Zusammenfassung
Folgt man der Sinus-Milieuforschung, fand in den achtziger und neunziger Jahren eine Differenzierung des westdeutschen Milieugefüges statt. Diese Differenzierungsdiagnose finder auch Eingang in die deutsche Sozialstrukturanalyse. Sie hat jedoch kein (nachvollziehbares) methodisches Fundament und es existieren noch nicht einmal Konzepte, wie sich in einem Milieugefüge auftretende Differenzierungsprozesse empirisch erfassen lassen. Im vorliegenden Beitrag wird eine methodische Vorgehensweise vorgeschlagen und die Differenzierungsdiagnose anhand geeigneter Daten überprüft. Das verwendete Instrumentarium besteht aus zeitvergleichenden hierarchischen Klassifikationsanalysen. Die empirische Basis umfasst drei verschiedene Standardrepräsentativumfragen, die bis in die achtziger Jahre zurückreichen (die von Schulze 1985 im Rahmen seines Projektes zur Erlebnisgesellschaft erhobenen Daten, Wohlfahrtssurvey 1993, ALLBUS 1998). Die Trendanalyse führt zu dem Ergebnis, dass eine voranschreitende Pluralisierung der Milieustruktur nicht feststellbar ist. Aus wissenssoziologischer Perspektive ist dies vor allem darauf zurückzuführen, dass Menschen auch in „multioptionalen“ Gesellschaften nach möglichst großer Orientierungssicherheit suchen.
Abstract
According to the research findings of the Sinus institute, a differentiation of social milieus has taken place in West Germany during the eighties and nineties of the last century. This diagnosis is widely acknowledged within the German social structure analysis. Yet, there is no evident methodical basis of this diagnosis. There are not even concepts indicating how to measure processes of differentiation of social milieus. An appropriate method for this is suggested and the hypothesis of differentiation is tested empirically. The method suggested is a time-related hierarchical cluster analysis. The data basis consists of three surveys conducted in 1985 (‘Erlebnisgesellschaft’ by G. Schulze), 1993 (‘Wohlfahrtssurvey’) and 1998 (‘ALLBUS’). The trend analysis shows that there is no evidence supporting the hypothesis of differentiation. This can be explained by the fact that even in “multi-optional” societies people are looking for simple structures of orientation.
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Müller-Schneider, T. Differenzierung des Milieugefüges?. Koelner Z.Soziol.u.Soz.Psychol 55, 782–794 (2003). https://doi.org/10.1007/s11577-003-0121-6
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