Vor dem Hintergrund der aktuellen Dynamik in der Notfallversorgung besteht für Notaufnahmen ein zwingender Bedarf an der kontinuierlichen Erfassung relevanter Kennzahlen. Abrechnungsdaten sind dafür als Basis nur bedingt geeignet, da in diesen spezifische Aspekte der Notfallversorgung, wie Symptomatik oder die Behandlungsdringlichkeit, nicht adäquat adressiert werden. Die Nutzung von Interoperabilitätsstandards ermöglicht im AKTIN-Notaufnahmeregister ein internes Berichtswesen unabhängig vom IT-System der jeweiligen Notaufnahme und fördert dabei gleichzeitig einrichtungsübergreifende Auswertungen.

Hintergrund und Fragestellung

Sowohl die Strukturen als auch das Versorgungsgeschehen in den Notaufnahmen deutscher Krankenhäuser sind sehr heterogen. Kontinuierliche und multifaktoriell bedingte Veränderungsprozesse wirken sich beispielsweise auf Fallzahlen und das zu versorgende Patientenspektrum aus. Durch den Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zu einem gestuften System von Notfallstrukturen in Krankenhäusern wurden 2018 erstmalig vorzuhaltende Versorgungsstrukturen verbindlich festgelegt [4]. Gleichzeitig empfiehlt der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR Gesundheit) in seinem Gutachten 2018 eine sektorenübergreifende Neugestaltung der Notfallversorgung [21]. Neben diesen gesundheitspolitisch induzierten Rahmenbedingungen führt der demografische Wandel zu erhöhter Inanspruchnahme und verändertem Krankheitsspektrum der zu versorgenden Patienten. Darüber hinaus müssen sich Notaufnahmen wiederkehrenden saisonalen Phänomenen wie der jährlichen Grippewelle [8] oder akuten dramatischen Herausforderungen wie zuletzt der Coronapandemie seit dem Jahr 2020 stellen.

Diese Faktoren beeinflussen auch die internen Prozesse in den einzelnen Notaufnahmen, sei es durch Schwankungen der Fallzahlen oder Abweichungen vom gewohnten Versorgungsspektrum. Dennoch fehlt es an Standards zur kontinuierlichen kennzahlbasierten Beschreibung des Versorgungsgeschehens in Notaufnahmen [20]. Die obligatorische fallbezogene Datenerfassung für die Kostenträger divergiert zwischen den Vergütungssystemen und Versorgungssektoren [9]. Zudem sind dort keine Angaben zu Symptomen und Behandlungsdringlichkeit als Ausgangspunkt der diagnostischen und therapeutischen Prozesse in einer Notaufnahme enthalten [6, 18]. Diese Aspekte erfordern daher eine andere bzw. erweiterte Datenbasis.

Ziel dieses Beitrags ist die Darstellung der inhaltlichen Entwicklung sowie der technischen Umsetzung eines lokalen monatlichen Reportings für Notaufnahmen im Rahmen des AKTIN-Projekts (hervorgegangen aus dem Aktionsbündnis für Informations- und Kommunikationstechnologie in Intensiv- und Notfallmedizin) [3]. Datengrundlage ist die medizinische Routinedokumentation gemäß Datensatz Notaufnahme Version 2015.1 der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) e. V. [12].

Methodik

Erster Entwurf und Prototyp

Grundlage für den ersten Entwurf war ein interner Bericht aus der Notfallaufnahme des Klinikums Wolfsburg. Dieser wird dort bereits seit 2012 monatlich über eine Datenbankabfrage aus dem Krankenhausinformationssystem und ein internes Reporting-System manuell erstellt. Unter Verwendung der Standards des Datensatzes Notaufnahme der DIVI (V2015.1 Basismodul [13]) und Nutzung eines realen anonymisierten Testdatensatzes mit ca. 3000 Fällen wurde eine Modellfassung in Microsoft® Word® (Microsoft Corporation, Redmond, WA, USA) erstellt. Dieser Entwurf wurde von einer interprofessionellen Expertengruppe überarbeitet, die aus zwei leitenden Ärzten und einer Pflegekraft mit der Fachweiterbildung „Notfallpflege“ bestand. In mehreren Überarbeitungsrunden wurde dieser Prototyp zuerst mit den Testdaten und später in den AKTIN-Kliniken mit realen Daten erstellt und anschließend auf Fehler, inhaltliche Schwächen, Implausibilitäten sowie Optimierungspotenzial bezüglich der Darstellungen überprüft. Der Prozess wurde durch die Sektion Notaufnahmeprotokoll der DIVI begleitet.

Zusammenstellung der gewünschten Inhalte

Der Bericht sollte das Versorgungsgeschehen einer Notaufnahme möglichst ausgewogen und umfassend jenseits von Abrechnungsdaten abbilden. Als externe Referenzen zur Auswahl der Kennzahlen wurden eine systematische Literaturrecherche zu Qualitätsindikatoren in der Notaufnahme [10] und eine darauf basierende standardisierte Bewertung von Qualitätsindikatoren für die Notaufnahme [14] berücksichtigt, ebenso über den Datensatz Notaufnahme abbildbare Steuerungsindikatoren für eine Zertifizierung nach DGINA Zert 2.0 [5]. Der Fokus wurde auf Kennzahlen gelegt, die zum einen auf möglichst alle Patienten in der Notaufnahme zutreffen und bei denen zum anderen eine gute Datenqualität antizipiert wurde. Entitätsbasierte und organisationsbereichsübergreifende Qualitätsindikatoren wie z. B. die „Door-to-balloon“-Zeit von Patienten mit akutem Herzinfarkt wurden nicht einbezogen, da sich der Datensatz Notaufnahme auf die Dokumentation innerhalb der Notaufnahme beschränkt.

Technische Umsetzung

Technische Voraussetzung ist eine digitale Dokumentation im jeweiligen Notaufnahmeinformationssystem (Emergency Department Information Systems [EDIS]) sowie kontinuierliche Datenübermittlung an ein lokales AKTIN-Data Warehouse (DWH) im Datenaustauschstandard HL7 CDA [3, 16]. Die gesamte Datenverarbeitung und Berichterstellung erfolgt vollautomatisiert auf dem AKTIN-Server innerhalb der Notaufnahme, sodass keine Rohdaten den Verantwortungsbereich der Organisationseinheit verlassen.

Die Erstellung der Berichte ist modular aufgebaut und in drei Schritte gegliedert [24]. Zuerst erfolgt die Abfrage der benötigten Daten aus dem DWH; der Zeitraum dafür ist in der Regel der abgelaufene Monat. Über ein R‑Skript (The R Foundation for Statistical Computing, Wien, Österreich) werden die Daten eingelesen, die Kennzahlen berechnet sowie die Tabellen und Grafiken erzeugt. Der letzte Schritt ist die Erzeugung des „fertigen Berichts“ im PDF-Format über Apache Formatting Objects Processor (FOP) (The Apache Software Foundation, Wilmington, DE, USA) mit einheitlichen Layout- und Formatierungsvorlagen (Abb. 1). Die Berechnungen und Präsentationen sind für Auswertungen auf Monatsbasis optimiert, funktionieren grundsätzlich aber auch mit frei definierbaren Zeiträumen.

Abb. 1
figure 1

Verarbeitungsschritte zwischen Notaufnahmeinformationssystem, AKTIN-Data Warehouse und dem Monatsbericht. (Modifiziert nach Poster zu Thiemann et al. [24])

Ergebnisse

Implementierung der technischen Infrastruktur

In den ersten Notaufnahmen wurde der AKTIN-Monatsbericht im April 2017 für den Berichtszeitraum März 2017 vollautomatisch aus der lokalen Routinedokumentation erstellt. Nach mehreren Überarbeitungsrunden ist seit Anfang 2018 Version V01.4 (Stand 12/2020) implementiert. Der Bericht wird regelhaft am achten Tag des Folgemonats generiert und als PDF-Dokument den Notaufnahmeleitern und ggf. weiteren im System hinterlegten Empfängern per interner E‑Mail übermittelt. Die Auswahl anderer Zeiträume (z. B. eine Woche, ein Quartal, ein ganzes Jahr) kann über die Benutzeransicht erfolgen.

Auswahl und Darstellung der Inhalte

Der AKTIN-Monatsbericht bezieht literaturbasiert mehrere ausgewiesene Kennzahlen für die klinische Notfallversorgung ein [5, 10, 14]. Gleichzeitig bildet er normative Vorgaben ab, wie die Ergebnisse der strukturierten Ersteinschätzung gemäß G‑BA-Beschluss [4]. Darüber hinaus enthält er Elemente des konsentierten Utstein-Berichtsstandards für Notaufnahmen [11].

Der Bericht hat in der Version V01.4 einen Umfang von 18 Seiten und enthält folgende Kapitel mit insgesamt 16 Tabellen und 13 Grafiken (Tab. 1):

  1. 1.

    Demografische Beschreibung des Patientenkollektivs

  2. 2.

    Patientenaufkommen im Tages- und Monatsverlauf

  3. 3.

    Zuweisung und Transportmittel

  4. 4.

    Ergebnis (Stufen) der Ersteinschätzung

  5. 5.

    Ausgewählte Prozesszeiten im Kontext der Ersteinschätzung

  6. 6.

    Verlegung und Entlassung

  7. 7.

    Aufenthaltsdauer der Patienten

  8. 8.

    Vorstellungsgründe und führende Diagnosen

  9. 9.

    Zahl der infektiösen und isolierten Patienten

Tab. 1 Auswahl und Darstellung der Kennzahlen des AKTIN-Monatsberichts V01.4

In der Regel werden absolute und relative Häufigkeiten dargestellt; fehlende Werte werden zur Abschätzung der Dokumentationsqualität separat ausgewiesen. Die Ex-ante-Sicht der Notfallversorgung wird durch Ausweisung der Vorstellungsgründe nach CEDIS-Systematik (Canadian Emergency Department Information System [7], deutsche Version siehe http://links.lww.com/EJEM/A156 [2]) berücksichtigt. Abb. 2 und 3 sowie Tab. 23 und 4 zeigen ausgewählte pseudonymisierte Beispiele aus September 2020. Bei den Abb. 4 und 5 handelt es sich um Entwürfe für das nächste Update.

Tab. 2 Relative Häufigkeiten der Zuweisungsart im Vergleich von zwei exemplarischen Notaufnahmen
Tab. 3 Relative Häufigkeiten des Verbleibs der Patienten im Vergleich von zwei exemplarischen Notaufnahmen
Tab. 4 Relative Häufigkeiten der Vorstellungsgründe nach CEDIS-Systematik
Abb. 2
figure 2

Durchschnittliche Fallzahl der eintreffenden Patienten nach Tageszeit (Montag bis Freitag blaue Quadrate, Samstag und Sonntag graue Dreiecke)

Abb. 3
figure 3

Verteilung der Gesamtaufenthaltsdauer aller Patienten. Fehlende Werte 0; Median 207 min, Mittelwert 232 min, Werte über 600min 50 (Werte zwischen 10 und 24 h werden in der Grafik nicht angezeigt, fließen aber in die Berechnung der Kennzahlen mit ein)

Abb. 4
figure 4

Verteilung der Prozesszeiten zwischen Aufnahme und Ersteinschätzung in Darstellung als Boxplot mit Sollvorgabe (a) und Histogramm (b). Anzahl berücksichtigter Zeiten 2024, davon 1125 (55,6 %) innerhalb von 10 min, Anzahl fehlender Werte 166, Anzahl ungültiger Werte >60min 33, Anzahl ungültiger Werte <0min 0, Median 8 min, Mittelwert 10,6 ± 9,7 min. (Entwurf auf Basis von Testdaten)

Abb. 5
figure 5

Verteilung der Prozesszeiten (Minuten) zwischen Aufnahme und Arztkontakt nach Kategorie der Ersteinschätzung. (Entwurf auf Basis von Testdaten)

Nicht berücksichtigte Parameter

Um den Bericht möglichst generisch zu halten, wurde auf Angabe der eingehaltenen Zielzeiten gemäß Manchester-Triage-System (MTS; [17]) verzichtet, da der Emergency Severity Index (ESI) diese Zeitvorgaben nicht kennt. Stattdessen werden die statistischen Lagemaße Minimum, Maximum, Mittelwert und Median ausgewiesen.

Der Zeitpunkt des Therapiebeginns ist zwar Bestandteil des Datensatzes Notaufnahme; er lässt sich aber kaum krankheits- bzw. therapieübergreifend operationalisieren, sodass auf die Berechnung von Prozesszeiten mit diesem Parameter verzichtet wurde.

Bei der Weiterentwicklung des Prototyps wurde eine Darstellung der Auslastung der Notaufnahmen bzw. eines „Crowding“ vorerst zurückgestellt. Gründe waren unterschiedliche Erwartungen der Beteiligten, die noch weitgehend unbekannte Datenlage in den einzelnen Notaufnahmen sowie die Komplexität der Thematik mit vielfältigen Einflussfaktoren [23].

Erfahrungen aus dem Entwicklungsprozess

Trotz Nutzung eines standardisierten Datensatzes erwies sich die Berechnung mancher Kennzahlen als sehr komplex, da die Programmierer aus Gründen des Datenschutzes keinen Einblick in die Rohdaten hatten. Durch die verschiedenen IT-Systeme und unterschiedliche Prozesse der beteiligten Notaufnahmen kam es mehrfach zu Datenkonstellationen und Folgefehlern, die aus dem Testdatensatz nicht abgeleitet werden konnten. Daher waren mehrere Überarbeitungsrunden zur Optimierung der primär hinterlegten Formeln und Plausibilitätskontrollen notwendig.

Bei Ausreißern zeigten sich die Grenzen zwischen sehr hohen, anscheinend unplausiblen und falschen Werten fließend. Hier mussten Grenzen konsentiert werden, um fragwürdige Werte aus der Berechnung der statistischen Kennzahlen auszuschließen, da das arithmetische Mittel sensibel auf Extremwerte reagiert. Für den Prozess zwischen Aufnahme und Ersteinschätzung beispielsweise wurde eine Ersteinschätzung später als 60 min nach administrativer Aufnahme als ungültig definiert (Abb. 4). Die 33 Fälle werden zwar berichtet; die Berechnung von Mittelwert und Median erfolgt aber nur auf Basis der gültigen Angaben. Unabhängig, ob es sich um reale zu lange Prozesszeiten oder Artefakte durch beispielsweise nachträgliche Dokumentation der Ersteinschätzung handelt, sollte diese Zahl möglichst niedrig sein.

Diskussion

Mit dem Monatsbericht wird den Teilnehmern des AKTIN-Notaufnahmeregisters ein Instrument zur Verfügung gestellt, welches monatlich und für frei wählbare Zeiträume relevante Kennzahlen des Versorgungsgeschehens in Form von Tabellen und Grafiken aufbereitet. Voraussetzung ist eine digitale, standardisierte und strukturierte klinische Dokumentation. Auf diese Weise ist der Bericht unabhängig von administrativen Routinedaten und berücksichtigt sektorenübergreifend und unabhängig von Kostenträger, Abrechnungsmodus und Fallart alle in einer Notaufnahme versorgten Patienten [9].

Zusammenstellung der Inhalte

Die im Expertenkonsens von Fach- und Führungskräften sowie Methodikern auf Basis von externen Referenzen zusammengestellten Variablen haben sich als praxistauglich erwiesen. Das Ergebnis ist ein aus Sicht der Autoren ausgewogenes Set von Kennzahlen, welches einen Überblick über das Versorgungsgeschehen in der eigenen Notaufnahme vermittelt. Darin enthalten ist eine zwischenzeitlich eingeführte normative Vorgabe des G‑BA, die Durchführung der Ersteinschätzung [4].

Der Schwerpunkt wurde auf Indikatoren gelegt, die für möglichst viele Patienten zutreffen und die zeitlich auf den Notaufnahmeaufenthalt beschränkt sind. Dazu zählen auch patientenbezogene Kennzahlen des Utstein-Berichtsstandards zur Vergleichbarkeit von Notaufnahmen im Kontext internationaler Studien [11]. Die spezifischen Qualitätsindikatoren der Tracerdiagnosen sind über die entitätsbezogenen Register hinreichend und in der Regel auch abteilungs- oder sogar sektorenübergreifend abgedeckt [22]. Der jährliche Bericht des TraumaRegisters DGU® bietet komplexere und detailliertere Berechnungen, basiert aber auf deutlich geringeren Fallzahlen pro Klinik [15]. Zudem werden die Daten dort teilweise ausschließlich für das Register dokumentiert und vor Berichterstellung manuell aufbereitet.

Nutzen und Mehrwert für die Notaufnahmen

Die Inhalte des AKTIN-Monatsberichts sind ohne zusätzlichen Dokumentationsaufwand und für jeden beliebigen Zeitraum verfügbar. Aus Sicht der ärztlichen Leitungen lassen sich die standardisierten Berichte für verschiedene Zwecke nutzen:

  • Steuerungselement und Qualitätssicherung der selbst zu verantwortenden Prozesse in der Notaufnahme

  • Transparente Datengrundlage für den Dialog mit den aufnehmenden Fachabteilungen sowie der Geschäftsführung im Hause

  • Nachweis gegenüber externen Stakeholdern, wie z. B. Kostenträgern oder dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK)

Auf Basis regelmäßiger Berichte können mögliche Schwachstellen in der Notaufnahme identifiziert und Prozessveränderungen qualitätssichernd im Verlauf beurteilt werden. Die Kenntnis wiederkehrender Schwankungen des Patientenaufkommens im Tages- und Jahresverlauf (z. B. Grippewelle oder „Sommerloch“) lassen sich beispielsweise für die Personalplanung nutzen. Gleichzeitig wird eine Fokussierung auf die relevanten Prozesse möglich, z. B. auf eine ausreichende diagnostische Ausstattung für die Patientengruppen mit den häufigsten Vorstellungsgründen. Auf Basis einer elektronischen medizinischen Dokumentation lässt sich die „echte“ Inanspruchnahme einer Notaufnahme besser als über Abrechnungsdaten abbilden. Letztere weisen keine Vorstellungsgründe aus und zählen nicht die einzelnen Aufenthalte, sondern lediglich die Abrechnungsfälle.

Des Weiteren ermöglicht das Feedback regelmäßiger Auswertungen eine sukzessive Optimierung der Datenqualität. So können Einzelfallbetrachtungen im Kontext des Beschwerdemanagements oder von MDK-Prüfungen auf eine zunehmend bessere Datenlage zurückgreifen.

Vorteil des Monatsberichts gegenüber eigenen oder herstellerspezifischen Auswertungen

Nicht alle Hersteller bieten in ihrem EDIS eine praktikable Funktionalität zur Generierung von Statistiken oder Auswertungen an. Diese können ggf. frei konfigurierbar sein, sind aber aufgrund der fehlenden Standardisierung nur bedingt mit Daten aus anderen Notaufnahmen vergleichbar.

Aus technischer Sicht ist der Bericht vom Dokumentationssystem der jeweiligen Notaufnahme losgelöst. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um das Produkt eines Herstellers oder einer Eigenentwicklung handelt. In der Außendarstellung haben die Auswertungen aus AKTIN im Vergleich zu „hauseigenen Daten“ den Vorteil, dass die Berichtsformate einem regelmäßigen, kritischen Peer Review unterzogen werden. Das gilt auch für die monatlichen Benchmark-Berichte des AKTIN-Notaufnahmeregisters [19], in welchem die eigenen Daten im Vergleich zu den anderen teilnehmenden Notaufnahmen beurteilt werden können.

Wechselwirkungen im Umfeld von Standardisierung und Digitalisierung

Voraussetzung ist eine konsequente standardisierte Dokumentation sowie die Nutzung von Interoperabilitätsstandards [16]. Bei den in Notaufnahmen vorhandenen hohen Fallzahlen sollten weitestgehend prozessgenerierte Daten aus der Routinedokumentation genutzt werden. Das betrifft insbesondere die Erfassung von Zeitpunkten zur Berechnung von Prozesszeiten. Der Zeitpunkt der Ersteinschätzung beispielsweise muss mit Durchführung der Ersteinschätzung automatisch als Zeitstempel erfasst werden. Eine manuelle Eintragung der Uhrzeit entspräche nicht dem Stand der Technik, verringert die Akzeptanz der Dokumentierenden und hätte damit einen negativen Einfluss auf die Datenqualität.

Bei ambulanten Patienten wird oft nur der Aufnahmezeitpunkt – in der Regel die administrative Aufnahme – dokumentiert, nicht aber die Entlassung aus der Notaufnahme. Die Berechnung der Notaufnahmeauslastung bzw. der gleichzeitig anwesenden Patienten erfordert jedoch eine konsequente Erfassung des Entlassungs- bzw. Verlegungszeitpunkts.

Der AKTIN-Monatsbericht dient nicht nur der transparenten Darstellung des Versorgungsgeschehens in den einzelnen Notaufnahmen, sondern funktioniert auch als Instrument zur kontinuierlichen Verbesserung der Datenqualität. Die Daten lassen sich zum einen für innerbetriebliche Zwecke nutzen, zum anderen bieten sie gleichzeitig eine solide Grundlage für das zwischenzeitlich etablierte einrichtungsübergreifende Benchmarking sowie eine Surveillance auf Basis von Notaufnahmedaten [1, 19]. Damit handelt es sich um einen Baustein der vom SVR Gesundheit geforderten digitalen Vernetzung [21].

Limitationen

Bei einzelnen Variablen des Notaufnahmeprotokolls hat sich gezeigt, dass diese in manchen Kliniken mit anderen oder zusätzlichen Ausprägungen dokumentiert werden. Das erschwert deren Einbindung in die AKTIN-Infrastruktur oder macht diese unmöglich. Diagnostische Prozeduren wie Labor oder Bildgebung werden häufig in Subsystemen erfasst, sodass darauf basierende Kennzahlen (z. B. Zeit bis EKG, Zeit bis CT) bislang noch nicht im Standardbericht berücksichtigt wurden. Gleiches gilt für die Einbindung von bereichsübergreifenden Prozesszeiten, obwohl die Auslastung der Notaufnahme die Dauer bis zur Durchführung dringlicher Interventionen (z. B. „Door-to-balloon“-Zeit) erheblich beeinflussen kann. Auch pflegerische Aspekte lassen sich bislang nicht abbilden.

Ausblick

Der AKTIN-Monatsbericht unterstützt die Prozesssteuerung in Notaufnahmen durch Visualisierung von Aspekten der Prozessqualität und kann als Baustein für internes Qualitätsmanagement genutzt werden. Zum derzeitigen Zeitpunkt erhebt der Bericht weder den Anspruch auf ein fertiges Produkt, noch auf ein singulär einzusetzendes Instrument zur Messung der Versorgungsqualität.

Die sukzessive Anpassung und die Erweiterung der Inhalte sind ein programmatischer Ansatz. Dabei gilt für die Akzeptanzsicherung als Grundsatz, dass AKTIN nur klinisch relevante Routinedaten nutzt und auf die Erhebung von zusätzlichen Daten verzichtet. Neben einer Aktualisierung des Datensatzes Notaufnahme scheint dafür auch eine Vereinheitlichung der administrativen Dokumentationsanforderungen für Notaufnahmebehandlungen erforderlich. Nur so kann eine Datengrundlage geschaffen werden, um die anstehenden Strukturveränderungen in der klinischen Notfallversorgung systematisch bewerten und evaluieren zu können.

Fazit für die Praxis

  • Der AKTIN-Monatsbericht fördert die Nutzung von Interoperabilitätsstandards vor Ort und bringt damit die Standardisierung und Digitalisierung der Datenerhebung in der klinischen Notfallmedizin voran.

  • Die Operationalisierung und erstmalige Berechnung definierter Kennzahlen sollte immer auch anhand von echten Primärdaten erfolgen. Eine lediglich auf einer theoretischen Datensatzbeschreibung basierende Auswertungsroutine kann die realen Limitationen der Daten nicht berücksichtigen und ggf. aufwendige Korrekturen erforderlich machen.

  • Eine regelmäßige standardisierte Auswertung praxistauglicher und relevanter Kennzahlen führt klinikintern, aber auch gegenüber externen Stakeholdern zu mehr Transparenz und verbessert sukzessiv die Gesamtdatenlage.

  • Die datenbasierte Abbildung der Versorgungsrealität bietet Möglichkeiten zum Monitoring von Prozessen sowie zur Erfassung von Ressourcenbedarf und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Patientensicherheit.