Barbitursäurederivate und Epilepsie

Die Verdienste Alfred Hauptmanns in der Epilepsietherapie sind unbestritten: Im Jahr 1912 publizierte der damalige Assistenzarzt an der Universitätsnervenklinik in Freiburg die erste klinische Studie über den anfallshemmenden Effekt von Phenobarbital (Luminal®, [1, 2]).

Allerdings war Hauptmann nicht der Erste, der über die prophylaktische Wirkung der Barbiturate bei der Behandlung epileptischer Anfälle berichtete. Krämer [3] weist in seinem in jeder Hinsicht großen Lexikon der Epileptologie darauf hin, dass Diäthylbarbitursäure (Barbital, Veronal®) bereits vor der Einführung von Phenobarbital nicht nur als Schlafmittel, sondern vorübergehend auch in der Epilepsietherapie eingesetzt wurde.

In der im Deutschen Epilepsiemuseum Kork aufbewahrten Medizinische Klinik Nr. 45, aus dem Jahr 1909 berichtet ein „Dr. Liebl, Gemeindearzt in Seefeld i. T.“ über 2 epilepsiekranke Patienten (17 und 4 Jahre alt), die er beide erfolgreich mit Veronal® behandelt habe [4]. In der Zusammenfassung seiner Kasuistiken weist der Autor insbesondere darauf hin, dass das Medikament (auch) in der anfallsfreien Zeit verabfolgt werden müsse, und dass „Akkumulierung und Intoxikation“ (gerade im Vergleich zu den in damaliger Zeit häufig eingesetzten Bromsalzen!) „nicht zu befürchten seien“. Dieser Hinweis auf die anfallshemmende Wirkung eines Barbitursäurederivats erfolgte somit bereits 3 Jahre vor Hauptmanns richtungweisender Publikation.

Veronal war 1882 in einem umständlichen chemischen Prozess erstmals synthetisiert worden [5] und hatte 1903, nachdem Emil Fischer eine problemlose „Neu-Synthetisierung“ gelungen war, als Medikament bei Schlafstörungen Eingang in die klinische Therapie gefunden [6].

Nicht zuletzt der Missbrauch als „Suizid-Mittel“ (sowohl in der Realität als auch in der Belletristik und im Film) hat dazu geführt, dass Barbital (Veronal®) in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts vom Markt genommen wurde.