Im Jahr 2008 wurden nach der fallpauschalenbezogenen Krankenhausstatistik [„Diagnosis-related-groups“(DRG)-Statistik] ca. 17,2 Mio. Menschen stationär behandelt. Etwa 1,3% aller stationär behandelten Patienten (ca. 216.000) wurden mit der Primärdiagnose „Diabetes mellitus“ entlassen. Wesentlich größer ist der Anteil von stationären Patienten mit der Nebendiagnose Diabetes mellitus. Nach der DRG-Statistik hatten 2,1 Mio. Menschen die Nebendiagnose Diabetes mellitus (ca. 12%). Die tatsächliche Prävalenz liegt jedoch bei ca. 30%. Dies wirkt sich nicht nur ungünstig auf die Erlössituation der einzelnen Klinik aus, sondern in vielen Fällen auch auf die Versorgung der betroffenen Patienten mit Diabetes mellitus.

Diabetespatienten, die notfallmäßig oder geplant aus nichtprimär diabetologischer Indikation behandelt werden, haben Sicherheitsrisiken.

Diese sind bisher jedoch kaum artikuliert oder systematisch dokumentiert worden.

Die momentane politische Entwicklung ist durch ein Verschwinden der klinischen Ausbildungsstätten gekennzeichnet. Damit sind fehlende oder insuffiziente Algorithmen für die Behandlung von Diabetespatienten in deutschen Krankenhäusern verbunden, obgleich die Zahl der Diabetiker an Krankenhäuser schon aufgrund des demografischen Wandels ständig steigt. Für den ambitionierten medizinischen Nachwuchs ist die Diabetologie daher schon lange kein Fach mehr, das attraktive Perspektiven im akademischen oder stationären Bereich bietet.

Nach Ausschöpfung der ambulanten Möglichkeiten oder bei akuten Problemen sollte die Versorgung von Patienten mit Diabetes mellitus als Hauptdiagnose vornehmlich in zertifizierten Einrichtungen der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) als zuständiger Fachgesellschaft erfolgen, denn diese weisen die notwendige Struktur- und Prozessqualität auf. Gleiches gilt für die Behandlung des diabetischen Fußsyndroms in entsprechend hierfür qualifizierten und zertifizierten Einrichtungen.

Die Behandlung eines Diabetes mellitus als Nebendiagnose sollte eigentlich in allen Krankenhäusern erfolgen. Für die Diabetesbehandlung im Krankenhaus müssen die besonderen Gegebenheiten berücksichtigt werden, die den unterschiedlichen Anforderungen, einschließlich Stresssituationen der Patienten, zeitweiligem Nahrungsentzug, enteraler oder parenteraler Ernährung, Medikamenteninteraktionen z. B. mit Kortison, und vielen anderen Besonderheiten Rechnung tragen. Aufgrund der weiten Verbreitung betrifft dieses sämtliche nichtoperativen und operativen Fächer.

Die hierfür notwendige Struktur- und Prozessqualität wurde von der Fachgesellschaft bislang nicht definiert. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Stringente Prozesse zur Erkennung, Erfassung, Betreuung und Abrechnung von Patienten mit Diabetes mellitus sind nur in wenigen Klinken etabliert, und die medizinischen Belange der Patienten werden nicht erfüllt.

Angesichts des hohen Anteils Betroffener unter den stationären Patienten könnte deren erneute Wahl eines Krankenhauses auch davon abhängen, wie auf das spezielle Problem des Diabetes mellitus in der jeweiligen Klinik eingegangen wurde.

Die Publikationen in diesem Heft sollen die Sensibilität für das Thema Diabetes im stationären Bereich schärfen und auf spezifische Fragestellungen im Zusammenhang mit der Versorgung von Patienten mit Diabetes mellitus in deutschen Krankenhäusern hinweisen. In einigen Schwerpunktbeiträgen kann allerdings keinesfalls die komplette stationäre Diabetologie abgebildet werden.

E. Siegel