Zusammenfassung
Hintergrund
In Europa sind derzeit nur die Thalamusstimulation, die Vagusnervstimulation und die fokale Kortexstimulation als Neurostimulationsverfahren für die Behandlung von Patienten mit pharmakoresistenter Epilepsie zugelassen. Diese sind jedoch invasiv, begrenzt verfügbar und in ihrer Wirksamkeit limitiert. Erste Daten zur Anwendung der transkraniellen Gleichstromstimulation (tDCS) bei Epilepsie sind vielversprechend und geben Hoffnung auf eine nicht-invasive Stimulationsalternative.
Fragestellung
Wie sieht die aktuelle Evidenzlage zur tDCS bei Epilepsie aus und was wären potenzielle Anwendungsszenarien?
Material und Methoden
Auf Basis einer PubMed-basierten Literaturrecherche werden Daten zur Sicherheit und Effektivität der tDCS bei Epilepsie zusammengetragen.
Ergebnisse
Die kathodale tDCS ist nur mit milden und passageren Nebenwirkungen wie sensiblen Missempfindungen, Müdigkeit oder Konzentrationsschwierigkeiten verbunden. Hinweise für eine Anfallstriggerung unter kathodaler tDCS gibt es nicht. Eine einmalige Stimulation für 20 min kann bereits zu einer Anfallsfrequenzreduktion von > 40 % in den ersten vier Wochen führen, mit Effektverstärkung durch serielle Stimulation und Verwendung eines Interstimulationsintervalls von 9–20 min. Die tDCS würde nicht nur das Behandlungsspektrum erweitern, sie könnte auch zu einer Reduktion der Medikations- bzw. Nebenwirkungslast beitragen und ggf. das Ansprechen auf implantierbare Systeme vorhersagen.
Schlussfolgerung
Die Literaturdaten belegen die sichere und effektive Anwendung der kathodalen tDCS bei Patienten mit pharmakoresistenter Epilepsie. Weitere Studien sind notwendig, um die Stimulationsparameter zu optimieren, die Effektivität weiter zu steigern und die Sicherheit und Effektivität in Langzeitanwendungen zu überprüfen.
Abstract
Background
In Europe, anterior thalamic stimulation, vagus nerve stimulation, and focal cortex stimulation are the only approved neurostimulation therapies for drug-resistant epilepsy. However, they are invasive and have limited availability and effectiveness. First reports on the use of transcranial direct current stimulation (tDCS) in epilepsy are promising and give hope for an alternative, non-invasive neurostimulation modality.
Objectives
What is the current level of evidence for the use of tDCS in epilepsy and what could be potential application scenarios?
Materials and methods
Safety and effectiveness data on the use of tDCS in epilepsy were summarized based on a PubMed literature search.
Results
Cathodal tDCS is associated with only mild and transient side effects like paresthesia, tiredness, or difficulties in concentrating. There is no evidence for seizure induction under cathodal tDCS. A single stimulation over 20 min can already induce a seizure frequency reduction of more than 40% in the four subsequent weeks, with effect enhancement under repeated and spaced stimulation using an interstimulation interval of 9–20 min. tDCS would not only extent the spectrum of treatments for epilepsy, it could also allow for reduction of the drug and side-effect load and potentially predict the treatment outcome for implantable devices.
Conclusions
The literature data confirm the safe and effective use of cathodal tDCS in patients with drug-resistant epilepsy. Further studies are required to optimize stimulation parameters, to improve effectiveness, and to verify safety and effectiveness aspects in long-term application.
Avoid common mistakes on your manuscript.
Hintergrund
Eine epilepsiechirurgische Operation stellt die Therapie der ersten Wahl für Patienten mit pharmakoresistenter Epilepsie dar. Ist eine Resektion des epileptogenen Areals nicht möglich oder nicht erfolgreich, stehen als zugelassene Behandlungsoptionen in Deutschland derzeit nur die Vagusnervstimulation, die anteriore Thalamusstimulation, sowie seit Kurzem die fokale Kortexstimulation zur Verfügung. Diese sind invasiv, haben eine begrenzte Wirksamkeit und sind mit einem gewissen Nebenwirkungsrisiko verbunden. Erste Daten stimmen hoffnungsvoll, dass die transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS, „transcranial direct current stimulation“) eine nicht-invasive, individualisierbare und nebenwirkungsarme Behandlungsalternative darstellen könnte.
Wirkprinzip der kathodalen Gleichstromstimulation
Die tDCS stellt eine seit Langem etablierte Methode zur Modifikation dysfunktionaler Hirnaktivität dar. Sie beruht auf der transkraniellen Applikation eines kontinuierlichen niedrigamplitudigen Stroms (1–2 mA), was zu einer Veränderung des Membranpotentials der kortikal gelegenen Neurone führt [26]. Der Strom wird hierfür i. d. R. über zwei gummierte Plattenelektroden abgegeben, die in 0,9 % NaCl-getränkten Schwämmchen auf der Kopfhaut platziert und mittels Gummibänder in ihrer Position fixiert werden. Der applizierte Strom ist so niedrigamplitudig, dass er zwar die Schädelkalotte durchdringen und die kortikalen Neurone erreichen kann, dort aber nur eine Membranpotentialverschiebung und kein Aktionspotential generieren kann.
Die Art der Wirkung der tDCS ist dabei in erster Linie von der Stimulationsrichtung abhängig: Eine anodale Stimulation (a-tDCS) führt auf Netzwerkebene zu einer fokalen Nettosteigerung, die kathodale Stimulation (c-tDCS) zu einer Nettoreduktion der kortikalen Erregbarkeit [34]. Die messbaren Netzwerkeffekte reflektieren dabei die Summe der Stimulationseffekte auf zellulärer Ebene, wobei die tDCS v. a. in Abhängigkeit vom Abstand und der Orientierung der somatodendritischen Achsen im Verhältnis zur Stimulationselektrode eine neuronale Depolarisation oder Hyperpolarisation bewirkt [6, 18]. Der Beitrag der Endothelzellen, Lymphozyten und Gliazellen bleibt aktuell noch unklar [42].
In Abhängigkeit von der Stimulationsstärke, Applikationsdauer und Stimulationsschema können die tDCS-induzierten Nacheffekte teils verstärkt und in ihrer Dauer verlängert werden, sodass sie das Stimulationsintervall überdauern [17, 32, 38]. Man nimmt an, dass diese mittel- bis längerfristigen Effekte auf einer Plastizität der Verbindungsstärke glutamaterger Synapsen beruht [7, 28, 34, 35], was im Englischen als „long-term potentiation“ (LTP) und „long-term depression“ (LTD) bezeichnet wird. Als effektivitätssteigernd wurde in einer systematischen Untersuchung an gesunden Probanden eine Wiederholung der tDCS während der Nacheffekte der vorausgehenden Stimulation beschrieben [32, 33]. Konkret hat sich eine 9‑minütige Stimulation mit Wiederholung nach einem Pausenintervall von 20 min als sehr wirkungsvoll erwiesen [32, 33]. Eine ungünstige Wahl des Interstimulationsintervalls von z. B. mehreren Stunden kann die tDCS-induzierten Effekte jedoch auch negativ beeinflussen oder sogar aufheben [32, 33].
Anwendungsprinzip und Sicherheitsaspekte der tDCS bei Epilepsie
Unifokalen Epilepsieerkrankungen liegt eine regional begrenzte kortikale Übererregbarkeit zugrunde. Wie bei kaum einer anderen Erkrankung erscheint somit die Anwendung einer kathodalen Stimulation über dem epileptogenen Fokus naheliegend, da hierdurch eine regionale Hyperpolarisation bzw. Reduktion der kortikalen Erregbarkeit erzielt werden kann [34]. Überraschenderweise gibt es bislang aber nur wenige Studien zur Anwendung der tDCS bei Epilepsie. Dies könnte u. a. darauf beruhen, dass historisch lange Angst vor eine Anfallstriggerung im Rahmen zerebraler Stromapplikation bestand.
Sicherheitsdaten ergeben sich v. a. aus der jahrelangen Anwendung der tDCS bei z. B. Tinnitus, Schlaganfall bzw. Aphasie, Depression, Migräne und chronischen Schmerzsyndromen (z. B. [8, 9, 12, 21,22,23, 47]) sowie Gesunden (u. a. [37, 38, 40]). Dabei hat sich die tDCS über die Jahre als äußerst sicher und gut verträglich erwiesen. Bislang traten in den über 33.200 tDCS-Applikationen bei Anwendung konventioneller tDCS-Protokolle (≤ 4 mA, ≤ 7,2 Coulombs, ≤ 40 min) keinerlei schwerwiegende Komplikationen auf, wobei über 1000 Probanden eine repetitive tDCS-Anwendung und einzelne Probanden über 1000 Anwendungen erhielten [5]. An Nebenwirkungen wurden milde Effekte wie passagere Hautrötungen (2 %), Kopfschmerzen (12 %), Müdigkeit (35 %), leicht unangenehmes Kribbeln (70 %) oder Jucken (30–40 %) v. a. zu Beginn der Stimulation beobachtet [5, 31, 40], wobei nur wenige Publikationen systematische und quantitative Nebenwirkungsberichte umfassen [10]. Hierbei ist erwähnenswert, dass vergleichbare Nebenwirkungen in ähnlicher Intensität und Häufigkeit auch bei Placebostimulation beschrieben wurden [10]. Nur sehr selten, insbesondere bei täglicher Stimulation mit hoher Stromdichte, langer Dauer und Verwendung trockener Elektroden, kann es in Einzelfällen auch zu Hautläsionen ähnlich kleinen Verbrennungen kommen [31]. Das Risiko hierfür kann durch Einhaltung der Leitlinienempfehlung zur tDCS maßgeblich reduziert werden [27]. Die tDCS-Anwendung nach Standardprotokoll wurde neben der Anwendung bei erwachsenen Gesunden und erkrankten Patienten auch bei Kindern und älteren Patienten als sicher bewertet [5, 25]. Dies wurde ferner durch Untersuchung von Biomarkern wie der neuronenspezifischen Enolase (NSE; [37, 38]), dem MRT [36] und EEG [49] untermauert, die keinerlei negative Auswirkung der tDCS zeigten. Eine europäische Leitlinie mit detaillierten Angaben zur Evidenzlage und Sicherheit der Anwendung der tDCS bei verschiedenen neurologischen und psychiatrischen Krankheitsbildern wurde 2017 von führenden Experten formuliert [27].
Nur wenige Studien existieren aktuell zur tDCS bei Epilepsie, wobei auch diese ihre sichere und wirkungsvolle Anwendung belegen. Das Nebenwirkungsspektrum entspricht dem der tDCS-Anwendung bei anderen Grunderkrankungen [24, 45]. Eine systematische Untersuchung mittels „comfort rating questionnaire“ (CRQ), einem etabliertem Fragebogen zur Erfassung der tDCS-assoziierten Nebenwirkungen [39], beschrieb bei kathodaler Gleichstromstimulation (2 × 9 min) mit 2‑mA-Stimulationsamplitude in 40–85 % der Patienten milde, sensible Sensationen wie Kribbeln, Brennen oder leichten Schmerzen im Bereich der Stimulationselektroden [24]. Nur einzelne Patienten berichteten ein Müdigkeitsgefühl (n = 6/15, 40 %), Nervosität (n = 3/15, 20 %) oder Konzentrationsschwierigkeiten (n = 3/15, 20 %). Die Nebenwirkungen waren allesamt von geringer Intensität und passager mit Symptomregredienz zum oder kurz nach Stimulationsende [24]. Nur ein Fallbericht beschreibt einen möglichen Zusammenhang zwischen tDCS und einem Anfallsrezidiv [13]. Hierbei ist jedoch einschränkend zu erwähnen, dass hierbei anodal stimuliert und vorab die antikonvulsive Medikation reduziert wurde. Ferner trat der Anfall 4 h nach der Stimulationsbehandlung auf, sodass kein klarer Kausalitätszusammenhang hergestellt werden kann [13]. Unter kathodaler tDCS sind insgesamt acht Patienten beschrieben, bei denen es unter aktiver oder Sham-tDCS-Behandlung zu einem epileptischen Anfall kam [44, 46, 52]. Hierbei handelte es sich um habituelle Anfälle, die a. e. zufällig während der Stimulation auftraten bei bekannter pharmakoresistenter Epilepsie und keinen negativen Prädiktor für das klinische Ansprechen darstellten.
Wirksamkeit der tDCS bei Epilepsie
Die steigende Anzahl an PubMed-gelisteten Publikationen zu den Schlagworten „epilepsy“ und „tDCS“ spiegelt das zunehmende klinisch-wissenschaftliche Interesse an dieser nicht-invasiven Stimulationsmethode wider (Abb. 1).
Derzeit finden sich neben Fallserien und Einzelfallberichten im Wesentlichen 12 randomisierte, Sham-kontrollierte Studien zur tDCS bei pharmakoresistenter Epilepsie, zwei hiervor bei pädiatrischen Patienten. Ihre Eckpunkte, insbesondere Studiendesign, Stimulation und Effektstärke, sind in Tab. 1 zusammengefasst.
Die verfügbaren Daten belegen klar, dass die kathodale Gleichstromstimulation bei Patienten mit pharmakoresistenter Epilepsie im Gegensatz zur Sham-Stimulation zu einer effektiven Reduktion der epileptischen Aktivität führen kann. Dabei kann bereits eine einmalige tDCS von 20 min eine signifikante Anfallsfrequenzreduktion von > 40 % in den 4 Wochen nach Intervention bewirken [2, 3, 15]. Eine serielle Stimulation mehrere Tage in Folge führt zu einer Effektverstärkung, mit signifikanten Anfallsfrequenzreduktionsraten von bis zu 79 % nach einem Monat [4, 20, 29, 30, 44, 50, 52]. Die Dauer des Effekts scheint sich durch die Verwendung eines Interstimulationsintervalls verlängern zu lassen [52, 53]. So waren in einer vergleichenden Studie einen Monat nach 14-tägiger tDCS-Behandlung bei Verwendung einer täglich 1 × 20 oder 2 × 20 minütigen Stimulation (mit 20-minütigem Pausenintervall) identische Anfallsfrequenzreduktionsraten von 50 % nachweisbar, wohingegen nach 2 Monaten in der ersten Gruppe nur noch eine Reduktion um 25 % (p = 0,086) vs. 45 % in Gruppe 2 (p = 0,382) zu beobachten war [52]. Entgegen der Erwartung scheint die kathodale tDCS-Behandlung nicht nur bei kortikalen, klar unifokalen Epilepsien, sondern auch bei tiefer gelegenen oder diffuseren epileptogenen Foci wie z. B. bei mesialer Temporallappenepilepsie [44, 50], Lennox-Gastaut-Syndrom [4] und Rasmussen-Enzephalitis [43, 51] wirksam zu sein. Die teils negativen Ergebnisse bzgl. einer Anfallsfrequenzreduktion nach c‑tDCS erklären sich a. e. durch kleine Interventionsgruppen [16], niedrige Baseline-Anfallsfrequenzen [30], Einschluss von Patienten mit mehr als einem Anfallsfokus [30] oder möglicherweis suboptimale Positionierung der Stimulationselektrode fern des epileptogenen Fokus [30]. Zudem wurden unterschiedliche statistische Methoden angewendet, d. h. Intra- sowie Intergruppenvergleichen (aktiv vs. sham), wobei letztere qualitativ hochwertiger ist aber die Wahrscheinlichkeit für statistisch signifikante Ergebnisse reduziert.
Bezüglich der Wirkung auf die Frequenz epilepsietypischer Potenziale (ETP) bestehen widersprüchliche Angaben. In der überwiegenden Zahl an Studien wurde eine signifikante ETP-Frequenzreduktion in den Wochen nach kathodaler tDCS beobachtet [3, 4, 15, 30, 41]. Eine ausbleibende ETP-Reduktion, wie sie in wenigen Studien berichtet wurde [1, 29], ist am ehesten auf eine niedrige Ausgangs-ETP-Frequenz sowie frühe EEG-Untersuchungszeitpunkte im Anschluss an die tDCS zurückzuführen [24]. Inkonsistente Studienergebnisse erklären sich auch durch die unterschiedlichen Fallzahlen und Kollektive, wodurch sich die Vergleichbarkeit deutlich limitiert.
Auch ein Vergleich verschiedener Stimulationsschemata ist aktuell kaum möglich, da in den bislang verfügbaren Studien zur tDCS bei Epilepsie sehr unterschiedliche Stimulationsprotokolle und Elektrodenpositionen, insbesondere für die Anode, verwendet wurden. Entsprechend sind derzeit auch noch keine Empfehlungen zur Patientenselektion, Wahl der Stimulationsparameter und Wiederholungsfrequenz der tDCS-Behandlung ableitbar. Ferner fehlen v. a. Langzeitbeobachtungen für die Bewertung der Langzeiteffekte und Sicherheit der tDCS-Therapie.
Effekte der tDCS auf Komorbiditäten
Bei anderen Erkrankungsbildern wie der Depression hat sich bereits eine anodale Stimulation über dem dorsolateralen präfrontalen Kortex durchgesetzt und als solche von führenden tDCS-Experten eine Evidenzgrad-B-Bewertung erhalten [9, 11, 14, 27]. Angesichts der häufigen Komorbidität von Epilepsie und Depression haben erste Studien versucht, beide Therapieansätze zu kombinieren. Die kathodale Stimulation über dem epileptogenen Fokus mit Platzierung der Anode über der kontralateralen dorsolateralen Präfrontalregion führte in den ersten beiden Untersuchungen zu einer Besserung der depressiven Symptomatik [19, 29]. Die kognitive Funktion wurde hierbei nicht oder nur passager beeinträchtigt [19, 29]. Longitudinale Untersuchung mit mehr als 4‑wöchiger tDCS-Behandlung und systematischer Evaluation der psychiatrischen und neuropsychologischen Funktion fehlen jedoch bislang.
Ausblick und Anwendungsszenarien
Weitere systematische Studien sind notwendig, um die optimalen Stimulationsparameter zu definieren, Prädiktoren für ein gutes Ansprechen zu identifizieren und die Sicherheit und Effektivität der tDCS-Therapie im Langzeitverlauf zu überprüfen. Darüber hinaus sind neben den Effekten auf die epileptische Aktivität weitere Untersuchungen zu Veränderungen der Lebensqualität, Stimmung und Kognition erforderlich.
Weiterentwicklungen der tDCS wie die Mehrkanal-tDCS ermöglichen zusammen mit digitalen Applikationen bereits eine präzisere und individualisierte Stimulation, was vermutlich zu einer Steigerung der Wirksamkeit der tDCS-Behandlung beitragen wird. Zudem werden immer mehr Home-use-tDCS-Systeme kommerziell verfügbar, was perspektivisch auch eine tDCS-Dauerbehandlung bei Epilepsie ermöglichen könnte. Leider steht derzeit noch kein tDCS-Gerät mit CE-Kennzeichnung für die Zweckbestimmung Epilepsie zur Verfügung. Aktuell wird jedoch eine multizentrische, doppelblinde Interventionsstudie mit dem Ziel der FDA-Zulassung der tDCS für die Behandlung erwachsener Patienten mit pharmakoresistenter Epilepsie durchgeführt (Clinical-trials-Identifikationsnummer: NCT04770337), wonach möglicherweise auch eine CE-Zulassung erwartet werden kann. Die tDCS würde das Behandlungsspektrum für Patienten mit pharmakoresistenter Epilepsie um eine nicht-invasive, nebenwirkungsarme und vollständig reversible Neurostimulationsmethode erweitern. Die tDCS wäre dabei nicht nur für Patienten mit kortikalen, nicht resezierbaren epileptogenen Herden interessant, sondern auch als Überbrückung bis zu einer operativen Versorgung. Durch die tDCS-Anwendung könnten evtl. auch anfallssupprimierende Medikamente eingespart und somit die Nebenwirkungslast reduziert werden. Ferner könnte durch die Anwendung der tDCS ggf. das Ansprechen auf implantierbare Stimulationssysteme wie die responsive Neurostimulation (RNS) oder die epikranielle Stimulation getestet bzw. potenziell vorhergesagt werden. Die epikranielle Stimulation (s. [48]) integriert das Behandlungsprinzip der kathodalen tDCS, sodass zukünftig ggf. vor Implantation eines solchen Systems mittels kathodaler tDCS der optimale Stimulationsort und das jeweilige klinische Ansprechen getestet werden könnten.
Fazit für die Praxis
-
Die kathodale Gleichstromstimulation hat sich bei Patienten mit pharmakoresistenter Epilepsie als sicher, nebenwirkungsarm und effektiv erwiesen.
-
Weitere Studien sind notwendig, um die Therapieparameter zu optimieren und das therapeutische Potenzial der transkraniellen Gleichstromstimulation (tDCS) auszuschöpfen.
-
Derzeit besteht jedoch noch keine CE-Kennzeichnung mit Zweckbestimmung Epilepsie, was ihren Einsatz weiterhin auf wissenschaftliche Untersuchungen und individuelle Heilversuche beschränkt.
Literatur
Assenza G, Campana C, Assenza F et al (2017) Cathodal transcranial direct current stimulation reduces seizure frequency in adults with drug-resistant temporal lobe epilepsy: a sham controlled study. Brain Stimul 10:333–335. https://doi.org/10.1016/j.brs.2016.12.005
Assenza G, Campana C, Formica D et al (2014) Efficacy of cathodal transcranial direct current stimulation in drug-resistant epilepsy: a proof of principle. Conf Proc . Annu Int Conf IEEE Eng Med Biol Soc IEEE Eng Med Biol Soc Annu Conf 2014, S 530–533 https://doi.org/10.1109/EMBC.2014.6943645
Auvichayapat N, Rotenberg A, Gersner R et al (2013) Transcranial direct current stimulation for treatment of refractory childhood focal epilepsy. Brain Stimul 6:696–700. https://doi.org/10.1016/j.brs.2013.01.009
Auvichayapat N, Sinsupan K, Tunkamnerdthai O, Auvichayapat P (2016) Transcranial direct current stimulation for treatment of childhood pharmacoresistant Lennox–Gastaut syndrome: a pilot study. Front Neurol 7:1–8. https://doi.org/10.3389/fneur.2016.00066
Bikson M, Grossman P, Thomas C et al (2016) Safety of transcranial direct current stimulation: evidence based update 2016. Brain Stimul 9:641–661. https://doi.org/10.1016/j.brs.2016.06.004
Bikson M, Inoue M, Akiyama H et al (2004) Effects of uniform extracellular DC electric fields on excitability in rat hippocampal slices in vitro. J Physiol 557:175–190. https://doi.org/10.1113/jphysiol.2003.055772
Bindman LJ, Lippold OC, Redfearn JW (1964) The action of brief polarizing currents on the cerebral cortex of the rat (1) during current flow and (2) in the production of long-lasting after-effects. J Physiol 172:369–382. https://doi.org/10.1234/12345678
Boggio PS, Nunes A, Rigonatti SP et al (2007) Repeated sessions of noninvasive brain DC stimulation is associated with motor function improvement in stroke patients. Restor Neurol Neurosci 25:123–129
Boggio PS, Rigonatti SP, Ribeiro RB et al (2008) A randomized, double-blind clinical trial on the efficacy of cortical direct current stimulation for the treatment of major depression. Int J Neuropsychopharmacol 11:249–254. https://doi.org/10.1017/S1461145707007833
Brunoni AR, Amadera J, Berbel B et al (2011) A systematic review on reporting and assessment of adverse effects associated with transcranial direct current stimulation. Int J Neuropsychopharmacol 14:1133–1145. https://doi.org/10.1017/S1461145710001690
Brunoni AR, Ferrucci R, Bortolomasi M et al (2011) Transcranial direct current stimulation (tDCS) in unipolar vs. bipolar depressive disorder. Prog Neuropsychopharmacol Biol Psychiatry 35:96–101. https://doi.org/10.1016/j.pnpbp.2010.09.010
Chadaide Z, Arlt S, Antal A et al (2007) Transcranial direct current stimulation reveals inhibitory deficiency in migraine. Cephalalgia 27:833–839. https://doi.org/10.1111/j.1468-2982.2007.01337.x
Ekici B (2015) Transcranial direct current stimulation-induced seizure: analysis of a case. Clin EEG Neurosci 46:169. https://doi.org/10.1177/1550059414540647
Fregni F, Boggio PS, Nitsche MA et al (2006) Treatment of major depression with transcranial direct current stimulation. Bipolar Disord 8:203–204. https://doi.org/10.1111/j.1399-5618.2006.00291.x
Fregni F, Thome-souza S, Nitsche M et al (2006) A controlled clinical trial of cathodal DC polarization in patients with refracory epilepsy. Epilepsia 47:335–342
Fregni F, Thome-Souza S, Nitsche MA et al (2006) A controlled clinical trial of cathodal DC polarization in patients with refractory epilepsy. Epilepsia 47:335–342. https://doi.org/10.1111/j.1528-1167.2006.00426.x
George MS, Aston-Jones G (2010) Noninvasive techniques for probing neurocircuitry and treating illness: vagus nerve stimulation (VNS), transcranial magnetic stimulation (TMS) and transcranial direct current stimulation (tDCS). Neuropsychopharmacology 35:301–316. https://doi.org/10.1038/npp.2009.87
Gluckman BJ, Neel EJ, Netoff TI et al (1996) Electric field suppression of epileptiform activity in hippocampal slices. J Neurophysiol 76:4202–4205. https://doi.org/10.1152/JN.1996.76.6.4202
Gomes JS, Dias ÁM, Scorza FA et al (2017) Transcranial direct current stimulation for refractory major depressive disorder temporal lobe epilepsy: a quantitative electroencephalography study. Epilepsy Behav 72:205–207. https://doi.org/10.1016/j.yebeh.2017.04.012
Hao J, Luo W, Xie Y et al (2021) Functional network alterations as markers for predicting the treatment outcome of cathodal transcranial direct current stimulation in focal epilepsy. Front Hum Neurosci 15:637071. https://doi.org/10.3389/fnhum.2021.637071
Henin S, Fein D, Smouha E, Parra LC (2016) The effects of compensatory auditory stimulation and high-definition transcranial direct current stimulation (HD-tDCS) on Tinnitus perception—a randomized pilot study. PLoS ONE 11:e166208. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0166208
Hummel F, Cohen LG (2005) Improvement of motor function with noninvasive cortical stimulation in a patient with chronic stroke. Neurorehabil Neural Repair 19:14–19. https://doi.org/10.1177/1545968304272698
Hyvärinen P, Mäkitie A, Aarnisalo AA (2016) Self-administered domiciliary tDCS treatment for Tinnitus : a double-blind sham-controlled study, S 1–15 https://doi.org/10.6084/m9.figshare.3113074
Kaufmann E, Hordt M, Lauseker M et al (2021) Acute effects of spaced cathodal transcranial direct current stimulation in drug resistant focal epilepsies. Clin Neurophysiol 132:1444–1451. https://doi.org/10.1016/j.clinph.2021.03.048
Krishnan C, Santos L, Peterson MD, Ehinger M (2015) Safety of noninvasive brain stimulation in children and adolescents. Brain Stimul 8:76–87. https://doi.org/10.1016/J.BRS.2014.10.012
Lefaucheur JP (2012) Neurophysiology of cortical stimulation. Int Rev Neurobiol 107:57–85. https://doi.org/10.1016/B978-0-12-404706-8.00005-X
Lefaucheur JP, Antal A, Ayache SS et al (2017) Evidence-based guidelines on the therapeutic use of transcranial direct current stimulation (tDCS). Clin Neurophysiol 128:56–92. https://doi.org/10.1016/j.clinph.2016.10.087
Liebetanz D, Nitsche MA, Tergau F, Paulus W (2002) Pharmacological approach to the mechanisms of transcranial DC-stimulation-induced after-effects of human motor cortex excitability. Brain 125:2238–2247. https://doi.org/10.1093/brain/awf238
Liu A, Bryant A, Jefferson A et al (2016) Exploring the efficacy of a 5-day course of transcranial direct current stimulation (TDCS) on depression and memory function in patients with well-controlled temporal lobe epilepsy. Epilepsy Behav 55:11–20. https://doi.org/10.1016/j.yebeh.2015.10.032
Luo WY, Liu H, Feng Y et al (2021) Efficacy of cathodal transcranial direct current stimulation on electroencephalographic functional networks in patients with focal epilepsy: preliminary findings. Epilepsy Res. https://doi.org/10.1016/J.EPLEPSYRES.2021.106791
Matsumoto H, Ugawa Y (2017) Adverse events of tDCS and tACS: a review. Clin Neurophysiol Pract 2:19–25. https://doi.org/10.1016/j.cnp.2016.12.003
Monte-Silva K, Kuo M‑F, Liebetanz D et al (2010) Shaping the optimal repetition interval for cathodal transcranial direct current stimulation (tDCS). J Neurophysiol 103:1735–1740. https://doi.org/10.1152/jn.00924.2009
Monte-Silva K, Kuo MF, Hessenthaler S et al (2013) Induction of late LTP-like plasticity in the human motor cortex by repeated non-invasive brain stimulation. Brain Stimul 6:424–432. https://doi.org/10.1016/j.brs.2012.04.011
Nitsche M, Paulus W (2000) Excitability changes induced in the human motor cortex by weak transcranial direct current stimulation. J Physiol 527(Pt 3):633–639
Nitsche MA, Fricke K, Henschke U et al (2003) Pharmacological modulation of cortical excitability shifts induced by transcranial direct current stimulation in humans. J Physiol 553:293–301. https://doi.org/10.1113/jphysiol.2003.049916
Nitsche MA, Niehaus L, Hoffmann KT et al (2004) MRI study of human brain exposed to weak direct current stimulation of the frontal cortex. Clin Neurophysiol 115:2419–2423. https://doi.org/10.1016/j.clinph.2004.05.001
Nitsche MA, Nitsche MS, Klein CC et al (2003) Level of action of cathodal DC polarisation induced inhibition of the human motor cortex. Clin Neurophysiol 114:600–604
Nitsche MA, Paulus W (2001) Sustained excitability elevations induced by transcranial DC motor cortex stimulation in humans. Neurology 57:1899–1901. https://doi.org/10.1212/WNL.57.10.1899
Palm U, Feichtner KB, Hasan A et al (2014) The role of contact media at the skin-electrode interface during transcranial direct current stimulation (tDCS). Brain Stimul 7:762–764. https://doi.org/10.1016/j.brs.2014.06.006
Poreisz C, Boros K, Antal A, Paulus W (2007) Safety aspects of transcranial direct current stimulation concerning healthy subjects and patients. Brain Res Bull 72:208–214. https://doi.org/10.1016/j.brainresbull.2007.01.004
Rezakhani S, Amiri M, Weckhuysen S, Keliris GA (2022) Therapeutic efficacy of seizure onset zone-targeting high-definition cathodal tDCS in patients with drug-resistant focal epilepsy. Clin Neurophysiol 136:219–227. https://doi.org/10.1016/j.clinph.2022.01.130
Ruohonen J, Karhu J (2012) tDCS possibly stimulates glial cells. Clin Neurophysiol 123:2006–2009. https://doi.org/10.1016/J.CLINPH.2012.02.082
San-Juan D, de Calcáneo JDDC, González-Aragón MF et al (2011) Transcranial direct current stimulation in adolescent and adult Rasmussen’s encephalitis. Epilepsy Behav 20:126–131. https://doi.org/10.1016/j.yebeh.2010.10.031
San-Juan D, Espinoza Lopez DA, Vazquez GR et al (2017) Transcranial direct current stimulation in mesial temporal lobe epilepsy and hippocampal sclerosis. Brain Stimul 10:28–35. https://doi.org/10.1016/j.brs.2016.08.013
San-Juan D, Morales-Quezada L, Orozco Garduño AJ et al (2015) Transcranial direct current stimulation in epilepsy. Brain Stimul 8:455–464. https://doi.org/10.1016/j.brs.2015.01.001
San-Juan D, Morales Báez JA, Farías Fernández LD et al (2021) In-session seizures during transcranial direct current stimulation in patients with epilepsy. Brain Stimul 14:152–153. https://doi.org/10.1016/j.brs.2020.12.006
Schlaug G, Renga V, Nair D (2008) Transcranial direct current stimulation in stroke recovery. Arch Neurol. https://doi.org/10.1001/archneur.65.12.1571
Schulze-Bonhage A (2023) Intrakranielle und transkranielle Fokusstimulation: Konzepte und Zulassungsstatus. Clin Epileptol. https://doi.org/10.1007/s10309-023-00548-6
Tadini L, El-Nazer R, Brunoni AR et al (2011) Cognitive, mood, and electroencephalographic effects of noninvasive cortical stimulation with weak electrical currents. J ECT 27:134–140. https://doi.org/10.1097/YCT.0B013E3181E631A8
Tekturk P, Erdogan ET, Kurt A et al (2016) The effect of transcranial direct current stimulation on seizure frequency of patients with mesial temporal lobe epilepsy with hippocampal sclerosis. Clin Neurol Neurosurg 149:27–32. https://doi.org/10.1016/j.clineuro.2016.07.014
Tekturk P, Erdogan ET, Kurt A et al (2016) Transcranial direct current stimulation improves seizure control in patients with Rasmussen encephalitis. Epileptic Disord 18:58–66. https://doi.org/10.1684/epd.2016.0796
Yang D, Wang Q, Xu C et al (2020) Transcranial direct current stimulation reduces seizure frequency in patients with refractory focal epilepsy: a randomized, double-blind, sham-controlled, and three-arm parallel multicenter study. Brain Stimul 13:109–116. https://doi.org/10.1016/j.brs.2019.09.006
Zoghi M, O’brien TJ, Kwan P et al (2016) Cathodal transcranial direct-current stimulation for treatment of drug-resistant temporal lobe epilepsy: a pilot randomized controlled trial. Epilepsia Open 1:130–135. https://doi.org/10.1002/epi4.12020
Funding
Open Access funding enabled and organized by Projekt DEAL.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Ethics declarations
Interessenkonflikt
E. Kaufmann gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Additional information
Data availability
Alle relevanten Daten sind im Manuskript inkludiert.
QR-Code scannen & Beitrag online lesen
Rights and permissions
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de.
About this article
Cite this article
Kaufmann, E. Transkranielle Gleichstromstimulation – aktuelle Evidenzlage und Anwendungsszenarien. Clin Epileptol 36, 11–17 (2023). https://doi.org/10.1007/s10309-023-00559-3
Accepted:
Published:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s10309-023-00559-3