Anfälle sind der häufigste neurologische Notfall in der Neugeborenenperiode. Die Inzidenz liegt in Ländern mit hohem durchschnittlichem Einkommen bei 1 bis 3 pro 1000 Lebendgeburten und ist in Ländern mit mittlerem bis niedrigem Einkommen deutlich höher [1, 2]. Die Inzidenz bei Frühgeborenen reicht von 1–10 % [3]. Variationen der Inzidenz können v. a. durch Unterschiede in den diagnostischen Methoden erklärt werden (klinisch, Elektroenzephalogramm [EEG], amplitudenintegriertes EEG [aEEG]). Insbesondere für Studien, die ausschließlich auf einer klinischen Einschätzung beruhen, besteht das Risiko einer Fehleinschätzung von Anfallsereignissen sowohl im Sinne falsch positiver als auch falsch negativer Diagnosen. Darüber hinaus ist bei Frühgeborenen das häufig im Rahmen von Studien eingesetzte aEEG unzuverlässig [4, 5]. Die Mehrheit der neonatalen Anfälle tritt am ersten Lebenstag auf, und in 90 % aller Fälle erfolgt die Diagnose innerhalb der ersten Woche nach der Geburt.

Ätiologie

Im Gegensatz zu Anfällen im Kindes- und Erwachsenenalter handelt es sich bei Neugeborenen in den allermeisten Fällen um akut symptomatische Anfälle bei Hirninsult. Obwohl viele Ursachen zu Anfällen bei Neugeborenen führen können, sind nur wenige Ätiologien für den Großteil der Fälle verantwortlich (Tab. 1). Bei Reifgeborenen ist die hypoxisch-ischämische Enzephalopathie, die typischerweise 6–24 h nach dem hypoxischen Insult auftritt, am häufigsten [1, 6]. Bei Frühgeborenen stellen Blutungen und Infektionen die häufigsten Ursachen dar [1, 7]. Infektionen, fokaler Hirninfarkt, angeborene Stoffwechselstörungen (Tab. 2) und angeborene kortikale Fehlbildungen können auch nach unkomplizierter Schwangerschaft und Geburt Anfälle auslösen. In weniger als 15 % der Fälle stellen Neugeborenenanfälle den Beginn einer frühkindlichen und dann meist genetisch verursachten Epilepsie dar [8].

Tab. 1 Ätiologien von Neugeborenenanfällen
Tab. 2 Wichtige metabolische Ursachen neonataler Anfälle

Die hypoxisch-ischämische Enzephalopathie (HIE) ist die häufigste Ursache für Anfälle bei reifen Neugeborenen. Epileptische Anfälle treten typischerweise 6–24 h nach dem hypoxischen Insult auf [9]. Noch früher auftretende Attacken sind eher auf eine Irritabilität oder abnorme Tonisierung zurückzuführen. Die meisten Anfälle sind rein elektrographisch, allerdings kann die Anfallslast sehr hoch sein, und nicht selten besteht ein subklinischer Status epilepticus [10]. In den meisten Fällen hören die Anfälle innerhalb von 3 bis 4 Tagen auf, sodass eine längerfristige Behandlung dann nicht indiziert ist [10]. Das EEG ist bei HIE nicht nur zur Anfallsdiagnose wichtig, sondern auch ein relativ zuverlässiger prognostischer Indikator für spätere neurologische Defizite [11].

Klassifikation und Diagnose

Im Gegensatz zu Anfällen bei älteren Kindern ist die klinische Diagnose bei Neugeborenen schwierig. Malone et al. zeigten, dass selbst erfahrene Spezialisten nicht in der Lage sind, epileptische Anfälle von nichtepileptischen Bewegungen zu unterscheiden [12]. Die einzige Ausnahme stellen klonische Anfälle dar. Dafür gibt es mehrere Gründe:

  1. 1.

    Viele Anfallstypen im Neugeborenenalter unterscheiden sich nicht oder nur wenig von normalen Verhaltensweisen oder nichtepileptischen, abnormen Bewegungen im Rahmen der akuten Krise [12, 13].

  2. 2.

    Etwa 50–70 % aller Neugeborenanfälle sind subklinisch („electrographic-only“), v. a. bei Frühgeborenen und intensivpflichtigen Neugeborenen [2, 10, 13, 14]. Medikamente zur Sedierung oder Muskelrelaxation, aber auch Schmerzmittel tragen hierzu bei.

  3. 3.

    Eine Therapie mit Phenobarbital oder Phenytoin kann zum sog. „uncoupling“ (elektroklinische Dissoziation) führen, sodass vormals klinisch sichtbare Anfälle unter der Behandlung subklinisch werden [10, 15].

Dementsprechend ist eine eindeutige Diagnose von Neugeborenenanfällen nur mithilfe des EEG oder aEEG möglich, sodass die Definition von Neugeborenenanfällen sinnvollerweise auch rein elektroenzephalographische Anfälle als Möglichkeit einschließen sollte. Die Brighton Group schlug folgende Definition vor [2]: Ein Neugeborenenanfall ist definiert als eine transiente elektroenzephalographische Veränderung im Gehirn, die durch eine abnorme, exzessive oder synchrone neuronale Aktivität verursacht wird, und entweder mit (elektroklinisch) oder ohne klinische Manifestation („electrographic-only“, rein elektrographisch) einhergehen kann und in den ersten 28 postnatalen Tagen (oder Alter bis zu 44 Wochen nach letzter Menstruation) auftritt.

Studien haben gezeigt, dass neonatale Anfälle in der Regel fokal und mit einer Dauer von unter 90 s in 60 % der Fälle relativ kurz sind [16]. Dennoch ist die Anfallslast meist hoch. Der Anfallsursprung ist bei Reifgeborenen meistens temporal oder zentral lokalisiert, während er bei Frühgeborenen eher posterior zu finden ist [7]. Neugeborene können gleichzeitig unabhängige fokale elektrographische Anfälle zeigen. Der neonatale Status wird derzeit so definiert, dass sich in 50 % oder mehr der Zeit im EEG eine Anfallsaktivität zeigt [11].

Eine eindeutige Diagnose von Neugeborenenanfällen ist nur mithilfe des EEG oder aEEG möglich

Wegen den oben beschriebenen Besonderheiten, hat die International League Against Epilepsy (ILAE) die Neugeborenenanfälle bislang nicht in die Klassifikation von Anfällen einbezogen [17]. Erst kürzlich wurde von einer ILAE-Task-Force eine Klassifikation speziell für Neugeborene entwickelt und vorgeschlagen, die diese Besonderheiten berücksichtigt [14].

Untersuchungen

Da die meisten Neugeborenenanfälle akut symptomatisch und damit teilweise behandelbar sind, sollten sich die ersten Untersuchungen auf mögliche Ursachen, die eine sofortige spezifische Therapie erfordern, konzentrieren (Abb. 1). Nach initialer Stabilisierung des Neugeborenen und Ausschluss einer Hypoglykämie oder Elektrolytentgleisung sollte relativ schnell nach metabolischen oder infektiösen Ursachen gesucht werden. Auch bei scheinbar bekannter Ätiologie muss daran gedacht werden, dass andere akute Ursachen wie HIE oder Infektionen des zentralen Nervensystems (ZNS) koexistieren können. In der Studie von Shellhaas et al. [18] fanden sich Komorbiditäten bei 10 % aller Neugeborenen mit epileptischer Enzephalopathie und bei 30 % derer mit kortikalen Malformationen.

Abb. 1
figure 1

Diagnostik bei Neugeborenenanfällen. ainsbesondere im Serum: Aminosäuren, Ammoniak, Laktat, Pyruvat, überlangkettige Fettsäuren, Biotinidase, Pipecolinsäure; im Urin: organische Säuren, Ketone, und im Liquor: Laktat, Aminosäuren, Pyridoxal-p-Phosphat. CRP C-reaktives Protein, LP Lumbalpunktion, EEG Elektroenzephalogramm, aEEG amplitudenintegriertes Elektroenzephalogramm, MRT Magnetresonanztomographie

Eine kraniale Ultraschalluntersuchung ist schnell verfügbar und nicht invasiv. Trotz der relativ schlechten Sensitivität ist sie daher die Bildgebung der ersten Wahl. Allerdings ist in den meisten Fällen eine Magnetresonanztomographie (MRT) indiziert, um andere klinisch wichtige Pathologien wie z. B. Hirninfarkt, subdurale und subarachnoidale Blutung oder zerebrale Fehlbildungen zu erkennen [19]. Zusatzuntersuchungen mit diffusionsgewichteten Aufnahmen und/oder MR-Angiographie sollten je nach differenzialdiagnostischen Überlegungen erwogen werden [5].

In den meisten Fällen ist eine MRT indiziert

Wie bereits ausgeführt, muss die Diagnose von Neugeborenenanfällen mittels EEG bestätigt werden ([2]; Abb. 2). Die polygraphische Ableitung sollte mindestens 10 EEG-Kanäle, EKG (Elektrokardiogramm), Ableitung von Atmung und Oberflächen-Elektromyographie (EMG) von beiden Deltoidmuskeln und das synchrone Video als Goldstandard einschließen [20, 21]. Nach Definition durch die American Clinical Neurophysiology Society sind elektrographische Anfälle gekennzeichnet durch ein plötzlich abnormes EEG mit repetitiven Mustern, die eine Evolution zeigen und eine Amplitude von mindestens 2 µV und eine Dauer von mindestens 10 s haben [21]. Rhythmische Entladungen mit einer Dauer unter 10 s werden als „brief interictal rhythmic discharges“ (BIRDs) bezeichnet, sind aber mit klaren Anfällen im selben oder einem nachfolgenden EEG assoziiert [22].

Abb. 2
figure 2

Reifgeborenes mit elektrographischen Anfällen bei hypoxisch-ischämischer Enzephalopathie und persistierender pulmonaler Hypertension. Im Elektroenzephalogramm (EEG) zeigt sich ein Anfallsmuster links zentral (C3) ohne klinisches Korrelat

Das EEG ist außerdem eine hilfreiche Methode zur Abschätzung der Prognose. Eine abnorme Hintergrundaktivität ist mit einem erhöhten Risiko für epileptische Anfälle und einem schlechten neurologischen Outcome assoziiert. Sollte kein EEG zur Verfügung stehen, so kann ein Monitoring mit dem aEEG erwogen werden [2, 4]. Dieses erkennt aber Anfälle mit kurzer Dauer (<30 s) und fokale Muster mit niedriger Amplitude oder fehlender Einbeziehung der Zentralregion in der Regel nicht [4, 5]. Darüber hinaus können Bewegungsartefakte wie Anfälle imponieren. Das aEEG sollte also möglichst mit den Befunden eines konventionellen EEGs abgeglichen werden, bevor es dann als Monitoringmethode interpretiert wird.

Epileptische Syndrome mit Beginn in der Neugeborenenzeit

Nur relative wenige Anfälle in der Neugeborenenperiode sind der Beginn eines chronischen Epilepsiesyndroms, meistens bedingt durch genetische und/oder metabolische Ursachen oder durch kortikale Malformationen ([1, 2, 8, 23,24,25]; s. auch https://www.ilae.org/education/diagnostic-manual).

Selbstlimitierende (vormals „benigne“ genannte) familiäre und nichtfamiliäre neonatale Anfälle

Obwohl diese Syndrome ursprünglich als separate Entitäten beschrieben wurden, hat sich gezeigt, dass sich familiäre und sporadische Fälle in gleicher Weise präsentieren und auch der klinische Verlauf sehr ähnlich ist. Einziger Unterschied ist die positive Familienanamnese. Die Vererbung erfolgt bei der familiären Variante meist autosomal-dominant mit inkompletter Penetranz. Am häufigsten finden sich Mutationen in KCNQ2 (20q13.3), KCNQ3 (8q24) und SCN2A [23, 25].

Bei den ansonsten gesund imponierenden Neugeborenen zeigt sich ein Anfallsbeginn meist zwischen dem 2. und 7. Lebenstag, bei der familiären Variante typischerweise am 2. bis 3. Lebenstag. Selten liegt der Epilepsiebeginn jenseits der Neugeborenenperiode im 2. Lebensmonat. In diesem Fall spricht man von selbstlimitierenden familiären neonatal-infantilen Anfällen. Die Anfälle sind hauptsächlich fokal klonisch oder fokal tonisch und gehen häufig mit Automatismen und/oder autonomen Symptomen wie Apnoen einher (sequential). Die Anfälle dauern relativ lang, und die klinische Manifestation kann innerhalb des Anfalls sequenziell wechseln. Die interiktale EEG-Hintergrundaktivität ist meist normal; allerdings gibt es selten enzephalopathische Verläufe. Iktal zeigen sich bei ca. 50 % der Betroffenen intermittierende scharfe Thetawellen über temporalen Regionen, die typischerweise die Seiten wechseln („théta pointu alternant“). Die Bildgebung ist normal.

Die Anfälle klingen meist innerhalb weniger Wochen bis Monate ab. Die weitere Entwicklung und der neurologische Befund sind meist unauffällig. Eine Ausnahme stellen die seltenen enzephalopathischen Verläufe mit schlechter Prognose dar. Eine spätere Epilepsie tritt bei etwa 10–30 % der betroffenen Kinder auf.

Frühe myoklonische Enzephalopathie

Die frühe myoklonische Enzephalopathie ist ein Syndrom, das oft im Rahmen angeborener Stoffwechselstörungen [24] auftritt. Dazu gehören: nonketonische Hyperglycinämie, Amino- und organische Azidopathien, Harnstoffzykluserkrankungen, kongenitale Erkrankungen der Glykosylierung, Mitochondriopathien, Vitamin-B6-abhängige Epilepsien (mit Pyridoxinabhängigkeit oder auch Pyridoxal-5-Phosphat-Abhängigkeit, selten auch Arnitin-Palmitoyl-Transferase-Mangel), Molybdänkofaktormangel, Sulfitoxidasemangel, Menkes-Syndrom und Zellweger-Syndrom. Der Epilepsiebeginn liegt fast immer im ersten Lebensmonat. Typischerweise treten ein fragmentierter Myoklonus oder massive Myoklonien auf, manchmal auch fokale motorische Anfälle. Die EEG-Hintergrundaktivität ist immer abnorm mit einem Burst-Suppression-Muster, das sich sowohl im Wachen als auch im Schlaf darstellt. Das EEG entwickelt sich später in Richtung einer atypischen Hypsarrhythmie. Die Anfälle sind nahezu immer medikamentenresistent. Die Säuglinge sind neurologisch schwer krank, und die Mortalitätsrate ist hoch.

Frühkindliche epileptische Enzephalopathie mit Burst-Suppression-Muster (Ohtahara-Syndrom)

Die betroffenen Säuglinge erkranken in den ersten 3 Lebensmonaten und zeigen v. a. tonische Anfälle (und später tonische Spasmen), die häufig in Clustern auftreten [23, 25]. Fokale motorische Anfälle sind möglich. Das EEG zeichnet sich durch ein Burst-Suppression-Muster aus, das sowohl im Schlaf als auch im Wachzustand auftritt (Abb. 3a) und asymmetrisch oder sogar einseitig bestehen kann. Während der Anfälle zeigt sich eine Desynchronisation mit oder ohne niedrig amplitudigen schnellen Wellen (Abb. 3b). Das Ohtahara-Syndrom ist meist strukturell bedingt und tritt häufig im Rahmen zerebraler Fehlbildungen, wie z. B. dem Aicardi-Syndrom, oder bei Porenzephalie auf. Genetische Ursachen werden immer häufiger als Ursache erkannt und schließen Mutationen in STXBP1, KCNQ2, SCN2A und vielen anderen Genen ein. Die Anfälle sind in der Regel therapierefraktär, wobei bei Säuglingen jenseits der Neugeborenenperiode eine Behandlung mit adrenokortikotropem Hormon (ACTH) eine vorübergehende Wirkung haben kann. Die Prognose ist ernst, aber etwas besser als bei der frühen myoklonischen Enzephalopathie. Meist zeigt sich eine Evolution in ein West-Syndrom.

Abb. 3
figure 3

Reifgeborenes im Alter von 24 Tagen. Unauffällige Schwangerschaft und Geburt. Anfallsbeginn vor 8 Tagen. a Interiktales EEG (Elektroenzephalogramm) zeigt Burst-Suppression-Muster. b Fokaler tonischer Anfall des linken Beins, gefolgt von Kloni des linken Armes und der linken Gesichtshälfte (Muskelartefakt des linken EMG(Elektromyographie)-Kanals [L DEL linker Deltoid]). Genetisches Panel auf „early infantile epileptic encephalopathies“ (EIEE): De-novo-splice-site-Mutation in STXBP1

Das Ohtahara-Syndrom ist meist strukturell oder genetisch bedingt

Sowohl die frühe myoklonische Enzephalopathie als auch das Ohtahara-Syndrom weisen ähnliche klinische und elektrographische Merkmale auf, und die Ätiologien überlappen. Daher werden beide Syndrome oft als Teil eines Spektrums angesehen („early onset epilepsy with burst suppression“).

Angeborene Stoffwechselstörungen mit Anfällen in der Neugeborenenperiode

Eine ganze Reihe von Stoffwechselstörungen [24] kann mit einem Anfallsbeginn im 1. Lebensmonat einhergehen (s. frühe myoklonische Enzephalopathie). Wichtig ist die frühe Diagnose der wenigen spezifisch behandelbaren Erkrankungen (Tab. 2). Neugeborene mit persistierenden Anfällen oder suggestiver abnormer EEG-Hintergrundaktivität sollten auf alle Fälle einem therapeutischen Test mit Pyridoxin, Pyridoxal-5-Phosphat und Folinsäure unterzogen werden. Die in Tab. 2 aufgeführten Erkrankungen sollten ausgeschlossen werden.

Tab. 3 Antiepileptische Medikamente in der neonatalen Periode [26, 27]

Behandlung von Neugeborenenanfällen

Phenobarbital ist weltweit das Medikament der 1. Wahl zur Behandlung von Neugeborenen [26] und das, obwohl es nur bei 40–60 % zur Anfallsfreiheit führt ([27, 35]; siehe Tab. 3). Es gibt Hinweise darauf, dass Phenobarbital eine elektroklinische Dissoziation begünstigt, da die Anzahl der klinischen Anfälle ab- und die der elektrographischen Anfälle zunimmt. Bei einigen Kindern wird also die klinische Manifestation der Anfälle unterdrückt.

Die Empfehlungen für Medikamente der 2. Wahl variieren je nach Land und Kontinent (siehe Tab. 3) und schließen Levetiracetam, Phenytoin, Clonazepam, Midazolam und Lidocain ein [26, 27, 35]. In den USA ist (Fos)Phenytoin verbreitet, wohingegen im Vereinigten Königreich Midazolam bevorzugt wird. Midazolam hat eine kürzere Halbwertszeit als Clonazepam, was mit einer geringeren Ausprägung der oropharyngealen Sekretion einhergeht. In den skandinavischen Ländern wird häufig Lidocain als Mittel der 2. oder 3. Wahl verwendet [31]. Lidocain hat einen engen therapeutischen Bereich und kann in hohen Dosen Anfälle aggravieren. Lidocain und Phenytoin gehen mit dem Risiko kardiotoxischer Nebenwirkungen einher und sollten bei Säuglingen, die eine inotrope Unterstützung benötigen, vermieden werden. In den letzten 5 Jahren wurde eine Reihe retrospektiver Studien veröffentlicht, die Levetiracetam als vielversprechende Alternative zu Phenobarbital nahelegen [36]. Allerdings gibt es bislang keine prospektiven kontrollierten Studien, die eine bessere Wirksamkeit beweisen, und daher kann es zurzeit nur zur Verwendung als Mittel der 2. Wahl empfohlen werden. Carbamazepin ist spezifisch bei der KCNQ2-assoziieren Enzephalopathie wirksam, obwohl auch hierfür keine prospektiven Studien vorliegen.

Prognose von Neugeborenenanfällen

Die Prognose hängt in erster Linie von der Ätiologie ab [37, 38]. Allerdings gibt es Hinweise dafür, dass Anfälle unabhängig von ihrer Ursache mit einer schlechteren Prognose assoziiert sind. Hierbei ist v. a. die Anfallslast („seizure burden“) von Bedeutung. Bei einer Anfallsaktivität von mehr als 12 min pro Stunde ist von einer schlechten Prognose auszugehen [39, 40]. Der neonatale Status epilepticus ist ebenfalls unabhängig von der Ätiologie prognostisch ungünstig. Rein elektrographische Anfälle haben einen ähnlichen Effekt auf die Prognose wie elektroklinische Anfälle. Die Prognose von Neugeborenenanfällen wurde kürzlich sehr umfassend und übersichtlich von Pinchefsky und Hahn erörtert [37].

Fazit für die Praxis

  • Die meisten neonatalen Anfälle sind akut symptomatisch.

  • Bei Reifgeborenen stellt die hypoxisch-ischämische Enzephalopathie die häufigste Ursache dar.

  • Wegen der breiten Differenzialdiagnose sollten die initialen diagnostischen Schritte auf die häufigen Ursachen, die eine sofortige Behandlung erfordern, konzentriert sein.

  • Ein EEG zur Bestätigung der Diagnose ist bei suspekten klinischen Zeichen und zur Feststellung elektrographischer Anfälle notwendig.

  • Phenobarbital ist bei Neugeborenenanfällen das Medikament der Wahl.

  • Empfehlungen bezüglich der Antiepileptika der 2. Wahl schließen Levetiracetam, Phenytoin, Midazolam und Lidocain ein.

  • Bei fehlendem Ansprechen auf die Therapie oder suspekter abnormer EEG-Hintergrundaktivität ist ein früher Behandlungsversuch mit Vitamin B6, Pyridoxalphosphat und Folinsäure indiziert.

  • Prognostisch gibt es eine zunehmende Evidenz, dass sich elektroklinische und rein elektrographische Anfälle negativ auf das neurologische Outcome und die Entwicklung auswirken.