Laut NIDEP-1-Studie aus dem Jahr 1995 [68] lagen postoperative Wundinfektionen („surgical site infections“, SSI) in deutschen Akutkrankenhäusern mit ca. 16 % an 3. Stelle der nosokomialen Infektionen nach nosokomialen Pneumonien und nosokomialen Harnwegsinfektionen. Im Vergleich dazu sind sie, wie die Prävalenzerhebung des European Centre for Disease Prevention and Control [61] ergab, 2011 mit 24,7 % an die erste Stelle der nosokomialen Infektionen gerückt, gefolgt von Harnwegsinfektionen mit 22,4 % und unteren Atemwegsinfektionen mit 21,5 %. Der Anteil von Infektionen mit Clostridium difficile betrug 6,6 %, der von primärer Sepsis 6,0 %. Als häufigste Erreger nosokomialer Infektionen wurden Escherichia coli (18,4 %), Staphylococcus (S.) aureus (13,3 %) und Enterococcus faecalis sowie Enterococcus faecium (12,8 %) beobachtet [61]. Aufgrund seiner vielfältigen Virulenzfaktoren ist S. aureus in akut traumatischen, chirurgischen, chronischen und Verbrennungswunden als der problematischste Erreger anzusehen.

Für die Verschiebung der SSI auf Platz 1 kommen u. a. folgende Ursachen in Betracht:

  • das immer höhere Alter operativ zu versorgender Patienten,

  • die Durchführung bisher nicht möglich gewesener Operationen aufgrund neuer Operationstechniken,

  • die Zunahme multiresistenter Erreger und

  • die im Vergleich zur Prävention von SSI einfacher realisierbare Prävention katheterassoziierter Harnwegsinfektionen und beatmungsassoziierter Pneumonien.

Unabhängig davon müssen im Sinne der Patientensicherheit alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die gesicherten Maßnahmen zur Prävention von SSI als Multibarrierenstrategie im Zusammenwirken aller Teammitglieder umzusetzen [53]. Dies ist nicht nur eine ethische Herausforderung, sondern auch unter ökonomischen Gesichtspunkten unerlässlich. Fall-Kontroll-Studien haben gezeigt, dass für Patienten mit SSI die Wahrscheinlichkeit zu sterben 2-fach höher, auf der Intensivstation behandelt zu werden, 60 % und neuerlich im Krankenhaus behandelt zu werden, 5-fach höher ist. Durchschnittlich entstehen durch eine SSI Kosten von ca. 3000 EUR und die Aufenthaltsdauer in der Klinik verlängert sich um ca. 6,5 Tage [36]. Hochgerechnet bedeutet dies eine Belastung für die Versicherungssysteme von fast 300 Mio. EUR Mehrkosten und 614.000 zusätzliche Krankenhausbehandlungstage pro Jahr in Deutschland [52].

Präoperative Hautantiseptik

Evidenz

Die präoperative Hautantiseptik nimmt eine Schlüsselstellung in der Prävention von SSI ein, da bei der Durchtrennung der Haut eine Verschleppung der residenten Hautflora in die Tiefe des Operationsfelds verhindert werden soll. Die durchschnittliche Dichte der residenten Mikroflora schwankt zwischen 102 und 106 KBE/cm2 Haut. Dabei sind hohe Besiedlungsdichten auf talgdrüsenreichen, feuchten Arealen wie Rücken und Sternum (103–105 KBE/cm2), Stirn, Kopfhaut und Axilla (104–106 KBE/cm2) zu finden. Auf trockenen, talgdrüsenarmen Arealen sind die Besiedlungsdichten üblicherweise geringer, z. B. auf Händen, Armen oder Beinen ca. 102–103 KBE/cm2, auf der Fußsohle 102 104 KBE/cm2 und auf dem Abdomen 103–104 KBE/cm2 [26]. Die residente Flora besiedelt überwiegend das Stratum corneum und die distalen Abschnitte von Haarfollikeln und Talgdrüsenausführungsgängen; etwa ein Fünftel ist in einer Tiefe von > 0,3 mm zu finden. Sie enthält vorwiegend S. epidermidis (in 25 % aller Isolate nachweisbar), weitere koagulasenegative Staphylokokken, koryneforme Stäbchenbakterien wie Propionibacterium spp., Corynebacterium spp., Dermabacteria spp. und Microccocus spp., ferner Pityrosporum spp. Für die temporär residente Flora hat insbesondere S. aureus Bedeutung, gefolgt von Acinetobacter spp. und Dermatophyten [27, 35].

Die Bedeutung der Hautflora als Quelle für SSI wird durch folgende Zusammenhänge untermauert:

  • In Abhängigkeit von der Formulierung eingesetzter Hautantiseptika resultiert eine unterschiedliche SSI-Rate (s. u.).

  • Durch Rasur im Operationsfeld wird in Abhängigkeit vom Abstand zur Operation das SSI-Risiko signifikant erhöht, sodass die Rasur obsolet ist und nur im Fall einer erforderlichen Haarentfernung Clipping anstelle Rasur durchgeführt werden soll [40].

  • Durch Anwendung nicht antiseptisch imprägnierter Inzisionsfolie wird das SSI-Risiko signifikant erhöht [84].

  • Dagegen kann durch präoperative Hautversiegelung das SSI-Risiko reduziert werden, wenn auch aufgrund der inkonsistenten Datenlage derzeit dazu keine Empfehlung abgeleitet werden kann [15, 17, 34, 76, 83, 86].

Als Ursache für die Bedeutung der Hautantiseptik ist anzusehen, dass insbesondere aus den tieferen Schichten der Haut einschließlich der Talg- und Schweißdrüsen in die Operationswunde gelangende Erreger eine Infektion verursachen können, da die Mikroflora der Haut durch die Hautantiseptik nicht komplett eliminierbar ist [80]. Daher ist die präoperative Hautantiseptik in der Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) zur Prävention postoperativer Infektionen im Operationsgebiet [42] mit der Evidenzkategorie IB gemäß Kategorisierung der KRINKO [44] eingeordnet. Nur folgende Maßnahmen zur Prävention von SSI erfüllen die Anforderungen an die Evidenzkategorie IA [43, 53]:

  • Sanierung bestehender Infektionen vor elektiven Eingriffen

  • Qualitätsgerechte Aufbereitung von Medizinprodukten

  • Indikationsgerechte perioperative Antibiotikaprophylaxe

  • Clipping oder keine Rasur

  • Vermeidung akzidenteller Hypothermie

  • Surveillance von SSI

Wirkstoffbasis und Wirksamkeit

Aufgrund ihrer raschen Wirkung und hohen Wirksamkeit sind alkoholbasierte Formulierungen für die Hautantiseptik Wirkstoff der ersten Wahl [16]. Im Praxistest auf talgdrüsenarmer Haut wird für die mit alkoholischen Präparaten innerhalb von 15 s erreichte Wirksamkeit mit wässriger Povidon(PVP)-Iod-Lösung 1 min benötigt. Auf talgdrüsenreicher Haut ist der Unterschied mit 2,5 min (für einige alkoholbasierte Formulierungen) vs. 10 min für wässrige PVP-Iod-Lösung noch ausgeprägter (Desinfektionsmittelliste des Verbunds für Angewandte Hygiene, VAH, [81]). Analog ist die Wirksamkeit wässriger Lösungen auf Basis von PVP-Iod oder Chlorhexidindigluconat (Chx) zur hygienischen Händedesinfektion deutlich geringer als die von Alkoholen [67]. Noch größer ist die Wirkungsdifferenz zwischen wässriger Lösung auf Basis von PVP-Iod oder Chx und Alkoholen auf die residente Flora im Rahmen der chirurgischen Händedesinfektion [66].

Während bei dermaler Injektion und Punktion keine remanente Wirksamkeit des Hautantiseptikums erforderlich ist, da die Wirkung nur für die Zeit der Durchtrennung der Haut durch die Injektion bzw. Punktion anhalten soll, ist bei präoperativer Hautantiseptik eine remanente Wirkung auf die residente Hautflora für die Dauer von der Abdeckung des Operationsfelds bis zum Wundverschluss erwünscht. Alkohole haben zwar eine hohe Sofortwirkung, sind aber nicht remanent wirksam. Durch Zusatz eines remanent wirkenden Antiseptikums zur alkoholischen Formulierung ist jedoch eine remanente Wirkung erreichbar, wodurch die Wirkung auf die Hautflora zeitabhängig mehr oder weniger ausgeprägt erhöht wird. Als antiseptische Zusätze werden derzeit v. a. Chx, PVP-Iod und Octenidindihydrochlorid (Oct) eingesetzt. Relevant für die Auswahl des Hautantiseptikums sind Studien, die zur präoperativen Hautantiseptik mit der SSI-Rate als Endpunkt durchgeführt wurden. Hierbei wurden Hautantiseptika mit unterschiedlicher Wirkstoffbasis verglichen (Tab. 1).

Tab. 1 Einfluss unterschiedlicher Hautantiseptika auf die Rate postoperativer Wundinfektionen (SSI) innerhalb von 30 Tagen

Diese Studien belegen, dass wässrige PVP-Iod-Lösung sowohl wässriger als auch insbesondere alkoholbasierter Chx-Lösung an Wirksamkeit unterlegen ist (Tab. 1, [54, 62]). Dies lässt sich anhand der SSI-Rate sowie bezüglich der Reduktion der Hautflora nachweisen [11]. Daher ist wässrige PVP-Iod-Lösung nicht mehr als Mittel der Wahl zur Hautantiseptik vor präoperativen Eingriffen anzusehen; hinzu kommt das Risiko resorptiver Nebenwirkungen auf die Schilddrüse [4].

Schwieriger ist die Bewertung der verschiedenen alkoholischen Formulierungen aufgrund unterschiedlicher Studienprotokolle, unterschiedlicher Eingriffe und unterschiedlicher Zusammensetzung der Formulierungen. Durch Zusatz von Chx zu Alkohol wird die Wirksamkeit auf die Hautflora signifikant erhöht, wobei sich die Kombination mit Propan-1-ol am wirksamsten erwies [65]. Allerdings steht der Nachweis der höheren Effektivität für die Prävention von SSI durch den Zusatz von Chx zur alkoholischen Formulierung mittels randomisierter kontrollierter Studien (RCT) bisher aus. Ebenso ist alkoholbasierte Chx-Lösung in der Wirksamkeit auf die residente Hautflora wässriger Chx-Lösung überlegen [29]. Bisher fehlt eine RCT, in der die Kombination von 2 % Chx mit 70 % Propan-2-ol gegen die Kombination von PVP-Iod mit 70 % Propan-2-ol bei identischer Einwirkungszeit und ohne vorherige Waschung der Haut im Operationsareal verglichen wird. Nur in der Studie von Berry et al. [9] wurden alkoholische Formulierungen mit Chx bzw. PVP-Iod-Zusatz verglichen. Allerdings ist die Verblindung unklar und es sind weder der Alkohol noch die Konzentration von PVP-Iod angegeben. Als Ergebnis einer Metanalyse wird anhand lediglich einer Studie für aseptische Eingriffe abgeleitet, dass die präoperative Antiseptik mit 0,5 % Chx in Ethanol mit signifikant geringeren SSI-Raten assoziiert ist als mit ethanolbasierten PVP-Iod-Zubereitungen; allerdings sind Bias nicht auszuschließen [16]. Eine weitere Metanalyse kommt unabhängig vom Eingriff zu der Schlussfolgerung, dass die Chx-basierte Hautantiseptik der mit PVP-Iod überlegen ist, wobei sowohl wässrige als auch Propan-2-ol-basierte Zubereitungen verglichen wurden, was nicht akzeptabel ist [49]. Signifikant war der Unterschied beim Vergleich zweier alkoholbasierter Zubereitungen nur in der schon zitierten Studie von Berry et al. [9], deren Aussagekraft jedoch eingeschränkt ist.

Insgesamt kann festgestellt werden, dass es sinnvoll ist, zur präoperativen Hautantiseptik, insbesondere bei lang dauernden Eingriffen, Alkohole mit Zusatz eines remanenten Antiseptikums anzuwenden. Dies gründet sich auf die in Tab. 1 zusammengefassten Befunde und die Überlegenheit alkoholischer Formulierungen mit Zusatz von Chx im Vergleich zu Alkoholen ohne Zusatz von Chx in Bezug auf die Reduktion der residenten Hautflora sowie in Bezug auf die höhere Wirksamkeit bei dem Legen und der Pflege von zentralen Venenkathetern (ZVK). Durch die Anwendung von Alkoholen mit Zusatz von Chx bzw. Oct wird beim ZVK nicht nur die Rekolonisation der Katheterspitze signifikant verzögert [13, 14, 59], sondern auch die Inzidenz ZVK-assoziierter Blutstrominfektionen reduziert [31].

Wird Chx mittels Textil oder Applikator aufgetragen, ist die Wirksamkeit höher als bei üblicher Benetzung [18, 80]. Allerdings wird die Wirksamkeit der sog. assistierten Anwendung mit Applikator auch durch mechanisches Einreiben mittels Kornzange und Tupfer erreicht [80]. Daraus ist abzuleiten, dass die präoperative Hautantiseptik zweistufig durchgeführt werden sollte, beginnend mit mechanisch intensivierter Auftragung für 30 s und nachfolgender Benetzung für die Gesamtdauer der Antiseptik mit der vom Hersteller empfohlenen Einwirkungszeit.

Da in den USA und vielen europäischen Staaten bisher nur Chx-basierte Antiseptika eingesetzt werden, wurden fast alle Studien mit diesem Wirkstoff durchgeführt. Octenidin ist aus folgenden Gründen als eine mindestens gleichwertige Alternative zu Chx anzusehen:

  • Octenidin übertrifft in vitro Chx an Wirksamkeit [37].

  • Es ist analog zu Chx remanent wirksam bei besserer Biokompatibilität [60].

  • In Kombination mit Alkoholen ist Oct vergleichbar effektiv wie Chx in Bezug auf die Reduktion der Hautflora um die Insertion des ZVK [13, 14].

  • Durch Oct war keine Resistenzentwicklung induzierbar [1, 32]. Dagegen wurde durch Chx eine Resistenzentwicklung sowohl adaptiv als auch R-Plasmid-vermittelt mit Kreuzresistenz gegen Antibiotika beschrieben [21, 74].

  • Inzwischen wurden v. a. Staphylokokkenisolate von Patienten mit verminderter In-vitro-Empfindlichkeit gegen Chx beschrieben [30, 56, 57]; der Resistenzmechanismus beruht auf plasmidkodierten Effluxpumpen [21].

  • Ebenso wurden für Oct im Unterschied zu Chx keine allergischen Kontaktekzeme [71] – wenn sie auch selten auftreten – und IgE-vermittelten anaphylaktischen Reaktionen beschrieben [32, 64].

  • Dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) lagen bis 2013 147 Berichte aus Deutschland über anaphylaktische Reaktionen im Zusammenhang mit der Anwendung von Chx vor [10].

  • Schließlich stellt die in der Mundhöhle nachgewiesene Freisetzung der im Chx-Molekül vorhandenen 4-Chloranilin-Gruppe, die als Kanzerogen eingestuft ist, [6] eine weitere Einschränkung dar.

Zulassung

Hautantiseptika sind in Deutschland als Arzneimittel registriert. Ihre Wirksamkeit muss durch Gutachten mit den für die Zulassung erforderlichen Prüfmethoden des VAH nachgewiesen werden. Als Voraussetzung für die Aufnahme in die Desinfektionsmittelliste des VAH müssen Hautantiseptika in der deklarierten Einwirkungszeit die gleiche oder eine signifikant höhere Wirksamkeit besitzen als das Referenzverfahren mit Propan-2-ol 70 Vol.% [23].

Die erforderliche und zugleich gelistete Einwirkungszeit der präoperativen Antiseptik ist allerdings weder experimentell noch epidemiologisch gesichert. Da der Talgdrüsenanteil regional unterschiedlich ist und der Fettgehalt der Haut individuellen Schwankungen unterliegt, ist man auf der sicheren Seite, wenn auch auf talgdrüsenarmen Arealen die präoperative Hautantiseptik mit der Einwirkungszeit für talgdrüsenreiche Haut zugrunde gelegt wird, zumal mit alkoholbasierten Präparaten bei Auftragung ohne anschließendes mechanisches Einreiben nur eine Reduktion auf der Hautoberfläche um etwa 1,2 log10 erreicht wird [80] und der Alkohol nicht in die Haarfollikel eindringt [78, 79].

Durchführung

Die Hautantiseptik wird im Operationsraum durchgeführt. Die Haut muss während der vom Hersteller deklarierten Einwirkzeit satt benetzt und feucht gehalten werden. Hierbei ist darauf zu achten, dass der Patient nicht in Flüssigkeitsansammlungen des Antiseptikums zu liegen kommt, da dies zu Hautschädigung (Nekrosen) oder Komplikationen durch Kriechströme beim Kauterisieren führen kann. Nach erfolgter Antiseptik wird die Umgebung des Operationsgebiets steril abgedeckt [42]. Durch Freigabe des Hautantiseptikums mittels Applikator auf ein Schwämmchen werden eine Standardisierung und zugleich höhere Effektivität erreicht. Alternativ ist das Vorgehen mit Tupfer und Kornzange mit gleicher Effektivität standardisierbar [80].

Obwohl Alkohole bei Körperwärme flüchtig sind und rasch verdunsten, ist bei großflächiger Applikation die Brandgefahr zu beachten, da Alkohol-Luft-Gemische entzündbar sind. Ein besonderes Risiko besteht, wenn in der Nähe Zündquellen vorhanden sind (z. B. Elektrokauter, offene Flamme; [38]). Ferner ist zu berücksichtigen, dass alle kurzkettigen Alkohole dermal resorbiert werden [5, 39]. Deshalb empfiehlt sich bei besonders empfindlichen Patienten (Früh- und Neugeborene, Patienten mit Leberschädigung) die Anwendung ethanolhaltiger Antiseptika, da Ethanol im Vergleich zu Propan-1-ol und Propan-2-ol toxikologisch unkritisch ist. Die Anwendung wässriger Präparate auf Oct-Basis kann bei Anwendung an Haut-Schleimhaut-Übergängen oder bei unreifen Neonaten [42] notwendig sein.

Hautschutz und Hautpflege

Bedeutung

Berufsbedingte Hauterkrankungen stehen seit vielen Jahren an der Spitze der Berufskrankheiten [19]. Ein Grund hierfür dürfte sein, dass die Hände zu viel gewaschen werden, anstatt alkoholische Händedesinfektionsmittel zu benutzen. Zum anderen werden Hautschutz- und Hautpflegemittel aus Unkenntnis zu wenig oder auch falsch angewendet [20, 72]. Sowohl bei Pflegepersonal als auch bei Ärzten ergaben sich große Wissensdefizite in Hinblick auf Hautschutz und Hautpflege [24, 25]. Deshalb ist die Wissensvermittlung in Verbindung mit der Etablierung eines Hautschutzplans wichtig und leistet einen Beitrag zur Verbesserung beruflich irritierter Haut [45, 51, 85].

Hautschutzpräparate schützen vor Irritation [7, 22, 48] und werden vor der Arbeit und ggf. zusätzlich in den Arbeitspausen aufgetragen [8]. Hautpflegepräparate unterstützen die Regeneration der Haut und damit ihre Barrierefunktion [75]. Bei sichtbarer Verschmutzung der Hände soll vor dem Auftragen von Hautschutz- oder -pflegepräparaten die Haut gereinigt werden, um dem Eindringen von auf der Haut verbliebenen Substanzen mit hautreizenden Eigenschaften entgegenzuwirken [41].

Auch wenn Hautschutz und Hautpflege vorrangig dem Arbeitsschutz dienen, ist eine glatte gepflegte Haut Voraussetzung für eine effektive Händedesinfektion [55], da bereits kleinste Risse bzw. Mikrotraumen zum Erregerreservoir werden können [46].

Umsetzung in die Praxis

Bei Gefährdung der Haut durch Arbeiten im feuchten Milieu – dazu gehört auch das Tragen flüssigkeitsdichter Handschuhe > 2 h – muss der Arbeitgeber persönliche Schutzausrüstung bereitstellen, eine Betriebsanweisung und einen Hautschutzplan erstellen, die Möglichkeit zur Reduzierung der Feuchtigkeitsexposition einschließlich Ersatzstoffprüfung überprüfen und die arbeitsmedizinische Vorsorge und Überwachung gewährleisten [77].

Zu Dienstbeginn sollten die Hände kurz gewaschen und gründlich getrocknet werden. Danach ist eine Hautschutzcreme gleichmäßig über die Hände einschließlich Fingerzwischenräume zu verteilen. Nach größeren Arbeitsunterbrechungen, z. B. Mittagspause, empfiehlt sich die erneute Anwendung der Hautschutzcreme. Zwischenzeitlich sollte die Hautpflegecreme bei individuellem Bedürfnis, z. B. Gefühl trockener Hände, und ebenso am Arbeitsende benutzt werden. Beim Umgang mit irritativen Noxen (z. B. Flächendesinfektion, Instrumentenaufbereitung) sind Schutzhandschuhe (keine Untersuchungshandschuhe) anzulegen. Bei beginnenden Hautschäden ist der betriebsärztliche Dienst oder ein Hautarzt zu konsultieren.

Ob ein zeitlicher Abstand zwischen der Anwendung von Hautschutz- und Hautpflegepräparaten zur Händedesinfektion eingehalten werden muss, ist bisher nicht ausreichend untersucht. In praxisfremden Modellen wurde eine Wirkungsverminderung für alkoholische Händedesinfektionsmittel durch Pflegeprodukte [69] nachgewiesen. Die Association for Professionals in Infection Control (APIC) empfiehlt deshalb, die Kompatibilität von Pflegeprodukt und Händedesinfektionsmittel bereits bei der Produktauswahl zu berücksichtigen, gibt jedoch keine Hinweise zu einem Verfahren der Kompatibilitätsprüfung [47].

Nach Anwendung von Hautschutz und Durchführung einer hygienischen Händedesinfektion nach 5 min bzw. 60 min wurde keine Wirkungsbeeinflussung festgestellt [24]. Nach Anwendung von Hautschutz und Hautpflege (je 3-mal/Tag für 9 Tage) bei einem chirurgischen Team wurde der Hautzustand signifikant verbessert, ohne dass auch hier die Wirksamkeit der Händedesinfektion beeinträchtigt wurde [25].

In einer noch unveröffentlichten prospektiven Studie zum dermatologischen Nutzen von Hautschutz in der Chirurgie wurden nach täglicher Erhebung der Vorwerte innerhalb von 2 Wochen (Messreihe 1) zwei weitere Messreihen für je 1 Woche bei 11 Probanden durchgeführt [28]:

Messreihe 2

Anwendung des Hautschutzprodukts Praecutan® TwinProtect sensitiv und des Hautpflegeprodukts Praecutan® Creme sensitive (beide Evonik Industries AG, Krefeld).

Messreihe 3

Ersatz von Praecutan® Creme sensitive durch das Hautpflegeprodukt Apomix® (PKH GmbH, Halle) wegen unangenehmen Auftrageverhaltens (krümelige Konsistenz, negative Compliance) und Auftretens von verschlechtertem Hautbild mit Desquamation und Rubor bei einem Probanden. In Messreihe 2 musste wegen einer Noroviruserkrankung das Händedesinfektionsmittel Sterillium® classic pure gegen das viruzid wirksame Händedesinfektionsmittel Manorapid® Synergy ausgewechselt werden, das erfahrungsgemäß deutlich schlechter von der Haut toleriert wird.

Die Hautpflege wurde 1- bis 5-mal/Tag durchgeführt, der Hautschutz wurde von 10 Probanden ebenfalls 1- bis 5-mal/Tag und von 1 Probanden 5- bis 10-mal/Tag aufgetragen. Bestimmt wurden der transepidermale Wasserverlust (TEWL), der Hautlipidgehalt und das antioxidative Potenzial (AOP) der Haut.

Trotz des Wechsels auf ein viruzides Händedesinfektionsmittel in Messreihe 2 verbesserten sich der Hautlipidgehalt und das AOP. Lediglich der TEWL wurde tendenziell reduziert (Tab. 2). Die subjektive Einschätzung von 0  „keinerlei Hautveränderungen“ bis 10 „extrem angegriffen“ ergab im Vergleich der Vorwerte von Messreihe 1 und nach Messreihe 3 trotz Anwendung des viruziden Händedesinfektionsmittels keinen Unterschied und subjektive Hautveränderungen besserten sich (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Einfluss von Hautschutz und Hautpflege auf Hautveränderungen

Tab. 2 Einfluss von Hautschutz und Hautpflege auf den Hautzustand

Damit konnte trotz der kurzen Studiendauer von 2 Wochen ein günstiger Einfluss von Hautschutz und Hautpflege in einem chirurgischen Team nachgewiesen werden [28].

Da trotz dieser ersten orientierenden Untersuchungen nicht auszuschließen ist, dass einige Hautpflegemittel die Wirkung alkoholischer Händedesinfektionsmittel beeinträchtigen können, ist deren Anwendung – sofern ihr Einfluss auf die Wirksamkeit der Händedesinfektion nicht untersucht ist – am günstigsten in Arbeitspausen und zusätzlich nach Arbeitsschluss vorzunehmen.

Eine weitere Möglichkeit zum Schutz der Haut ist das Tragen von Baumwollunterziehhandschuhen unter dem Schutzhandschuh, wodurch die Schweißansammlung reduziert und damit die subjektiv empfundene Hautverträglichkeit verbessert wird [33].