Hintergrund

Inklusionsbetriebe, die Menschen mit und ohne Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigten (§ 215, Abs. 1 und 3, Sozialgesetzbuch [SGB] IX), sind einem Zielkonflikt zwischen ökonomischem Druck und sozialen Zielen ausgesetzt [13]. Um die Balance zugunsten der Beschäftigten zu halten, ist die Gestaltung gesundheitsförderlicher Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten wichtig [12, 34]. In diesem Beitrag werden die empirischen Ergebnisse zur Arbeits- und Gesundheitssituation der Zielgruppe nach dem aktuellen Forschungsstand dargestellt. Daraus können Schlüsse für die Gestaltung gesundheitsförderlicher Rahmenbedingungen und Maßnahmen in Inklusionsbetrieben abgeleitet werden.

Leben und Arbeiten mit Behinderung

In Deutschland leben im Jahr 2017 ca. 7,8 Mio. Menschen und damit rund 9,4 % der Bevölkerung mit einer Schwerbehinderung [38]. Für Menschen mit einer schweren Behinderung oder psychischen Erkrankung bestehen diverse Barrieren auf dem Weg zur Erwerbstätigkeit [23, 25]. Die Beschäftigungsraten von Menschen mit einer Schwerbehinderung – v. a. mit einer psychischen Beeinträchtigung – sind deutlich geringer als jene der Allgemeinbevölkerung [2]. In Deutschland sind nur 46,9 % der Menschen mit einer Behinderung gegenüber 75,2 % der Allgemeinbevölkerung in einem Beschäftigungsverhältnis [8]. Zudem ist die Verweildauer dieser Gruppe im Job oft kurz [17], obwohl der Wunsch nach einer Erwerbstätigkeit besteht [6]. Das Angebot an Arbeit für Menschen mit einer Behinderung wird als eher gering beschrieben, sodass viele Probleme haben, einen Job zu finden [31]. Dies erweist sich als problematisch, da Arbeit ein förderlicher Faktor bei der Genesung ist und die soziale Integration erleichtert. Arbeitslosigkeit, verbunden mit eingeschränkten finanziellen Mitteln, hingegen kann zu Armut und Entfremdung von der Gesellschaft führen [43]. Menschen dazu zu befähigen, eine Arbeit zu erlangen und zu halten, kann einen tiefgreifenderen Effekt als andere medizinische oder soziale Interventionen haben [16] und zu einer gelingenden Inklusion beitragen [7].

Inklusionsbetriebe

Um die beschriebene Diskrepanz zwischen gewünschten und vorhandenen Arbeitsplätzen für die Zielgruppe auszugleichen, beschäftigen Inklusionsbetriebe schwerbehinderte Menschen mit geistiger, seelischer oder schwerer Körper‑, Sinnes- oder Mehrfachbehinderung, deren Erkrankung sie auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt. Darüber hinaus können Menschen mit Behinderung, die sich im Übergang zwischen einer Werkstatt und einer Förderschule befinden sowie Langzeitarbeitslose im Inklusionsbetrieb beschäftigt werden (§ 215 Abs. 2, SGB IX). Die Betriebe beschäftigen einen Anteil zwischen 30 und 50 % von Menschen mit Behinderung (§ 215, Abs. 1 und 3 SGB IX) zu einem Lohn, der den Mindestlohn nicht unterschreiten darf [9]. Durch ihren unterstützenden Charakter werden die Inklusionsbetriebe als Wegbereiter zurück in den Job gesehen, der den Betroffenen die gesundheitliche Regeneration ermöglicht [33].

Derzeit gibt es in Deutschland rund 900 Inklusionsbetriebe [9] mit rund 22.500 Beschäftigten, von denen etwa die Hälfte eine Behinderung aufweist [19]. Am häufigsten sind Inklusionsbetriebe in den Branchen Gastronomie (16 %), Garten- und Landschaftsbau (12 %), Industrieproduktion (11 %), Facility Management (11 %), Handel (11 %) und Handwerk (10 %) angesiedelt [19].

Inklusionsbetriebe verfolgen gleichermaßen ökonomische und soziale Ziele [13], wie etwa

  • die Förderung des Wohlbefindens der Beschäftigten [26],

  • die Bereitstellung eines Arbeitsplatzes im Sinne der ökonomischen Partizipation [14, 16],

  • soziale Inklusion [14, 16],

  • die Vorbereitung auf den regulären Arbeitsmarkt (§ 216 SGB IX),

  • die Gelegenheit zur beruflichen Weiterbildung (§ 216 SGB IX).

Sie bieten schwerbehinderten Menschen und psychisch Erkrankten eine arbeitsbegleitende Betreuung sowie ein berufliches Setting, in dem auf individuelle Bedürfnisse eingegangen werden kann [40]. Dabei wird nicht primär gewinnorientiert gearbeitet, aber der Betrieb sollte finanziell tragfähig und bestenfalls ohne Subventionen profitabel sein [16]. Weitere Prinzipien sind in der Regel demokratische Entscheidungsfindungsprozesse, soziale Unterstützung und ein ausgeprägtes Gemeinschaftsgefühl innerhalb der Organisation. Gemeinschaftliche Arbeit, Autonomie und Befähigung stehen im Vordergrund [16]. Im Konzept der Inklusionsbetriebe verbirgt sich jedoch ein Zielkonflikt: Die Balance zwischen dem ökonomischen Druck und den sozialen Zielen wird als herausfordernd beschrieben, da diese nicht immer miteinander einhergehen [7, 34, 37].

In Abgrenzung zur Beschäftigung in Inklusionsbetrieben gibt es für die Zielgruppe Menschen mit Behinderung die Alternative, in Werkstätten für Menschen mit Behinderung (vor Ort oder auf ausgelagerten Arbeitsplätzen) zu arbeiten oder in einer unterstützen Beschäftig in regulären Unternehmen tätig zu sein. Beim Vergleich der Beschäftigungsarten sind die Forschungsergebnisse jedoch uneinheitlich. Die durchschnittliche Verweildauer von psychisch erkrankten Beschäftigten in Inklusionsbetrieben ist mit 2 bis 6 Jahren [21, 29] deutlich länger, verglichen mit der unterstützten Beschäftigung in regulären Betrieben mit einer durchschnittlichen Beschäftigungsdauer von 8 Monaten [39].

Bedeutung von Gesundheitsförderung

Durch betriebliche Gesundheitsförderung als systemische Intervention in Betrieben können gesundheitsrelevante Belastungen gesenkt und Ressourcen ausgebaut werden. Dieser Setting-Ansatz bietet eine Grundlage, gesundheitsförderliche Effekte durch partizipativ gestaltete und aufeinander abgestimmte Veränderungen der Ergonomie, der Organisation, des Sozialklimas und des individuellen Verhaltens zu erzielen. Eine erfolgreiche Betriebliche Gesundheitsförderung resultiert in einer höheren Arbeitszufriedenheit, besserer Produktivität und langfristig weniger krankheitsbedingten Abwesenheiten [36]. Diverse Evaluationen zeigen, dass sowohl Betriebe als auch Beschäftigte von den Gesundheitsförderungsmaßnahmen profitieren [36]. Insbesondere in Inklusionsbetrieben, die ein sehr unterstützendes Arbeitsumfeld für die vulnerable Gruppe der Menschen mit Behinderung bieten können [1, 40], bestehen große Potenziale der Prävention und Gesundheitsförderung [1]. Der besondere Bedarf für die Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung für diese Zielgruppe wird auch aus den Teilhabeberichten der Bundesregierung ersichtlich. Diese zeigen auf, dass Menschen mit Behinderung ihren subjektiven Gesundheitszustand vergleichsweise negativ bewerten und ihr Gesundheitsverhalten z. T. ungünstiger ist, etwa bei den Bewegungs- und Ernährungsgewohnheiten und dem Verzehr von Genussmitteln [10, 11]. Seit dem 01.01.2018 ist für Inklusionsbetriebe über den allgemein üblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz hinaus die Durchführung von Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung verpflichtend (§§ 215–218 SGB IX). Für die übrigen Unternehmen gibt es diese gesetzliche Verpflichtung bisher nicht.

Aktueller Forschungsstand

In der vorliegenden Arbeit wird ein Überblick über die Forschung zur Arbeits- und Gesundheitssituation in Inklusionsbetrieben und deren aktuelle Umsetzung von gesundheitsförderlichen Maßnahmen dargestellt. Zusammengetragen werden Forschungsergebnisse zu gesundheitsförderlichen und -belastenden Faktoren auf deren Basis Handlungsempfehlungen für die betriebliche Praxis abgeleitet und Forschungslücken ermittelt werden.

Arbeitssituation in Inklusionsbetrieben

In mehreren Studien gaben die Beschäftigten in Inklusionsbetrieben eine hohe Zufriedenheit mit ihrer Beschäftigung [33, 46] und eine hohe Lebensqualität an [4, 29]. Die Vergleichsgruppe der Kollegen/innen ohne Behinderung wies jedoch höhere Zufriedenheitswerte als die Beschäftigten mit Beeinträchtigung auf. Personen, die in Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfMB) arbeiteten, wiesen hingegen niedrigere Werte auf [4].

Das Arbeiten in einem Inklusionsbetrieb erzeugt bei vielen Beschäftigten mit Behinderung das Gefühl, leistungsfähig und anerkannt zu sein [12, 47]. Durch die Arbeit wird die eigene Zeit sinnvoll genutzt und es werden Fähigkeiten, wie etwa die soziale Kompetenz, weiterentwickelt [31]. Berichtet wird von Erfahrungen sozialer Verbundenheit, sozialem Austausch mit dem Umfeld und einem Zugehörigkeitsgefühl zum Betrieb bzw. zum Team [31, 33, 40, 47]. Das Arbeiten in einer bedarfsbezogen ausgestatteten, barrierefreien Umgebung wird von den Beschäftigten mit körperlicher Behinderung als angenehm, sicher und diskriminierungsfrei wahrgenommen [12]. Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen schildern das Erleben von Offenheit und nicht-stigmatisierender Akzeptanz [33]. In mehreren Studien wird ein gut ausgeprägtes Gemeinschaftsgefühl und viel gegenseitige Unterstützung unter den Kollegen/innen sowie von den Führungskräften hervorgehoben [12, 33, 47]. Viele Beschäftigte knüpfen Freundschaften auf der Arbeit [47] und gerade Arbeitsplätze mit mehreren Menschen mit Behinderung bieten soziale Interaktionsmöglichkeiten [31]. Einige Beschäftigte bevorzugen hingegen Alleinarbeit [31]. Einige wenige Studienteilnehmende kämpfen mit negativen Erfahrungen wie einer nicht-integrativen Arbeitsumgebung (bspw. geprägt von wenig Unterstützung von Kollegen/innen oder Betreuer/innen oder geringer Einbindung in den Betrieb), Langeweile oder Unzufriedenheit [47].

Gesundheitsförderliche und -belastende Faktoren in Inklusionsbetrieben

Die in bisherigen Studien ermittelten Gesundheitsressourcen und -belastungen werden nach den definierten Merkmalsbereichen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) kategorisiert:

  • Arbeitsinhalt,

  • Arbeitsorganisation,

  • Soziale Beziehungen,

  • und Arbeitsumgebung [20].

Zudem werden die beforschten personenbezogenen Faktoren für diese Zielgruppe beleuchtet.

In der Kategorie Arbeitsinhalt wird den Studienergebnissen zufolge eine sinnstiftende Arbeitsaufgabe in Zusammenhang mit einer höheren Arbeitszufriedenheit, Arbeitslebensqualität und dem Selbstwertgefühl gebracht [28, 40, 46]. Auch der Genesungsprozess kann von einer sinnstiftenden Tätigkeit und von entgegengebrachter Fehlertoleranz positiv beeinflusst werden [27]. Ressourcen stellen auch bekannte Routinen (im Hinblick auf Arbeitsplan, -ort und -aufgabe), eine adäquate Arbeitsbelastung sowie eine die Fähigkeiten und Bedürfnisse der Beschäftigten einbeziehende Ausbildung bzw. Einarbeitung dar. Diese Ressourcen können zu einem längeren Verbleib im Job führen [43, 45, 46]. Kundenkontakt kann die Arbeitszufriedenheit steigern und soziale Fähigkeiten fördern [27, 46]. Der Grad sozialer Interaktion – im Hinblick auf Kundenkontakt sowie auf Teamarbeit – sollte jedoch an den individuellen Präferenzen der Beschäftigten ausgerichtet werden [27, 31]. Im Arbeitsinhalt begründete Belastungsfaktoren sind die Sorge, Fehler bei der Arbeit zu machen [12, 47] und vereinzelt Unzufriedenheit mit der Arbeitsaufgabe, etwa bei Reinigungsaufgaben oder allgemein „Tätigkeit, die sonst niemand machen möchte“ [47].

Arbeitsorganisatorische Ressourcen sind gute Rahmenbedingungen der Arbeit wie ein Gehalt entsprechend des Mindestlohns oder höher, Jobsicherheit trotz reduzierter Belastbarkeit, ausreichend Urlaub, die Möglichkeit zu einer Teilzeitbeschäftigung, flexible und partizipative Dienstplan- und Pausengestaltung, ein gutes organisatorisches Management (etwa ein ausgeprägtes Mitarbeiter- und Fortbildungsmanagement oder soziale Aktivitäten im Betrieb). Auch sie können bei den Beschäftigten zu einer höheren Arbeitslebensqualität, Arbeitszufriedenheit und einem längeren Verbleib im Job führen [7, 27, 28, 34, 43, 45, 46]. Die Möglichkeit zum Lernen und Ausbilden von Fähigkeiten im eigenen Tempo, sowie ein Arbeitstempo, das den individuellen Kapazitäten angepasst ist, unterstützt die Genesung und die Arbeitszufriedenheit [27, 40, 42], steigert das Selbstwertgefühl der Beschäftigten und befördert damit indirekt ihre Produktivität [17, 27]. Eine Belastung im Merkmalsbereich Arbeitsorganisation kann eine als ungerecht empfundene Arbeitsteilung sein, die bei Beschäftigten zu Frustration führen kann [12]. Sehr geringe Teilzeitanteile (verbunden mit mangelnden gemeinsamen Pausenzeiten), Einzelarbeit und Probleme mit der Mobilität auf dem Arbeitsweg sind hinderliche Faktoren für die Inklusion [31, 37]. Organisatorische Beschränkungen und Zeitdruck können die Produktivität negativ beeinflussen [43].

Aus den Anpassungen der Arbeit an Menschen mit einer psychischen Behinderung kann eine Verbesserung von Arbeitsleistung, Zufriedenheit, Beschäftigungsdauer, ein vorteilhaftes Verhalten der Kollegen gegenüber den Betroffenen und damit soziale Integration resultieren [16].

Bei den Faktoren mit Bezug zu sozialen Beziehungen wirken sich ein Zugehörigkeitsgefühl, eine gute Beziehung zu Kollegen/innen, Führungskräften und Kunden, ein kooperatives Team, gemeinsame Pausen, eine unterstützende Führungskraft und eine soziale Atmosphäre positiv auf die Arbeitslebensqualität, Arbeitszufriedenheit und einen längeren Verbleib im Job aus [28, 43, 45, 46]. Sie fördern zudem die Inklusion [31], wodurch die gesellschaftliche Akzeptanz für Menschen mit Behinderung steigen kann [37]. Unterstützende Führung hat zudem einen leicht positiven Einfluss auf die Produktivität der Beschäftigten [17]. Entgegengebrachte Wertschätzung und Feedback – ebenfalls Führungsaufgaben – können die Arbeitszufriedenheit steigern [12, 42, 46]. Das gemeinsame Arbeiten in heterogenen Teams mit Menschen mit und ohne Behinderung kann das Selbstwertgefühl steigern [27, 31] und soziale Fähigkeiten fördern [27]. Geringe soziale Unterstützung als Belastungsfaktor befördert SelbststigmaFootnote 1, welches sich wiederum negativ auf die Produktivität der Beschäftigten auswirken kann [43]. Konflikte mit Kollegen/innen sowie mangelnde Wertschätzung könne bei Beschäftigten zu Frustration führen [12].

Beim Faktor Arbeitsumgebung ist für Beschäftigte mit körperlichen Behinderungen die Bereitstellung einer barrierefreien Arbeitsumgebung vorteilhaft für deren Arbeitslebensqualität [28]. Begegnungsmöglichkeiten, etwa gemeinsame Pausenräume für Menschen mit und ohne Behinderung, fördern die Inklusion [31].

Die personenbezogenen Faktoren berufliche Selbstwirksamkeit sowie die Symptomschwere beeinflussen die Arbeitszufriedenheit und das Arbeitsengagement der Beschäftigten [17, 41, 42], welche wiederum relevant für berufliche Pläne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt [27] und die Produktivität sind [17].

Aktuelle Umsetzung von Gesundheitsförderung

Unterstützende Maßnahmen für Menschen mit Behinderung („work accommodation“) umfassen die Modifizierung bzw. Anpassung des Arbeitsplatzes oder von Arbeitsabläufen, die einer Person mit speziellen Bedürfnissen die Durchführung der aufgetragenen Arbeitsaufgabe ermöglicht. Dabei werden zugängliche menschliche oder technische Ressourcen (wie organisatorische, physische, soziale Unterstützung, Training/Ausbildung) genutzt, um die Integration, Akzeptanz, Zufriedenheit, Interessen und Ziele der Beschäftigten zu fördern [15]. Ziel der Implementierung der Maßnahmen ist die Erweiterung der Teilhabe in Bezug auf Arbeit [32]. Die Gesundheitsförderungsangebote bzw. die Durchführung verhältnisorientierter Maßnahmen sind inhaltlich nicht vollumfänglich erfasst und hängen sehr spezifisch vom Unternehmen ab [16].

Von in einer Studie von Hublet et al. (2015 [24]) befragten Unternehmen in Belgien gaben 64,6 % an, Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung für ihre Beschäftigten anzubieten. Davon haben 59,8 % mindestens eine bedingungsbezogene Gesundheitsförderungsmaßnahme implementiert. Die Art der Interventionen variierte von konzeptuellen Veränderungen der Rahmenbedingungen (43,1 %) über individuelle Instruktionen (43,1 %), Gruppenedukationen (31,5 %), Veränderungen der Arbeitsumgebung (26,2 %) bis hin zu Aktionen mit kürzerer Laufzeit (11,5 %) wie z. B. Gesundheitstage. Die am häufigsten bearbeiteten Themen waren Alkoholkonsum (58,5 %), Ernährung (50 %), psychische Gesundheit (37,8 %), Tabakkonsum (36,6 %) und Bewegung (28 %; [24]). Eine Bestandsaufnahme des GKV-Bündnisses für Gesundheit ergab 2017, dass ein Großteil der Interventionen für Menschen mit Behinderung eher auf eine Verhaltensänderung als auf eine nachhaltige Veränderung von Verhältnissen abzielt. Als besonders nachhaltig gelten hingegen Maßnahmen, die auf die Arbeitsumgebung und Betriebspolitik eingehen [1]. Nur 7,3 % der Interventionen im Hinblick auf Arbeitsbedingungen hatten die psychische Gesundheit zum Thema [24].

Insgesamt wurden bei nur 12 % die besonderen Bedürfnisse wie z. B. die Lesefähigkeiten von Beschäftigten mit einer Behinderung bei der Gestaltung der Intervention berücksichtigt [24]. Bedenkt man, dass eine zielgruppenspezifische Gestaltung der Maßnahmen einer der wichtigsten Faktoren für deren Wirksamkeit ist, so fällt auf, dass die mangelnde Berücksichtigung von etwaigen Einschränkungen den niedrigschwelligen Zugang zur Zielgruppe einschränkt [3, 48]. Vor allem Menschen mit einer Lernbehinderung, geistigen Behinderung oder Mehrfachbehinderung und zusätzlich einem Migrationshintergrund werden bisher unzureichend über entsprechende Interventionen erreicht [1].

In den wenigen vorliegenden Studien werden am häufigsten eine flexible Dienstplangestaltung sowie eine allgemein hohe Flexibilität (z. B. im Hinblick auf die Gesundheit und private Termine; [33]), Unterstützung, Feedback und Anerkennung von Führungskräften und Kollegen/innen gewährleistet. Die Unterstützung der Beschäftigten durch andere Stakeholder und individuelle Einarbeitung bzw. Fortbildung, die Möglichkeit zum Tausch der Arbeitsaufgaben mit Kollegen/innen, Mentoring-Programme oder Job-Coaches werden darüber hinaus in mehreren Unternehmen angeboten. Die Umgestaltung des Arbeitsumfelds bzw. die Möglichkeit, die Arbeitsumgebung zu modifizieren (z. B. die Umgebungslautstärke zu beeinflussen) war deutlich seltener anzutreffen [16, 43], obwohl auch diese Form der Anpassung von den Beschäftigten als sehr hilfreich erachtet wird [16].

Für eine Beurteilung, ob die Gesetzesänderung 2018 zu bedeutsamem Unterschieden in der praktischen Umsetzung von betrieblicher Gesundheitsförderung in Inklusionsbetrieben geführt hat, bedarf es weiterer Forschung in Deutschland.

Handlungsempfehlungen

Eine Generalisierung von Handlungsempfehlungen hinsichtlich gesundheitsförderlicher Arbeitsgestaltung ist aufgrund der Heterogenität und Komplexität der unterschiedlichen Arbeitsfelder, Belastungsfaktoren, Interventionen und Erkrankungsbilder der Menschen mit Behinderung nicht möglich.

Aus den im Abschnitt „Gesundheitsförderliche und -belastende Faktoren in Inklusionsbetrieben“ aufgeführten Forschungsergebnissen lassen sich jedoch Hinweise für die Gestaltung möglichst ressourcenreicher und belastungsarmer Arbeitsinhalte, Arbeitsorganisation, sozialer Beziehungen und Arbeitsumgebung ableiten, die in der folgenden Tab. 1 dargestellt werden. Ihre Wirksamkeit wurde jedoch nicht in Interventionsstudien untersucht.

Tab. 1 Empfohlene Maßnahmen mit Bezug auf Arbeitsinhalt, Arbeitsorganisation, soziale Beziehungen, Arbeitsumgebung und die Person

Wie in Tab. 1 dargestellt, sind für die Gestaltung von gesundheitsförderlichen Arbeitsinhalten eine vom Beschäftigten als sinnvoll wahrgenommene Arbeitsaufgabe [7, 17, 40, 46], sowie deren Auswahl basierend auf den Interessen und Fähigkeiten [7, 27] vorteilhaft. Empfohlen werden Trainings, die das jeweilige Lerntempo berücksichtigen [31, 43], die Gestaltung von adäquaten Arbeitsbelastungen [45], Fehlertoleranz [27], Autonomie und die Übertragung eines passenden Grades an Verantwortung [46]. Es sollten möglichst wenige Wechsel bei Arbeitsplänen, -orten und -aufgaben angestrebt werden, sodass die Beschäftigten von bekannten Routinen profitieren können [27, 45, 46].

Im Hinblick auf die Arbeitsorganisation wird für die nachhaltige Gestaltung von Arbeitsplätzen in Inklusionsbetrieben zu langfristigen Jobs mit Beschäftigungssicherheit (trotz häufiger bzw. langer Arbeitsunfähigkeitszeiten) und einer Vergütung entsprechend dem Mindestlohn oder höher geraten [46]. Reguläre Teilzeit, eine individuelle Anpassung der Arbeit und der Arbeitszeiten an die gesundheitlichen Bedürfnisse des Einzelnen [12, 34] sowie die Möglichkeit zur Weiterentwicklung und Arbeit im eigenen Tempo [40] ergänzen einen gesundheitsförderlich gestalteten Arbeitsplatz.

Im Hinblick auf soziale Beziehungen wird ein natürlich unterstützendes Arbeitsumfeld empfohlen mit respektvollem Umgang und Arbeit in gemischten Teams mit Menschen mit und ohne Behinderung. Führungskräfte sollen die Beschäftigten mit Behinderung unterstützen und informales Feedback geben (welches in ihrer Aufgabenbeschreibung niedergeschrieben werden kann; [37, 46]). Der Aufbau guter kollegialer Beziehungen kann durch Teamarbeit (also möglichst wenig Alleinarbeit) und durch gemeinsame betriebliche Veranstaltungen gefördert werden [31]. Soziale Unterstützung kann den Beschäftigten bei der Arbeit (z. B. durch Gewähren von Hilfe bei der Arbeit, Aufwendung von Ressourcen für die intensive Betreuung oder Mentoring-Programme), aber auch in angrenzenden privaten Bereichen (z. B. Wohnen, Fahrt zur Arbeit, Gesundheits- oder Rentenleistungen) gewährt werden [7]. Durch ihren großen Einfluss auf mögliche gesundheitsrelevante Ressourcen und Belastungen bei der Arbeit kommt der Auswahl und Schulung der Führungskräfte eine besondere Bedeutung zu [17, 31].

Bei der Arbeitsumgebung sollte auf Barrierefreiheit, adäquates Arbeitsmaterial, Lärmschutz, möglichst geringe physische Belastungen [28] und die Bereitstellung von Begegnungsmöglichkeiten geachtet werden [31].

Die Gestaltung von gesundheitsförderlichen Interventionen sollte am Unternehmen und der Zielgruppe ausgerichtet werden und gender- und kultursensible Bedarfe berücksichtigen. Das GKV-Bündnis für Gesundheit empfiehlt eine niedrigschwellige Arbeitsweise unter Berücksichtigung der Zugangshürden für Menschen mit Behinderung, etwa durch aufsuchende oder begleitende Angebote sowie die Nutzung adäquater Kommunikationsmittel, partizipativer Ansätze und eine frühe Einbeziehung der Zielgruppe. Dies fördert die jeweiligen Potenziale und die Selbstbestimmung. Um die Nachhaltigkeit sicherzustellen, kann das Einbeziehen kommunaler Strukturen und Vernetzung vorteilhaft sein [1].

Wie bei der Gesundheitsförderung in Nicht-Inklusionsbetrieben ist eine ausgewogene Zusammenstellung von verhaltens- und verhältnisbezogenen Maßnahmen relevant [5]. Die Kombination beider Elemente hat sich in der Praxis des betrieblichen Gesundheitsmanagements in regulären Betrieben bisher als besonders wirkungsvoll erwiesen [22, 35].

Fazit für die Forschung

Die Ergebnisse dieses Überblicks machen deutlich, dass Erkenntnisse zu gesundheitsrelevanten Bedarfen und Bedürfnissen von Menschen mit Behinderung nur vereinzelt in einigen Ländern und mit wenigen beforschten Betrieben vorliegen. Umfassende, evidenzbasierte Programme der betrieblichen Gesundheitsförderung für Beschäftigte mit und ohne Behinderung in Inklusionsbetrieben fehlen gänzlich. In nur sehr wenigen Interventionsstudien wurden Gesundheitsförderungsmaßnahmen implementiert und begleitend evaluiert [18]. Da in Deutschland seit 2018 Inklusionsbetriebe verpflichtet sind, betriebliche Gesundheitsförderung anzubieten (§§ 215–218 SGB IX), böte sich insbesondere hier Interventionsforschung an. Bei der Erforschung der Zusammenhänge von Ressourcen bzw. Arbeitsanforderungen und dem gesundheitlichen Outcome wurden primär Querschnittstudien unternommen, aus denen keine kausalen Beziehungen ableitbar sind. Diese Studienergebnisse deuten darauf hin, dass für die Beschäftigten in Inklusionsbetrieben vergleichsweise viele bedingungsbezogene Ressourcen potenziell verfügbar sind. Sie sind v. a. im Arbeitsinhalt, der Arbeitsorganisation und den sozialen Beziehungen begründet. Inwiefern diese Ressourcen auch real in Inklusionsbetrieben umgesetzt werden, ist jedoch weitgehend unbekannt. Es wird deutlich, dass kaum Forschung zu negativen Arbeitsbelastungen – wie etwa Zeitdruck, hohe Taktbindung, Alleinarbeit, Lärm, einseitige Anforderungen – unternommen wurde, die die Beschäftigtengesundheit beeinträchtigen können, sowie zu personenbezogene Maßnahmen. Deutsche Studien fehlen in diesen Themenbereichen gänzlich. Auch die gesundheitlichen Outcomes wurden in den verfügbaren Studien wurden nur selten untersucht. Auch wenn die gesundheitlichen Parameter Arbeitslebensqualität, Arbeitszufriedenheit und Genesung/Gesundheit in einzelnen Studien Berücksichtigung fanden, lag der Fokus eher auf betrieblichen Parametern wie Beschäftigungsdauer, Effizienz/Produktivität, Engagement oder soziale Outcomes wie Inklusion. Es bedarf also umfassender gesundheitswissenschaftlicher Forschung im Feld der Inklusionsbetriebe, in denen neben der betrieblichen Analyse Interventionen entwickelt und evaluiert werden.

Fazit für die Praxis

  • Gesundheitsförderliche Rahmenbedingungen schaffen und auf die individuellen Bedürfnisse der Beschäftigten mit und ohne Behinderung eingehen, um den sozialen Zielen von Inklusionsbetrieben gerecht zu werden.

  • Menschen mit Behinderung ressourcenreiche (z. B. flexibel anpassbare, sichere, gut organisierte und sozial unterstützende) Arbeitsbedingungen bereitstellen.

  • Betriebliche Gesundheitsförderungsmaßnahmen partizipativ entwickeln, zielgruppenspezifisch ausrichten und ausreichend große verhältnispräventive Anteile einplanen.

  • Für die Entwicklung passender Maßnahmen bietet sich die Nutzung betrieblicher Analyseinstrumente – etwa die psychische Gefährdungsbeurteilung – an (§ 5 Abs. 3, Nr. 6, ArbSchG).