Zusammenfassung
Hintergrund
Studienergebnisse weisen darauf hin, dass Menschen mit einer eingeschränkten Gesundheitskompetenz (GK) ein erhöhtes Risiko für einen schlechten Gesundheitszustand und ein ungünstiges Gesundheitsverhalten aufweisen. Während der Fokus innerhalb der Forschung zur GK bislang auf der erwachsenen Allgemeinbevölkerung lag, wurde die Gruppe der Studierenden wenig berücksichtigt. Vor dem Hintergrund der besonderen Lebenslage von Studierenden erscheint eine gezielte Betrachtung der GK im Zusammenspiel mit Gesundheitsindikatoren bei dieser Zielgruppe relevant.
Ziel der Arbeit
Das Ziel dieser Arbeit ist die Überprüfung der Assoziation zwischen der GK und dem Gesundheitszustand sowie dem -verhalten bei Studierenden.
Material und Methode
Die Datenbasis stellt eine Onlinebefragung mit 996 Studierenden der Technischen Universität Dortmund dar. Zur Erfassung der GK wurde der HLS-EU-Q16 genutzt. Als Indikatoren für den Gesundheitsstatus fungierten der subjektive Gesundheitszustand, die allgemeine Lebenszufriedenheit sowie die psychosomatische Beschwerdelast. Das Gesundheitsverhalten wurde mittels des Ernährungs- und Bewegungsverhaltens sowie des Tabak- und Alkoholkonsums operationalisiert. Zur Überprüfung der Assoziationen zwischen der GK und dem Gesundheitszustand sowie dem -verhalten wurden uni-, bi- und multivariate Analysen durchgeführt.
Ergebnisse
Knapp 60 % der Studierenden gaben eine eingeschränkte GK an. Studierende mit eingeschränkter GK wiesen ein rund 2‑fach erhöhtes Risiko für einen geringen subjektiven Gesundheitszustand, eine geringe allgemeine Lebenszufriedenheit, eine hohe psychosomatische Beschwerdelast, ein ungesundes Ernährungsverhalten und einen regelmäßigen Tabakkonsum auf. Es zeigten sich keine Assoziationen zwischen der GK und dem Bewegungsverhalten sowie dem Alkoholkonsum.
Schlussfolgerungen
Studierende stellen in Bezug auf den Gesundheitsstatus und die GK eine vulnerable Bevölkerungsgruppe dar und sollten in die zukünftige Forschung zur GK sowie in die Gesundheitsberichterstattung stärker einbezogen werden. Assoziationen zwischen der GK und dem Gesundheitsstatus sowie einzelnen Indikatoren des Gesundheitsverhaltens sprechen dafür, die GK in der Gesundheitsforschung sowie der Prävention und Gesundheitsförderung zu berücksichtigen. Zudem sollten die Rahmenbedingungen im Hochschulsetting die Gesundheit und das gesundheitsförderliche Verhalten der Studierenden ermöglichen und fördern.
Abstract
Background
Results of recent studies indicate that people with limited health literacy (HL) have an increased risk of poor health and unfavorable health behavior. While most HL research has focused on the general adult population, students have gained less attention. Thus regarding the changing lifestyle situation of students, a more specific research on HL in interaction with health indicators seems necessary.
Objectives
The aim of this study is to investigate the association between HL and student’s health and health behavior.
Materials and methods
A cross sectional online survey was conducted among 996 students from the Technical University of Dortmund. HL was measured using the HLS-EU-Q16. The subjective state of health, the general life satisfaction as well as psychosomatic complaints served as health indicators. Health behavior was operationalized with measuring eating habits and exercise behavior as well as tobacco and alcohol consumption. Univariate, bivariate and multivariate analyses were conducted to examine the association between HL and health and health behavior.
Results
Nearly 60% of the students reported a limited health literacy. Students with limited HL showed an approximately 2‑fold increased risk for poor subjective health, low life satisfaction, frequent psychosomatic complaints, eating habits and regular tobacco consumption. There were no associations with exercise behavior or alcohol consumption.
Conclusions
Students appear to be a vulnerable group in terms of health, HL and health behavior and need to be involved more closely in future HL research and health monitoring. Associations between HL and health status as well as individual indicators of health behavior suggest that HL should be included in health research, prevention and health promotion. In addition, environmental conditions and processes within the university setting should enable and promote health as well as health-promoting behavior among students.
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J. Schricker, C. Kotarski, J.-M. Haja, K. Dadaczynski, K. Diehl und K. Rathmann geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Alle beschriebenen Untersuchungen am Menschen oder an menschlichem Gewebe wurden im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt. Von allen beteiligten Teilnehmenden an der Studie liegt eine Einverständniserklärung vor.
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Schricker, J., Kotarski, C., Haja, JM. et al. Gesundheit und Gesundheitsverhalten bei Studierenden: Assoziationen mit der Gesundheitskompetenz. Präv Gesundheitsf 15, 354–362 (2020). https://doi.org/10.1007/s11553-020-00764-2
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