Das Setting Hochschule ist eines der am wenigsten zur Kenntnis genommenen Settings im Reigen der deutschen Netzwerke settingorientierter Gesundheitsförderung. Dies steht im Widerspruch zu einer immer größer werdenden Anzahl von Hochschulen in Deutschland, die sich auf den Weg zu einer gesundheitsfördernden Organisation machen und zu dem dieses Geschehen seit 15 Jahren unterstützend begleitenden Arbeitskreis, dem größten Zusammenschluss gesundheitsfördernder Hochschulen weltweit.

Von daher ist es doppelt erfreulich, dass dieses Schwerpunktheft über die fachlichen Grenzen hinaus in gemeinsamer Auseinandersetzung entstehen konnte. Gibt es doch zum einen die Möglichkeit, dieses Setting mit interessanten Ansätzen aus Praxis und Wissenschaft vorzustellen und einem breiteren Publikum bekannt zu machen, andererseits weitere Hochschulen, die noch nicht auf diesem Weg sind, zu ermuntern, eigene Projekte und Forschungsarbeiten durchzuführen.

Hochschulen sind weitaus komplexer als Betriebe, haben sie doch drei Funktionen zu erfüllen: die der Lehre, die der Forschung und die der Verwaltung mit den je eigenen Logiken, Strukturen und rechtlichen Rahmensetzungen. Zum Setting Hochschule gehören verschiedene Statusgruppen: die Studierenden, das wissenschaftliche Personal und das nicht-wissenschaftliche Personal. An den 400 Hochschulen in Deutschland sind dies ca. 2,5 Mio. Menschen.

Das vorliegende Schwerpunktheft beschreibt den Stand der Gesundheitsförderung im Setting Hochschule, erläutert aktuelle Ansätze und Studien und gibt einen Einblick in die Facetten der Umsetzung gesundheitsförderlicher Projekte.

Die ersten drei Beiträge ordnen den Stand der Entwicklung ein, zum einen in die europäische und weltweite „Bewegung“ (Gräser), zum anderen in die Qualitätsdiskussion (Faller). Der dritte Beitrag benennt wesentliche strukturelle Aspekte, die das Setting Hochschule fördern und beschreibt deren Entwicklung am Beispiel des bundesweiten Arbeitskreises Gesundheitsfördernde Hochschulen (Sonntag, Hartmann).

Es folgen vier Beiträge, die sich mit Aspekten der Gesundheit von Beschäftigten an Hochschulen befassen. Seibold et al. stellen anhand von Erfolgsfaktoren vor, wie Gesundheitsmanagement in Hochschulen zu implementieren ist. Diese auf einer empirischen Arbeit basierenden Erkenntnisse sind zur Zeit sehr nachgefragt, weil immer mehr Hochschulen Koordinatorinnen bzw. Koordinatoren für das betriebliche Gesundheitsmanagement einstellen und damit der Bedarf an hochschulspezifischen Beratungen wächst.

Mit Hadler schließt ein Praxisbericht an, der die Umsetzung von Gesundheitsförderung an einer Technischen Universität als Projekt beschreibt und dabei besonders den IMPULS-Test als ein hilfreiches Instrument hervorhebt.

Stößel et al. präsentieren einen exemplarischen Beitrag, der Befragungen der Beschäftigten als Analyseschritt aufzeigt. Befragungen von Beschäftigten sind oftmals ein Versuch, sich den Problemen der eigenen Hochschule zu nähern, um auf dieser Grundlage gesundheitsfördernde Maßnahmen zu planen und umzusetzen.

Führungspersonal ist eine entscheidende Schaltstelle zur Implementierung von Gesundheitsförderung. Böckelmann et al. stellen das akademische Führungspersonal in den Fokus und untersuchen dessen Herz-Kreislauf-Risikogefährdung.

Die weiteren neun Beiträge befassen sich mit den Studierenden. Dieser Schwerpunkt ist bewusst gewählt, denn die Gesundheit der Studierenden ist ein Bereich, den Koordinatorinnen und Koordinatoren für betriebliches Gesundheitsmanagement an Hochschulen nicht automatisch mit bearbeiten. Studierende sind zum einen die Statusgruppe, die Betriebe oder Forschungseinrichtungen zu Hochschulen machen, zum anderen sind Studierende wunderbare Multiplikatorinnen und Multiplikatoren für alle gesellschaftlichen Bereiche, in die sie ihr Verständnis von Gesundheit einer Organisation Hochschule mitnehmen, sobald sie die Ausbildung abgeschlossen haben. Gesundheitsförderung für und mit Studierenden wird neben der Gesundheitsförderung für und mit den Beschäftigten in Zukunft immer mehr zum Standortfaktor werden und im Wettbewerb der Hochschulen um Studienanfänger eine wichtige Rolle spielen.

Ackermann und Schumann beginnen mit einem Überblick über die psychosoziale Situation von Studierenden in Deutschland. Göring und Möllenbeck führen aus, wie Bewegung und Sport zur Stressreduzierung im Studienalltag beitragen können. Auf welche motorischen Fähigkeiten und Fertigkeiten Studierende dabei zurückgreifen können, stellt Baumgarten dar. Gusy führt in das Analyseinstrument der Gesundheitsberichterstattung bei Studierenden ein und stellt den derzeitigen Kenntnisstand in Deutschland dar. Der Gesundheitssurvey Nordrhein-Westfalen ist eine der umfassendsten aktuellen Quellen, wie es Studierenden gesundheitlich an Hochschulen geht. Meier et al. beschreiben darauf aufbauend die selbstberichteten Beschwerden von Studierenden. Klement et al. stellen Medizinstudierende in den Fokus, Gusy et al. diejenigen, die einen Bachelorabschluss machen. Dabei ist Burnout im Studium das Thema und ein immer häufiger anzutreffendes Problem. Lohmann et al. geht es um den Medikamentenkonsum bei Studierenden. Thielmann et al. untersuchen einen Stessbewältigungskurs für Studierende auf Sinn und Zweck zur Unterstützung des Studienerfolgs.

Die dargestellten Themen sind eine Auswahl, die beschreibt, woran gesundheitsfördernde Hochschulen zur Zeit arbeiten und forschen sowie welche Aspekte Konjunktur haben. Soziale Netzwerkarbeit in Hochschulen, Partizipation, Ernährung und Gesundheit, Öffnung der Hochschulen in die Kommune bzw. Region sind Themen, die viele Hochschulen beschäftigen, die wir aber aus Platzgründen nicht berücksichtigen konnten. Viele komplexe Ansätze, die zu den hier in den Beiträgen vorgestellten im Setting Hochschule zu bearbeiten wären, fehlen ebenso. Dieses sind z. B. „Gender Mainstreaming“ sowie „Cultural Mainstreaming“ und Gesundheitsförderung oder das Thema Nachhaltigkeit und Gesundheit. Uns würde freuen, wenn es demnächst ein Folgeheft mit einem weiteren Themenausschnitt geben könnte, der die Vielfalt des Settingansatzes der gesundheitsfördernden Hochschulen weiter illustrieren kann.

Thomas Hartmann

Ute Sonntag