In den vergangenen Jahren sind die Kosten für den IT-Betrieb in IT-Abteilungen und Rechenzentren kontinuierlich gestiegen. Während Kosteneinsparungen nach wie vor ein zentrales Thema für CIO’s darstellen, erfordert die strategische Bedeutung von IT im Wettbewerb, dass neue Dienste in immer kürzeren Zyklen bereitgestellt werden müssen. Die Ursachen von steigenden Betriebskosten liegen in den Herausforderungen bei der standardisierten Bereitstellung von IT-basierten Diensten über automatisierte IT-Service-Management-Prozesse.

Neue technische Trends im Bereich Infrastructure-, Platform- oder Software-as-a-Service (IaaS, PaaS, SaaS), wie die App Engine von Google, Salesforce.com oder Amazon Web Services zeigen neue Wege, wie effektive IT-Service-Management-Prozesse und Standardisierung zu deutlichen Effizienzsteigerungen führen können.

Betriebliche IT-Abteilungen und Rechenzentren stehen vor besonderen Herausforderungen. Sie müssen eine Vielzahl von heterogenen Anwendungen verlässlich für eine vergleichsweise kleine Anzahl von Nutzern bereitstellen. Dazu gehören Großrechneranwendungen, betriebliche Standardsoftware und zahlreiche Web-Anwendungen. Zentrale Prozesse des IT-Service-Managements wie Kapazitäts- oder Service-Level-Management sind aufgrund der hohen Spezifität der Leistungen trotz zunehmender Verbreitung von Standards wie ITIL oder CobiT oft wenig automatisiert.

Bisher gibt es wenig Literatur, die sich mit effektiven Prozessen für IT-Dienstleister beschäftigt. Verglichen mit etablierten Bereichen in Betriebswirtschaftslehre, Informatik und Wirtschaftsinformatik, wie Produktionsplanung, Lagerhaltung oder Software Engineering, gibt es kaum etablierte Methoden und Modelle für den effizienten IT-Betrieb. Wir halten es für wichtig, dass sich die Wirtschaftsinformatik verstärkt dieser Themen annimmt.

Dieses Schwerpunktheft widmen wir daher Forschungsbeiträgen im Bereich IT-Service-Management und IT-Automation. Wir haben 15 Einreichungen von internationalen Autoren erhalten. Nach bis zu drei Runden der Begutachtung haben wir zwei Forschungsbeiträge auf Basis von drei Kriterien ausgewählt: Die Artikel sollten (1) von hoher methodischer Qualität sein, (2) interessant aus der Perspektive der Praxis sein und (3) einen substantiellen und neuen Beitrag liefern. Zusätzlich zu den beiden Forschungsbeiträgen enthält das Schwerpunktheft einen State-of-the-Art-Artikel zu analytischen Informationssystemen und ein Interview mit Doug King von IBM zu Trends im IT-Service-Management.

Die hohe Qualität der ausgewählten Artikel konnten wir durch die rege Beteiligung von Herausgebern der Zeitschrift Wirtschaftsinformatik, sowie von weiteren Fachgutachtern sicherstellen. Wir bedanken uns insbesondere bei Schahram Dustdar (TU Wien), Alfons Kemper (TU München), Robert Klein (Universität Augsburg), Dieter Kranzlmüller (LMU München) und Thomas Setzer (TU München).

1 Inhalt

Im ersten Artikel präsentieren Mauricio Marrone und Lutz Kolbe von der Universität Göttingen die Ergebnisse einer Umfrage über die Vorteile der IT Infrastructure Library (ITIL), einem der verbreitetsten IT-Service-Management-Standards, unter 491 Unternehmen weltweit. Sie gehen der Frage nach, welche Probleme und Potenziale bei zunehmendem Einsatz von ITIL festgestellt werden. Die Ergebnisse zeigen unter anderem, dass die wahrgenommenen Vorteile steigen, je mehr ITIL-Prozesse in Unternehmen umgesetzt werden. Entsprechende Standards haben hohe Bedeutung für die Praxis und die Forschung im IT-Service-Management.

Während technische Fragen bei der Umsetzung von SaaS-Angeboten in den vergangenen Jahren in Literatur viel Aufmerksamkeit erlangt haben, sind deren ökonomische Implikationen weit weniger gut verstanden. Im zweiten Artikel analysiert Arne Katzmarzik von der Universität Augsburg die Möglichkeiten der Produktdifferenzierung von SaaS-Anbietern. Er entwickelt in dem Artikel ein Modell zur Ertragsmaximierung, über das die Granularität von IT-Diensten bestimmt werden soll. Das Modell geht auf die Eigenschaften von SaaS-Angeboten ein und liefert ein fundiertes Verständnis für die Zusammenhänge zwischen Granularität der Dienste, Kosten für die Bereitstellung differenzierter Dienste und den Ertrag des Anbieters.

Der State-of-the-Art-Aufsatz von Florian Stroh, Robert Winter und Felix Wortmann konzentriert sich auf Requirements Engineering von analytischen Informationssystemen. Die Autoren analysieren aktuelle Ansätze und diskutieren Bedarfe für methodische Unterstützung in diesem Bereich. Sie zeigen, dass weiterer Forschungsbedarf besteht bei der Validierung und Bewirtschaftung, ebenso wie der Gewinnung von Informationsbedarfen.

Im Interview diskutiert Kamal Bhattacharya die Auswirkungen von Virtualisierung und Cloud Computing auf das IT-Service-Management mit Doug King. Herr King ist Vice President der IBM und derzeit verantwortlich für große Kunden von IBM IT-Outsourcing-Angeboten. Er war davor verantwortlich für das Programm zur IT-Optimierung der IBM weltweit. Im Interview bespricht er neue technische Trends, neue Geschäftsmodelle und die Verbreitung von IT-Service-Management-Standards in der Praxis.

2 Ausblick

Die Zeitschrift WIRTSCHAFTSINFORMATIK publiziert Forschungsergebnisse zu betriebswirtschaftlichen oder technischen Themen der Wirtschaftsinformatik. IT-Service-Management ist ein wichtiger Bereich der Wirtschaftsinformatik, der durch die Bereitstellung von IT-Diensten für eine wachsende Anzahl von Nutzern in betrieblichen Rechenzentren an Bedeutung gewinnt. Mit diesem Schwerpunktheft möchten wir qualitativ hochwertige Forschungsergebnisse in diesem Bereich zusammenfassen. Wir hoffen, dadurch weitere Artikel in diesem Bereich anzuziehen und die Zeitschrift WIRTSCHAFTSINFORMATIK noch stärker als eine weltweit führende Zeitschrift für Forschung im Bereich IT-Service-Management zu positionieren.

Martin Bichler

Kamal Bhattacharya