Die Meinungsvielfalt zur Ursache der subkutanen Achillessehnenruptur ist historisch gesehen recht breit gespannt. Nach der erstmaligen Beschreibung durch Ambroise Paré im Jahre 1575 wurden vielfältige Vermutungen geäußert, die Achillessehnenruptur entspräche einer „Zweitkrankheit“, z. B. bei Gonorrhö, Syphilis, Tuberkulose, Herz- und Nierenerkrankungen, rheumatischen Erkrankungen u.a.v.m. Nach Einführung der histologischen Untersuchung wurden anfänglich die nekrotischen Reaktionen an den Rissenden fälschlicherweise als rissursächliche Vorschädigung aufgefasst. Nach Verfeinerung dieser Untersuchungstechnik wurden häufig Texturstörungen bis hin zu mukoiden Veränderungen angetroffen und hieraus die Theorie abgeleitet, die Achillessehnenruptur beruhe regelhaft auf Verschleißveränderungen, was schließlich in dem apodiktischen Satz „Eine gesunde Sehne reißt nicht“ einmündete [11]. Durch eine enorm zunehmende Häufigkeit der Achillessehnenrupturen – 1929 wurden nur 68 Fälle dokumentiert, zwischenzeitlich allein in Deutschland jährlich zwischen 15.000 und 20.000 [6] – wurde jedoch erkennbar, dass sich mehr als 70 % (in manchen Publikationen werden bis zu 90 % angegeben) der Achillessehnenrupturen bei gesunden Sportlern zwischen 30 und 45 Jahren bei sportlichen Aktivitäten meist mit einem schnellen Antritt einstellten. Die vor ca. 20 Jahren durchgeführten biomechanischen Untersuchungen an der menschlichen Achillessehne [13] führten zu dem Ergebnis, dass nicht nur das Ausmaß der Zugbelastung für den Ruptureintritt maßgeblich ist, sondern die Geschwindigkeit des Geschehensablaufs: Eine extrem schnelle Entwicklung einer maximalen Zugkraft – wie bei der exzentrischen Muskelanspannung bei gleichzeitig fixiertem Fuß zu erwarten – führte blitzartig zur Ruptur, während eine sich langsam aufbauende und zunehmende Kraftentwicklung von den elastischen Sehneneigenschaften relativ gut aufgefangen werden konnte.

Erstmals von Hertel u. Cierpinski [5] wurde dargelegt, dass auch dann, wenn histologisch auf solche Rupturen folgend i.d.R. „degenerative“ Veränderungen – nach heutiger Nomenklatur „Texturstörungen der Sehnenmatrix“ – gefunden würden, dies nicht für eine relevante Vorschädigung der Sehne spräche. Rupturursächlich sei vielmehr „eine außergewöhnliche reflektorische Anspannung der Wadenmuskulatur in einem besonders ungünstigen Moment. Diese Anspannung wird offensichtlich durch akute Überdehnung und ungünstige Hebelverhältnisse hervorgerufen.“

Resch u. Breitfuß [10] führten aus, dass „infolge mangelnder muskulärer Koordination … durch Überdehnung Muskeleigenreflexe ausgelöst werden, die durch eine synchrone Innervation aller motorischen Einheiten des gesamten Muskelquerschnitts …“ zur Achillessehnenruptur führen könnten, vornehmlich beim Abspringen oder beim Sprintstart.

Die apodiktische These „Eine gesunde Sehne reißt nicht“ kam somit ins Wanken, zumal nun auch analytische Überlegungen zur Entstehung einer exzentrischen Muskelkontraktion mit sehr genauer Beschreibung der Abläufe publiziert wurden [2]. Als typische Konstellationen wurden genannt:

  • Abdruck des Fußes bei gestrecktem Kniegelenk, Wadenmuskulatur maximal kontrahiert, z. B. Sprint, Antritt

  • Unerwartete Dorsalextension im oberen Sprunggelenk, z. B. durch abruptes Einsacken der Ferse in eine Kuhle, mit der Folge einer reflektorischen Maximalkontraktion der Wadenmuskulatur

  • Plötzliche Dorsalflexion im oberen Sprunggelenk aus der Plantarflexion heraus, z. B. Sprung, Landung, mit reflektorischer Kontraktion der Wadenmuskulatur

Dennoch wurde in der Literatur an der Auffassung festgehalten, komplette Sehnenrupturen entsprächen grundsätzlich einer verschleißbedingten Spontanruptur und bedürften eigentlich keiner besonderen Zugbelastung [14], was bis in die jüngste Zeit hinein die gutachterliche Praxis nachhaltig beeinflusst hat. Hinzu kamen Erkenntnisse, dass bestimmte Medikamente, wie z. B. Kortikoide, Immunsuppressiva und Chinolon-Antibiotika, und auch die Stoßwellentherapie eine nachteilige Wirkung auf die Reißfestigkeit der Sehnen haben. Aus alledem wurde ein „chronischer“ Rupturmechanismus infolge einer sukzessiven Zermürbung durch Texturstörungen der Sehnenmatrix unterstellt.

Überschaut man als Sachverständiger durch die Erarbeitung von Kausalitätsbeurteilungen eine sehr große Zahl an Fällen, ist jedoch nur selten eine solche Fallgestaltung mit nachweisbaren rupturfördernden Faktoren zu finden, was im Übrigen auch für die Texturstörungen gilt: Der Schweregrad 3 nach Hempfling u. Krenn (s. Tab. 1) wird bei den durchgeführten histologischen Untersuchungen eher selten angetroffen.

Tab. 1 Histologische Kriterien der Texturstörung. (Nach [4])

Nach Hempfling u. Krenn [4] können nur drittgradige Texturstörungen im Abwägungsprozess bei der Kausalitätsbeurteilung von Bedeutung sein.

Nach alledem ist es an der Zeit, die seit über 100 Jahren – auch gutachterliche – Auffassung zu überdenken, dass eine Achillessehnenruptur allenfalls im Ausnahmefall eine versicherte Unfallfolge darstellen könne, im Regelfall jedoch eine schicksalhafte Genese hat.

Struktur und Funktion der Sehne

Jede Sehne weist mikrostrukturell einen komplexen Aufbau auf. Es besteht ein hierarchisch parallel angeordnetes faseriges Bindegewebe aus Kollagenen (ca. 70–80 % des Sehnengewebes), überwiegend vom Typ I, was der Sehne ihre Zugfestigkeit gibt. Daneben finden sich auch zu 1–2 % elastische Fasern mit einer Triple-Helix-Struktur, was der Sehne eine gewisse Elastizität verleiht mit einer reversiblen Dehnungsfähigkeit von 3–5 % der Sehnenlänge. Dieser Eigenschaft ist es zu verdanken, dass bei einem relativ schnellen Aufbau der Zugbelastung eine Dämpfung erfolgt, die bei einer willentlich herbeigeführten Kraftentwicklung ohne sonstige Einflüsse eine Rupturgefährdung suffizient verhindern kann.

Die nutritive Versorgung der Sehnen erfolgt teilweise über periphere Blutgefäße, teilweise aber auch per diffusionem und zeigt mit zunehmendem Lebensalter eine Reduktion. Diese geht mit einer sukzessiven Minderung der Zellzahl (Fibrozyten) und einer langsamen Entwicklung von – altersüblichen – Texturstörungen der Sehnenmatrix einher, die also keineswegs automatisch krankheitswertig sind und die Reißfestigkeit der Sehne nicht wesentlich beeinträchtigen.

Die parallel angeordneten Kollagenfibrillen bilden ein Primärbündel. Mit den dazwischen liegenden Fibroblasten vereinigen sich die Primärbündel zu Sekundärbündeln, umhüllt von einem Peritendineum. Viele Sekundärbündel werden von einem Paratendineum umhüllt, hier dann auch mit Durchtritt der Blutgefäße in das Sehnengewebe. Diese komplexe Struktur gibt der Sehne auch bei kleinem Sehnendurchmesser trotz einer guten Verformbarkeit eine enorme Zugfestigkeit [8]. Noch nicht genau aufgeklärte Störungen in diesem komplexen Sehnenaufbau können zu Zerrüttungen führen, die mit den üblichen mikroskopischen Untersuchungsmethoden nicht erfassbar sind, aber wahrscheinlich die Reißfestigkeit mindern.

Pathogenese von Sehnenrupturen

Die Pathogenese von Sehnenrupturen mit ihren möglichen Einflussfaktoren ist bis zum heutigen Tage nicht umfassend geklärt [7], was naturgemäß einen Unsicherheitsfaktor für die gutachterliche Kausalitätsbeurteilung einer Sehnenruptur darstellt.

Dabei sind auch in sich widersprüchliche Erkenntnisse zu bedenken: Eine regelmäßige mechanische Beanspruchung der Sehnen verbessert sowohl die Nutrition der Sehnen, also auch ihre Reißfestigkeit, während andererseits hohe repetitive mechanische Belastungen das innere Gefüge der Sehne im elektronenmikroskopischen Bild verändern und damit wahrscheinlich auch die Entstehung einer Sehnenruptur begünstigen können [1].

Hierzu existiert jedoch keine einheitliche Lehrmeinung, sodass eine hypothetische Unterstellung im Rahmen der Kausalitätsprüfung, dass solche nicht objektiv belegbaren Faktoren für die Sehnenruptur maßgeblich gewesen sein müssten, rein beweisrechtlich gesehen nicht zulässig ist. Eine solche „Schadensanlage“, die zuvor klinisch völlig stumm und dem Versicherten wie auch dem Arzt unbekannt war, muss nach den beweisrechtlichen Anforderungen des Bundessozialgerichts (BSG) in jedem Einzelfall zur vollen Überzeugung des Gerichts belegt sein. Die alleinige, dann spekulative Unterstellung eines solchen Kausalitätsfaktors käme nämlich einer unzulässigen Beweislastumkehr gleich.

Wie vorsichtig mit hypothetisch-wissenschaftlichen Ableitungen umgegangen werden muss, ergibt sich u. a. daraus, dass nach wissenschaftlichen Herleitungen durch die hohe unterschiedliche Elastizität des Knochens einerseits und der Sehne andererseits die Sehneninsertion am Knochen zu einer besonderen Gefährdung für einen Sehnenausriss prädestinieren würde, wie dies auch in vielen, meist älteren Publikationen zur Kausalitätsprüfung der Sehnenruptur nachzulesen ist. Fakt ist jedoch, dass insbesondere bei der Achillessehne Ausrisse an der Insertion am Fersenbein eine unbekannte Größe darstellen, während mehr als 90 % der Sehnenrupturen an der Sehnentaille, der schmalsten Stelle der Achillessehne etwa 4–5 cm oberhalb der Fersenbeininsertion erfolgen. Diese rein empirische Beobachtung lässt erkennen, dass der schmalste Sehnenabschnitt auch der Locus minoris resistentiae ist. Kommt es tatsächlich einmal zu einem knöchernen Sehnenausriss, geschieht dies innerhalb der knöchernen Strukturen unterhalb des eigentlichen Sehnenansatzes, wie sich dies z. B. bei den Ausrissen der kurzen Bizepssehne an der Tuberositas radii beobachten lässt. Am eigentlichen Übergang der Sehne in den Knochen hinein werden entgegen der hypothetischen Annahme keine Verletzungen beobachtet.

Texturstörung der Sehnenmatrix

Beobachtungen bei Spitzensportlern haben nun ergeben, dass exzessive mechanische Beanspruchungen der Sehne über längere Zeiträume hinweg durchaus zu schweren Texturstörungen der Sehnenmatrix führen können, die sich darstellen können als

  • eine Verfettung der Fibrozyten und Fibrillen,

  • eine Lipoidose der kleinen Blutgefäße,

  • eine mukoide Veränderung in der Kollagenstruktur,

  • eine chondroiden Metaplasie,

  • ein scholliger Zerfall der Fibrillen (im Extremfall).

Diese sind als „High-Grade-Texturstörung" (Grad 3 nach Hempfling u. Krenn [4]) zu definieren und umfassen i.d.R. das gesamte Sehnenpaket. Tatsächlich werden aber bei den histologischen Untersuchungen nach Achillessehnenrupturen nur in den seltensten Fällen solche groben Verschleißveränderungen angetroffen.

Insofern besteht einerseits eine klare wissenschaftliche Erkenntnis, wie es zu einer verminderten Zugbelastbarkeit der Sehne kommt, während andererseits in der weit überwiegenden Zahl der gutachterlichen Kausalitätsüberprüfungen solche Veränderungen nicht feststellbar sind. Zudem wird in den letzten Jahren häufig auf eine histologische Untersuchung aus Kostengründen verzichtet, was stets der Versicherung – und nicht dem Versicherten – schaden muss, da die Beweispflicht für die Schadensanlage bei der Versicherung liegt. Ohne diesen Nachweis kommt nach der gängigen Rechtsprechung nur noch das Schadensereignis als Ursache in Betracht.

Ganz extreme Entwicklungen der Sehnenveränderungen im Sinne einer starren Fibrose, Verkalkung und Verknöcherung der Sehnenstrukturen bis hin zur Amyloidose und Nekrose werden in der praktischen Begutachtung nie beobachtet. Erst bei einem derartigen Stadium der Umwandlung des Sehnengewebes ist eine Ruptur vorstellbar, die für die Auslösung der Diskontinuität nur noch einer geringfügigen und damit nicht bedeutsamen – rechtlich unwesentlichen – Zugbelastung bedurfte.

"Chronische“ Sehnenruptur

Das gedankliche Konstrukt einer „chronischen“ Sehnenruptur wird zwar in diversen Kausalitätsbeurteilungen immer wieder thematisiert, lässt sich aber so gut wie nie konkret nachweisen.

Bekannt ist, wie bereits erwähnt, eine Verminderung der Zugbelastbarkeit durch eine Stoßwellentherapie, durch lokale und auch systemische Kortikoidbehandlungen, durch Immunsuppressiva (z. B. nach Organtransplantation) und hiermit verwandte Präparate, wie Methotrexat, zur Behandlung entzündlicher rheumatischer Erkrankungen. Auch bestimmte Antibiotika, wie z. B. die Chinolone und andere Gyrasehemmer, sollen die Reißfestigkeit der Sehnen vermindern.

Die als gesichert geltenden Erkenntnisse zu rupturfördernden Faktoren spielen in der praktischen Begutachtung – der Autor überblickt mehr als 1000 Achillessehnenrupturen – praktisch nie eine Rolle, auch dann nicht, wenn man als Sachverständiger gezielt hiernach fragt wird und seitens der gesetzlichen Versicherungsträger zusätzlich Auskünfte bei der Krankenversicherung und dem Hausarzt eingeholt werden. Eher von Bedeutung sind bei hart trainierenden Spitzensportlern repetitive Mikrotraumata des Sehnengewebes, deren regenerativer Heilprozess wegen weiterer repetitiver Einwirkungen nicht oder nicht vollständig ablaufen kann und nach und nach zu einer Zerrüttung des Sehnengewebes führt. Dies kann sich in einer Achillodynie niederschlagen, die jedoch nach statistischen Beobachtungen selten eine Komplettruptur der Sehne zur Folge hat, nicht zuletzt deshalb, weil die Schmerzhaftigkeit einer solchen Veränderung letztendlich das Trainingsverhalten des Sportlers nachhaltig beeinflusst und Schonungsphasen erzwingt.

Bedingungen für eine Sehnenruptur

Grundsätzlich gilt, dass eine Sehne ganz ohne jegliche Zugbelastung selbst bei weit fortgeschrittenen Zerrüttungen des Sehnengewebes, wie zuvor beschrieben, nicht reißen kann. Die Annahme, dass sich eine Sehne gewissermaßen einfach so „auflösen“ könne, kann sich theoretisch nur in einem Tumorprozess, alternativ im Rahmen einer schweren postoperativen Wundinfektion (z. B. beim Diabetespatienten) realisieren. Diese Vorgänge sind extrem selten und stellen in der gutachterlichen Beurteilung kein Problem dar.

Ansonsten gilt die Prämisse: Ohne Zugbelastung keine Sehnenruptur!

Das Zusammenspiel verschiedener Ursachenmomente lässt sich mit einem Satz umreißen: Eine Sehnenzerreißung kann nur dann auftreten, wenn eine einwirkende Zugbelastung die Zugbelastbarkeit der Sehne zum Belastungszeitpunkt überschreitet.

Diese Betrachtungsweise zwingt den Sachverständigen, sich einerseits mit der Frage auseinanderzusetzen, wie hoch die Zugbelastung bei dem beschriebenen Ereignis einzuschätzen ist, um dann im Abwägungsprozess die zweite Frage zu prüfen, ob zum Zeitpunkt des Schadenseintritts so hochgradige Texturstörungen vorbestanden haben, mit denen sich überwiegend oder allein die Sehnendiskontinuität ohne eine rechtlich wesentliche Zugbelastung erklären lässt.

Wenn die Zugbelastbarkeit der Sehne durch hochgradig entwickelte Texturstörungen oder anderweitige Einflüsse so weit herabgesetzt ist, dass es keiner besonderen Zugbelastung zur Herbeiführung der Sehnenruptur mehr bedarf, kann im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung keine Anerkennung erfolgen.

In diesem Spannungsfeld muss sich der Sachverständige mit allen ihm bekannt gewordenen Einzelheiten des konkreten Schadensfalles vertraut machen, um einen Wägungsprozess vornehmen zu können.

Ermittlung der Zugbelastung

Nach übereinstimmenden experimentellen Untersuchungsergebnissen liegt die maximale statische Belastung der Achillessehne bei etwa 4000 N (Geschwindigkeit 100 mm/min) und die dynamische Höchstbelastbarkeit bei etwa 6400 N (Geschwindigkeit 1000 mm/min) mit einem experimentell bestimmten Maximalwert für solche impulsartigen Krafteinwirkungen bis ca. 9000 N [9].

Der Häufigkeitsgipfel der Achillessehnenrupturen liegt in der 4. Lebensdekade besonders bei sportlich aktiven gesunden Männern mit einem 6-fach höheren Risiko als bei Frauen. Für die Herbeiführung einer genügenden Kraftentfaltung zur Sehnenzerreißung gelten die Sportarten, bei denen die Schnellkraft der unteren Extremitäten ein wesentliches Merkmal darstellt. Das Zusammentreffen von plötzlich erzwungener Dorsalextension bei gleichzeitiger Aktivierung der Muskeleigenreflexe und damit einer abrupten Anspannung aller Muskelfasern gleichzeitig (exzentrische Kontraktion) gilt als der Hauptverletzungsmechanismus. Dabei spielt eine plötzliche unerwartete Dorsalflexion des Sprunggelenks in Verknüpfung mit einem gleichzeitigen aktiven, häufig reflektorisch induzierten Abstoßmechanismus die entscheidende Rolle.

Dieses Versagen der neuromuskulären Steuerung für eine kaskadenförmige, zeitlich gestreckte Anspannung der Muskelfasern kann vielfältige Ursachen haben. Nach Zwipp u. Amlang [15] stellt ein Fehlverhalten, z. B. eines Sportlers, einen bedeutsamen ätiologischen Faktor dar: „Überlastung, Übermüdung, Übertraining, wie Trainingsmangel, Disziplinlosigkeit des Sportlers, falscher Ehrgeiz, Selbstüberschätzung …“ seien das auslösende Moment, blieben aber bei den Hergangsermittlungen immer unberücksichtigt. Erfolge dann eine plötzliche passiv und unkoordiniert herbeigeführte Dorsalflexion bei dem zuvor muskulär plantarflektierten Fuß, sei mit einem reflektorisch ausgelösten, mit besonderer Schnelligkeit einsetzendem synchronem Einsatz aller motorischen Einheiten des gesamten Muskelquerschnitts zu rechnen. Der dadurch blitzartig einsetzende hohe Muskelzug sei ohne Weiteres in der Lage, auch eine gesunde Achillessehne zu rupturieren. Ein solcher blitzartig ablaufender Ereignisablauf sei jedoch häufig weder für den Betroffenen noch für den Beobachter des Vorfalls als „Unfall“ wahrnehmbar. So ist auch bei Hertel u. Cierpinski [5] nachzulesen, dass sich komplette Achillessehnenrupturen zu gut 90 % ohne jegliche Vorboten beim körperlich gesunden Sportler in der zeitlichen Mitte seiner sportlichen Aktivitäten – auch bei zuvor gut durchwärmten Muskeln und Sehnen – scheinbar „einfach so“ ereignen.

In einer Vielzahl der Fälle steht man somit vor dem Problem, dass bei dem blitzartig und völlig unerwartet ablaufenden Vorgang die tatsächlich abgelaufene schädigende Mechanik weder von der betroffenen Person noch von möglichen Zeugen wahrgenommen werden kann. In solchen Fällen lässt sich der Geschehensablauf nicht im Detail rekonstruieren und insofern noch nicht einmal näherungsweise die dabei aufgetretene Zugbelastung der Achillessehne einschätzen. Somit ist es sehr häufig nicht möglich, die wichtige Frage nach der Einwirkungskausalität, also ob das Ereignis „geeignet“ war zur Herbeiführung einer Achillessehnenruptur, zu beantworten, weil hierfür die notwendigen Detailinformationen nicht ermittelt werden können, auch nicht durch eine Befragung von Zeugen oder des Versicherten selbst.

Fallbeispiele

Ein 39-jähriger angestellter Sportlehrer pfiff als Schiedsrichter beim Schulsport ein Fußballspiel, machte einige Schritte rückwärts, um einen auf ihn zulaufenden Ball und den hinterherlaufenden Spielern auszuweichen, verspürte ein knallartiges Gefühl am rückwärtigen distalen Unterschenkel und im Weiteren eine Haltlosigkeit mit dem rechten Fuß, was noch am gleichen Tag eine ärztliche Untersuchung zur Folge hatte. Dabei zeigte sich eine komplette, intraoperativ als frisch identifizierte Ruptur der Achillessehne, histologisch ohne nennenswerte Texturstörung.

Der Lehrer selbst gab in der Unfallmeldung an, es sei außer diesem mehrschrittigen Rückwärtsgehen eigentlich gar nichts passiert, woraufhin die zuständige Unfallkasse ein versichertes Ereignis verneinte und ohne weitere Ermittlungen den Versicherten auf die Zuständigkeit der Krankenkasse verwies. Im Sozialgerichtsverfahren trug der Lehrer gegenüber dem Gutachter wiederum vor, dass bei diesem kurzschrittigen Rückwärtsgehen nach seiner Erinnerung nichts passierte, außer dass eben die Sehne gerissen sei.

Da das intraoperative Bild einer klassischen frischen Sehnenruptur bei fehlenden relevanten Texturstörungen kaum mit dieser Hergangsschilderung in Einklang zu bringen war, bat der Sachverständige das Gericht, noch einmal den Versuch zu unternehmen, mögliche Zeugen dieses Vorfalls zu ermitteln und zu befragen. Der Lehrer hatte nämlich gegenüber dem Sachverständigen angegeben, dass etwa 2 m vom Spielfeldrand entfernt hinter ihm ein vom Sport befreiter Jugendlicher saß und zuschaute. Tatsächlich konnte dieser Schüler ermittelt werden und berichtete dann bei der Befragung vor Gericht, dass der Lehrer beim letzten rückwärtigen Schritt mit der rechten Ferse in eine „Mäusekuhle“ hineingetreten sei, dadurch aber nicht ins Straucheln geriet und auch nicht hinfiel. Ihm sei nur aufgefallen, dass der Lehrer danach sich sehr vorsichtig fortbewegt und irgendwie gehinkt habe. Auch der Schüler wollte diese Beobachtung somit nicht als „Unfall“ interpretieren. Der Lehrer selbst hatte diesen Vorgang offensichtlich gar nicht bemerkt.

Mit dieser Beobachtung war jedoch die Frage nach der Einwirkungskausalität positiv zu beantworten, was bei der eindeutig frischen Ruptur und fehlenden Texturstörungen zu einer Anerkennungsempfehlung führen musste.

In der Überzahl der Fälle verfügt man jedoch zumindest in groben Zügen über eine Hergangsbeschreibung, hierzu im Folgenden ein weiteres Fallbeispiel.

Ein 13-jähriger Schüler wurde bei den Bundesjugendspielen gegen Ende des 400-m-Laufs vom Sportlehrer wegen seines mangelnden Tempos beschimpft und brüllend aufgefordert, noch einmal einen Schlusssprint hinzulegen. Bei dem nunmehr erfolgenden Antritt aus dem Lauf heraus verspürte der Schüler einen „Knall“ an der linken Achillessehne und fiel zu Boden. Die Untersuchung ergab eine frische Achillessehnenruptur. Eine histologische Untersuchung wurde nicht durchgeführt.

Auch in diesem Falle wurde seitens der zuständigen Schülerunfallversicherung ein versichertes Unfallgeschehen verneint. Da bei einem 13-jährigen gesunden und sportfähigen Jugendlichen die Unterstellung einer weit fortgeschrittenen drittgradigen Texturstörung nicht plausibel anmutete, trug der Sachverständige im nachfolgenden Sozialgerichtsverfahren vor, dass durch den Anpfiff des Lehrers der erschrockene Jugendliche so heftig zu einem Spurt ansetzte, dass es dabei zu einer Überwindung der neuromuskulären Schutzmechanismen mit abrupter Anspannung sämtlicher Muskelfasern gleichzeitig, also zu einer exzentrischen Zugbelastung der Sehne, gekommen sein müsse, dies ähnlich wie beim Sprintstart bei auf dem dorsal flektierten Fuß lastenden Körpergewicht, was zur Herbeiführung einer solchen Achillessehnenruptur ausreiche. Das Gericht ist dieser wahrscheinlich zutreffenden, aber dennoch spekulativen Annahme des Sachverständigen seinerzeit nicht gefolgt, da dieser vermutete Geschehensablauf im Muskel-Sehnen-Gefüge nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts zu beweisen war. Ob im Hinblick auf die jüngere Rechtsprechung (s. unten) heute mit einer anderen Entscheidung des Gerichts zu rechnen wäre, sei dahingestellt.

Bei der Kausalitätsprüfung begegnet man zahlreichen Fällen, bei denen ein abruptes Abstoßen über dem primär dorsal flektierten Fuß, z. B. beim Sprintstart, zur Achillessehnenruptur führte. Auch das Anschieben eines Fahrzeugs im „Hau-Ruck-Verfahren“ wird nicht allzu selten als ursächlich geschildert. Auch der Absprung zum Hoch- oder Weitsprung ist häufig verknüpft mit einer nachfolgend festgestellten Achillessehnenruptur.

In diesen Fällen erfolgt heute noch so gut wie regelhaft eine ablehnende Bescheiderteilung durch den Versicherungsträger mit der Argumentation, es habe doch gar kein Unfall stattgefunden, sondern nur eine sportübliche Belastung, sodass es gänzlich an der äußeren Einwirkung und damit an einem versicherten Ereignis fehle.

Bei dem beschriebenen Belastungsvorgang sei nichts

  • Bestimmungswidriges

  • Unerwartetes

  • Unvorhergesehenes

  • Ungeplantes

  • Unkoordiniertes

zu erkennen, sodass bei dem angegebenen Vorgang alles fehle, was eine Gefährdung der Achillessehne beinhalten könnte. Diese 5 Punkte werden zwischenzeitlich häufig in Form einer Frage dem Sachverständigen vorgelegt, was im Grunde nichts anderes als einer fragwürdigen Suggestivfrage entspricht, um den Sachverständigen zu dem „richtigen“ Ergebnis hinzulenken. Bei dieser vereinfachten Betrachtungsweise wird die Entwicklung der Rechtsprechung zu dem, was als „äußeres Ereignis“ die Annahme eines versicherten Unfalles begründet, schlicht übergangen.

Nicht selten wird auch nach einem Sprung ein Aufkommen auf dem Boden mit fehlplatziertem Fuß oder einem Umknicken desselben angegeben, ohne dass dabei für den Betrachter ein mechanisches Risiko im Sinne einer besonderen Zugbelastung der Achillessehne erkennbar wird. Der Versicherungsträger argumentiert nun, dass es dabei „nach gesicherten unfallmedizinischen Erkenntnissen“ gar nicht zu einer unphysiologischen Belastung der Achillessehne kommen könne.

Bei einer solchen Betrachtungsweise wird jedoch grundsätzlich ausgeblendet, dass bei all diesen Vorgängen reflektorisch infolge der Überwindung neuromuskulärer Schutzmechanismen eine exzentrische Muskelkontraktion eintreten kann und die einzige plausible Erklärung für den Eintritt der Sehnenruptur darstellt, sofern nicht fortgeschrittene Texturstörungen und/oder anderweitige nachhaltig begünstigende Faktoren konkurrierend im Raum stehen.

Versichertes Ereignis

Der Unfall wird i. A., so auch mit der Definition im § 8 SGB VII, als ein von außen auf den menschlichen Körper schädigend einwirkendes, unfreiwilliges, plötzliches Ereignis charakterisiert. Diese Definition ist zweifellos auch der Hintergrund für die häufigen ablehnenden Bescheiderteilungen der gesetzlichen Versicherungsträger, wenn wie zuvor geschildert eine „echte“ Unfalleinwirkung in der Hergangsmitteilung nicht zu erkennen ist. Dabei werden versicherungsrechtliche Vorgaben außer Acht gelassen, wie sie z. B. auch bei Schönberger et al. [12] nachzulesen sind:

Der äußere Tatbestand des Arbeitsunfalles setzt weder ein normwidriges, d. h. dem ordnungsgemäßen Ablauf widersprechendes Ereignis, noch eine außerhalb des Betriebsüblichen liegende schädigende Tätigkeit voraus.

Geringfügige Vorgänge während der gewöhnlichen Betriebsarbeit sind daher bedeutsam, wenn ihnen die wesentliche Bedingung für den eingetretenen Gesundheitsschaden zukommt. ([12], S. 11)

Die Filterfunktion liegt also nicht in einer stringent zu fordernden äußeren Einwirkung, sondern in dem abschließenden Satz, dass der beschriebene Vorgang nur dann bedeutsam ist, wenn er die wesentliche Bedingung für den eingetretenen Gesundheitsschaden darstellt. Genau diese Frage kann verwaltungsseitig nicht geprüft werden, sondern ist immer einer medizinisch-gutachterlichen Überprüfung vorbehalten.

Das BSG hat im Urteil vom 12.04.2005 (Az. B 2 U 27/04 R) den Begriff der äußeren Einwirkung neu definiert und dabei erheblich erweitert mit folgenden Feststellungen:

  • Für das von außen auf den Körper einwirkende, zeitlich begrenzte Ereignis ist kein besonderes, ungewöhnliches Geschehen erforderlich.

  • Eine alleinige äußere Verursachung zur Anerkennung ist nicht erforderlich.

  • Bei einem gewollten Handeln mit einer ungewöhnlichen Einwirkung liegt eine äußere Einwirkung vor.

  • Eine äußere Einwirkung kann auch dann vorliegen, wenn ihr Ausgangspunkt im Inneren des Körpers liegt, dies aber von der versicherten Tätigkeit – im konkreten Fall einer Kraftanstrengung erheblicher Art – wesentlich mit verursacht wird.

  • Das Merkmal „äußere Einwirkung“ hat lediglich den Zweck, äußere Vorgänge von krankhaften Vorgängen im Inneren des menschlichen Körpers abzugrenzen.

  • Ist eine innere Ursache nicht feststellbar, liegt ein Arbeitsunfall vor. Dies gilt auch für äußere Einwirkungen, deren Folgen äußerlich nicht sichtbar sind.

Dieses vielfach in der Literatur thematisierte Urteil des BSG wurde jedoch in den Folgejahren von den Untergerichten unterschiedlich ausgelegt und angewandt [3], sodass voneinander abweichende Entscheidungen in den einzelnen Bundesländern besonders auch nach Achillessehnenrupturen zu beobachten waren. Ein wesentlicher Grund hierfür ist die in der Literatur einheitlich nachzulesende Aufforderung an den Sachverständigen, in einem Zusammenhangsgutachten ganz besonderen Wert auf die Überprüfung der „Einwirkungskausalität“ zu legen mit Rekonstruktion des Unfallhergangs und Prüfung der Frage, ob mit dem besagten Vorgang eine nennenswerte Zugbelastung der Sehne erkennbar wird. Von der Beantwortung dieser Frage hänge im entscheidenden Maß ab, ob eine Anerkennungsempfehlung erfolgen kann oder nicht.

Dieser Anforderung kann jedoch in den meisten Fällen einer Achillessehnenruptur gutachterlich nicht entsprochen werden, weil die detaillierten Einzelheiten des Hergangs rückblickend nicht aufklärbar sind. Die Nichtaufklärbarkeit wird dann gleichgesetzt mit der nichterkennbaren schädigungsrelevanten Zugbelastung der Sehne. Wenn in solchen Fällen keine nennenswerten Texturstörungen histologisch festgestellt werden konnten, wird dem mit der vermutenden Argumentation begegnet, die Probeentnahme sei an der falschen Stelle der Sehne vorgenommen worden. Die Rechtsprechung verlangt aber über die spekulative Annahme hinaus den Nachweis einer konkurrierenden Ursächlichkeit. Verneint dies der schriftlich abgesetzte histologische Befund, ist für das Gericht die fehlende konkurrierende Kausalität eine zweifelsfreie Tatsache.

Gelegentlich ist in solchen Fallgestaltungen in einem Zusammenhangsgutachten die abschließende Anmerkung zu lesen, dass man sich den Eintritt der Ruptur auch nicht erklären könne, dieser bei vermeintlich fehlender Einwirkungskausalität jedoch ganz sicher nicht unfallbedingt zustande gekommen sei. Mit einer solchen gutachterlichen Beurteilung werden buchstäblich alle beweisrechtlichen Regeln für eine Kausalitätsbeurteilung missachtet, was zwischenzeitlich auch seitens der Rechtsprechung erkannt wurde.

Wegweisendes Urteil des LSG NRW

Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat in einem Urteil vom 10.10.2014 (Az. L 4 U 506/10) diesen Praktiken ein Ende gesetzt. Eine zum Unfallzeitpunkt 39-jährige Klägerin war bei einer versicherten sportlichen Ausbildung nach einem Sprung unglücklich mit dem Fuß an der Mattenkante aufgekommen und der Fuß dabei „umgeschlagen“. Die Operation ergab zweifelsfrei eine frische Achillessehnenruptur, was auch von der Beklagten in der prozessualen Auseinandersetzung unstreitig akzeptiert wurde. Die Beklagte bestritt jedoch, dass es bei diesem Vorgang zu einer nennenswerten Zugbelastung der Achillessehne hätte kommen können. Bei der ersten operativen Versorgung wurde keine Gewebeprobe entnommen. Da eine Zweitoperation erforderlich und nunmehr eine Gewebeprobe zur Untersuchung eingesandt wurde, diese jedoch eine altersgemäß normale Strukturierung der Sehne offenbarte, wurde von der Klägerin vorgetragen, dass keine konkurrierende Ursache zu erkennen sei und somit, gewissermaßen im Umkehrschluss, nur das Ereignis ursächlich gewesen sein könne.

Der 4. Senat des LSG NRW ist dieser Auffassung der Klägerin vollumfänglich gefolgt. In diesem Urteil wurde in einer seltenen Klarheit und Stringenz die gesamte beweisrechtliche Kaskade durchdekliniert und schlussendlich – wie seinerzeit vom BSG im Urteil vom 12.04.2005 vorgetragen – ausgeführt, dass bei fehlender, in diesem Falle sogar nachgewiesenermaßen nicht vorhandener konkurrierender Ursächlichkeit einerseits, aber einer vollbeweislich belegten frischen Achillessehnenruptur unmittelbar im Anschluss an das angeschuldigte Ereignis nach der vollen Überzeugung des Gerichts nur das Ereignis selbst als Ursache verblieb. Da die zeitliche Verknüpfung zwischen Ereignis und frischer Ruptur bereits unstreitig akzeptiert wurde, müsse auch dem Ereignis dann konsequenterweise die Bedeutung der rechtlich wesentlichen Bedingung zugeordnet werden, ganz unabhängig davon, ob die Ruptur mechanisch-analytisch erklärbar sei oder nicht. Die einzige Ursachenmöglichkeit läge, wie auch von einem Sportmediziner vorgetragen, in einer exzentrischen Belastungssituation, auch wenn ein solcher „innerer“ Geschehensablauf nicht vollbeweislich belegt werden könne. Das Gericht verwies zudem darauf, dass eine Fehlpositionierung des Fußes nach einem Sprung mit „Umschlagen“ desselben zweifellos den Unfallbegriff erfülle. Eine Revision dieser Entscheidung vor dem BSG strebte die Beklagte nicht an.

Diese Entscheidung des LSG NRW kann bei zukünftigen Zusammenhangsbegutachtungen nach Achillessehnenrupturen mit einem scheinbar „unerklärlichen“ Verletzungseintritt nicht unbeachtet bleiben. Im Grunde handelt es sich hier aber nicht um eine neue, sozialgerichtlich herbeigeführte Erkenntnis, da bereits bei Schönberger et al. [12] nachzulesen ist, dass bei exzentrischen Belastungssituationen auch die gesunde Sehne rupturieren kann. Diese Textpassagen finden jedoch so gut wie nie Eingang in die Kausalitätsbeurteilung, sodass auch gegenwärtig die meisten gutachterlichen Kausalitätsbeurteilungen noch als problematisch zu bezeichnen sind.

So wird bei einem Rupturereignis der Achillessehne beim Sprintstart geradezu regelhaft argumentiert, dass dabei nichts Bestimmungswidriges, Unerwartetes oder Unvorhergesehenes, Ungeplantes oder Unkoordiniertes (s. oben) abgelaufen sei. Damit wird schon die ganz einfache Eingangsfrage im Abwägungsprozess übergangen, nämlich ob das angeschuldigte Ereignis einem lebensalltagsüblichen Belastungsvorgang entsprach oder nicht. Die Antwort erschließt sich bei lebensnaher Betrachtungsweise von ganz allein, sodass im Abwägungsprozess nur noch die zweite Frage, nämlich die nach der konkurrierenden Ursächlichkeit, beantwortet werden muss.

Da die konkurrierende Ursache, z. B. eine hochgradige, bereits zum Unfallzeitpunkt bestehende Texturstörung, vollbeweislich zu belegen ist und die Beweislast hierfür bei der Versicherung liegt, wird allein schon die Nichtdurchführung einer histologischen Untersuchung, fast immer verknüpft mit einer achillessehnenbezogenen unauffälligen Vorgeschichte, zum gedanklichen Wegfall einer konkurrierenden Ursächlichkeit führen. Daraus folgt, dass nur der Geschehensablauf – sofern vollbeweislich belegt – als Ursache übrig bleibt. Dies gilt auch, wenn ein histologischer Befund mit nur leichtgradigen (altersüblichen) oder auch mäßiggradigen Texturstörungen nachgewiesen wurde.

Solche Texturstörungen vermindern zwar ohne jeden Zweifel die Reißfestigkeit solcher großen Sehnen, jedoch nicht so maßgeblich, dass es keiner nennenswerten Kraftentwicklungen zur Zerreißung der Sehne mehr bedurfte. In solchen Fällen wird dieser Einwirkungskausalität, der muskeldynamisch herbeigeführten hohen Zugbelastung der Sehne, zumindest die Bedeutung der rechtlich wesentlichen Teilursache zuzuordnen sein, was zu einer vollen Anerkennung der Achillessehnenruptur als Unfallfolge führen muss.

Da nach der Rechtsprechung, so auch bei Schönberger et al. [12] nachzulesen, lediglich gefordert wird, dass mindestens etwa ein Drittel des Ursachenbeitrags durch die Einwirkung erfolgt sein muss, also durchaus auch im Anerkennungsfall zwei Drittel des Ursachenbeitrags durch konkurrierende Ursachen bedingt sein können, kann dies zur Folge haben, dass die vorbestehende, bis dato stumme Schadensanlage der Sehne mit daraus resultierender verminderter Reißfestigkeit eine unabdingbare Voraussetzung darstellt, dass eine keineswegs überragende Zugbelastung der Sehne dennoch den Schadenseintritt bewirkt (so auch BSG im Urteil vom 09.05.2006, Az. B 2 U 26/04 R).

Schlussfolgerungen

Die vorbestehende Qualitätsminderung der Sehnenstruktur wäre damit gewissermaßen der Wegbereiter dafür, dass eine ansonsten nicht schädigungsrelevante Zugbelastung zur Zerreißung führen konnte und diesem Vorgang dennoch die Bedeutung der rechtlich wesentlichen Bedingung zugeordnet werden muss. Nur dann, wenn anhand der Sehnenbeschaffenheit nachzuweisen ist, dass ohnehin in nicht allzu ferner Zeit nach dem besagten Ereignis auch ohne besondere äußere Einwirkung die Sehnendiskontinuität zu erwarten war, wird man dem Ereignis die Bedeutung der rechtlich unwesentlichen Bedingung zuzuordnen haben.

Für die Anerkennungspraxis nach Achillessehnenrupturen muss dies letztendlich dazu führen, dass in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle eine Anerkennung vorzunehmen ist, die – dies wird man realistischerweise so erwarten müssen – aber häufig erst in der sozialgerichtlichen Auseinandersetzung erfolgen wird.