Hintergrund

Bewegung trägt zu Gesundheit und Wohlbefinden bei; umgekehrt ist Bewegungsmangel ein Risikofaktor für zahlreiche chronisch-degenerative Erkrankungen [15, 26]. Zugleich erreichen mehr als drei Viertel der Erwachsenen die nationalen Empfehlungen für Bewegung (2,5 h ausdauerorientierte Bewegung und muskelkräftigende Aktivitäten an 2 Tagen pro Woche) nicht [6, 20]. Über 70 % der Kinder und Jugendlichen bewegen sich weniger als die von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen 60 min pro Tag [7].

Kommunen gelten als vielversprechendes Setting für Bewegungsförderung, da hier potenziell alle Bevölkerungsgruppen erreicht und viele der beeinflussenden Umweltbedingungen gestaltet werden können [3, 16]. Bewegungsförderung, wie auch Gesundheitsförderung im Allgemeinen, wurden zwar mit dem Präventionsgesetz in Deutschland gestärkt, Kommunen sind jedoch nicht dazu verpflichtet, Bewegungs- und Gesundheitsförderung umzusetzen [25]. Aufgrund der vielfältigen sozial-ökologischen Einflussfaktoren ist Gesundheits- und Bewegungsförderung ein interdisziplinäres Feld, das intersektorale Zusammenarbeit in der Kommune erfordert [10]. Dementsprechend finden sich potenzielle Akteur*innen in diversen Gesellschaftsbereichen wieder [27]. Es braucht jedoch Personen, die als Multiplikator*innen die intersektorale Zusammenarbeit der verschiedenen Akteur*innen vor Ort initiieren und sich um die Planung und Umsetzung von Maßnahmen kümmern. Hierfür gibt es auf kommunaler Ebene keine klaren Zuständigkeiten [18]. Als regionale Koordinator*innen werden Akteur*innen aus dem Gesundheitsbereich bzw. öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD; z. B. Geschäftsstellenleitungen der Kommunalen Gesundheitskonferenzen, Mitarbeitende in Gesundheitsämtern) vorgeschlagen [4, 12, 23]. Daneben scheinen Akteur*innen auf Landesebene sowie Kümmer*innen vor Ort eine wichtige Rolle zu spielen [27]. Um zu verstehen, wie die systematische Planung und Umsetzung von kommunaler Gesundheits- und Bewegungsförderung implementiert werden kann, ist es wichtig, die Rollen dieser potenziellen Multiplikator*innen für Gesundheits- und Bewegungsförderung genauer zu charakterisieren.

Darüber hinaus gibt es bislang wenige Studien zu potenziellen Unterschieden zwischen Städten und ländlichen Gemeinden [17, 24]. Je nach Größe einer Kommune unterscheiden sich die Verwaltungsstrukturen und Gesundheits- und Bewegungsförderung sind unterschiedlich stark strukturell verankert [13]. Internationale Forschung deutet darauf hin, dass bestimmte Besonderheiten ländlicher Räume Barrieren für kommunale Gesundheits- und Bewegungsförderung darstellen können: Beispielsweise ist die geringere Bevölkerungszahl in der Regel mit geringeren finanziellen und personellen Ressourcen verbunden; zudem haben Verantwortliche aus Politik und Verwaltung häufig andere Prioritäten und sind schwerer vom Nutzen der Gesundheits- und Bewegungsförderung zu überzeugen [1, 19]. Eine deutsche Studie ermittelte dagegen in ländlichen Kommunen eine etwas höhere Bereitschaft („community readiness“) zur Bewegungsförderung für ältere Menschen als in städtischen Kommunen [8].

Ziel der vorliegenden Studie ist es aufgrund der aufgezeigten Forschungsdesiderate, die Rollen potenzieller Multiplikator*innen in der verhältnisorientierten kommunalen Gesundheits- und Bewegungsförderung zu untersuchen sowie Gemeinsamkeiten und Unterschiede ländlicher und städtischer Kommunen zu beschreiben.

Methodische Vorgehensweise

Es handelt sich um eine explorative qualitative Studie im Rahmen des Forschungsprojekts „Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse verhältnisorientierter Bewegungsförderung in der Kommune für mehr Chancengerechtigkeit systematisch planen und implementieren (EUBeKo)“ (gefördert vom Bundesministerium für Gesundheit, Förderkennzeichen ZMV I 1 - 2519FSB106). Vier Projektmitarbeiter*innen führten zwischen Dezember 2019 und Februar 2020 leitfadengestützte semi-strukturierte Interviews mit 18 potenziellen Multiplikator*innen der kommunalen Gesundheits- und Bewegungsförderung. Bereits vor Projektbeginn waren die Landesämter für Gesundheit als wichtige Multiplikator*innen identifiziert worden. Ausgehend von den beteiligten Akteur*innen in den Planungsgruppen der Modellkommunen des Forschungsprojekts wurden als Multiplikator*innen alle professionellen Akteur*innen definiert, die in irgendeiner Art und Weise Prozesse und/oder Projekte der kommunalen Bewegungs- und Gesundheitsförderung anstoßen, planen, weitertragen oder konkret umsetzen können. Um ein möglichst breites Bild zu erhalten, wurden Multiplikator*innen auf drei verschiedenen Ebenen berücksichtigt:

  1. 1.

    Multiplikator*innen auf Landesebene, die Prozesse/Projekte innerhalb eines Bundeslandes auf verschiedene Landkreise oder kreisfreie Städte übertragen können (z. B. Landesämter für Gesundheit),

  2. 2.

    Multiplikator*innen auf der Ebene eines Landkreises oder einer kreisfreien Stadt, die Prozesse/Projekte auf verschiedene Gemeinden innerhalb des Landkreises oder Stadtteile innerhalb der Stadt übertragen können (z. B. Kommunale Gesundheitskonferenzen),

  3. 3.

    Multiplikator*innen auf der Ebene einer Gemeinde oder eines Quartiers, die vor Ort Prozesse/Projekte umsetzen können und nah an der Zielgruppe sind (z. B. Quartiermanagements).

Als Multiplikator*innen in ländlichen Regionen, die als Zwischenebene zwischen Landkreis und Gemeinde fungieren, wurde die Gruppe der Allianzmanager*innen befragt. Kommunale Allianzen sind Zusammenschlüsse mehrerer Gemeinden mit gemeinsamen Konzepten zur Regionalentwicklung, die insbesondere in Bayern verbreitet sind [2].

Zur Entwicklung des Interviewleitfadens wurden ausgehend von einer Literaturrecherche Fragen gesammelt, im Hinblick auf die Eignung zur Beantwortung der Forschungsfrage geprüft, inhaltlich sortiert und subsumiert [11]. Der Interviewleitfaden wurde in mindestens einem Pre-Test pro Ebene getestet, wobei die Fragen für die drei verschiedenen Ebenen leicht angepasst wurden. Da der Interviewleitfaden nach den Pre-Tests nicht mehr wesentlich verändert wurde, wurden die Pre-Test-Interviews ebenfalls in die Auswertung eingeschlossen. Der Interviewleitfaden umfasste unter anderem Fragen zur eigenen Rolle in Bezug auf kommunale Bewegungs- bzw. Gesundheitsförderung sowie zur Rolle anderer Akteur*innen (Tab. 1). Die weiteren Fragen des Interviewleitfadens, welche sich auf benötigte Kompetenzen und Entscheidungsprozesse bezogen, wurden in der vorliegenden Analyse nicht berücksichtigt und werden daher nicht dargestellt. Die Stichprobenauswahl erfolgte stratifiziert nach den drei vorab definierten Ebenen. Die Teilnehmenden für die Pre-Tests wurden über persönliche Kontakte gewonnen. Alle weiteren Teilnehmenden wurden über die Modellkommunen des Forschungsprojekts EUBeKo, eine ländliche Gemeinde in Bayern und ein städtisches Quartier in Baden-Württemberg, akquiriert. Bis auf ein telefonisches Pre-Test-Interview wurden alle Interviews „face-to-face“ am Arbeitsplatz der Befragten oder der Projektmitarbeiter*innen geführt. Alle Teilnehmenden erteilten vorab ihr schriftliches Einverständnis zur Aufzeichnung des Gesprächs und zur Teilnahme an der Studie. Für die Studie liegt ein positives Ethikvotum der Ethikkommission des Instituts für Sportwissenschaft der Julius-Maximilians-Universität Würzburg vor.

Tab. 1 Auszug aus dem Interviewleitfaden

Alle Interviews wurden aufgezeichnet und wörtlich transkribiert. Zwei Projektmitarbeiterinnen werteten die Interviews nach dem Vorgehen der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse nach Kuckartz mit der Software MAXQDA 2020 (VERBI GmbH, Berlin, Deutschland) aus [14]. Im ersten Schritt wurden anhand des Interviewleitfadens deduktiv Hauptkategorien gebildet und diese in einem Kategoriensystem mit Definitionen, Abgrenzungen und Ankerbeispielen ausdifferenziert (Tab. 2). Im nächsten Schritt wurde die Hälfte der Interviews von beiden Auswerterinnen im Sinne eines konsensuellen Kodierens unabhängig voneinander anhand der Hauptkategorien kodiert. Unstimmigkeiten wurden diskutiert, um, bei Bedarf unter Einbeziehung einer dritten Person, einen Konsens über die Kodierung zu erzielen und die Kategoriendefinitionen zu präzisieren. Im Anschluss wurden die weiteren Interviews durch jeweils eine Auswerterin entlang der Hauptkategorien kodiert und schließlich in allen Interviews induktiv Subkategorien gebildet. Thematische Zusammenfassungen wurden danach für alle Subkategorien erstellt. Dabei wurden ländliche und städtische Akteur*innen differenziert betrachtet, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu identifizieren.

Tab. 2 Definition ausgewählter Hauptkategorien zur Beschreibung der Rollen und Funktionen von Multiplikator*innen

Ergebnisse

Befragte Personen

Die Tab. 3 stellt eine Übersicht über die befragten Personen differenziert nach Stadt und Land, Geschlecht sowie Multplikator*innenebene dar.

Tab. 3 Befragte Personen

Rollen und Zuständigkeiten

Multiplikator*innen der Ebene 1

Die befragten Multiplikator*innen in den Landesämtern für Gesundheit nehmen die Rolle ein, die Mitarbeiter*innen der Gesundheitsämter, Gesundheitskonferenzen oder Gesundheitsregionenplus in den Städten und Landkreisen ihres Bundeslands zu beraten, zu qualifizieren und zu vernetzen. Diese Rolle wurde sowohl von den befragten Mitarbeiter*innen der Landesämter selbst (K1) als auch von anderen (K2) beschrieben (Tab. 4).

Tab. 4 Rollen der verschiedenen Multiplikator*innen

Multiplikator*innen der Ebene 2

Die befragten Mitarbeiter*innen in Gesundheitsämtern, Gesundheitskonferenzen oder Gesundheitsregionenplus beraten, begleiten und vernetzen lokale Akteur*innen und stehen als fachliche Ansprechpartner*innen zur Verfügung (Tab. 4). Gleichzeitig wurde betont, dass die Geschäftsstellenleiter*innen der Gesundheitskonferenzen und Gesundheitsregionenplus ein sehr breites Themenspektrum abdecken und daher zwar in einzelnen Gemeinden und Stadtteilen Projekte initiieren und begleiten können. Für die Umsetzung vor Ort bedarf es dann aber Kümmer*innen, ggf. auch durch eigens geschaffene Stellen. Dies wird im folgenden Zitat verdeutlicht:

Wenngleich man auch auf dem Schirm haben muss, Bewegung ist ein Thema von vielen. In Bayern sind es jetzt alle Versorgungsaspekte, alle Pflegeaspekte, alle Gesundheitsförderungsaspekte, für die die Kollegen zuständig sind. Deswegen gehe ich davon aus, dass es ein professionelles Arbeiten ist, wenn die Geschäftsstelle für solche Projekte einen Erstantrag schreibt und eine eigene Stelle in dem Themenbereich schafft, wenn das regional notwendig ist. (Interview 14, Ebene 1)

Bei den befragten Allianzmanager*innen zeigte sich, dass Gesundheits- und Bewegungsförderung zwar kein explizites Ziel ihrer Tätigkeit ist, sich aber dennoch in einigen Projekten ein Bezug dazu findet (z. B. Nahversorgung oder Radinfrastruktur). Durch ihren engen Kontakt zu den der Allianz angehörigen Gemeinden sehen die Befragten sich auch in einer Rolle als Multiplikator*innen für Gesundheits- und Bewegungsförderung, auch wenn die Fachkompetenz hierfür bei der Geschäftsstellenleitung der Gesundheitsregionplus gesehen wird (s. Tab. 4).

Multiplikator*innen der Ebene 3

Die befragten Mitarbeiter*innen eines Quartierbüros sehen sich selbst in der Rolle, die Menschen im Quartier zu unterstützen, aber auch deren Bedürfnisse an die Kommune zu kommunizieren und sich mit anderen Akteur*innen zu vernetzen (s. Tab. 4). Hier wurde besonders die Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt betont, auf dessen fachliche Expertise zurückgegriffen wird.

Als Aufgabe der Verwaltung wurde die Abwicklung von Projekten beschrieben, z. B. im Hinblick auf deren Finanzierung (s. Tab. 4).

Stadt-Land-Vergleich

Auf den Ebenen 1 und 2 wurden für Städte und ländliche Regionen die gleichen Rollen beschrieben. Stadt-Land-Unterschiede wurden auf der Ebene 3 identifiziert. Als Besonderheit des ländlichen Raums wurde herausgestellt, dass sich in Gemeinden die „Kümmer*innen“ für Gesundheits- und Bewegungsförderung erst finden müssen. Es wurde beschrieben, dass in kleineren Gemeinden häufig der Bürgermeister/die Bürgermeisterin selbst die Rolle der Projektkoordination übernimmt oder andernfalls Mitglieder des Gemeinderats oder der Verwaltung die Aufgabe zugeteilt bekommen, zum Beispiel Personen, die im Sportverein aktiv sind und deshalb einen vermeintlichen Bezug zum Thema haben.

Ein*e Befragte*r verdeutlichte dies an folgendem Beispiel:

Also, wir hatten auch die Situation, dass wir in der Gemeinde, dann wurde es dem Hauptamtsleiter übertragen. Das war aber eine kleine Gemeinde. Die haben da nur zwei, drei Ämter. Und der Hauptamtsleiter war selber im Verein aktiv. Dann sagte der Bürgermeister: Dann macht es unser Hauptamtsleiter. Der hat einen Bezug zu Sport. (Interview 7, Ebene 1)

Es wurde beschrieben, dass im städtischen Raum in Quartieren der Sozialen Stadt mit den Quartiermanager*innen Strukturen vorhanden sind, zu welchen im ländlichen Raum verschiedene ehrenamtliche Akteur*innen als Äquivalente vorgeschlagen werden:

Fokus auf Gemeinden natürlich ein bisschen schwieriger. Müsste man überlegen was da die Analogie sein kann. Also Diskussionen werden da häufig-, bis hin zu den Landfrauen genannt. Also das sind einfach andere Strukturen, die man da nochmal aufbohren muss. Und nur weil es dann kein ehemaliges Quartier der Sozialen Stadt ist, und keinen benannten Quartiersmanager hat, kann es solche Strukturen ja auch geben. Ich sehe da in Gemeinden auch eher Sportvereine zum Beispiel. (Interview 14, Ebene 1)

Darüber hinaus wurden die grundsätzlichen Unterschiede in den Verwaltungsstrukturen von Städten und Gemeinden betont. Während in größeren Städten viele unterschiedliche Fachämter existieren und in diesen auch Fachkompetenzen in der Gesundheits- und Bewegungsförderung vorhanden sind, haben kleinere Gemeinden in der Regel eine schlanke Verwaltungsstruktur und keine Fachkompetenz in der Gesundheits- und Bewegungsförderung. Dazu äußerte sich u. a. ein Befragter aus einem Landesamt für Gesundheit:

Das haben wir aber in den kleinen Gemeinden meistens nicht. Also, da haben wir kein Amt für Sport und Bewegung. Da haben wir kein Gesundheitsamt. Da haben wir ein Hauptamt. Da haben wir vielleicht noch sowas wie Bauhof oder-, also diese Dinge. Und mit Gesundheit direkt finden wir da sowas nicht. (Interview 7, Ebene 1)

Diskussion

Ziel der qualitativen Studie war es, die Rollen verschiedener Multiplikator*innen bei der verhältnisorientierten kommunalen Gesundheits- und Bewegungsförderung zu untersuchen sowie Gemeinsamkeiten und Unterschiede ländlicher und städtischer Kommunen zu beschreiben. Die unterschiedlichen Akteur*innen sehen sich selbst in unterschiedlichen Rollen. Die Befragten der Ebene 1 beschreiben ihre Rolle als Beratung, fachliche Unterstützung und Vernetzung für die Akteur*innen der Ebene 2. Diese wiederum sehen sich in der Rolle, die Akteur*innen der Ebene 3 zu beraten, fachlich zu unterstützen und zu vernetzen. Als Akteur*innen der Ebene 3 wurden Quartiermanager*innen und Verwaltungsmitarbeiter*innen befragt. Die befragten Quartiermanager*innen sehen ihre primäre Rolle in der Arbeit mit Bürger*innen, die Verwaltungsmitarbeiter*innen in der administrativen Abwicklung von Projekten.

In der Gesamtbetrachtung fällt auf, dass fachliche Zuständigkeiten und Kompetenzen für Gesundheits- und Bewegungsförderung bei den Multiplikator*innen der Ebenen 1 (Landesämter für Gesundheit) und 2 (Gesundheitsämter/kommunale Gesundheitskonferenzen/Gesundheitsregionenplus) gesehen werden. Hier werden potenzielle Multiplikationsstrukturen sichtbar, die für Bewegungsförderung genutzt werden können. Die Beratungs- und Schulungsangebote der Landesgesundheitsämter bieten die Chance, fachliche Impulse in die Städte und Landkreise zu geben, die Mitarbeiter*innen der Gesundheitsämter/kommunalen Gesundheitskonferenzen/Gesundheitsregionenplus für die Bedeutung von kommunaler Bewegungsförderung zu sensibilisieren und erforderliche Kompetenzen zu stärken. Folglich könnten diese als zentrale Multiplikator*innen Impulse an Gemeinden und Stadtteile weitergeben. Die Mitarbeiter*innen der Gesundheitsämter/kommunalen Gesundheitskonferenzen/Gesundheitsregionenplus nehmen somit eine Schlüsselposition ein, welche in Abb. 1 dargestellt ist. Dieses Ergebnis bestätigt die Erkenntnisse früherer Untersuchungen zum Potenzial der Gesundheitsämter oder Gesundheitskonferenzen für die Umsetzung von kommunaler Gesundheits- und Bewegungsförderung in Deutschland [4, 12, 22, 23].

Abb. 1
figure 1

Ebenen von Multiplikator*innen. (Eigene Darstellung)

Auf ähnliche Weise können die befragten Allianzmanager*innen eine Multiplikator*innenfunktion für kommunale Gesundheits- und Bewegungsförderung einnehmen und Impulse an einzelne Gemeinden geben. Auch wenn Gesundheit und Bewegung keine expliziten Schwerpunktziele ihrer Arbeit sind, wurden in den Interviews deutliche Bezüge dazu ersichtlich. In ihrem engen Kontakt zu den der Allianz angehörigen Gemeinden liegt eine Chance für ländliche Regionen. Es sollte weiter untersucht werden, inwieweit sich die Strukturen der Kommunalen Allianzen bzw. vergleichbare Strukturen der Regionalentwicklung für kommunale Bewegungs- und Gesundheitsförderung nutzen lassen.

In den Interviews wurde auch deutlich, dass die Multiplikator*innen der Ebene 2 sich in einer vernetzenden und beratenden Funktion sehen, aber nicht in der Umsetzung in einzelnen Gemeinden/Stadtteilen. Inwieweit kommunale Bewegungsförderung tatsächlich im Quartier oder in der Gemeinde umgesetzt wird, hängt daher stark vom Engagement der Personen vor Ort ab. Dies deckt sich mit den Erfahrungen verschiedener Forschungsprojekte zur Umsetzung kommunaler Bewegungsförderung [5, 9].

Die Personen vor Ort können sich in Stadt und Land unterscheiden: In ländlichen Räumen scheinen Bürgermeister*innen und Ehrenamtliche, die vor Ort eingebunden sind, eine größere Rolle zu spielen. Quartiersmanagements sind dort, wo sie vorhanden sind, wichtige Akteure. Als Gemeinsamkeit städtischer und ländlicher Kommunen lässt sich feststellen, dass die Akteur*innen vor Ort auf die Unterstützung von regionalen Akteur*innen mit fachlichem Bezug zum Thema Gesundheit oder Bewegung angewiesen sind. Eine Möglichkeit, wie dies in einer ländlichen Region geschehen kann, zeigt das Modellprojekt der Gesundheitsregionplus im Landkreis Cham auf. Hier wurden Personen mit gesundheitsnahem beruflichem Hintergrund zu „Gesundheitsbotschaftern“ qualifiziert, die gegen eine Aufwandsentschädigung in ihrer Gemeinde Bedarfe ermitteln, Aktionen planen und ggf. selbst durchführen [21]. Beispiele wie dieses könnten als Vorbild für andere Landkreise dienen und sollten weiter auf ihren Mehrwert hin geprüft werden.

Limitationen

Die vorliegende Studie basiert auf qualitativen Daten, daher können keine repräsentativen Aussagen getroffen werden. Bei den befragten Personen handelt es sich um eine Ad-hoc-Stichprobe und die Befragten stammen größtenteils aus zwei Bundesländern (Baden-Württemberg, Bayern). Da es sich überwiegend um Personen handelt, die in den Planungsgruppen des Forschungsprojekts EUBeKo involviert waren, kann ein Selektionsbias nicht ausgeschlossen werden. Der berufliche Hintergrund bzw. die Ausbildung der verschiedenen Akteur*innen wurde in den Interviews nicht systematisch erhoben. Dies kann jedoch eine Rolle spielen, wenn es z. B. um die Feststellung des Bedarfs an Fort- und Weiterbildungen geht. Des Weiteren wurden weitere als potenziell wichtig beschriebene Multiplikator*innen (z. B. Bürgermeister*innen und Sportvereine) nicht befragt, weshalb ihre Rolle nur auf Basis der Einschätzung durch andere beschrieben werden kann.

Fazit für die Praxis

  • Verschiedene Akteur*innen haben das Potenzial, verhältnisorientierte kommunale Bewegungs- und Gesundheitsförderung anzustoßen, zu planen, umzusetzen und zu multiplizieren.

  • Mitarbeiter*innen in Gesundheitsämtern bzw. in kommunalen Gesundheitskonferenzen können als zentrale Multiplikator*innen Impulse an Gemeinden und Stadtteile weitergeben.

  • Vor Ort (in der Gemeinde/im Stadtteil) müssen sich im Einzelfall Umsetzer*innen finden und diese fachlich unterstützt werden.