Einführung

Diabetisches Fußsyndrom (DFS) und Amputationen beeinträchtigen die Lebensqualität der Betroffenen, erhöhen die Mortalität und verursachen besonders hohe Kosten. In diesem Zusammenhang stellt die Versorgung von diabetischen Fußkomplikationen eine Herausforderung für ein nationales Gesundheitssystem dar. Dabei spielt die aktive Beteiligung der Menschen mit Diabetes eine zentrale Rolle.

Die Studienlage für die Häufigkeit und Versorgungssituation des DFS in Deutschland ist rar. Im Gegensatz dazu gibt es bereits bevölkerungsbezogene Studien, in welchen die Amputationen der unteren Extremität innerhalb der diabetischen und auch im Vergleich zur nichtdiabetischen Population analysiert wurden. In vorliegendem Beitrag wird ein Überblick über aktuelle Problemfelder und mögliche Ansätze aus nationalen und internationalen Studien zu verschiedenen Aspekten der Fußversorgung bei Menschen mit Diabetes gegeben. Dabei soll wird auch die Versorgung während der Coronapandemie angesprochen.

Diabetisches Fußsyndrom, Definition, Prävalenz und Kosten

Eine der häufigsten chronischen Komplikationen des Diabetes mellitus (DM) ist das diabetische Fußsyndrom (DFS), das einen Hauptprädiktor für die Amputation der unteren Extremitäten darstellt und mit erhöhter Mortalität und beeinträchtigter Lebensqualität verbunden ist [2, 20].

Das DFS wird international definiert als Infektion, Ulzeration bzw. Destruktion des Gewebes, das auf neurologisch bedingten Ausfällen und/oder einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) verschieden ausgeprägter Grade basiert (Working Group on the Diabetic Foot [IWGDF]; [43]). Zu den bekannten Hauptrisikofaktoren gehören schlechte Einstellung des Diabetes sowie Begleiterkrankungen desselben wie Neuropathie und periphere arterielle Verschlusskrankheit. Außerdem könnten auch andere Faktoren wie Alter, eingeschränkte Beweglichkeit der Füße oder/und ungeeignetes Schuhwerk sowie psychosoziale Faktoren wie z. B. fehlende soziale Unterstützung, Verharmlosung der Krankheit, schlechtes Selbstmanagement und/oder Depression eine Rolle spielen [18, 27].

Laut Analyse und Einschätzung der Prävalenz mikrovaskulärer Folgeerkrankungen bei Diabetes in Deutschland liegen die Prävalenzen des DFS je nach Datenquelle zwischen 2,7 % (WIdO-Daten [WIdO: Wissenschaftliches Institut der AOK (Allgemeine Ortskrankenkasse)], 2010), 4,7–6,1 % (DaTraV-Daten [DaTraV: Datentransparenzverordnung], 2012/2013) und 10,9 % (DAK-Daten [DAK: Deutsche Angestelltenkrankenkasse], 2015; [35]). Untersuchungen der DMP-Daten Nordrhein (DMP: Disease-Management-Programm) aus dem Jahr 2021 ergaben Prävalenzen des DFS bei Menschen mit Typ-2-Diabetes von 9,8 %, mit Typ-1-Diabetes von 12,8 % [32].

Der diabetische Fuß geht mit Komorbiditäten, hohem Versorgungsaufwand und erheblichen Kosten einher

Gemäß einer systematischen Übersichtsarbeit beträgt die Prävalenz des diabetischen Fußulkus international 6,3 % [47]. Es wird geschätzt, dass die Wahrscheinlichkeit eines Menschen mit Diabetes, ein DFS zu entwickeln, zwischen 19 und 34 % für die gesamte Lebensdauer liegt [26]. Außerdem wurde beobachtet, dass das Auftreten eines DFS selbst nach 10 Jahren einen unabhängigen Prädiktor für eine erhöhte Mortalität darstellt [34]. Das Sterberisiko von Menschen mit einem DFS nach 5 Jahren ist 3‑mal höher als bei Menschen ohne Fußsyndrom [44].

Auch die Kosten für das Gesundheitssystem sind erheblich. Die Ausgaben für das DFS in Deutschland werden auf 2,5 Mrd. € pro Jahr beziffert [10, 23].

Versorgung und Lebensqualität bei diabetischem Fußsyndrom

Versorgung

Rund 90 % der PatientInnen mit diabetischen Fußproblemen werden in hausärztlichen Praxen betreut [14]. Deren Vorstellung in einem ambulanten, spezialisierten Zentrum sollte erwogen werden. Laut DMP-Qualitätsbericht werden allerdings weniger als die Hälfte der Menschen mit diabetischem Ulkus adäquat versorgt [32]. Dabei stellt das Qualitätsziel Adäquate Versorgung von Patienten mit Fußulzera eines der wenigen im DMP Diabetes mellitus Typ 2 dar, welches nicht erreicht wurde [31]. Hierfür sind vielfältige Gründe vorstellbar: Defizite bei der Umsetzung der Versorgungsempfehlungen, z. B. bei der Kooperation und Kommunikation zwischen verschiedenen Leistungserbringenden, unberücksichtigte Wünsche und Bedürfnisse bzw. eine z. T. geringe Selbstmanagementkompetenz der PatientInnen und ihrer Angehörigen sowie weitere Barrieren der verschiedenen beteiligten Akteure (PatientInnen und involvierten Leistungserbringende: Personal der hausärztlichen Praxis, DiabetologInnen, PodologInnen, ChirurgInnen).

Insgesamt spielen die Mitarbeit bzw. aktive Beteiligung der PatientInnen eine zentrale Rolle in der Versorgung bei DFS. Menschen mit Diabetes weisen aufgrund einer bestehenden Neuropathie häufig ein verringertes Schmerzempfinden auf, was sie im richtigen Umgang in Bezug auf die Pflege ihrer Füße beeinträchtigt und zur Entstehung einer Fußwunde beitragen kann. Problematisch ist dabei, dass häufig ein geringes Bewusstsein für die Folgekomplikation des diabetischen Fußes bzw. die Wichtigkeit prophylaktischer Maßnahmen wie Fußhygiene und Pflege vorliegt [9]. Daher ist eine Verbesserung des Selbstmanagements der PatientInnen, welches primäre Kenntnisse über den Diabetes und seine Komplikationen, reguläre Selbstuntersuchung der Füße sowie die Benutzung eines adäquaten Schuhwerks umfasst, ein relevanter Aspekt des Versorgungsprozesses des DFS. Auch Schulung und Aufklärung der PatientInnen zu alltagsorientierten Maßnahmen, wie dem Umgang mit wundbedingten Auswirkungen, können das Selbstmanagement so verbessern, dass sich positive Effekte für Wundschluss und Lebensqualität ergeben [6]. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass Betroffene ein verändertes, positiv verstärktes Selbstpflegeverhalten bezogen auf ihre Füße aufweisen, wenn sie intensiv beraten und betreut werden [19].

Die Versorgung von Menschen mit einem diabetischen Fußulkus bleibt verbesserungsbedürftig

In der systematischen Übersichtsarbeit „Foot self-care experiences among patients with diabetes“ [33] wurden die Lücken zwischen den klinischen Empfehlungen der American Diabetes Association (ADA) zur vorbeugenden Fußselbstpflege und der Wahrnehmung von PatientInnen mit Diabetes und DFS untersucht. Dabei konnten mehrere Hindernisse für eine optimale Selbstfußpflege identifiziert werden: geringes Wissen über die Fußselbstpflege, hohe lebensstilbedingte Belastung durch DFS, mangelnde Transparenz des Versorgungsablaufs, Wahrnehmungsbarrieren von PatientInnen, Diskrepanz zwischen den Eindrücken und Erwartungen von PatientInnen und Leistungserbringenden. In einem anderen systematischen Review zu Interventionsstudien [1] wurden der Nutzen verschiedener Interventionsprogramme zur DFS-Vorbeugung (Patientenaufklärung, Anleitung zur Fußselbstversorgung, podologische Maßnahmen) anhand randomisierter klinischer Studien (RCT) analysiert und deren Wirksamkeit und Validität bewertet. Von allen vorgeschlagenen Methoden zur Vorbeugung von DFS wurde in den RCT lediglich eine fußtemperaturgesteuerte Therapie als vorteilhaft eingestuft. Bezüglich der Effektivität von Patientenschulungen war die Evidenz gering. Die Wirksamkeit bezüglich Vermeidung von Fußulkus sowie Minor- und Majoramputationen konnte nicht nachgewiesen werden. Ähnliche Ergebnisse ergab ein systematischer Review von Dorresteijn et al. anhand von RCT, in welchen Schulungsprogramme zur Prävention von Fußulkus (mit Fokus auf Fußselbstpflege und Fußfürsorge) bei Menschen mit Diabetes untersucht worden waren [7]. Laut deren Ergebnisse konnten Beratung und Schulung als präventive Maßnahme zur Vermeidung von Fußulzera nicht ausreichend belegt werden.

Crawford et al. [5] entwickelten einen evidenzbasierten klinischen Pfad zur Risikobewertung und zum Management der Fußprobleme bei Menschen mit Diabetes, um kosteneffiziente Überwachungsintervalle abzuschätzen und Kosten-Effektivitäts-Analysen durchzuführen. Sie evaluierten die Auswirkungen einfacher und komplexer Interventionen und unterschiedlicher Überwachungsintervalle für die klinische DFS-Vorhersage (Prädiktion). Outcome war hierbei die Inzidenz von DFS. Die Ergebnisse geben Hinweise darauf, dass Interventionen zur Vorbeugung von DFS wirksam sind, jedoch ist nicht klar, welche spezifischen Risiko‑/Subgruppen von den Interventionen profitieren würden. Eine Änderung des Überwachungsintervalls von jährlich auf alle 2 Jahre für Personen mit geringem Risiko wäre akzeptabel [5].

Die Ergebnisse einer Studie zum Einsatz eines multidisziplinären Teams (MDT) bei der DFS-Versorgung deuten darauf hin, dass die Einbeziehung von PatientInnen in ein multidisziplinäres Versorgungsmodell mit häufiger Nachsorge und gezielter Patientenaufklärung dazu beitragen kann, das Risiko eines Fußulkusrezidivs zu verringern [13]. In einer weiteren Interventionsstudie wurde die Wirksamkeit eines MDT-Ansatzes für die Behandlung von Fußulzera untersucht [16], wobei das MDT aus einem Gefäßchirurgen, einem Internisten, einem Schuhtechniker, einer Wundassistentin, einem Krankenpfleger und einem Podologen bestand. Die Ergebnisse bezüglich des Erhalts der unteren und oberen Extremitäten sowie der Ulkusheilung waren signifikant besser in der MDT-Interventionsgruppe im Vergleich zur Nicht-MDT-Gruppe.

Um Defizite in der aktuellen Versorgung von DFS in Deutschland beschreiben und verbessern zu können, ist eine Erforschung von Versorgungsverläufen bei den verschiedenen Leistungserbringenden und patientenbezogenen Outcomes sowie Wünschen und Bedürfnissen der PatientInnen nötig.

Lebensqualität

Wie bei vielen chronischen Erkrankungen ist auch bei Diabetes die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Betroffenen eingeschränkt [21, 41]. Diese Einschränkung wird verschärft, wenn es zusätzlich zu Fußproblemen bzw. einem DFS kommt. Insbesondere die Beeinträchtigung und die Belastungen durch die Pflege der Füße, Wundversorgung, eingeschränkte Mobilität und Schmerzen können die Lebensqualität der Betroffenen erheblich reduzieren. Bereits bei der Erstvorstellung in der Fußambulanz berichten DFS-PatientInnen eine stark beeinträchtigte Lebensqualität [39]. Weiterhin besteht bei Menschen mit einer nicht heilenden Fußwunde und niedriger Lebensqualität, mangelnder sozialer Unterstützung oder Depression ein deutlich erhöhtes Amputationsrisiko [36]. In der Mehrzahl der Studien wurde berichtet, dass das DFS verschiedene Dimensionen der Lebensqualität beeinträchtigen kann [8, 15, 22, 39, 46] und Menschen mit Diabetes mit DFS sowohl bezüglich physischer als auch mentaler Komponenten („short-form instrument“ [SF-36]) eine signifikant niedrigere Lebensqualität aufweisen als Menschen ohne Fußprobleme [37].

Das diabetische Fußsyndrom beeinträchtigt verschiedene Dimensionen der Lebensqualität

Im Rahmen der Eurodiale wurde in 10 europäischen Ländern bei Menschen mit einer neu aufgetretenen Fußläsion untersucht, ob die Lebensqualität eine prognostische Bedeutung im Hinblick auf Wundheilung, Amputation und Tod haben kann [40]. Dabei wurde bestätigt, dass sie einen unabhängigen Effekt auf Majoramputationen und Tod hat, nicht jedoch auf Wundheilung. Die gleiche Arbeitsgruppe untersuchte zudem Faktoren, die für die geringe gesundheitsbezogene Lebensqualität im Zusammenhang mit Fußwunden verantwortlich sind (Euro-Qol-5D-Fragebogen: Mobilität, Selbstmanagement, alltägliche Aktivitäten, Schmerz/Beschwerden, Angst/Depression, [39]). Die Menschen mit einer neu aufgetretenen Fußläsion berichteten über eine insgesamt schlechte Lebensqualität mit Problemen hauptsächlich in den Bereichen Mobilität und Schmerz/Beschwerden. Die Unfähigkeit, ohne Hilfe zu stehen oder zu gehen, war die wichtigste Determinante für eine verringerte Lebensqualität in allen 5 genannten Bereichen. Sowohl die klinische Diagnose einer Infektion als auch eine periphere arterielle Verschlusskrankheit sowie eine Polyneuropathie waren im Zusammenhang mit Schmerz/Beschwerden relevant.

Es wurde nachgewiesen, dass bei Menschen mit DFS gutes Diabetesselbstmanagement und optimale Blutzuckerkontrolle mit höheren Werten der Lebensqualität zusammenhängen [30]. Tzeravini et al. berichteten in ihrer Übersichtsarbeit über die Effekte verschiedener Interventionen zur Behandlung von DFS auf dessen Heilung und die Lebensqualität [42]. Die Autoren stellten fest, dass die verfügbaren Daten nicht ausreichen, um belastbare Schlussfolgerungen zu ziehen.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass mit einer niedrigen Lebensqualität assoziierte Faktoren vielfältig und z. T. nicht krankheitsspezifisch sind.

Amputationen der unteren Extremitäten

Im Gegensatz zu allen anderen mit Diabetes assoziierten Erkrankungen gibt es in Deutschland und international bereits relativ viele bevölkerungsbezogene Studien zu Amputationen der unteren Extremitäten. Systematische Reviews ergaben allerdings, dass diese wegen verschiedener Methoden schwer vergleichbar sind [29]. Unsere Arbeitsgruppe untersuchte basierend auf einer Analyse von Daten von rund 34 Mio. Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen (AOK, BARMER GEK, BKK [Betriebskrankenkasse]) im Zeitraum 2008–2012 die Amputationsrate bei Personen mit und ohne Diabetes [4]. Erfasst wurde die erste Amputation der unteren Extremität pro Person pro Jahr. Dabei wurden die Amputationen nach ihrer Ebene stratifiziert:

  1. a)

    jegliche Amputation, unabhängig von der Amputationsebene,

  2. b)

    Majoramputation (oberhalb des Knöchels) und

  3. c)

    Minoramputation (unterhalb des Knöchels).

Die Amputationsrate bezüglich einer jeglichen Amputation bei Menschen mit Diabetes ging im Beobachtungszeitraum mit 4 % pro Jahr deutlich zurück (Abb. 1). Dabei fiel die jährliche Neuerkrankungsrate bei Majoramputationen besonders stark mit 9 % pro Jahr, während sie bei Minoramputationen mit 3 % pro Jahr etwas moderater zurückging. Bei Personen mit einer Majoramputation war das relative Risiko etwas niedriger, während es bei Menschen mit einer Minoramputation deutlich höher war. Männer wiesen unabhängig vom Diabetesstatus eine doppelt so hohe Amputationsrate als Frauen auf, was auch in anderen Studien beobachtet wurde [17, 24].

Abb. 1
figure 1

Alters- und geschlechtsstandardisierte Inzidenzraten von jeglichen Amputationen bei Personen mit und ohne Diabetes. (Aus [4])

Die verminderte Amputationsrate ist möglicherweise auf eine bessere DFS-Versorgung zurückzuführen

Der Rückgang der Amputationsrate bei Menschen mit Diabetes könnte zumindest partiell an der Verbesserung der Versorgung liegen: Einführung von DMP, neue nationale Leitlinie zur Prophylaxe und Behandlung der Fußkomplikationen sowie Etablierung von Fußambulanzen [4]. Gleichzeitig tragen möglicherweise neue Technologien wie endovaskuläre und chirurgische Revaskularisationen zur Verminderung von Amputationen bei [4]. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass sich die Population von Menschen mit Diabetes verändert haben kann: Durch eine höhere Aufmerksamkeit für den Diabetes werden möglicherweise mehr Menschen mit dieser Erkrankung diagnostiziert, die vorher unentdeckt blieben. Hinweise darauf geben Daten des Robert Koch-Instituts sowie bundesweite vertragsärztliche Abrechnungsdaten [11, 12, 38]. Dies hat zur Folge, dass die Population mit Diabetes möglicherweise weniger morbider geworden ist.

Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (COVID: „coronavirus disease“)

In einer aktuell publizierten Studie wurde die Versorgung von Menschen mit Diabetes bezüglich Auswirkungen der Coronapandemie untersucht [28]. Ziel der Untersuchung war es u. a., die Hospitalisierungsrate wegen DFS und Amputationen in Deutschland im COVID-19-Pandemiejahr 2020 im Vergleich zu den Jahren 2017–2019 zu analysieren. Die Studienergebnisse zeigten eine signifikante Reduktion von Krankenhausaufenthalten bei DFS, gleichzeitig aber einen signifikanten Anstieg der Hospitalisierungen wegen Beinamputationen. Die Ursachen dafür sind nicht geklärt. Eine mögliche Erklärung ist, dass die Fußwunden nicht rechtzeitig behandelt wurden, vielleicht aufgrund reduzierter Arztbesuche wegen Angst vor einer Ansteckung. Denkbar ist auch, dass die Menschen sich während der Pandemie weniger bewegten und deswegen weniger Fußulzera entstanden. Um diese Hypothesen zu überprüfen, werden tragfähige Daten und zuverlässige Studienergebnisse benötigt.

Im Pandemiejahr 2020 kam es zu einer signifikanten Reduktion von Krankenhausaufenthalten bei DFS

Die Datenlage auf internationale Ebene ist rar. Eine italienische Studie zeigte vergleichbare Ergebnisse [3]. So wiesen jene Menschen mit Fußulzera, die im ersten COVID-19-Lockdown (zwischen März 2020 und Mai 2020) in ein spezialisiertes Behandlungszentrum überwiesen wurden, ein 3‑fach höheres Amputationsrisiko auf als Menschen im Vorjahr 2019. Menschen aus der Gruppe des Jahres 2020 hatten darüber hinaus eine höhere Albuminurie und häufiger Gangrän (bekannte Risikofaktoren für eine Amputation). Außerdem gab es in der Patientengruppe 2020 im Vergleich zu der Gruppe aus dem Jahr 2019 einen höheren Anteil an Notfällen und weniger PatientInnen für die Regelversorgung. Die Autoren vermuteten, dass aufgrund verspäteter Diagnose oder Therapie bzw. der Unterbrechung der Behandlung während des Lockdowns durch strukturelle Veränderungen der Fußversorgung das Amputationsrisiko erhöht wurde. Das diabetische Fußsyndrom bzw. Fußulzera haben oft einen progressiven klinischen Verlauf, der rasch zur kritischen Verschlechterung führen kann.

Um in der Zukunft bei vergleichbaren pandemischen Ereignissen ein angemessenes und zeitnahes DFS-Management zu gewährleisten und schwere Komplikationen sowie Amputationsrisiken zu minimieren, werden neue multidisziplinäre Versorgungskonzepte für erforderlich gehalten. In der Literatur existieren bereits einige wenige Vorschläge dazu. Anhand eines systematischen Reviews mit 6 darin enthaltenen Publikationen aus Indien, China, dem Vereinigten Königreich, den USA, Italien und der Türkei wurde ein neues Protokoll zur Behandlung von Menschen mit diabetischem Fuß vorgeschlagen [45]. Jedoch betonten die Autoren, dass das vorgeschlagene Therapieprotokoll für die globale Anwendbarkeit im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie einer weiteren klinischen Überprüfung bedarf.

Im Pandemiejahr 2020 nahm die Rate der Hospitalisierungen wegen Beinamputationen signifikant zu

Die International Diabetic Foot Care Group (IDFCG) und Diabetic-Foot International veröffentlichten einen Fast-Track-Pfad für die Versorgung von diabetischen Fußulzerationen während der COVID-19 Pandemie [25]. Dieser wurde als einfaches Werkzeug für die Kliniker in der Primärversorgung und die Behandlung von Fußulzera befürwortet. Dabei wird empfohlen, dass PatientInnen möglichst schnell aufgenommen und in 3 Ulkusschweregrade klassifiziert werden sollen:

  1. 1.

    unkompliziertes Fußulkus;

  2. 2.

    kompliziertes Fußulkus (definiert als potenziell ischämisch oder mit Osteomyelitis assoziiert);

  3. 3.

    schweres kompliziertes Fußulkus (definiert als Gangrän, Abszess).

Die Autoren schlugen die Kriterien des Fast-Track-Pfads als Schlüsselprinzipien vor, die aufgrund der erheblichen Unterschiede in der Gesundheitsversorgung und der Versorgungsstruktur der einzelnen Länder angepasst werden können und sollen.

Resümee

Fußkomplikationen bei Menschen mit Diabetes (das diabetische Fußsyndrom, Fußulkus, Minor- und Majoramputationen) sind eine relevante Problematik, da sie zu hoher individueller Belastung, hohem Versorgungsaufwand und erheblichen Kosten führen.

Aus PatientInnenperspektive ist die Entstehung des DFS im Leben mit Diabetes von gravierender Bedeutung, mit abwechselnd aktiven (Entstehung und Rezidiv vom Ulkus) und passiven (Remission) Phasen, einer eingeschränkten Lebensqualität, dem Risiko der Amputation sowie einer insgesamt erhöhten Mortalität. Bei einer multidisziplinären Fußversorgung spielen das Selbstmanagement der Patienten, primäre Kenntnisse über den Diabetes und seine Komplikationen sowie die aktive Mitbeteiligung des Betroffenen eine entscheidende Rolle.

Laut epidemiologischer Studien haben Menschen mit vs. ohne Diabetes immer noch ein deutlich höheres Risiko für Amputationen, jedoch wurde in der letzten Dekade ein Rückgang der Inzidenzraten festgestellt. Dabei ist diese positive Entwicklung möglichweise zumindest partiell mit einer Verbesserung der Diabetesversorgung zu erklären.

Aktuelle Ergebnisse aus Studien zur Auswirkung der COVID-19-Pandemie zeigten eine signifikante Reduktion von Krankenhausaufenthalten wegen DFS im Pandemiejahr 2020 im Vergleich zu den Jahren 2017–2019, währenddessen Hospitalisierungen wegen Beinamputationen signifikant zunahmen. Die Ursachen dafür sind nicht geklärt. Möglicherweise wurden Fußwunden nicht rechtzeitig behandelt. Die Überprüfung dieser Hypothese erfordert weitere Studien.

Für die Forschung sind wünschenswert:

  • Praxisbasierte Daten für DFS und Erweiterung der populationsbasierten Datenquellen für Amputationen

  • Erforschung der patientenrelevanten Outcomes (PRO) bei diabetischen Fußproblemen (Selbstmanagement, gesundheitsbezogene Lebensqualität, Patientenpräferenzen)

  • Entwicklung und Evaluation von Modellen zur Prävention und Versorgung von Menschen mit DFS

Fazit für die Praxis

  • Fußkomplikationen bei Menschen mit Diabetes gehen mit großer individueller Belastung, hohem Versorgungsaufwand und erheblichen Kosten einher.

  • Aus Perspektive der Betroffenen ist die Entstehung des diabetischen Fußsyndroms (DSF) von gravierender Bedeutung, mit abwechselnd aktiven und passiven Phasen, einer eingeschränkten Lebensqualität, dem Risiko der Amputation sowie einer insgesamt erhöhten Mortalität.

  • Das Selbstmanagement der Betroffenen, primäre Kenntnisse über Diabetes und seine Komplikationen sowie die aktive Mitbeteiligung der PatientInnen spielen bei einer multidisziplinären Fußversorgung eine entscheidende Rolle.

  • Menschen mit vs. ohne Diabetes haben ein deutlich höheres Risiko für Amputationen.

  • In der letzten Dekade gingen die Inzidenzraten von Amputationen deutlich zurück.

  • Im Pandemiejahr 2020 kam es im Vergleich zu den Jahren 2017–2019 zu einem signifikanten Rückgang von Hospitalisierungen wegen DFS bei gleichzeitiger Zunahme derjenigen wegen Beinamputationen.