Betrachtet man den hohen Anteil an Diabetespatienten in deutschen Krankenhäusern, kann man davon ausgehen, dass die Anzahl der stationär behandelten Menschen mit Diabetes unterschätzt wird. Unberücksichtigt bleibt bei diesen Statistiken, dass bei Menschen mit Diabetes im Vergleich zu solchen ohne diese Stoffwechselerkrankung für dieselbe Hauptdiagnose eine längere Krankenhausaufenthaltsdauer, mehr Komplikationen und eine höhere Mortalitätsrate zu verzeichnen sind. In den Krankenhausstatistiken werden in der Regel nur die Hauptdiagnosen, die zur Aufnahme führten, berücksichtigt. Der Diabetes selbst dagegen wird im DRG-System (DRG „diagnosis related groups“) nur als Begleiterkrankung (sog. Nebendiagnose) dokumentiert [1].

Eine Hyperglykämie bei Menschen mit und ohne Diabetes, die ins Krankenhaus eingeliefert werden, ist mit einem erheblichen Anstieg von Morbidität, Mortalität und Gesundheitskosten verbunden [2,3,4]. Insbesondere sind der Diabetes mellitus und eine durch (operativen) Stress bedingte Hyperglykämie häufig anzutreffen, verbunden damit sind ein Anstieg der Krankenhauskomplikationen, der Aufenthaltsdauer und der Sterblichkeit [2,3,4,5,6,7]. Auch treten während eines Krankenhausaufenthaltes Stoffwechseldekompensationen häufig als Folge einer elektiven operativen Maßnahme auf, aber auch durch Therapien während des stationären Aufenthaltes – mit Psychopharmaka, Onkologika oder Steroiden [3, 4].

Dementsprechend sind adäquate Diabetestherapien zwingend notwendig, um eine optimale Blutzuckereinstellung zu erreichen und damit Komplikationen zu vermeiden [1, 5]. Weiterhin muss betont werden, dass eine strukturierte interdisziplinäre Zusammenarbeit in einer Klinik oder einem Klinikverbund eine effektivere Diabetesbetreuung zur Folge hat und die Liegedauer reduziert [8].

Darüber hinaus zeigten Daten aus der COVID-19-Pandemie (COVID-19 „coronavirus disease 2019“), wie gefährdet Menschen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes im Vergleich zu Patienten ohne diese Stoffwechselerkrankung für die Entwicklung von Komplikationen im Krankenhaus sind [9, 10].

Während des stationären Aufenthaltes ist eine adäquate Diabetestherapie unverzichtbar

Wie bei der Hyperglykämie ist auch die stationäre Hypoglykämie mit schlechten Ergebnissen und erhöhten Gesundheitskosten verbunden. Diese Assoziation könnte die Schwere der Erkrankung und höhere Raten von Komorbiditäten bei Menschen widerspiegeln, die eine Hypoglykämie entwickeln [11].

Die Zahl der Patienten in deutschen Krankenhäusern mit einem Diabetes mellitus (Nebendiagnose) wurde in einer kürzlich veröffentlichten Arbeit dargestellt. Das Ergebnis dieser Untersuchung basiert auf einer Erhebung aus den Jahren 2015–2017 und wurde mit Hilfe des DRG-Systems bei vollstationär behandelten Patienten, die ein Lebensalter von 20 oder höher aufwiesen, erhoben: Etwa 18 % von ca. 16,5 Mio. stationären Fälle hatten eine Haupt- oder Nebendiagnose Diabetes mellitus (2017: Typ-2-Diabetes 17,1 %; Typ-1-Diabetes 0,5 %). Diese Erkrankung war bei den männlichen stationären Fällen häufiger als bei den weiblichen (2017: Typ-2-Diabetes 19,7 % vs. 14,8 %, Typ-1-Diabetes 0,5 % vs. 0,4 %). Im Vergleich zu den Fällen ohne Diabetes bestand 2017 der größte Unterschied in der Verweildauer bei Patienten mit einem Typ-1-Diabetes im Alter von 40–49 Jahren (7,3 vs. 4,5 Tage) und in der Krankenhaussterblichkeit bei Menschen mit Typ-2-Diabetes im Alter von 70–79 Jahren (3,7 % vs. 2,8 %; [12]).

Verschiedene internationale Fachgesellschaften empfehlen die Insulintherapie als Eckpfeiler des pharmakologischen Managements im Krankenhaus. Die i.v. Insulintherapie ist dabei in der Intensivbehandlung die Maßnahme der Wahl. Die „American Diabetes Association“ (ADA) erstellt bekanntermaßen regelmäßig eine aktualisierte Reihe von Empfehlungen, die mehrere Aspekte der stationären Diabetesversorgung [13] berücksichtigen – im vorliegenden Beitrag wurden unterschiedliche Teilaspekte daraus übernommen.

In Großbritannien erarbeiteten die „Joint British Diabetes Societies“ (JBDS) eine Reihe von Leitlinien zu verschiedenen Aspekten der stationären Versorgung für bestimmte Bevölkerungsgruppen, einschließlich der jüngsten Empfehlungen zu COVID-19 [14].

Die „Endocrine Society“ veröffentlichte in Zusammenarbeit mit anderen Gesellschaften 2012 Leitlinien für das Management von Diabetes und Hyperglykämie in Krankenhauseinheiten ohne entsprechende Intensivstationsbehandlung [7].

Da die Evidenz oft unzureichend ist, um zu bestimmen, wie die verschiedenen Aspekte der stationären Therapie am besten zu handhaben sind, wohnt diesen Leitlinien oft ein großes Element der Konsensmedizin inne.

Die Deutsche Diabetes Gesellschaft hat bisher keine entsprechende Übersicht zur Behandlung des Diabetes mellitus im Krankenhaus herausgegeben, sondern nur Maßnahmen für den stationären Bereich im Rahmen einer COVID-19-Erkrankung dargelegt.

Betrachtet man die Standards der ADA zur Diabetesversorgung im Krankenhaus, lassen sich die im Folgenden dargestellten Gesichtspunkte herleiten [13]:

Blutzuckerzielwerte bei stationärer Behandlung

Eine Insulintherapie sollte zur Behandlung einer persistierenden Hyperglykämie ab einem Schwellenwert von ≥180 mg/dl (10,0 mmol/l) eingeleitet werden. Sobald die Insulintherapie begonnen wurde, wird für die meisten kritisch sowie nicht kritisch kranken Patienten ein Blutzuckerzielbereich von 140–180 mg/dl (7,8–10,0 mmol/l) empfohlen.

Noch strengere Ziele, wie 110–140 mg/dl (6,1–7,8 mmol/l), können für ausgewählte Patienten angemessen sein, wenn sie ohne signifikante Hypoglykämie erreicht werden können.

Grundsätzlich wird von einer Hyperglykämie bei hospitalisierten Patienten gesprochen, wenn der Blutzuckerspiegel über 140 mg/dl (7,8 mmol/l) liegt [7, 15, 16], und es sollten dann entsprechende Maßnahmen umgesetzt werden, wie z. B. eine Umstellung der Ernährung oder eine Änderung der Medikamente, die eine Hyperglykämie verursachen. Ein HbA1c-Wert (HbA1c glykiertes Hämoglobin) bei einer Krankenhausaufnahme von ≥6,5 % (48 mmol/mol) deutet bekanntermaßen darauf hin, dass der Beginn des Diabetes vor dem Krankenhausaufenthalt lag.

Bezüglich der Einschätzung erhöhter Blutzuckerwerte sind v. a. 2 Arbeiten zu nennen: Van den Berghe et al. [17] wiesen nach, dass ein intensives i.v. Insulinregime zum Erreichen eines Blutzuckerzielbereichs von 80–110 mg/dl (4,4–6,1 mmol/l) die Sterblichkeit um 40 % reduzierte, verglichen mit einem Standardansatz, bei welchem ein Blutzuckerspiegel von 180–215 mg/dl (10–12 mmol/l) bei kritisch kranken Patienten mit kürzlich erfolgter Operation angestrebt wurde. Diese Studie lieferte handfeste Beweise dafür, dass eine aktive Behandlung zur Senkung des Blutzuckerspiegels bei hospitalisierten Patienten unmittelbare Vorteile mit sich bringt.

Moderate Blutzuckerzielwerte sind zu bevorzugen

Die Autoren einer großen, multizentrischen Folgestudie, der sog. NICE-SUGAR-Studie (NICE-SUGAR „normoglycemia in intensive care evaluation and survival using glucose algorithm regulation“), kamen jedoch zu einem anderen Schluss, sodass der optimale Zielbereich für die Blutzuckerspiegelsenkung bei kritischen Erkrankungen neu überdacht wurde [18]: In dieser Studie hatten kritisch kranke Patienten, die auf eine intensive Blutzuckerkontrolle (80–110 mg/dl) randomisiert wurden, keinen signifikanten Behandlungsvorteil gegenüber einer Gruppe mit moderateren Blutzuckerzielen (140–180 mg/dl, [7,8–10,0 mmol/l]) und wiesen sogar eine leicht, aber signifikant höhere Sterblichkeit auf (27,5 % vs. 25 %). Bei der intensiv behandelten Gruppe wurde eine 10- bis 15-fach höhere Hypoglykämierate beobachtet, was zu den festgestellten ungünstigen Ergebnissen beigetragen haben könnte. Die Ergebnisse von NICE-SUGAR werden durch die Resultate mehrerer Metaanalysen gestützt, von denen einige ebenfalls darauf hindeuten, dass eine strenge Kontrolle des Blutzuckerspiegels die Sterblichkeit im Vergleich zu moderateren Blutzuckerzielwerten erhöht und im Allgemeinen auch zu höheren Hypoglykämieraten führt [19,20,21].

Es lässt sich also festhalten, dass eine Insulintherapie zur Behandlung einer persistierenden Hyperglykämie von ≥180 mg/dl (10,0 mmol/l) eingeleitet und bei der Mehrzahl der kritisch kranken Patienten auf einen Glukosebereich von 140–180 mg/dl (7,8–10,0 mmol/l) ausgerichtet werden sollte.

Blutzuckerziele, wie 110–140 mg/dl (6,1–7,8 mmol/l), können für ausgewählte Patienten (z. B. kritisch kranke Menschen postoperativ oder Patienten mit Herzoperationen) angemessen sein, solange sie ohne signifikante Hypoglykämie erreicht werden [22, 23].

Andererseits können Glukosekonzentrationen zwischen 180 und 250 mg/dl (10 und 13,9 mmol/l) bei Patienten mit schweren Begleiterkrankungen und in stationären Einrichtungen akzeptabel sein, in denen eine häufige Überwachung des Blutzuckerspiegels oder eine engmaschige pflegerische Betreuung nicht möglich sind. Bei todkranken Patienten mit kurzer Lebenserwartung sollten Werte von 250 mg/dl (13,9 mmol/l) als ausreichend angesehen werden. Bei ihnen sind weniger aggressive Insulinschemata zur Minimierung von Glukosurie, Dehydratation und Elektrolytstörungen oft angemessener [24].

Insulintherapie im Krankenhaus

Meistens wird in klinischen Leitlinien empfohlen, orale Antidiabetika während des Krankenhausaufenthaltes abzusetzen. Dennoch wird bei einigen Patienten mit Typ-2-Diabetes die Behandlung mit oralen Antidiabetika fortgesetzt, sodass es sinnvoll erscheint, die unterschiedlichen Aspekte differenzierter zu betrachten. Dabei ergeben sich die im Folgenden dargestellten Gesichtspunkte, die in der Regel für eine Insulintherapie sprechen. Eine Fortsetzung der Behandlung mit oralen Antidiabetika muss insgesamt immer kritisch hinterfragt werden, da eine Niereninsuffizienz oder Verschlechterung der Leberfunktion akut auftreten können.

Ergebnisse aus randomisierten Studien zeigten bei auf einer Normalstation im Krankenhaus behandelten Patienten mit Typ-2-Diabetes durchweg eine bessere Blutzuckereinstellung unter einer intensivierten Insulintherapie (ICT intensivierte konventionelle Insulintherapie) als unter einer Behandlung nur mit einem Insulinschema mittels fest vorgegebener Dosen bezüglich bestimmter Blutzuckerintervalle [25, 26].

Um Hypoglykämien zu vermeiden, wird oft bei Patienten mit Diabetes, die nüchtern sind oder bei denen operative oder diagnostische Eingriffe erforderlich sind, ein sog. Basal-Plus-Ansatz empfohlen, d. h. die Gabe eines Basalinsulins und ggf. Korrekturen mit einem schnell wirkenden Insulin.

Auf Intensivstationen ist die i.v. Insulingabe die Therapie der Wahl

Auf einer Intensivstation ist die kontinuierliche Insulininfusionstherapie die bevorzugte Behandlung für Intensivpatienten mit Hyperglykämie, einschließlich solcher ohne Diabetesdiagnose sowie für die meisten Patienten mit hyperglykämischen Krisen [5, 14, 27, 28]. Zusätzlich können auch Menschen mit schwerer, durch Steroide induzierter Hyperglykämie oder solche, die sich einer Transplantation unterziehen, von einer kontinuierlichen Insulininfusion profitieren.

Blutzuckermonitoring

Am Krankenbett

Bei stationär behandelten Patienten mit Diabetes, die essen können und dürfen, sollte die Blutzuckerspiegelkontrolle am Krankenbett vor den Mahlzeiten durchgeführt werden. Bei Menschen, die keine Nahrung zu sich nehmen können bzw. dürfen, wird die Kontrolle des Blutglukosespiegels alle 4–6 h empfohlen [15].

Erfolgt eine i.v. Insulintherapie, sollten die Blutzuckerwerte regelmäßig alle 30 min bis alle 2 h bestimmt werden. Natürlich müssen dabei zwingend Sicherheitsstandards eingehalten werden, die die gemeinsame Nutzung von Lanzetten sowie anderen Testmaterialien und Nadeln verbieten [28].

Die überwiegende Mehrheit der Blutzuckermessungen in Krankenhäusern wird mit Standardglukosemessgeräten und Kapillarblut durchgeführt, das mit „fingersticks“ entnommen wird, ähnlich wie bei der ambulanten Blutzuckermessung zu Hause [29].

Dabei sind bekanntermaßen die sog. POC-Messgeräte (POC „point of care“) nicht so genau wie die Messgeräte im Labor, außerdem können die Blutzuckermessungen aus Kapillarblut aufgrund von Perfusion, Ödemen, Anämie, Erythrozytose und bedingt durch verschiedene, im Krankenhaus verwendete Medikamente Artefakte aufweisen [30]. Von entscheidender Bedeutung ist jedoch, dass die für den Einsatz im Krankenhaus ausgewählten Geräte und die Arbeitsabläufe, in denen sie verwendet werden, einer sorgfältigen Leistungs- und Zuverlässigkeitsanalyse sowie einer laufenden Qualitätsbewertung unterzogen werden.

Kontinuierliche Glukosemessung

Die kontinuierliche Glukosemessung (CGM) ermöglicht häufige Messungen des interstitiellen Glukosespiegels sowie der Richtung und des Ausmaßes der Glukosetrends. Obwohl die CGM theoretische Vorteile gegenüber der POC-Glukosemessung bei der Erkennung und Verringerung der Häufigkeit von Hypoglykämien hat, wurde sie bisher von der FDA („U.S. Food and Drug Administration“) nicht für die stationäre Anwendung zugelassen. Einige Krankenhäuser mit etablierten Glukosemanagementteams erlauben den Einsatz von CGM bei ausgewählten Patienten auf individueller Basis, sofern sowohl die Patienten als auch das Glukosemanagementteam in der Anwendung dieser Technologie gut geschult sind. Die CGM stellt bei hochinfektiösen Patienten, die z. B. eine COVID-19-Erkrankung haben und beatmet sind, eine mögliche Alternative da, dennoch ist dieses Verfahren bisher auf Intensivstationen nicht zugelassen.

Hypoglykämien im Krankenhaus

Schriftlich niedergelegtes Verfahren zum Vorgehen bei Hypoglykämie

Jedes Krankenhaus oder Krankenhaussystem sollte über ein Verfahren verfügen und dieses schriftlich niedergelegt haben, in dem der sofortige Umgang mit Unterzuckerungen beschrieben ist und nach dem weitere Maßnahmen zur Analyse umzusetzen sind. Stattgefundene Hypoglykämien während eines Krankenhausaufenthaltes sollten in der Krankenakte dokumentiert und nachverfolgt werden [16]. Zudem sollte das Behandlungsschema der hiervon Betroffenen regelmäßig überprüft und ggf. geändert werden, um weitere Hypoglykämien zu verhindern, wenn ein Blutzuckerwert von <70 mg/dl (3,9 mmol/l) aufgetreten ist.

Es sollten individuelle Pläne zur Prävention und Behandlung von Hypoglykämien erstellt werden

Darüber hinaus sollten individuelle Pläne zur Prävention und Behandlung von Hypoglykämien für jeden Patienten entwickelt werden. In einer Konsenserklärung der ADA und der AACE („American Association of Clinical Endocrinologists“) wird empfohlen, das Behandlungsschema eines Patienten zu überprüfen, sobald ein Blutzuckerspiegel von <70 mg/dl (3,9 mmol/l) auftritt, da solche Werte häufig eine nachfolgende schwere Hypoglykämie vorhersagen [15].

Auslösende Ereignisse und Vorbeugung von Hypoglykämie

Insulin ist eines der häufigsten Medikamente, die bei Krankenhauspatienten unerwünschte Ereignisse verursachen, bedingt meistens durch Fehler bei der Insulindosierung und/oder -verabreichung. Abgesehen von Insulindosierungsfehlern sind häufige vermeidbare Ursachen bedingt durch:

  • eine unsachgemäße Verschreibung anderer glukosespiegelsenkender Medikamente,

  • die unsachgemäße Behandlung der ersten Hypoglykämieepisode und

  • ein Missverhältnis zwischen Ernährung und Insulin, das häufig auf eine unerwartete Unterbrechung der Nahrungsaufnahme zurückzuführen ist [31,32,33].

Weiterhin ist eine akute Niereninsuffizienz als ein wichtiger Risikofaktor für eine Hypoglykämie im Krankenhaus zu beachten, möglicherweise als Folge einer verminderten Insulinausscheidung [34].

Neben Fehlern bei der Insulinbehandlung kann eine iatrogene Hypoglykämie ausgelöst werden durch

  • eine plötzliche Verringerung der Kortikosteroiddosis,

  • eine verringerte orale Nahrungsaufnahme,

  • Erbrechen,

  • einen ungeeigneten Zeitpunkt für die Verabreichung von kurz wirksamen Insulinen im Verhältnis zu den Mahlzeiten,

  • eine verringerte Infusionsrate von i.v. Traubenzuckerlösung,

  • eine unerwartete Unterbrechung der enteralen oder parenteralen Ernährung,

  • verspätete oder versäumte Blutzuckerspiegelkontrollen und

  • eine veränderte Fähigkeit des Patienten, Symptome zu melden [35].

Selbstmanagement im Krankenhaus

Das Selbstmanagement eines Diabetes im Krankenhaus kann für bestimmte Patienten geeignet sein [36, 37] und sollte grundsätzlich auch stets ermöglicht werden. In Frage kommen sowohl jugendliche als auch erwachsene Patienten, die ihre Diabetestherapie und Blutzuckerspiegeleinstellung zu Hause erfolgreich durchführen und deren kognitive und körperliche Fähigkeiten, die für die erfolgreiche Selbstverabreichung von Insulin und die Selbstkontrolle des Blutglukosespiegels erforderlich sind, während des Krankenhausaufenthaltes durch neu aufgetretene Erkrankungen nicht beeinträchtigt sind.

Darüber hinaus sollten sie Kohlenhydrate gut einschätzen können, mehrmals täglich Insulin spritzen oder eine kontinuierliche subkutane Insulininfusion (CSII) durchführen, einen stabilen Insulinbedarf haben und den Umgang mit Erkrankungssituationen verstehen. Wenn ein Selbstmanagement durch den Patienten durchgeführt werden kann, sollte aber ein Protokoll die entsprechenden Anforderungen und Zustimmungen durch den Patienten und das diesen betreuende Krankenhauspersonal auch aus rechtlichen Gründen enthalten.

Soll eine Insulinpumpentherapie mit oder ohne kontinuierliche Glukosemessung verwendet werden, sollten diese Maßnahmen in den entsprechenden Krankenhausrichtlinien und -verfahren beschrieben sein, in denen die Richtlinien für die Insulinpumpentherapie, einschließlich des Wechsels der Infusionsstellen, festgelegt sind [38, 39].

Stationäre Behandlung mit Kortisonpräparaten

Die Prävalenz einer stationären Therapie mit Kortison beträgt bis zu 10 %. Diese Medikamente können bei Patienten mit und ohne Vorerkrankung eine Hyperglykämie auslösen [40]. Glukokortikoidtyp und Wirkungsdauer müssen daher bei der Festlegung von Insulinbehandlungsschemata unbedingt berücksichtigt werden. Täglich eingenommene, kurz wirkende Glukokortikoide wie Prednisolon erreichen ihren Plasmaspitzenwert innerhalb von 4–6 h [41], haben aber pharmakologische Effekte, die den ganzen Tag über anhalten.

Bei Patienten, die morgens Steroide einnehmen, kommt es im Laufe des Tages zu einer überproportionalen Hyperglykämie, doch erreichen sie unabhängig von der Behandlung über Nacht häufig normale Blutzuckerwerte [40].

Perioperative Versorgung

Vielen Standards für die perioperative Versorgung liegt keine solide Evidenz zugrunde. In den Standards der amerikanischen Diabetesgesellschaft für stationäre Patienten ist der folgende Ansatz [13, 42,43,44] beschrieben:

  1. 1.

    Der Zielbereich für den Blutzuckerspiegel in der perioperativen Phase sollte 80–180 mg/dl (4,4–10,0 mmol/l) betragen.

  2. 2.

    Bei Patienten mit Diabetes mit einem hohen Risiko für eine ischämische Herzerkrankung sowie bei Menschen mit autonomer Neuropathie oder Niereninsuffizienz sollte eine präoperative Risikobewertung durchgeführt werden.

  3. 3.

    Metformin sollte am Tag der Operation abgesetzt werden – besser aber schon 2 Tage prä- und zusätzlich 2 Tage postoperativ.

  4. 4.

    Eine SGLT-2-Inhibitor-Therapie (SGLT‑2 „sodium glucose linked transporter 2“) muss 3–4 Tage vor der Operation abgesetzt werden.

  5. 5.

    Alle anderen oralen Antidiabetika sollten am Morgen des Tages der Operation oder des Eingriffs abgesetzt werden, und es sollten die Hälfte der NPH-Dosis (NPH neutrales Protamin Hagedorn) oder eine 75- bis 80 %ige Dosis eines lang wirksamen Analoginsulins oder Pumpenbasalinsulins verabreicht werden.

  6. 6.

    Die Überwachung des Blutzuckerspiegels muss mindestens alle 2–4 h erfolgen, während der Patient keine Nahrung zu sich nehmen darf, und je nach Bedarf sollte ein kurz wirksames Insulin verwendet werden.

  7. 7.

    Es gibt keine Daten über die Verwendung und/oder den Einfluss von GLP-1-Rezeptor-Agonisten (GLP‑1 „glucagon-like peptide 1“) oder ultralang wirkenden Insulinanaloga auf den Blutzuckerspiegel in der perioperativen Versorgung.

Die Autoren einer Metaanalyse der Cochrane-Initiative kamen zu dem Schluss, dass ein strengerer perioperativer Blutzuckerzielbereich als 80–180 mg/dl (4,4–10,0 mmol/l) die Ergebnisse nicht verbessert und mit mehr Hypoglykämien verbunden ist [43]; daher wird im Allgemeinen von strengeren Blutzuckerzielwerten abgeraten.

Bedeutung präoperativer Blutzuckerwerte

Hinterfragt man die Bedeutung eines präoperativen Blutzuckerwerts, kann man auch eine kürzlich erschiene Arbeit zur Diskussion hinzuziehen [45], in welcher nachgewiesen wurde, dass ein höherer präoperativer Blutzuckerwert signifikant mit einer verlängerten Verweildauer im Krankenhaus assoziiert ist. Eine positive Dosis-Wirkungs-Kurve zwischen präoperativen Blutzuckerwerten und dem bereinigten Risiko einer Verweildauer von über 3 Tagen wurde beschrieben.

Betrachtet man die Studienlage, finden sich immer mehr Hinweise auf den prognostischen Wert des Managements einer präoperativen Hyperglykämie bei Patienten mit diagnostiziertem Diabetes oder bei älteren Erwachsenen, die sich einer elektiven Operation unterziehen [46]. Dennoch gibt es keinen Konsens über ein routinemäßiges Screening des präoperativen Blutzuckerspiegels, da die Evidenz für die Wirksamkeit eines bestimmten Blutzuckerzielbereichs spärlich ist [46,47,48,49,50]. Basierend auf diesen Ergebnissen werden in den neuesten Richtlinien der „European Society of Anaesthesiology“ (ESA) keine routinemäßigen Bewertungen von präoperativen Blutzuckerwerten bei Personen, die sich einer elektiven nichtkardialen Operation unterziehen, empfohlen [51].

Orale Antidiabetika im stationären Setting

Trotz unzureichender Evidenz aus klinischen Studien werden Metformin und andere orale Antidiabetika im Krankenhaus bei Menschen mit Typ-2-Diabetes häufig eingesetzt [52, 53]. Bei Patienten, bei denen ein Risiko für eine Laktatazidose besteht, wie z. B. bei anaerobem Stoffwechsel (d. h. Sepsis, Hypoxie), eingeschränkter Clearance von Metformin (erhebliche Niereninsuffizienz) oder Milchsäure (Leberversagen), sollte Metformin vermieden werden [54].

Von der Verwendung von Sulfonylharnstoffen wird wegen der Gefahr von Hypoglykämien durch die Fachgesellschaften abgeraten. Eine Ausnahme bilden die britischen Empfehlungen, in denen nahegelegt wird, dass Sulfonylharnstoffe bei der Behandlung einer glukokortikoidinduzierten Hyperglykämie nützlich sein könnten [41].

Für Patienten mit Typ-2-Diabetes und Herzinsuffizienz oder diabetischer Nierenerkrankung sind SGLT-2-Inhibitoren derzeit die glukosespiegelsenkenden Medikamente der Wahl. Studien, in denen ihr Einsatz während des stationären Aufenthaltes genauer untersucht wurde, stehen noch aus, grundsätzlich jedoch muss festgehalten werden, dass die Anwendung von SGLT-2-Inhibitoren mit einer Reduktion des kombinierten Endpunkts, einer Verschlechterung der Herzinsuffizienz, einer erneuten Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz oder des Todes nach 60 Tagen verbunden ist.

Von der Verwendung von Sulfonylharnstoffen wird wegen der Gefahr von Hypoglykämien abgeraten

Ergebnisse aus mehreren randomisierten kontrollierten Studien und Beobachtungsstudien im Krankenhausumfeld ergaben, dass DPP-4-Inhibitoren (DPP Dipeptidylpeptidase) gut verträglich und wirksam für die Blutzuckerspiegelkontrolle sind, mit einem geringen Risiko für Hypoglykämien bei Patienten mit leichter bis mäßiger Hyperglykämie [55, 56].

Zwar wurden GLP-1-Rezeptor-Agonisten im stationären Bereich getestet [57, 58], jedoch sollte beachtet werden, dass sie mit einer erhöhten Häufigkeit gastrointestinaler Nebenwirkungen einhergehen, was bei der Fortführung der Therapie unter stationären Bedingungen unbedingt beachtet werden muss.

Schlussfolgerung

Eine persistierende Hyperglykämie im Krankenhaus ist häufig und oft mit unzureichenden Ergebnissen des Krankenhausaufenthaltes verbunden. Die kontinuierliche Insulininfusion bleibt die Therapie der Wahl während hyperglykämischer Krisen und kritischen Erkrankungen.

Bei nicht kritisch Kranken ist Insulin das Mittel der Wahl bei Patienten mit ausgeprägter Hyperglykämie, bei schon ambulant bekannten hohen Insulindosen, bei Typ-1-Diabetes oder bei Menschen mit steroidinduzierter Hyperglykämie.

Bei Patienten mit leichter bis mäßiger Hyperglykämie könnte die Verwendung eines Basal-Plus-Ansatzes mit oder ohne nichtinsulinäre Wirkstoffe die Behandlung (weniger Insulin, weniger Injektionen und weniger Hypoglykämien bei Patienten mit niedrigeren Blutzuckerkonzentrationen) im Vergleich zu komplexen Insulinregimen, die häufig mit iatrogenen Hypoglykämien einhergehen, vereinfachen.

Der Einsatz von Diabetestechnologien im Krankenhaus entwickelt sich zunehmend weiter, ist aber für eine breite Umsetzung noch nicht geeignet. Die Erfahrungen mit der Nutzung derartiger Technologien im Krankenhausumfeld während der COVID-19-Pandemie werden von unschätzbarem Wert sein. Forschung und politische Veränderungen, die die Integration von Diabetestechnologien in elektronische Krankenakten erleichtern, sind dringend erforderlich. Die Gesundheitssysteme sollten die stationäre Versorgung von Diabetespatienten und Blutzuckerspiegeleinstellungen weiter anpassen und ggf. umgestalten, um eine kosteneffiziente und patientenzentrierte Qualitätsversorgung zu gewährleisten.

Fazit für die Praxis

  • Die Insulintherapie stellt den Eckpfeiler des pharmakologischen Managements im Krankenhaus dar und sollte zur Behandlung einer persistierenden Hyperglykämie ab einem Schwellenwert von ≥180 mg/dl (10,0 mmol/l) eingeleitet werden.

  • Für die meisten kritisch kranken und nicht kritisch kranken Patienten wird ein Blutzuckerzielbereich von 140–180 mg/dl (7,8–10,0 mmol/l) empfohlen.

  • Die i.v. Insulintherapie ist in der Intensivbehandlung die Maßnahme der Wahl.

  • Die Blutzuckerspiegelkontrolle stationär aufgenommener Diabetespatienten, die essen können, sollte am Krankenbett vor den Mahlzeiten durchgeführt werden.

  • Bei Patienten, die nicht essen können bzw. dürfen, sollte eine Blutzuckerkontrolle alle 4–6 h, bei einer i.v. Insulintherapie alle 30 bis zu 120 min durchgeführt werden.

  • Jedes Krankenhaus sollte über ein Verfahren verfügen, in dem der sofortige Umgang mit Unterzuckerungen beschrieben ist.

  • Das Selbstmanagement eines Diabetes im Krankenhaus sollte grundsätzlich immer ermöglicht werden.