Zusammenfassung
Hintergrund
Tibiakopffrakturen repräsentieren 1–2 % aller Frakturen des Menschen. Bei komplexer Beteiligung der tibialen Gelenkfläche und Begleitverletzungen des Weichteilmantels stellen sie mitunter eine besondere Herausforderung dar.
Klassifikation
Im deutschsprachigen Raum hat sich die Klassifikation der Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen (AO) durchgesetzt, sie orientiert sich an der radiologischen Frakturmorphologie. Im angloamerikanischen Raum wird bevorzugt die Einteilung nach Schatzker angewendet.
Diagnostik
Das Ausmaß des Weichteilschadens ist ein wichtiger Faktor bei der operativen Planung und Entscheidungsfindung. Goldstandard in der Bildgebung sind das konventionelle Röntgenbild in 2 Ebenen und die Computertomographie mit 3-D-Rekonstruktion. Für die Beurteilung von Begleitschäden hat die Magnetresonanztomographie eine besondere Aussagekraft.
Behandlung
Eines der wesentlichen therapeutischen Ziele ist die Vermeidung einer posttraumatischen Gonarthrose. Das Fraktur- und Zeitmanagement hängen von der „Persönlichkeit der Fraktur“ ab. Als Implantate kommen vorwiegend Schrauben und winkelstabile Plattensysteme zum Einsatz. Die Bedeutung der arthroskopischen Versorgung nimmt zu. Zur Defektauffüllung gewinnen künstliche Knochenersatzmaterialien an Bedeutung.
Schlussfolgerung
Bei jüngeren Patienten mit operativer Versorgung und Niedrigenergietraumata sind gute Langzeitergebnisse zu erwarten. Bei Hochenergietraumata und ausgeprägter Gelenkzerstörung ist das Outcome schlechter. Durch die fortwährende Weiterentwicklung von Operationstechnik, Implantaten und Knochenersatzmaterial könnten die Ergebnisse verbessert werden.
Abstract
Background
Tibial plateau fractures represent 1–2 % of all human fractures. Complex fractures affecting the tibial joint surface and accompanying injuries of the soft tissue covering can be a special challenge for surgeons. This paper provides the current state of treatment options.
Classification
In German-speaking countries the classification of the Working Group for Osteosynthesis (Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen, AO) is accepted as the gold standard but in English-speaking countries the classification by Schatzker is preferred.
Diagnostics
The severity of the soft tissue injury is the main factor for determining the time of operation and for perioperative decision making. The gold standards in imaging diagnostics are conventional x-ray photographs in two planes and computed tomography plus 3D reconstruction. Magnetic resonance imaging plays the most important role in evaluating concomitant injuries of ligaments and menisci.
Therapy
One of the main goals is to avoid posttraumatic arthritis of the knee joint. Time and fracture management depend on the so-called personality of the fracture. Screws and locking plates are most commonly used as implants. The importance of arthroscopically assisted surgery is increasing. For filling bone defects artificial bone graft substitutes are inserted more frequently.
Conclusion
The long-term outcome of surgically treated younger patients with low energy trauma seems to be good. Poorer results can be expected in cases with high energy trauma and higher degrees of destruction of the tibial joint surface. The ongoing research on operation techniques, implants and bone graft substitutes aims at improving the results in the future.
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Tibiakopffrakturen repräsentieren 1–2 % aller Frakturen des Menschen. Als Gelenkfrakturen mit komplexer Beteiligung der tibialen Gelenkfläche sowie Begleitverletzungen des Weichteilmantels und des Kapsel-Band-Apparats stellen sie den Operateur mitunter vor eine besondere Herausforderung. Beim Verletzungsmechanismus wird zwischen Hochenergietraumata beim jüngeren und Niedrigenergietraumata beim älteren Patienten mit verminderter Knochenqualität unterschieden. Aufgrund der demographischen Entwicklung gewinnt die 2. Gruppe zunehmend an Bedeutung, die Versorgungsstrategie muss angepasst werden.
Epidemiologie und Verletzungsmechanismen
Tibiakopffrakturen machen 1–2 % aller Frakturen des menschlichen Körpers und 10 % aller Frakturen der Tibia aus. Es zeigt sich eine Häufung ab der 4.–6. Lebensdekade, wobei Männer in jüngerem Alter häufiger betroffen sind als Frauen. Beim über 60-Jährigen ist die Tibiakopffraktur bereits der achthäufigste Bruch; 70 % der Frakturen betreffen isoliert das laterale Tibiaplateau [23].
Am häufigsten treten entsprechend den anatomischen Besonderheiten und Verletzungsmechanismen Impressions-, Spalt- oder Impressions-Spalt-Brüche des lateralen Tibiaplateaus auf. Mit zunehmender Gewalteinwirkung kommt es gehäuft zu bikondylären Frakturen oder Trümmerfrakturen, die sich über die Metaphyse bis in die Diaphyse ausdehnen können. Bei entsprechend hoher Energie finden sich vermehrt Luxationsfrakturen. Begleitverletzungen von Bändern und Menisken werden in der Literatur mit einer Häufigkeit von bis 63 % beschrieben [8, 10, 31]. Eine Sonderform stellt der knöcherne Kreuzbandausriss dar.
Klassifikationen
Im deutschsprachigen Raum hat sich die Klassifikation der Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen (AO) nach Müller (1990) durchgesetzt. Die AO-Klassifikation orientiert sich an der radiologischen Frakturmorphologie und gibt einen Überblick über die verschiedenen Frakturformen, aus denen sich die Therapie ableiten lässt. Im angloamerikanischen Raum wird vornehmlich die Klassifikation nach Schatzker (1979) verwendet. Sie orientiert sich ebenfalls an der radiologischen Frakturmorphologie und erlaubt eine Prognoseabschätzung. Die Einteilung der Luxationsfrakturen erfolgt nach Moore (1981) mit besonderem Augenmerk auf ligamentäre Begleitverletzungen.
Zur Klassifikation der Weichteilverletzung hat sich bei geschlossenen Frakturen die Einteilung nach Tscherne u. Oestern (1981), bei offenen Frakturen die Einteilung nach Gustilo u. Anderson (1976) durchgesetzt.
Diagnostik
Anamnese und klinische Untersuchung
Bei der Diagnostik von Tibiakopffrakturen stehen die Anamnese und klinische Untersuchung des Patienten an erster Stelle. Der inspektorischen und palpatorischen Evaluation des Weichteilmantels kommt bei den Tibiakopffrakturen eine besondere Bedeutung zu. Es muss zwischen offenen und geschlossenen Verletzungen unterschieden werden, weiterhin sollten Spannungsblasen, Kontusionsmarken und Weichteilgewebeverluste ermittelt werden (Abb. 1). Das Ausmaß des Weichteilschadens ist ein wichtiger Faktor bei der operativen Planung und intraoperativen Entscheidung.
Eine Bewegungsprüfung des Kniegelenks sollte bei Frakturverdacht zunächst unterbleiben, ebenso eine Stabilitätstestung des Bandapparats. Dies kann bei Bedarf im Operationssaal unter Narkosebedingungen nachgeholt werden.
Essenziell ist weiterhin der Ausschluss von Gefäß- oder Nervenschäden. Diese sind v. a. mit Luxationsfrakturen nach Moore und C3-Frakturen nach AO-Klassifikation vergesellschaftet. Bei klinischem Verdacht auf eine arterielle Gefäßverletzung sollte eine Dopplersonographie durchgeführt werden, im Zweifel sollte der (magnetresonanz-)angiographische Ausschluss erfolgen. Ein begleitendes Kompartmentsyndrom muss erkannt und mittels Dermatofasziotomie entlastet werden.
Bildgebung
Goldstandard in der bildgebenden Diagnostik sind die konventionelle Röntgenaufnahme in 2 Ebenen und die Computertomographie (CT) mit 3-D-Rekonstruktion [9].
Röntgenbild und Computertomographie
Mithilfe des Röntgenbilds und der sich daran anschließenden CT-Diagnostik, die bei Vorliegen einer Tibiakopffraktur standardmäßig durchgeführt werden sollte, kann die Frakturmorphologie genau beurteilt (Abb. 2) und eine Behandlungsstrategie abgeleitet werden.
In einer retrospektiven Studie wurde gezeigt, dass die Inter- und Intraobserver-Reproduzierbarkeit bei der Einteilung von 50 Tibiakopffrakturen nach AO-Klassifikation durch 6 Untersucher signifikant durch die zusätzliche Anfertigung eines Computertomogramms gesteigert werden konnte [12].
Magnetresonanztomographie
Zusätzlich kann eine MRT des Kniegelenks durchgeführt werden, um Begleitverletzungen von Bändern und Menisken sowie Knorpel zu detektieren. Die Sensitivität der MRT liegt hierfür bei mehr als 90 % [8].
In mehreren Studien zeigte sich zuletzt eine deutliche Assoziation von Tibiakopffrakturen mit Begleitverletzungen von Bändern und Menisken [4, 25]. Shepherd et al. [31] diagnostizierten bei 20 Patienten mit nichtverschobenen Tibiakopffrakturen anhand der MRT 40 % Bandrupturen und 80 % Meniskusläsionen. Chen et al. [6] fanden in einem systematischen Review mit insgesamt 609 Patienten mit operativ versorgten Tibiakopffrakturen vom Typ B nach AO-Klassifikation bei 21 % vordere Kreuzbandrupturen und bei 42 % Meniskusläsionen.
Die Indikation zur MRT-Diagnostik sollte somit in Anbetracht des gehäuften Auftretens von Begleitverletzungen von Bändern und Menisken großzügig gestellt werden.
Therapie
Allgemeine Therapieziele
Bei der Versorgung von Tibiakopffrakturen müssen mehrere Therapieziele formuliert werden, um das bestmögliche Outcome für den Patienten zu erzielen (Tab. 1).
Es muss versucht werden, möglichst viele der Therapieziele gleichzeitig zu erreichen. Das Vermeiden einer posttraumatischen Arthrose sollte als eines der Hauptziele angestrebt werden. Eine posttraumatische Arthrose entwickelt sich bei 9–44 % der Patienten nach Tibiakopffraktur [23].
Parkkinen et al. [23] konnten im Rahmen der Nachuntersuchung von 73 Patienten mit operativ versorgten lateralen Tibiakopffrakturen (B3 nach AO) mit einem Follow-up von 4,5 Jahren zeigen, dass es bei einem Valgus > 5° und einer Gelenkstufe > 2 mm signifikant schneller zur Entwicklung einer posttraumatischen Arthrose kam.
Honkonen et al. [18] untersuchten den Einfluss einzelner radioanatomischer Parameter bei 131 Patienten mit Tibiakopffrakturen nach einem Follow-up von 7,6 Jahren auf das klinische Outcome. Folgende Risikoparameter für ein schlechtes Outcome konnten identifiziert werden: Gelenkstufe > 2–3 mm, Kondylenerweiterung > 5 mm, jeglicher Varus, Valgus > 5° sowie mediolaterale Instabilität.
Eine systematische Literaturanalyse mit 36 Studien aus dem Jahre 2010 [11] ergab, dass das Langzeit-Outcome möglicherweise weniger von der stufenfreien Frakturreposition selbst als von dem Erreichen einer adäquaten Kniegelenksstabilität abhängt.
Konservative Behandlung
Patienten mit nichtverschobenen und als stabil eingestuften Frakturen können konservativ frühfunktionell behandelt werden [18]. Für 6 Wochen sollte eine weitgehende Entlastung des betroffenen Beins an Unterarmgehstützen erfolgen. Der Therapieverlauf muss dabei röntgenologisch überwacht werden. Besonders beim konservativen Therapieregime empfiehlt sich zu Beginn die zusätzliche Durchführung einer MRT, um Begleitverletzungen von Bändern und Menisken zu detektieren.
Ergänzende Gründe für die Einleitung einer konservativen Therapie können in bestimmten Fällen eine bereits bestehende Gonarthrose oder ein geringer Patientenanspruch sein. Bei fehlender Operationsfähigkeit müssen ggf. auch dislozierte und instabile Tibiakopffrakturen konservativ behandelt werden.
Operative Behandlung
Operationsindikation und Zeitmanagement
Die Indikationen zur operativen Behandlung von Tibiakopffrakturen zeigt Tab. 2.
Das Fraktur- und das Zeitmanagement hängen von der „Persönlichkeit der Fraktur“ ab: Frakturverlauf und -ausmaß, Verletzungsausmaß und Schwellungsgrad der Weichteile, begleitende Band- und Meniskusläsionen sowie begleitende Gefäß- und Nervenläsionen.
Die definitive Versorgung geschlossener Frakturen ohne Begleitverletzungen sollte erst dann erfolgen, wenn der Weichteilmantel einen spannungsfreien Wundverschluss ermöglicht und sie ohne Risiko für postoperative Weichteilkomplikationen stattfinden kann. In der Literatur besteht keine Einigkeit über den idealen Zeitpunkt der operativen Versorgung [14].
Komplexe Tibiakopffrakturen nach Hochenergietraumata sollten im Intervall nach Konsolidierung der Weichteile mit einem geeigneten Team und unter geeigneten logistischen und technischen Voraussetzungen versorgt werden [7]. Bei polytraumatisierten Patienten bestimmt das Gesamtverletzungsmuster die Versorgungsstrategie.
Operationszugänge
Der adäquate Operationszugang muss abhängig vom Frakturtyp und von den präoperativ identifizierten Schlüsselfragmenten gewählt werden. Diese Fragmente tragen aufgrund ihrer Lage und Größe relevant zur Gelenkkonfiguration und -stabilität bei und können gut mittels Osteosynthese fixiert werden.
Abhängig von der Fraktur müssen teilweise 2 Zugänge kombiniert werden. Zudem ist bei der Schnittführung ein später geplanter endoprothetischer Gelenkersatz zu berücksichtigen. Der anterolaterale Zugang ist der am häufigsten angewandte Zugang zur Versorgung von Tibiakopffrakturen, ein Großteil der Frakturen kann hierüber versorgt werden. Der Hautschnitt erfolgt bei 30° gebeugtem Knie als anterolateraler Längsschnitt. Der Zugang kann bedarfsweise durch Verlängerung nach proximal und distal zur lateralen Arthrotomie erweitert werden. Weitere Operationszugänge sind der mediale, der posterolaterale, der posteromediale Zugang und dorsale Zugänge.
Aufgrund der minimal-invasiven Technik hat die arthroskopisch assistierte Versorgung von Tibiakopffrakturen stark zugenommen. Über ein anteromediales und anterolaterales Arthroskopieportal kann die Fraktur unter Sicht reponiert werden. Eine anzuhebende Impressionszone lässt sich über einen transossären, metaphysär medial oder lateral angelegten Arbeitskanal erreichen.
Implantatwahl und differenzierte Frakturversorgung
Je nach Frakturtyp, Weichteilschaden und Therapiekonzept stehen zur Versorgung von Tibiakopffrakturen verschiedene Implantate zur Verfügung.
Der gelenkübergreifende Fixateur externe (Abb. 1) kommt als temporäres Verfahren bei ausgeprägtem Weichteilschaden, offenen Frakturen oder Gefäß- bzw. Nervenverletzungen sowie bei hoher Instabilität, ausgeprägter Trümmerzone und Dislokation zum Einsatz (C3 nach AO). Bei beruhigter Weichteilsituation sollte zur Vorbeugung einer Bewegungseinschränkung der Verfahrenswechsel zügig durchgeführt werden.
Bei Vorliegen eines kondylären Spaltbruchs (B1 nach AO) kann mit Spongiosazugschrauben eine Kompression auf den Frakturspalt ausgeübt werden. Kondyläre Impressionsbrüche (B2 nach AO) können zur Abstützung ebenfalls mit Spongiosaschrauben versorgt werden. Besonders beim osteoporotischen Knochen bietet sich an, hierbei additiv eine Schraube von anterior einzubringen, um das Risiko einer Sinterung über das Osteosynthesematerial zu verringern (“Jail-Technik”, [26]).
Bei der arthroskopisch assistierten Versorgung kommen i.d.R. Schrauben zum Einsatz. Intraartikuläre Begleitschäden können gleichzeitig adressiert werden. Indikationen für eine arthroskopisch assistierte Versorgung sind der knöcherne Kreuzbandausriss (A1 nach AO), der kondyläre Spaltbruch (B1 nach AO) und der kondyläre Impressionsbruch (B2 nach AO). Ein Risiko des arthroskopischen Vorgehens stellt die über die Fraktur in das Gewebe gelaufene Spülflüssigkeit dar. Diese kann bei entsprechend langer Operationsdauer zu einer ausgeprägten Weichteilschwellung bis hin zum Kompartmentsyndrom führen.
Bei Vorliegen eines Impressions-Spalt-Bruchs (B3 nach AO; Abb. 3) kann die Fraktur oftmals nicht mit einzelnen Schrauben adäquat stabil versorgt werden. In diesen Fällen kommt die Plattenosteosynthese zum Einsatz (Abb. 4). Heutzutage werden hier bevorzugt mono- und polyaxiale vorgeformte winkelstabile Implantate angewandt. Diese wirken entsprechend dem Konzept der Winkelstabilität als Fixateur interne. Vorteile sind die Schonung der periostalen Durchblutung und die Möglichkeit zur Überbrückung von knöchernen Defekten.
Extraartikuläre metaphysäre Frakturen mit und ohne Trümmerzone (A2 und A3 nach AO) stellen eine gute Indikation zur winkelstabilen Plattenosteosynthese dar. In der Literatur wird von ausgezeichneten Ergebnissen mit hohen Ausheilungsraten berichtet [3]. Dabei können die winkelstabilen Implantate offen oder je nach Fraktur auch minimal-invasiv über einen Zielbügel geführt eingebracht werden. Bei der Osteosynthese ist auf eine korrekte Platzierung des Implantats zu achten, da die Platten auftragen und den dünnen Weichteilmantel kompromittieren können.
Bei den vollständig artikulären Frakturen (C nach AO) kommen ebenfalls bevorzugt winkelstabile Plattensysteme zum Einsatz. Durch die erhöhte Stabilität können auch bikondyläre Frakturen mit schwierigen Weichteilverhältnissen ausschließlich von lateral mittels winkelstabiler Platte versorgt werden [15, 22]. Bei einem höhergradigen Weichteilschaden ist die Infektionsrate dadurch nachweislich niedriger als bei bilateraler Versorgung und es wird ein gutes Ausheilungsergebnis erzielt [24]. Bikondyläre Frakturen erfordern abhängig von den Schlüsselfragmenten jedoch auch gelegentlich eine bilaterale Versorgung mit additiver „Abstützplatte“ (Abb. 5).
Neben den oben aufgeführten Standardverfahren wurden einige Alternativen als Ausweichmöglichkeit beschrieben.
Der Hybridfixateur ist eine Alternative zum konventionellen gelenkübergreifenden Fixateur externe. Hierbei wird der Gelenkblock mit vorgespannten dünnen Olivendrähten über ein Ringelement retiniert und über V-förmig angeordnete Fixateurstangen mit Schanzschrauben im Tibiaschaft verbunden. Vorteil ist die Möglichkeit zur funktionellen Beübung des Gelenks. Frakturen mit ausgeprägter Trümmersituation und schwierigen Weichteilverhältnissen können hiermit grundsätzlich sogar ausbehandelt werden. Komplikationen stellen die Pininfektion im Eintrittsbereich der Olivendrähte und die Gelenkinfektion dar [35]. Bei Anwendung des Hybridfixateurs sollten die Drähte mindestens 15 mm unterhalb des Tibiaplateaus eingebracht werden, um das Risiko einer Gelenkinfektion zu minimieren.
Rommens et al. [27] publizierten die antegrade Marknagelosteosynthese als Versorgungsmöglichkeit von Tibiakopffrakturen. Indikationen in dieser Arbeit waren Tibiakopffrakturen vom Typ A2/A3 nach AO-Klassifikation sowie C2/C3-Frakturen in Kombination mit anderen Implantaten. Langzeitergebnisse hierzu liegen noch nicht vor.
Der primäre Gelenkersatz stellt eine Rarität dar. In Anbetracht der demographischen Entwicklung mit Zunahme von nichtrekonstruierbaren Trümmerfrakturen bei schlechter Knochenqualität und vorbestehender erheblicher Arthrose kann der primäre Gelenkersatz jedoch als sinnvolle Alternative betrachtet werden. Mit diesem Verfahren lassen sich möglicherweise frustrane Rekonstruktionsversuche und eine lange Nachbehandlung mit der Notwendigkeit zur Entlastung vermeiden [30].
Knochentransplantation und -ersatzmaterialien
Im Rahmen der Versorgung der verschiedenen Frakturtypen entstehen häufig unterhalb der tibialen Gelenkfläche und metaphysär knöcherne Defektzonen. In der Regel stehen zur kompressionsstabilen und formschlüssigen Defektauffüllung autologe Spongiosa und diverse Knochenersatzmaterialien zur Verfügung [20]. Die Defektauffüllung mittels autologer Spongiosa stellt aktuell noch das Standardverfahren dar. Vorteile sind die Osteogenität, Osteoinduktivität und Osteokonduktivität des Materials. Als Nachteile sind die Entnahmemorbidität und die verlängerte Operationszeit zu nennen. Alternativ gibt es verschiedene Knochenersatzmaterialien. Dabei wird besonders der injizierbare kalthärtende Kalziumphosphatzement als formschlüssig und mechanisch belastbar eingeschätzt [21]. In einer Metaanalyse aus dem Jahr 2008 [2] konnte eine signifikante Schmerzreduktion durch Applikation von Kalziumphosphat gegenüber dem Unterlassen einer Defektauffüllung nachgewiesen werden. Russell et al. [28] zeigten in einer prospektiven randomisierten Multicenterstudie mit 120 Tibiakopffrakturen, dass es bei Applikation von Kalziumphosphat postoperativ zu einer signifikant geringeren Sinterung des Plateaus kam als bei Defektauffüllung mit Spongiosa. Weitere Studien bestätigen diesen Trend [13, 33]; die Forschungsaktivitäten auf diesem Gebiet dauern an.
Nachbehandlung
Im Rahmen der Nachbehandlung erfolgt eine frühfunktionelle Beübung des Kniegelenks. Es können ein isometrisches Muskeltraining sowie die passive Beübung des Kniegelenks bis 90° Flexion unter physiotherapeutischer Anleitung und unter Zuhilfenahme einer passiven Motorschiene durchgeführt werden. Eine längerfristige Orthesenversorgung wird nicht empfohlen, bei begleitenden Kapsel-Band-Verletzungen kann das Tragen einer Orthese aber sinnvoll sein. In der Regel erfolgt eine Teilbelastung an Gehhilfen für 6 bis 8 Wochen. Unter regelmäßigen Röntgenverlaufskontrollen kann der Heilungsverlauf überwacht werden, eine Belastungsstabilität ist nach 6 bis 12 Wochen postoperativ zu erwarten.
Bei Analyse der vorliegenden Literatur zur Evidenz der Beschränkung der postoperativen Belastung finden sich Hinweise, dass durch den Patienten selbst eine Autoregulierung der Belastung entsprechend dem Konsolidierungsgrad der Fraktur erfolgt [17]. So ergab eine vergleichende Studie mit 32 Patienten mit Tibiakopffrakturen (B nach AO), dass kein Unterschied bezüglich der Häufigkeit einer sekundären Dislokation zwischen Patienten mit postoperativ freigegebener Vollbelastung und Patienten mit der Vorgabe einer vollständigen Entlastung über 6 Wochen festzustellen war [16].
Komplikationen
Ein Großteil der peri- und postoperativ auftretenden Komplikationen ist im Zusammenhang mit der z. T. komplexen Beteiligung der tibialen Gelenkfläche sowie der Kompromittierung des dünnen Weichteilmantels zu sehen ([1, 3], Tab. 3). Die Hauptkomplikation einer Tibiakopffraktur im Langzeitverlauf ist die posttraumatische Gonarthrose.
Je nach Art und Ausprägung der Komplikation sind eine operative Revision und weitere Folgeeingriffe indiziert.
Outcome
Das Outcome nach Tibiakopffrakturen hängt zum einen von der primären knöchernen Verletzung und dem Weichteilschaden, zum anderen auch von der Qualität der Behandlung ab. Wesentlicher Faktor hierbei ist die Wiederherstellung der Gelenkfläche, der Achse und der Gelenkstabilität.
Operativ versorgte Patienten mit Niedrigenergietrauma und Alter unter 40 Jahren zeigen gute Langzeitergebnisse [32]. Ein exzellentes Outcome haben auch Patienten mit B-Frakturen nach AO-Klassifikation und arthroskopisch assistierter minimal-invasiver Versorgung. Laut einer aktuellen Studie von Chen et al. [5] lag hier die Patientenzufriedenheit bei 90,9 %, 92 % der Studienteilnehmer wiesen ein gutes bis sehr gutes klinisches Ergebnis auf. Das Verfahren wird als verlässlich, effektiv und sicher bewertet.
Im Gegensatz dazu sind bei Frakturen mit Hochenergietrauma und Notwendigkeit zu einem erweiterten operativen Zugang Langzeitprobleme zu erwarten. Nach Schwartsman et al. [29] betrug die Patientenzufriedenheit bei einem Kollektiv von 40 Patienten lediglich 35 %.
Offensichtlich erhöhen die Resektion von Menisken, Gelenkinkongruenzen und Fehlreposition die Arthroserate deutlich. So entwickelten in einer Untersuchung von Honkonen et al. [19] 44 % von 131 untersuchten Patienten mit Tibiakopffraktur nach 7,6 Jahren eine relevante posttraumatische Arthrose. Bei durchgeführter Meniskektomie stieg die Arthroserate drastisch auf 74 % [34].
Fazit für die Praxis
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Das Ausmaß des Weichteilschadens ist ein wesentlicher Faktor für die Planung der Behandlung von Tibiakopffrakturen.
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Häufig weisen Patienten mit Tibiakopffrakturen gleichzeitig Band- oder Meniskusverletzungen auf. Diese sollten entweder primär mitversorgt oder zumindest erkannt werden, um sekundär mitbehandelt werden zu können.
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Ziele der Versorgung sind stufenfreie Gelenkflächen, anatomische Beinachsen und ein stabiles Gelenk.
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Guten Ergebnissen nach niederenergetischem Trauma und operativer Versorgung stehen Langzeitprobleme nach hochenergetischem Trauma mit erheblichem Knorpelschaden trotz zufriedenstellenden postoperativen radiologischen Ergebnisses gegenüber.
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Die Weiterentwicklung von minimal-invasiven operativen Verfahren, Implantaten und Knochenersatzmaterialien scheint das Outcome kontinuierlich zu verbessern.
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Rixen, D., Mester, B. Tibiakopffrakturen. Trauma Berufskrankh 18 (Suppl 1), 26–32 (2016). https://doi.org/10.1007/s10039-015-0048-y
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