, geschlechtsspezifisch wirksame Instrumente. So wird in Positionen, bei denen längere Abwesenheiten vom Wohnort nötig sind, auf der Grundlage von Stereotypen ein männliches Profil konstruiert. Weiterhin sind Betriebe relevante soziale Kontexte, wenn es um die Legitimation von Ungleichbehandlung geht (Baron u. Newman 1990; Nelson u. Bridges 1999).
Für den hier verwendeten Datensatz wurden alle Beschäftigungsmeldungen von Personen ausgewählt, die am 30. Juni des jeweiligen Jahres in einem Panelbetrieb gearbeitet haben. Da die Arbeitszeiten von Teilzeitbeschäftigten im Datensatz nur sehr grob erfasst sind, betrachten wir nur Vollzeitbeschäftigte. Systematisch ausgeschlossen sind im Datensatz Beamte, Selbstständige oder mithelfende Familienangehörige. Der Datensatz repräsentiert immerhin ca. 80% der Erwerbstätigen. Eine weitergehende Beschreibung dieser Individualdaten findet sich in Bender et al. (1996).
Hierzu wurde der Lohn mit einem Tobit-Modell nach Geschlechtern getrennt geschätzt, wobei die in der Beschäftigtenstatistik zur Verfügung stehenden Variablen wie Branche und Humankapitalindikatoren als erklärende Faktoren verwendet wurden. Als Schätzer für den Lohn wurde der lineare Prädiktor X’β verwendet, ergänzt um einen Störterm, der aus einer Zufallsverteilung mit der geschätzten Varianz des Störterms gezogen wurde. Dadurch wird verhindert, dass die geschätzten Löhne eine zu große Korrelation mit den erklärenden Variablen aufweisen. Da bekannt ist, dass der wahre Lohn über der Beitragsbemessungsgrenze liegt, wurde der Störterm aus einer gestutzten Verteilung gezogen, sodass der geschätzte Wert über dieser Schwelle liegt (siehe Gartner 2005).
Abhängige Variable: logarithmiertes Bruttotagesentgelt (mit imputierten Werten). Wir unterscheiden die Ausbildungskategorien: Ohne Ausbildung, Berufsausbildung, Abitur, Fachhochschule, Hochschule (Referenzkategorie: Berufsausbildung mit Abitur). Da die tatsächliche Berufserfahrung Unterbrechungen aufweist, wird sie anders modelliert als die potenzielle Berufserfahrung. Die tatsächliche Berufserfahrung wird abgebildet als Anteil der Beschäftigungsdauer in fünf Zeitintervallen (vor einem Jahr bis heute, vor vier bis vor einem Jahr, vor neun bis vier, vor 16 bis neun, länger als vor 16 Jahren). Die potenzielle Berufserfahrung wird linear, quadratisch und kubisch aufgenommen. Personen in Jobzellen, in denen nur Männer oder nur Frauen arbeiten, werden ausgeschlossen. Dies ist eine strengere Selektion als in Hinz u. Gartner (2005), die gewährleisten soll, dass die Ergebnisse der verschiedenen Analyseebenen besser verglichen werden können, da immer die gleiche Stichprobe verwendet wird.
Die Werte der EU-Kommission beruhen allerdings auf Stundenlöhnen aller Beschäftigten in Deutschland. Unsere Werte beschränken sich auf sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigte in Westdeutschland.
Die Verteilung der Variablen werden hier nicht eigens dargestellt. Auf Anforderung sind die Grafiken aber bei den Autoren erhältlich.
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Gartner, H., Hinz, T. Geschlechtsspezifische Lohnungleichheit in Betrieben, Berufen und Jobzellen (1993–2006). Berlin J Soziol 19, 557–575 (2009). https://doi.org/10.1007/s11609-009-0110-3
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DOI: https://doi.org/10.1007/s11609-009-0110-3
Schlüsselwörter
- Diskriminierung
- Direkte Diskriminierung
- Evaluative Diskriminierung
- Geschlechtsspezifischer Lohnunterschied
- Lohnungleichheit