Einleitung

Als Community Health Nursing (CHN) wird in der Pflege ein Tätigkeitsfeld bezeichnet, das die Gesundheitsfürsorge und die Versorgung einer communityFootnote 1 umfasst [23]. Das Konzept zielt darauf ab, Versorgungslücken zu schließen, professionell Pflegende mit erweiterten Kompetenzen und neuen Handlungsfeldern auszustatten und auf diese Weise eine Versorgung zu gewährleisten, die an die individuellen Bedarfe der Patient*innen angepasst ist. Während das Konzept hierzulande noch in den Anfängen steckt, ist es international bereits integraler Bestandteil der Primärversorgung. Auch in Deutschland werden die Bestrebungen, CHN als Konzept in der Primärversorgung aufzunehmen, konkreter. Ein von Burgi und Igl 2021 veröffentlichtes Gutachten zu rechtlichen Voraussetzungen und Möglichkeiten der Etablierung von CHN [5] zeigt auf, welche rechtlichen Schritte hier getätigt werden müssen. Der neue Koalitionsvertrag der SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands), der Grünen (Bündnis 90/Grünen) und der FDP (Freie Demokratische Partei), der im November letzten Jahres vorgestellt wurde, beinhaltet erstmalig die Empfehlung für die Implementierung von CHN in Deutschland [27]. Das Präventionsgesetz sowie die Primär- bzw. Sekundärprävention sollen laut Koalitionsvertrag gestärkt werden – hier und an vielen weiteren Stellen lassen sich potenzielle Tätigkeitsfelder eines/r CHN in Deutschland erkennen, dennoch ist zum jetzigen Zeitpunkt das Aufgabenprofil noch unscharf. Eine systematische Darstellung, welche Aufgaben und Interventionen CHN in der Versorgungspraxis durchführen, fehlt bislang. Deshalb wurde ein Scoping Review durchgeführt mit dem Ziel, den Stand der Forschung in diesem Bereich aufzuarbeiten und Ansatzpunkte für die zukünftige Versorgungspraxis und Forschungsentwicklung in Deutschland zu identifizieren. Der Fokus der Literaturanalyse liegt auf Studien, die Interventionen von CHN an chronisch erkrankten Erwachsenen untersuchen und evaluieren.

Methodik

Das vorliegende Scoping Review gibt einen Überblick über die Tätigkeitsfelder eines/r CHN in der Versorgung von chronisch Erkrankten. Die Qualität der eingeschlossenen Studien wird – anders als beim Systematic Review – nicht bewertet. Die Recherche wurde gemäß der Vorgehensweise von Arksey und O’Malley (2005) durchgeführt. Hierfür zählen die folgenden Schritte: Festlegung der Forschungsfrage, Identifikation relevanter Studien, Auswahl relevanter Studien, Datenextraktion und Zusammenfassung der Ergebnisse [2].

Festlegung der Forschungsfrage

Zu Beginn wurden folgende Forschungsfragen formuliert: Welche Aufgaben und Interventionen von CHN bei chronisch erkrankten Erwachsenen werden in empirischen Studien beschrieben? Welche Arten von Interventionen werden umgesetzt und wie werden sie durchgeführt?

Identifikation relevanter Studien

Für die Recherche wurden die englischsprachigen Fachdatenbanken PubMed und CINAHL genutzt. Ergänzend erfolgte eine Handrecherche in Google Scholar und in den Referenzlisten der eingeschlossenen Publikationen. Als Suchstrategie wurde für die Datenbankrecherche unter Verwendung Boolscher Operatoren (OR/AND) eine Syntax definiert, die die Begriffe „community health nursing“, „chronic disease“ und „intervention“/„effects“ und deren Synonyme und verwandte Begriffe kombiniert. Zusätzlich wurden Schlagwörter zu Gruppen und spezifischen chronischen Erkrankungen gebildet, die ebenfalls in die Suche integriert wurden. Der Recherchezeitraum erstreckte sich von August bis September 2021.

Auswahl relevanter Studien

Als Leitkriterien wurde festgelegt, dass die Studien einen eindeutigen Konzeptbezug zu CHN bzw. CHN-verwandten Berufsgruppen haben. Die Komplexität der Rolle und die erforderlichen Kompetenzen verlangen eine Qualifikation auf Masterniveau [11], sodass Treffer eingeschlossen wurden, in denen die Interventionen durch entsprechend qualifizierte Pflegefachpersonen im Community Setting durchgeführt wurden. Um eine möglichst hohe Breite an Interventionen zu identifizieren, wurden Studien, in denen CHN mit einem engen Fokus (z. B. Community Mental Health Nursing) und Untersuchungen, in denen die Intervention nur aus einem Teilkonzept von CHN bestand (z. B. Case Management), ausgeschlossen. Eingeschlossen wurden Interventionsstudien, in denen detaillierte Darstellungen evaluierter Interventionen durch CHN zu entnehmen sind. Da Reviews i. d. R. wenig Details, sondern übersichtsartige Darstellungen zu Tätigkeitsfeldern beinhalten, wurden diese in der Suche nicht berücksichtigt. Die Zielgruppe, an die sich die Interventionen richten, sind Erwachsene mit mindestens einer chronischen Erkrankung. Zielgruppen, die neben dem Merkmal „chronische Erkrankung“ weitere Merkmale aufwiesen, die besondere Anforderungen an die Versorgung stellen (z. B. im Palliativ-Setting oder chronisch erkrankte Kinder) wurden ebenfalls ausgeschlossen. Tab. 1 stellt die Kriterien im Überblick dar.

Tab. 1 Ein- und Ausschlusskriterien der Literaturrecherche

Datenextraktion

Es wurden insgesamt 837 Publikationen identifiziert. Im Rahmen der Vorauswahl wurden Duplikate entfernt (n = 17), sodass eine Anzahl von 820 Treffern verblieb. Nach Sichtung der Titel und Abstracts konnten 142 Treffer in die Vorauswahl aufgenommen werden. Anschließend wurden die Volltexte der verbleibenden Veröffentlichungen gesichtet und auf ihre Eignung geprüft. Es wurden insgesamt 24 Studien als geeignet identifiziert und in die Auswahl eingeschlossen (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

PRISMA-Flowchart („preferred reporting items for systematic reviews and meta-analyses“) aus Literaturanalyse (CHN Community Health Nursing)

Zum Zwecke der Protokollierung der eingeschlossenen Studien wurde ein Extraktionsformular erstellt, das die bibliographischen Daten und die wesentlichen Inhalte der Erhebungen zusammenfasst. Es enthält: Autor*in und Publikationsjahr, Studiendesign, Studienpopulation, Bezeichnung CHN, Setting, Format der Intervention, Interventionsinhalte sowie Ergebnisse. Die Inhalte der Interventionen wurden analysiert und in Kategorien und Subkategorien (Spezifikation) zusammengefasst.

Ergebnisse

Eine Übersicht der eingeschlossenen Studien ist Tab. 2 zu entnehmen. Drei Studien wurden im europäischen Raum, nämlich in den Niederlanden [10], in Portugal [25] und Slowenien [16] durchgeführt. Darüber hinaus wurden neun der Untersuchungen in Australien [6, 12,13,14, 17, 24, 29, 30, 32], 5 in China [7, 9, 19,20,21], 4 in den USA [1, 3, 4, 22], eine in Taiwan [8] und eine in der Türkei [15] umgesetzt. Bei 12 der 24 Studien handelt es sich um randomisiert kontrollierte Studien [1, 4, 6, 7, 9, 12, 13, 19, 20, 26, 29, 32] bzw. eine randomisierte Fall-Kontroll-Studie [21]. Des Weiteren wurden 4 Prä-post-Studien [3, 15, 17, 30], 4 Querschnitt- [8, 14, 16, 22] und 2 Längsschnittstudien [10, 24] sowie eine Beobachtungsstudie [25] identifiziert.

Tab. 2 In Review eingeschlossene Studien

Inhalte der CHN-Interventionen

Das Spektrum der Tätigkeiten eines/r CHN lässt sich verschiedenen Schwerpunkten zuordnen. Gesundheitsförderung und Prävention ist integraler Bestandteil der Arbeit und durchzieht sämtliche Tätigkeitsfelder. Maßnahmen der Primärprävention finden sich bspw. in Form von präventiven Screenings wieder [14, 16, 22]. Häufig können CHN sekundärpräventiv in einem frühen Stadium einer chronischen Erkrankung ansetzen und durch edukative Interventionsansätze das Selbstmanagement der Patient*innen verbessern und schwere Verläufe abmildern [1, 3, 4, 6, 13, 15, 19,20,21,22, 26, 30, 32]. Die Beteiligung der Patient*innen beim Festlegen von Versorgungsstrategien befähigt Betroffene, gesundheitsförderndes Verhalten aufrecht zu erhalten [7, 12, 24, 29, 30, 32]. Der Anspruch, evidenzbasiert zu handeln, durchzieht ebenfalls sämtliche Tätigkeiten des/der CHN, z. B. in Form von evidenzbasierten Behandlungsempfehlungen [26] oder evidenzbasierter Informationen [3]. Des Weiteren stellt ein Aufgabenbereich die Individualversorgung, bei der der/die CHN in direktem Patientenkontakt Interventionen durchführt, dar. Außerdem gibt es eine übergeordnete Ebene, das organisatorische, aber auch gesundheitspolitische Tätigkeiten sowie die interprofessionelle Zusammenarbeit umfasst. Innerhalb dieser beiden Ebenen lassen sich die Interventionen des/der CHN in verschiedene Kategorien einteilen, wie der Tab. 3 zu entnehmen.

Tab. 3 Interventionen in Kategorien eingeteilt

Patientennahe Interventionen

Elemente der Kategorie Bedarfserhebung und Diagnostik finden sich in nahezu allen eingeschlossenen Studien wieder. Neben Anamnese, pflegerischem Assessment [6,7,8,9, 12,13,14,15,16,17, 19,20,21,22, 25, 30, 32] und körperlicher Untersuchung [1, 3, 4, 6, 9, 16, 19, 22] gehört auch die Diagnosestellung [14, 16, 22] zum Aufgabengebiet des/der CHN. Genannt werden hier die Untersuchung auf gängige chronische Erkrankungen und deren Risikofaktoren [3, 4, 16], aber auch Verlaufskontrollen [3, 4, 8,9,10, 13, 15, 16, 20, 22, 25] und präventive Screenings [14, 16, 22]. Eine Studie erfasste soziale Determinanten von Gesundheit als Einflussfaktor auf Gesundheit [16].

Auf Grundlage von Bedarfserhebungen trifft der/die CHN – häufig gemeinsam mit der erkrankten Person – nun Entscheidungen bezüglich zur weiteren Versorgung, was in der Kategorie Zielsetzung, Prozessbegleitung und Partizipation beschrieben wird. Individuell zugeschnittene Versorgungspläne wurden erstellt [1, 7, 9, 10, 13, 15, 21, 22, 24, 29, 32], die als Grundlage dienen, um den weiteren Versorgungsprozess zu begleiten [10, 13, 20,21,22, 24, 30, 32]. Die (gemeinsame) Festlegung von Zielen („mutual goal setting“; [7, 12, 24, 29, 30, 32]) sowie die Motivierung des Erkrankten, die angesetzten Maßnahmen langfristig umzusetzen [15, 16, 22, 24, 29, 30, 32] werden beschrieben. Im Rahmen eines „PAR-Projekts“ („partizipatory action research“) sind es die Patient*innen selbst, die aktuelle Behandlungspraktiken überprüfen und unter Einbezug aktueller Forschungsergebnisse verbessern [17].

Eine weitere Kategorie ist die Aufklärung, Beratung und Anleitung der Patient*innen, um Wissen zu Krankheit, Risikofaktoren und Folgeerkrankungen zu vermitteln [3, 6, 10, 13, 15, 22, 25, 30]. Daran angeknüpft, bieten CHN Beratung, Schulung und Anleitung zum Umgang mit Erkrankungen und gesundheitsförderndem Verhalten [1, 3, 4, 6, 13, 15, 19,20,21,22, 25, 30]. Während einige Studien den Beratungsschwerpunkt auf sog. „brief lifestyle interventions“ [6, 13] setzen, verfolgen andere breit angelegte Beratungs- und Schulungsprogramme [22].

In der Kategorie Soziale Unterstützung und Ansprechbarkeit wird deutlich, dass der/die CHN neben planmäßigen Beratungsgesprächen häufig auch in Situationen spontaner Patient*innen- und Angehörigengespräche wiederfindet, in etwa, wenn Patient*innen ohne Termin in einer offenen Pflegesprechstunde vorbeikommen. Oft ist er/sie die erste Ansprechperson bei plötzlich auftretenden Problemen, da sie den Patient*innen – teilweise durch die Nutzung von E‑Health – unmittelbare Beratung liefern kann [8, 19, 21, 25]. Sie geht empathisch und wertschätzend auf das Krankheitsgeschehen ein [24, 25]. Auch im Austausch mit anderen Erkrankten finden Betroffene soziale Unterstützung, wie z. B. im „Leg Club“ für Patient*innen mit venösen Ulzera [12].

Pflegerische Versorgung und Therapie umfasst medizinisch-pflegerische Interventionen durch CHN [9, 12, 16, 20, 25], wie z. B. die Behandlung des venösen Ulkus [12], aber auch die psychosoziale Unterstützung der Betroffenen [20, 26]. Auch das Medikamentenmanagement fällt unter diese Kategorie. Teilweise stellen CHN eigenständig Rezepte aus [1], können Änderungen im Medikamentenregime vornehmen [19, 20] und sind verantwortlich für Titration und Überwachung der Einnahme [1, 4].

Übergeordnete Tätigkeitsfelder

Die CHN steuern Versorgungsprozesse und die Leistungserbringungen verschiedener Akteur*innen, wie in der Kategorie Koordination und Organisation dargestellt. Ein Großteil ihrer Arbeit besteht darin, ganze Versorgungspfade im Sinne des Case Managements zu koordinieren [1, 9, 16, 26], indem sie als Schnittstelle zwischen den Dienstleistern fungiert, wie nach einer Krankenhausentlassung [20]. Oft verfügen CHN über ein gut ausgebautes Netzwerk und leiten ihre Patient*innen an entsprechende Stellen weiter [6, 10, 13, 19, 20, 22]. CHN beurteilen die Dringlichkeit einer Einweisung ins Krankenhaus und tätigen diese [15, 16, 19,20,21]. Außerdem koordinieren sie Beratungs- und Schulungsangebote, die durch Externe durchgeführt werden [4, 22] und stimmen diese mit eigenen Beratungsinhalten ab.

„Nurse-led care“ bedeutet zusammengefasst das Management aller Interventionen durch CHN, in Zusammenarbeit mit anderen Versorger*innen und wird in mehreren Studien auf ihre Wirksamkeit überprüft [1, 21, 22, 25, 26]. Dies kann die Leitung einer gesamten Gesundheitseinrichtung beinhalten [4], in anderen Studien bedeutet dies die Übernahme der Verantwortung für therapeutische Entscheidungen mit Handlungsspielraum in der Ausgestaltung [4, 19], teilweise komplett ohne Arztbeteiligung [4].

Eine wichtige Säule in der interprofessionellen Zusammenarbeit ist die enge Kooperation mit der Ärzteschaft [1, 4, 13, 19, 20, 22, 26], aber je nach Setting auch mit weiteren Gesundheitsberufen [1, 4, 21, 22, 26]. Beschrieben wird die lokale Vernetzung mit Multiplikator*innen vor Ort [3, 10, 26], die Zugang zu sonst schwer erreichbaren Gruppen schafft. CHN bringen Akteure eines Bezirks zusammen, um Absprachen bezüglich zur Versorgung zu treffen [10]. Auch wird der/die CHN in der Ausführung gesundheitspolitische Tätigkeiten und somit als wichtiges Bindeglied zwischen Versorger*innen bzw. Patient*innen und der Kommune beschrieben [10].

Diskussion

Laut Siebtem Altenbericht und Kuratorium Deutsche Altershilfe [18] liegen zentrale Lösungsansätze für ein zukunftsfestes und alternsgerechtes Gesundheitssystem u. a. im Ausbau von Prävention und Gesundheitsförderung, in der interprofessionellen Zusammenarbeit sowie in der Stärkung lokaler Strukturen. Die internationale Literatur zeigt, dass der/die CHN (Community Health Nurse) durch ihre Tätigkeiten als wichtige Schnittstelle in diesem Versorgungsgefüge fungieren kann und in anderen Ländern bereits als wichtiges Teammitglied auf der Ebene der Primärversorgung anerkannt ist. Im Rahmen des vorliegenden Scoping Reviews wurden die potenziellen Aufgabenfelder von CHN untersucht. Insgesamt wurden über zwanzig Publikationen systematisch gesichtet. Es zeigt sich ein vielfältiges Tätigkeitsspektrum. Viele beschriebene Interventionen spielen sich auf der Individualebene ab. Wenig beschrieben sind bevölkerungsbezogene bzw. gesundheitspolitische Handlungsfelder, obwohl dies häufig in Konzeptpapieren, wie dem vom DBFK [11], als integraler Bestandteil der Arbeit benannt wird.

Die CHN gewährleisten eine wohnortnahe Versorgung. Dies ermöglicht den Nutzer*innen einen niedrigschwelligen Zugang zu primärmedizinischer Versorgung – auch in unterversorgten städtischen oder ländlichen Gebieten. CHN kann somit – unter Vorbehalt der Übertragbarkeit auf das deutsche Gesundheitssystem – einen Beitrag leisten, die Primärversorgung insbesondere von Menschen mit einer chronischen Erkrankung zu verbessern. Viele hierfür notwendige Tätigkeiten, wie etwa die Rezeptierung, unterliegen allerdings dem Arztvorbehalt und können aktuell nicht in Deutschland von CHN ausgeführt werden [11]. Es fehlt an gesetzlichen Rahmenbedingungen, damit Pflegende mit entsprechender Qualifikation in der Primärversorgung als CHN rechtssicher agieren können. Zur Ausgestaltung des Konzepts CHN kann die Situation in Kanada ein Vorbild sein, da hier der/die CHN bereits über größere Handlungsspielräume hinsichtlich der Gestaltung eigenverantwortlicher Steuerprozesse und der Übernahme komplexer Aufgaben in der Versorgung verfügt [11]. Zur tatsächlichen Realisierung bedarf es jedoch in Deutschland einer grundsätzlichen Neustrukturierung des Berufsrechts, um Kompetenzbereiche der/des CHN klar von denen der Ärzt*innenschaft abzugrenzen und vom ärztlichen Vorbehalt loszulösen, sodass CHN in einem definierten Rahmen Aufgaben der primärmedizinischen Versorgung selbstständig übernehmen können. In diesem Zuge müssen auch ordnungs- und haftungsrechtliche Fragen diskutiert und Lösungen gesetzlich verankert werden. Eine Reformation des Leistungsrechts ist erforderlich, da CHN bisher nicht als Leistungserbringer*in in der Versorgung vorgesehen sind und somit über keine Vergütungsberechtigung verfügen [5]. Nur so kann die Bandbreite an Interventionen, wie sie in den international recherchierten Untersuchungen herausgearbeitet wurden, umgesetzt werden.

In einem Diskussionsbeitrag von Januar dieses Jahres geben Völkel et al. zu bedenken, dass die Aufgaben eines/r CHN weit die einer herkömmlich qualifizierten Pflegefachpersonen überschreiten, sodass auch in diesem Zusammenhang eine Übertragbarkeit internationaler CHN-Konzepte ins deutsche Gesundheitssystem kompliziert werden könnte [28]. Es wird zwar davon ausgegangen, dass die Tätigkeiten eines/r CHN von Pflegenden mit akademischer Qualifikation auf Masterniveau ausgeübt werden, wie es etwa das Profil einer APN (Advanced Practice Nurse/Nurse Practitioner) erfüllt. Masterstudiengänge mit dem speziellen Fokus auf CHN gibt es derzeit in der Evangelischen Hochschule Dresden, der Hochschule Vallendar, der Universität Bremen, der Katholischen Stiftungshochschule München und der Universität Witten-Herdecke. Nach Einschätzung des DBfK erlangt der/die CHN nach Abschluss des Masterstudiengangs die benötigten Kompetenzen [11]. Die Weiterentwicklung der Studiengänge in Form eines gemeinsamen Kerncurriculums ist ein wichtiger nächster Schritt in der Kompetenzentwicklung; Kernthemen hierfür stellen Völkel et al. in ihrem Beitrag vor, wie u. a. zu den Themen Assessment, Beratung und Health Literacy, aber auch zu Querschnittsthemen wie Ethik, Populationsorientierung und Forschung [28]. Viele der Kernthemen finden sich auch in den Ergebnissen der vorliegenden Analyse wieder, was ein Hinweis darauf sein kann, dass wir uns einer Eingrenzung und Schärfung der Tätigkeitsbeschreibung CHN in Deutschland nähern.

Limitationen

Ziel dieser Untersuchung ist es, eine Übersicht über Interventionen von CHN abzubilden. Es wurde eine begrenzte Auswahl an Datenbanken (PubMed/CINAHL/Google Scholar) genutzt und innerhalb der Suche Limitationen bezüglich Sprache, Studientyps und Publikationszeitraums eingesetzt. Die Zielgruppe wurde eingegrenzt auf die der chronisch Erkrankten. Mit dem damit verbundenen Ausschluss einer großen Anzahl an Forschungsarbeiten ist ein Informationsverlust verbunden, welcher als methodische Limitation zu beschreiben ist. Der Anspruch eines systematischen Reviews lag nicht zugrunde.

Fazit für die Praxis

  • Als integriertes und patientenzentriertes Versorgungsmodell ist CHN (Community Health Nursing) ein zukunftsweisendes Konzept, das die Primärversorgung verbessern kann.

  • Die Tätigkeitsfelder, v. a. im Bereich der Individualversorgung, sind vielfältig beschrieben und lassen sich auf das deutsche Gesundheitssystem übertragen. Eine genauere und elaboriertere Beschreibung ist notwendig, um es zukünftig in Ausbildung, Praxis und Forschung nutzbar machen zu können.

  • International wird das Konzept CHN bereits erfolgreich umgesetzt; in Deutschland müssen Fragen der Implementierung, Finanzierung und Abrechenbarkeit geklärt werden.