Hormonstörungen sind relativ häufig bei Frauen und Männern mit Epilepsie [1,2,3]. Diese manifestieren sich bei Frauen als Zyklusstörungen, Hirsutismus und Infertilität [2] und als Libidoverlust, Impotenz und Infertilität bei Männern [3]. Genaue Pathomechanismen von Sexualhormonstörungen sind nur unvollständig geklärt. Infrage kommen sowohl Störungen der Hypothalamus-Hypophysen-Achse (HPA) durch epileptische Anfälle oder temporolimbische Entladungen, als auch Einflüsse der Antiepileptika auf den Steroidhormonstoffwechsel [1,2,3,4,5]. Epilepsien und AEDs können, um die Hormonspiegel zu beeinflussen, eine Vielzahl von Substraten anpeilen. Dazu gehören das limbische System, Hypothalamus, Hypophyse, periphere endokrine Drüsen, die Leber und Fettgewebe [6, 7].

Antikonvulsiva haben vielfältigen Einfluss auf den Metabolismus von Sexualhormonen. So konnte unter einer Therapie mit enzyminduzierenden Antiepileptika (EIA) wie Phenytoin, Phenobarbital und Carbamazepin ein Anstieg von SHBG (Sex-Hormon-Bindungs-Globulin)-Konzentrationen bei Frauen und Männern mit Epilepsie beobachtet werden [8]. Über die Zeit führt dieser SHBG-Anstieg im Serum über vermehrte Proteinbindung zu einer Verminderung des bioaktiven Testosterons (BAT) und Östradiols, indem die Serumkonzentrationen der freien, wirksamen Sexualsteroide gesenkt wird, was zu einer verminderten Potenz bei Männern und Menstruationsstörungen bei Frauen führen kann und damit die Fertilität reduziert. Ein signifikanter Abfall des luteinisierenden Hormons (LH) und von Östradiol sowie von Prolaktin konnte ebenso beobachtet werden. Des Weiteren haben Fortpflanzungshormone einen großen Einfluss auf die neuronale Erregbarkeit und als deren Folge auf epileptische Anfälle. Dies belegen sowohl klinische Beobachtungen als auch experimentelle Studien an Tieren.

Reproduktive Dysfunktion bei Frauen mit Epilepsie

Hospital- [2, 7, 9] und Community- [10] basierte Studien konnten zeigen, dass Störungen der Menstruation bei Frauen mit Epilepsie häufiger sind als in der Allgemeinbevölkerung.

Menstruationsstörungen können in Amenorrhö (keine Menses für 6 Monate), Oligomenorrhö (Zyklusintervalle >32 Tage), Polymenorrhö (Zyklusintervalle <26 Tage), abnormale Variationen der Zyklusintervalle (>4 Tage) und Menometrorrhagie (starke Menses und Blutungen zwischen den Menses) kategorisiert werden [11].

Diese definierten Störungen können bei einem Drittel der Frauen mit Epilepsie auftreten, verglichen mit 12–14 % bei Frauen ohne Epilepsie [6, 11]. Mehr als ein Drittel der Zyklen bei Frauen mit einer fokalen Epilepsie sind anovulatorisch, bei Kontrollen sind diese nur bei 8–10 % [11,12,13]. Es gibt widersprüchliche Beweise, dass anovulatorische Zyklen häufiger bei fokalen als bei generalisierten Epilepsien sind [12, 13].

Darüber hinaus finden sich gehäuft metabolische und endokrine Funktionsstörungen wie das PCO-Syndrom, Hyperandrogenämie, Gewichtszunahme und Insulinresistenz mit einem potenziellen Einfluss auf die ovarielle Funktion. Derartige pathologische Funktionsabweichungen treten bei Epilepsie sowohl als direkte Folge der Epilepsie als auch deren Therapie auf [2, 14,15,16,17]. Die Kenntnis der neurogonadalen Interaktionen zwischen gestörten zerebralen Erregungsimpulsen bei Frauen mit Epilepsie, dysfunktionellen Ovarien, Steroidwirkungen auf das Gehirn und dem variablen endokrinen und metabolischen Einflusspotenzial einer antiepileptischen Medikation ist die Grundlage eines rationalen Therapieansatzes, der nicht nur die antikonvulsive Wirkung der Medikation berücksichtigt. Im Folgenden werden die verschiedenen Ebenen möglicher Einflussfaktoren durch zusammenfassende klinische Beispiele zur ovariellen Insuffizienz bei Frauen mit Epilepsie (WWE) dargestellt und Therapieoptionen in Situationen mit und ohne Kinderwunsch erörtert.

Hypothalamische Funktionsstörung

Eine interiktale Erregungsstörung kann zu chronischen Störungen der Gonadotropinsekretion mit einer Veränderung des LH/FSH-Quotienten führen. Bei Frauen mit Epilepsie ohne AED-Therapie wird eine erhöhte LH-Pulsfrequenz beobachtet [18]. Zyklusstörungen traten allerdings bei den in dieser Studie untersuchten Patientinnen trotz der erhöhten LH-Pulse nicht gehäuft auf, obwohl diese insgesamt bei Frauen mit Epilepsie überrepräsentiert sind [19], und zwar unabhängig von einer AED-Therapie. Möglicherweise handelt es sich bei der hypothalamischen Dysregulation zunächst um subklinische Veränderungen, die einer Manifestation endokriner Störungen unter zusätzlichen Belastungsmomenten vorangehen und sie begünstigen.

Neben den epileptischen Anfällen scheinen die interiktalen zentralnervösen Erregungsstörungen eine Dysbalance der Ausschüttung von regulärem LH und follikelstimulierendem Hormon (FSH) zu provozieren [7, 20]. Demzufolge propagieren gestörte ZNS-Erregungsabläufe, v. a. aus temporolimbischen Arealen, zu hypothalamischen Regulationszentren und interferieren mit der neuronalen Aktivität des hypothalamischen Pulsgenerators, der die GnRH-Sekretion steuert.

Möglicherweise variiert bei einer Temporallappenepilepsie (TLE) das resultierende, gestörte LH-Pulsatilitätsmuster abhängig von der Lateralität des epileptogenen Fokus [3, 21]. Ein rechtsseitiger Fokus führt häufiger zu einer LH-Suppression und einem hypogonadotropen Hypogonadismus (hypothalamische Ovarialinsuffizienz). Dagegen tritt bei einem linksseitigen Fokus eher eine gesteigerte Gonadotropinausschüttung auf mit höheren LH-Werten und Anhebung der LH/FSH-Ratio. Dazu passend findet sich ein häufigeres Auftreten eines PCOS bei diesen Patientinnen [7, 22]. Gelingt die epilepsiechirurgische Ausschaltung des Fokus mit der gestörten neuronalen Aktivität, wird häufig eine Normalisierung der zuvor gestörten Zyklusfunktion erreicht [23].

Antikonvulsive Medikamente und Steroidmetabolismus

Enzyminduzierende antikonvulsive Medikamente führen durch Induktion der Isoenzyme CYP1, CYP2 und CYP3 des hepatischen Cytochrom-P-450-Enzymsystems zu einem beschleunigten Steroidhormonabbau v. a. durch das Isoenzym CYP3A4. Parallel dazu ist die SHBG-Synthese gesteigert. Dadurch wird die Bioverfügbarkeit einiger exogener und endogener Steroide (z. B. Testosteron, Östradiol, Gestagene) vermindert [8]. Die Wirksamkeit exogener Steroide kann dadurch eingeschränkt sein, was v. a. im Zusammenhang mit hormonellen Kontrazeptiva von Bedeutung ist [24]. Die Daten zum Einfluss von AED und im Besonderen der Valproinsäure (VPA) auf die Entstehung einer Hyperandrogenämie sind inhomogen und widersprüchlich. Ein durchgängiger Nachweis zur Entwicklung einer Hyperandrogenämie (HA) oder eines PCOS kann in Studien nicht gefunden werden. Unter einer VPA-Behandlung haben 6 % [22] bis 27 % [5] der Patientinnen eine Hyperandrogenämie. Für andere AED (Carbamazepin, CBZ 17,1 %, Lamotrigin, LTG 4,5 %, Polytherapie 11,1 % ohne AED 25 %) schwankt die Häufigkeit einer Hyperandrogenämie im gleichen Bereich. In einer der wenigen randomisierten klinischen Studien zu diesem Thema konnte im direkten Vergleich zwischen der Therapie mit VPA und Lamotrigin (LTG) kein signifikanter Unterschied in der Androgenproduktion beobachtet werden [25]. Eine weitere randomisierte Studie zum direkten Vergleich zwischen VPA und LTG bei jeweils über 100 Frauen ergab zwar eine signifikant erhöhte Androgenkonzentration im Serum der mit VPA behandelten Patientinnen, allerdings lagen die mittleren Androgenwerte bei beiden Gruppen im Normbereich [26].

Eine Gewichtszunahme kommt als Nebenwirkung einer Behandlung mit VPA bei 20–70 % der Patienten vor [27]. Der exakte, zugrunde liegende pathophysiologische Mechanismus ist unklar. Möglicherweise sind Zustände einer Insulin- und Leptinresistenz ursächlich beteiligt, jedenfalls treten diese metabolischen Alterationen ebenfalls gehäuft auf. Als Folge einer solchen metabolischen Veränderung steigt möglicherweise das Risiko für die Entwicklung einer Hyperandrogenämie, zumindest bei einer Subgruppe von Patientinnen. Höhere Androgenwerte werden v. a. bei Patientinnen beobachtet, die während einer VPA-Behandlung mit Gewichtszunahme reagieren [28].

EIAED können durch die verminderte Bioverfügbarkeit der Androgene bei beschleunigter Metabolisierung und erhöhter SHBG-Bindung zu einem hormonellen „Kontrastierungseffekt“ gegenüber nEIAED führen. Die Anwendung von EIAED mindert durch das induzierte enzymatische Metabolisierungsprofil die wirksame Androgenmenge in Relation zu nEIAED. Der Vergleich zwischen Therapiegruppen mit verschiedenen EIAED und behandlungsnaiven Patientinnen zeigte signifikant niedrigere Serumandrogenwerte in der Therapiegruppe gegenüber den nicht behandelten Kontrollpatientinnen [13, 29].

Keine Differenz der Serumandrogenkonzentration fand sich im Vergleich zwischen Patientinnen in einer VPA-Behandlungsgruppe und nicht medikamentös behandelten Patientinnen [30, 31]. Ein weiterer Hinweis auf einen möglichen „Kontrastierungseffekt“ ergibt sich aus der Verlaufsbeobachtung nach Absetzen der AED. Im Serum gemessene Androgenkonzentrationen steigen nach Beendigung einer Behandlung mit CBZ wieder an. Dieser Effekt konnte für VPA nicht gezeigt werden [32].

Lamotrigin (LTG) wird durch therapeutische Östrogen- und Gestagendosierungen (z. B. in hormonellen Kontrazeptiva) selbst schneller abgebaut [33], was als eine Folge der gesteigerten Aktivität der UDP-Glucuronosyltransferase 1A4 angesehen wird [34]. Eine Hormonbehandlung zur Kontrazeption oder Hormonersatztherapie erfordert eine Dosissteigerung von LTG um etwa 30–50 % innerhalb einer Woche nach Beginn der Hormongabe.

Polyzystisches Ovarialsyndrom (PCOS)

Die häufigste reproduktive endokrine Störung bei Frauen mit Epilepsie als auch in der Allgemeinbevölkerung ist das polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS) [2, 15, 17].

Das PCOS ist durch 3 Hauptsymptome charakterisiert: Zyklusstörungen mit Oligo- oder Anovulation (AO), klinische oder laborchemische Hyperandrogenämie (HA) und spezifische polyfollikuläre Alteration der Ovarmorphologie (PCO). Nach den Rotterdam-Kriterien müssen 2 der 3 Symptome (AO, HA, PCO) in variabler Kombination vorliegen. Andere Ursachen einer Hyperandrogenämie müssen ausgeschlossen sein. Ein so definiertes PCOS hat in unseren Breiten eine Prävalenz von ca. 12 % und stellt somit die häufigste Ursache einer Ovarialinsuffizienz bei Frauen in der reproduktiven Lebensphase dar. Nach den NIH-Kriterien (AO, HA) liegt die Prävalenz bei 6–8 %. Neben den genannten Diagnosekriterien liegen gehäuft typische endokrine und metabolische Abweichungen im Sinne einer Insulinresistenz und eines metabolischen Syndroms vor [35].

Frauen mit Epilepsie haben ein erhöhtes Risiko, ein PCOS zu entwickeln. Die Angaben zum Einfluss, den AED allgemein oder Einzelsubstanzen wie etwa Valproinsäure (VPA) haben, schwanken in vergleichbarer Breite wie die oben genannten Prävalenzzahlen. Eine Vielzahl von Publikationen verweist auf ein deutlich erhöhtes Risiko eines PCOS unter einer VPA-Behandlung, seit die finnische Arbeitsgruppe um Isojärvi 1993 diesen Zusammenhang in einer Querschnittstudie erstmalig berichtete [5]. Allerdings zeigt die umfangreiche vergleichende Auswertung diesbezüglicher Publikationen anderer Autoren keineswegs eine so eindeutige Zuordnung zwischen Medikation und Symptomatik, sodass diese Frage nach wie vor ungeklärt ist [16].

Zur Prävalenz und Ätiologie des PCOS bei Frauen mit Epilepsie liegen widersprüchliche Angaben vor. Die Angaben schwanken allerdings erheblich zwischen 10,5 % [36] und 62,5 % [14]. Zusammenfassend kann man sagen, dass das PCOS bei Frauen mit Epilepsie häufiger vorkommt als ohne Epilepsie. Die ätiologische Gewichtung des morbogenen Einflusses sowie der direkten und der indirekten Einflüsse verschiedener einzelner AED auf die Entwicklung eines PCOS werden immer noch höchst kontrovers diskutiert. Die hierzu publizierte Literatur ist großenteils durch mangelhaftes Studiendesign (zu geringe Fallzahlen, unzureichende, teilweise willkürliche Definition des PCOS, Fokussierung auf das Auftreten einzelner Aspekte des PCOS) ungeeignet, eine evidenzbasierte Aussage zu treffen. Im Speziellen kann eine Sonderstellung von Valproinsäure gegenüber anderen AED für die Genese eines PCOS nicht überzeugend belegt werden. Das Gesamtbild bleibt fragmentarisch. Besondere Aufmerksamkeit muss bei der Behandlung einer Patientin mit Epilepsie auf die Entwicklung von Symptomen wie Zyklusstörungen, Gewichtszunahme und klinische Zeichen der Hyperandrogenämie gelegt werden. Diese können eine beginnende Endokrinopathie oder metabolische Störung anzeigen. Frauen mit Epilepsie haben ein erhöhtes Risiko zur Entwicklung von Übergewicht, Insulinresistenz, verminderter hepatischer Insulinclearance, Leptinresistenz und Dyslipidämie. Dieser Sachverhalt ist der verwendeten antiepileptischen Medikation nicht immer eindeutig zuzuordnen, aber möglicherweise unter VPA-Therapie besonders akzentuiert [35].

Reproduktive Dysfunktion bei Männern mit Epilepsie

Verminderte Libido oder Potenz tritt beinahe bei 20 % der Männer mit Epilepsie in strukturierten und unstrukturierten Fragebögen-Studien auf [4, 37]. Ältere Studien mit strukturierten oder unstrukturierten Interviews fanden diese noch häufiger bei 38–71 % [3, 4, 6, 38,39,40].

Abnormale Spermienanalysen, mit verminderter Spermienzahl, abnormaler Morphologie oder verminderter Motilität der Spermien, wurde bei bis zu 90 % von Männern mit Epilepsie berichtet [38, 41].

Hypogonadismus

Hypogonadismus bedeutet niedrige Serumtestosteronspiegel und/oder verminderte oder abnormale Spermienproduktion [6]. Es zeigen sich vermindertes sexuelles Interesse, verminderte Potenz, Fertilität, Energie, Stimmung, Knochen und Muskelmasse und sekundäre sexuelle Charakteristika. Physikalische Zeichen beinhalten einen Verlust von männlichen Merkmalen, Gynäkomastie und Atrophie der Gonaden.

Testosteron besteht aus 3 Hauptformen: 1) streng an Sexualhormonbindungsglobulin gebunden (SHBG, 45–50 %), locker an Albumin gebunden (50–55 %) und 3) ungebunden (1–2 %) [6]. Das Albumin-gebundene und freie Testosteron sind für Gewebe verfügbar und daher von klinischer Relevanz. Untersuchungen des bioverfügbaren Testosterons (BAT) zeigen, dass ein Hypogonadismus in etwa bei einem Drittel der Männern mit Temporallappenepilepsie auftreten kann [4, 37]. BAT vermindert sich altersabhängig bei Männer mit Epilepsie rascher als bei Kontrollen [4, 37]. In einer Kohorte von Männern mit fokaler Epilepsie fanden Herzog et al., dass das BAT deutlich unter den normalen Kontrollspiegel zurückfiel: um 11 % bei Männer zwischen 20 und 30 Jahren, um 27 % zwischen 30 und 40 Jahren und um 89 % zwischen 40 und 50 Jahren [4]. Einige [4, 42, 43], aber nicht alle [44] Studien haben eine signifikante Beziehung zwischen vermindertem Serum-BAT und sexueller Dysfunktion gezeigt. Männer mit Epilepsie zeigen bei niedrig – normalen BAT-Spiegeln ein Vorhandensein einer sexuellen Dysfunktion, welche bei Männern der Allgemeinbevölkerung sich nicht klinisch manifestiert [3, 4, 6]. Dies könnte ein Argument gegen die Bedeutung der BAT-Spiegel sein. Andererseits werden höhere BAT-Spiegel bei verändertem Gehirnsubstrat im Rahmen einer temporolimbischen Epilepsie für eine normale Sexualfunktion benötigt [37].

Pathophysiologie von reproduktiven endokrinen Störungen bei Männern mit Epilepsie

Ätiologisch können sowohl für einen Hypogonadismus als auch für reproduktive und sexuelle Dysfunktionen bei Männern mit Epilepsie eine Vielzahl von Ursachen in Betracht gezogen werden. Das wären sowohl psychosozialer Stress, AEDs als auch Epilepsien selbst [6].

AEDs können die Sexualfunktion beim Mann teilweise erheblich beeinflussen. Es kann zum Hypogonadismus kommen, zur Störung der endokrinen und/oder exokrinen Hodenfunktion.

Das bedeutet, es kann zu einer Verminderung der Testosteronausschüttung kommen mit typischen klinischen Beschwerden.

Bereits in den 1850er-Jahren, als Brom zur Behandlung von Epilepsien eingeführt wurde, sah man, dass diese Salze zu Impotenz führen können. Später zeigte eine randomisierte Medikamentenstudie nach einem Therapiebeginn von Carbamazepin (CBZ), Phenytoin (PHT), Phenobarbital oder Primidon in Monotherapie bei 11–22 % der Männer die Entwicklung von Impotenz oder verminderter Libido. Endokrine Daten wurden damals noch nicht erhoben.

Erste Studien, die von endokrinen Störungen bei Männern mit Antikonvulsivatherapie berichten, wurden in den 1970er- und 1980er-Jahren veröffentlicht. Es wurde ein Anstieg von einem SHBG-Serumspiegel und Abfall des freien (bioaktiven) Testosterons beschrieben. Begleitend dazu wurden verminderte Sexualfunktionen gefunden. SHBG wird in der Leber synthetisiert und bindet und reguliert die Bioaktivität von Testosteron und Östradiol.

In den meisten anfänglichen Studien waren die Patienten jedoch mit einer Polytherapie, welche alle Enzym induzierende Medikamente enthielten, behandelt, was die Beurteilbarkeit dieser Studienergebnisse einschränkt.

Psychosozialer Stress kann bei Hypogonadismus in Verbindung mit einer Epilepsie eine wichtige Rolle spielen [45,46,47,48,49,50]. Aus der neuroendokrinen Perspektive involviert eine Stressantwort die Aktivierung der hypothalamisch-hypophysären (HPA) Achse [6, 46,47,48,49,50]. Cortisolspiegel sind bei Menschen mit Epilepsie höher als bei Kontrollen und ähnlich wie bei Menschen mit einer Depression [47]. Anders als bei einer Depression sind bei Epilepsien die täglichen Schwankungen jedoch oft nicht vorhanden [47]. Faktoren, die die Aktivität der HPA-Achse erhöhen, stören sowohl die reproduktive endokrine Sekretion als auch die reproduktive Funktion [6, 46,47,48,49,50] und können zu einer Anfallsexazerbation beitragen [6].

Stress erhöht die Freisetzung von Proopiomelanocortin (POMC), ein Protein und Prohormon der corticotropen Zellen der Adenohypophyse und des Hypothalamus, das unter anderem zur Bildung von ACTH und Endorphin gespalten wird [50]. Beide hemmen die Gonadotropinsekretion und die reproduktive Funktion [46,47,48,49,50]. ACTH erhöht die Kortisolsekretion; Endorphine erhöhen die Dehydroepiandrosteron (DHEA)-Produktion. Diese beiden Steroide haben eine GABA-negative allosterisch modulierende Eigenschaft, welche die Anfallsschwelle erniedrigen und Angst erhöhen können [6, 37, 51].

Enzym induzierende AEDs können die gonadale Testosteronsynthese direkt unterdrücken, die Testosteronbindung durch Induktion der Sexhormonbindungsglobulin (SHBG)-Synthese erhöhen und Serumöstradiolspiegel in absoluter oder relativer Hinsicht erhöhen [4, 37, 52]. Obwohl es nur etwa 1 % der gesamten reproduktiven Steroide beträgt, macht Östradiol die Hälfte des negativen Feedbacks der hypothalamischen-hypophysären Achse aus [6, 37]. Daher kann ein geringer Anstieg des Östradiolspiegels, vermutlich durch AED induzierte Erhöhung der Aromataseaktivität verursacht, einen disproportionalen großen negativen Feedbackeffekt auf die Gonadotropinproduktion haben, was zu Hypogonadismus beiträgt. In einem Vergleich der sexuell/reproduktiven Funktion und reproduktiven Hormonspiegel bei 85 Männern mit Epilepsie, die unterschiedliche AEDs einnahmen (25 Carbamazepin [CBZ], 25 Phenytoin [PHT], 25 Lamotrigin [LTG] und 10 unbehandelt in den mindestens letzten 6 Monaten [keine AED]) und 25 Kontrollen fanden Herzog et al. [4], dass sexuelle Funktionscores („S-scores“), Hormonspiegel (bioaktives Testosteron, Östradiol), Hormonverhältnisse (bioaktives Testosteron/bioaktives Östradiol) und gonadale Effizienz (bioaktives Testosteron/luteinisierendes Hormon) signifikant höher als bei den Kontrollen und in der LTG-behandelten Gruppe als in der CBZ- und PHT-behandelten Gruppe waren. Das Sexhormonbindungsglobulin war signifikant höher in der CBZ- und PHT-Gruppe als in allen anderen Gruppen. „S-scores“ waren unter der Kontrollreichweite bei 20 % der Männer mit Epilepsie, inkludiert von 32 % mit CBZ, 24 % mit PHT, 20 % ohne AEDs und 4 % unter LTG. Bioaktives Testosteron war unter der Kontrollreichweite bei 28,2 %, inkludiert von 48 % mit CBZ, 28 % mit PHT, 20 % ohne AEDs und 12 % unter LTG. Bei Männern mit Epilepsie mit niedrigen „S-scores“ hatten 70,6 % bioaktive Testosteronspiegel unter der Kontrollreichweite, verglichen mit 17,6 % Männern mit normalen „S-scores“. Bei Männern mit Epilepsie und abnormal niedrigem bioaktivem Testosteron hatten 50,0 % niedrige „S-scores“; bei Männern mit normalen bioaktiven Testosteron hatten 8,2 % niedrige „S-scores“. Die bioaktive Testosteronverminderung gemessen am Alter war bei Männern mit Epilepsie höher als unter Kontrollen und sichtbar höher in den CBZ- und PHT-Gruppen als in den LTG und unbehandelten Gruppen. Insgesamt waren bei Männern mit Epilepsie, die LTG einnahmen, die Sexualfunktionen, bioverfügbare Testosteronspiegel und gonadale Effizienz vergleichbar mit Kontrollen und unbehandelten Werten und signifikant höher als mit Carbamazepin- oder Phenytoin-Behandlung.

Das temporolimbische System ist eine der häufigsten Ursprungsstellen von Epilepsien im Erwachsenenalter. Es hat auch integrale Rollen in der reproduktiven endokrinen Regulation und dem Feedback als auch bei sexuellen und reproduktiven Funktionen [3, 6, 37]. Es erklärt sich daher, dass die Entwicklung von epileptiformen Entladungen in den mesialen Temporallappenstrukturen die hypothalamische Regulation der Hypophysensekretion unterbricht und daher die gonadale und reproduktive Funktion ändert [3, 6, 37]. Experimentelle Tierversuche haben gezeigt, dass fokale limbische, aber auch generalisierte Anfälle normale gonadale Strukturen, Physiologie und Serumandrogenspiegel in männlichen Ratten unterbrechen [53] und dies die Induktion von Anfällen in der Amygdala und nicht im Motorkortex Hyposexualität bei männlichen Katzen verursacht [54]. Klinische Studien legen nahe, dass eine temporolimbische Epilepsie mit verändertem Gonadotropin-Response auf eine GnRH-Infusion unabhängig von AED-Gebrauch assoziiert ist [55]. Epileptiforme Entladungen bei Männern sind von einer akuten Prolaktinerhöhung begleitet [56] und können auch von akuten Veränderungen der LH-Sekretion begleitet sein [6]. Quigg et al. [57] haben gefunden, dass die LH-Pulsfrequenz und die mittlere Konzentration interiktal niedriger und die Pulsamplituden höher als bei Kontrollen sind. Postiktal haben sie keine Veränderung der mittleren Pulsfrequenz gefunden, aber sie fanden eine signifikante Veränderung in der Regulation des Vorkommens von LH-Pulsen. Klinisch kommt es bei Männern mit rechts lateralisierender temporolimbischer Epilepsie zu häufigerem Auftreten sexueller Dysfunktionen als mit links lateralisierender [3, 37, 58]. Es gibt noch aus Tierexperimenten zusätzliche Evidenz, dass die linke und die rechte Seite des Hypothalamus einen unterschiedlichen Effekt auf die Sexualfunktion ausüben [59]. Die Testosteronspiegel können bei Männern mit einem temporalen Fokus niedriger verglichen mit Männern mit extratemporalen Foci sein [60]. Erfolgreiche Temporolobektomie bei hypogonadalen Männern mit therapieresistenten Anfällen wurde mit einer Normalisierung der Testosteronspiegel assoziiert [61] und eine Verbesserung des sexuellen Interesses und der Sexualfunktion festgestellt [62]. Eine bemerkenswert hohe Frequenz an abnormalen Befunden von Samenanalysen wurde sowohl bei unbehandelten als auch bei behandelten Männern mit Epilepsie berichtet [4, 63].

Veränderungen der reproduktiven Steroidkonzentrationen können sich auf die Anfallssituation als auch auf die reproduktive Funktion auswirken. Während Östrogen prokonvulsiv und Progesteron antikonvulsiv ist, scheint der Effekt von Testosteron in den meisten Tiermodellen mit fokalen Epilepsien unterschiedlich zu sein. Dies kann einerseits durch den abgeschlossenen Metabolismus zu Östradiol mithilfe der Aromatase sein [64], oder es kann auch durch die Reduktase zu Dihydrotestosteron metabolisiert werden und weiter zu Androstanediol, einem potenten GABAergem Steroid mit Antianfallseigenschaften [6, 65].

Fazit für die Praxis

  • Störungen der Fortpflanzungsfähigkeit sind bei Frauen und Männern mit Epilepsie häufiger als in der Normalbevölkerung.

  • Störungen der Hypothalamus-Hypophysen-Achse (HPA) sind durch Temporallappenanfälle und durch Einflüsse der AEDs auf den Steroidhormonstoffwechsel möglich.

  • An endokrinen Syndromen findet man das polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS), hypothalamische Amenorrhöen (HA) bei Frauen und erektile Dysfunktionen verbunden mit Libidoverlust und pathologische Veränderungen der Spermienqualität bei Männern mit Epilepsie.

  • Enzyminduzierende Antiepileptika zeigten einen signifikanten Abfall von LH und Östradiol sowie einen Anstieg von SHBG und Prolaktin. Die durch den SHBG-Anstieg vermehrte Proteinbindung senkt die Serumkonzentrationen der frei wirksamen Sexualsteroide bei Männern und Frauen.