Im April 2012 wurde die zentrale Rufnummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes eingeführt. Unter der bundesweit einheitlichen Rufnummer 116 117 erreichen die Bürger den ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigungen.

Krankheiten kennen keine Sprechzeiten

„Krankheiten kennen keine Sprechzeiten“ wird auf der Homepage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) festgestellt. „Überall in Deutschland sind niedergelassene Ärzte im Einsatz, die Patienten in dringenden medizinischen Fällen ambulant behandeln – auch nachts, an Wochenenden und an Feiertagen.“

In einigen Großstädten ist es üblich, dass mit der Wahl der (Not-)Rufnummer des Kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes der Anrufer bei Vorliegen eines Notfalls direkt an die zuständige Leitstelle weiterverbunden wird. Nicht allein aufgrund der Tatsache, dass die Rufnummer des Bereitschaftsdienstes weitaus weniger bekannt ist als die zentrale Notrufnummer „112“– meistens wird sie über die Telefonauskunft, Tageszeitungen oder im Internet abgerufen – tut sich der hilfesuchende Bürger schwer: Er kann nicht ohne weiteres einschätzen, ob sein Hilfeersuchen nun als lebensbedrohlich einzustufen ist („Wenn ich meine Herzmittel nicht nehme,...“) oder vielleicht auch nicht.

Hilfsfrist

Die durchaus von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Vorgabe an den Rettungsdienst, in einem bestimmten Zeitintervall ein Rettungsmittel zum Patienten zu schicken, wird insofern relativiert, als dass sich die Zielvorgabe auf das „ersteintreffende Rettungsmittel“ bezieht. Muss dann ein höherwertiges Rettungsmittel – z. B. ein Notarzt – nachgefordert werden, dauert es bis zum Beginn der ärztlichen Maßnahmen schon einmal etwas länger. Ein Quantensprung ist dann allerdings der ärztliche Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung entfernt: Sofern der Bürger nicht selbst in die Praxis kommen kann, dauert es häufig um ein mehrfaches länger, ehe der diensthabende Arzt eintrifft.

Telefonvermittlung

Denkbar wäre, dass bei Wahl der Notrufnummer „112“ ein Disponent entscheidet, ob es sich um einen Fall für den ärztlichen Bereitschaftsdienst oder für die Rettungsleitstelle handelt. Interessant ist ein Pilotprojekt im Saarland: Wer ab dem 1. Juli die „116 117“ wählt, landet in der Rettungsleitstelle, die entscheidet, ob der Notarzt oder der Hausarzt zuständig ist. So der Beschluss der KV-Vertreterversammlung. Damit nutzt das Saarland die Einführung der neuen Rufnummer für den ärztlichen Bereitschaftsdienst, um die Notrufsysteme in der medizinischen Versorgung zu zentralisieren. In einem regionalen Pilotprojekt hat sich zudem gezeigt, dass jeder dritte Anruf weder ein Fall für den Notarzt noch für den Bereitschaftsdienst war.

Interessant ist diese Entwicklung insofern, als die Landesärztekammer Thüringen gerade mitgeteilt hat, dass rund 195.000 der insgesamt 580.000 Krankenhauspatienten im Jahr 2010 notfallmedizinisch versorgt werden mussten.

Jeder dritte Klinikpatient ein Notfall?

Diese Zahl aus Thüringen ist alarmierend, da es verschiedene Faktoren in der modernen Industriegesellschaft gibt, die das Aufsuchen ärztlichen Rats außerhalb der üblichen Sprechzeiten in Praxen oder Ambulanzen fördern: Zu nennen sind u. a. die generelle Verlängerung der Arbeitszeit, längere Wegstrecken zur Arbeit, die zunehmende Zahl an Pendlern, aber auch der generelle Druck, nicht während der Arbeitszeit zum Arzt gehen zu wollen, um nicht den Arbeitsplatz zu riskieren (insofern stehen die über die vergangenen Jahre publizierten Statistiken über die im Durchschnitt abnehmenden Fehlzeiten von Arbeitnehmern am Arbeitsplatz auf „tönernen Füßen“ …). Notfallaufnahmen werden heute häufiger als noch vor wenigen Jahren aufgesucht, oder es wird eben der Bereitschafts- oder Notdienst kontaktiert.

Ökonomische Gesichtspunkte

Die Kliniken selbst müssen sich hierauf einstellen. Sie kommen allerdings unter ökonomischen Gesichtspunkten insofern unter Druck, als bei dünner werdender Personaldecke jeder Mitarbeiter, der im Bereitschaftsdienst eingeteilt wird, in der normalen (Kern-)Arbeitszeit fehlt. Ganz abgesehen davon, dass der Bereitschaftsdienst allein vom Namen her „Bereitschaft“ ist – auch für den Personalplaner ist es nicht ohne weiteres vorhersehbar, wie viele Patienten mit welchen Krankheitsbildern den Bereitschaftsdienst aufsuchen und in welchem Ausmaß beschäftigen werden. Nicht selten gilt es zudem zu berücksichtigen, dass nicht jede am Tag verfügbare Ressource – im Fall von notwendig werdenden und weiterführenden Spezialuntersuchungen – im Bereitschaftsdienst verfügbar ist. Damit nimmt die Zahl an Arzt-Patienten-Kontakten zu, die „Leistung“– im eigentlichen Sinne als Quotient aus Arbeit pro Zeiteinheit – rein rechnerisch durch Steigerung des Nenners ab.

Nachtruhe in Krankenhäusern

Der gesundheitspolitische Aspekt einer Versorgung der Bevölkerung zu jedem Zeitpunkt mit allen zur Verfügung stehenden medizinischen Maßnahmen ist längst nicht mehr realisierbar. Knapp über 2000 liegt die Zahl der Krankenhäuser allein in Deutschland. Viele leisten sich schon keine „Rund um die Uhr“ dienstbereite Notfallambulanz mehr. Der Rettungsdienst ist dann auf Ausweichkliniken angewiesen. Ein „machbares“ Problem in Ballungsräumen mit vielen Klinikanbietern, ein immenses Problem allerdings „in der Fläche“: Sowieso schon verlängerte Anfahrtswege zum Patienten sind dann tageszeitlich abhängig noch einmal mit einem möglicherweise verlängerten Transport für den Patienten verbunden – vorausgesetzt, der Disponent verfügt über ein zuverlässiges Instrument, welcher Behandlungsplatz für welches medizinische Problem aktuell verfügbar ist.

Stationierung und Disposition der Rettungsmittel

Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Bericht aus Bayern: Ein „weisser Fleck“ in der Abdeckung des Freistaates für den Einsatz von Rettungshubschraubern führte jüngst zu dem Plan, einen Hubschrauber geographisch etwas weiter südlich zu positionieren. Eine an sich logische Maßnahme, die allerdings von kritischen Bürgern aktuell hinterfragt wird: Der betreffende Hubschrauber sei häufiger auch für den Transport von Organtransplantaten im Einsatz, was hilft es da, wenn der Hubschrauber zwar am entsprechenden Ort stationiert, aber häufiger anderweitig und anderorts im Einsatz ist?

Ihre

Hans-Richard Arntz

Uwe Kreimeier