Hintergrund

Trotz der Fortschritte in der operativen Behandlung von Frakturen der langen Röhrenknochen durch gewebeschonende Operationstechniken und anatomische Implantate muss mit einer ausbleibenden Knochenheilung in Risikogruppen in bis zu 30 % der Fälle gerechnet werden. Die Ursachen hierfür können vielfältig sein. Neben Instabilität und Defektsituationen gilt die Infektion als ein wesentlicher Faktor für die Ausbildung von Pseudarthrosen. Dabei ist das klinische Erscheinungsbild sehr vielfältig und reicht von der schmerzfreien Funktion bis hin zum septischen Krankheitsbild [15, 17, 25, 26, 36, 41, 43, 62, 72]. Die Herausforderung besteht darin, eine Infektion als Ursache für die ausbleibende knöcherne Konsolidierung zu detektieren und zu sanieren, um sowohl die Heilung des Infekts als auch des Knochens zu erreichen. Aufgrund der langwierigen Therapie ist die frühzeitige Identifikation der Problematik Voraussetzung für eine definitive Versorgung.

Ziel dieser Arbeit ist die Darstellung der verschiedenen Optionen zur Diagnostik und Therapie der Infektpseudarthrose an langen Röhrenknochen und der Stellung der Indikation einzelner Therapieverfahren.

Definition/Klassifikation

Von einer Pseudarthrose wird im allgemeinen Sprachgebrauch ausgegangen, wenn es in einem Zeitraum von 6 bis 12 Monaten nach einer Frakturversorgung nicht zur knöchernen Konsolidierung kommt. Die Infektpseudarthrose ist zusätzlich durch eine chronische Osteomyelitis im Bereich der Pseudarthrose gekennzeichnet [10, 25, 51, 58, 76].

Die Klassifikation von Pseudarthrosen kann anhand des klinischen Erscheinungsbildes nach Weber u. Cech [71], nach radiologischen Kriterien, nach dem Ausmaß des Knochendefekts (Paley-Klassifikation, [46]) und nach dem Infektstatus (Cierny/Mader-Klassifikation, [12]) erfolgen [5, 19, 47, 52, 62, 63]. Auch neuere Scoresysteme wurden publiziert, um die Therapie besser differenzieren und die Prognose abschätzen zu können. Allerdings finden sie in der Praxis bisher wenig Anwendung [8, 31].

Epidemiologie

Die Pseudarthrosenrate an langen Röhrenknochen wird mit bis zu 48 % angegeben [5, 7, 15, 25, 29, 43, 60, 62, 72], die der Infektpseudarthrose mit bis zu 15 % [41, 47, 74]. Am häufigsten ist die Problematik der fehlenden Konsolidierung an der Tibia zu beobachten, gefolgt von Femur und Humerus.

Im eigenen Patientenkollektiv wurde von Hackl et al. (pers. Mitteilung) in einer retrospektiven Analyse von 143 Tibiapseudarthrosen in 23 % (n = 33) ein positiver bakteriologischer Befund nachgewiesen. Führend wurde Staphylococcus aureus in über 3/4 der Fälle isoliert. Als Parameter mit signifikanter Differenz zwischen beiden Gruppen erwies sich der CRP-Wert (CRP: C-reaktives Protein) mit einem Durchschnitt von 30 mg/l (3 mg/dl) bei den von einer Infektion betroffenen Patienten im Vergleich zu 60 mg/l (6 mg/dl) in der Gruppe mit aseptischer Pseudarthrose (p < 0,05). Durch Resektion der Pseudarthrose, testgerechte Antibiotikatherapie über 6 Wochen und eine stabile Osteosynthese konnten alle Pseudarthrosen zur Ausheilung gebracht werden (Hackl, pers. Mitteilung).

Eine wesentliche Ursache für die Häufung an der Tibia dürften die limitierte Weichteildeckung und die relativ schlechte Perfusion in dieser Region sein.

Die Wahrscheinlichkeit der Ausbildung einer Infektpseudarthrose ist u. a. mit offenen Frakturen, langer Operationsdauer, unzureichender Immunkompetenz und der Durchblutungssituation assoziiert [5, 7, 15, 24, 25, 43, 52, 56, 62, 76]. Eine Infektpseudarthrose liegt vor, wenn neben der fehlenden Konsolidierung des Knochens eine bakterielle Infektion vorhanden ist.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie es zu einer Kontamination im Frakturbereich kommen kann, die dann zu einer manifesten Infektion führt. Bei offenen Frakturen scheint diese Frage einfach zu beantworten zu sein, da man davon ausgehen kann, dass durch die Durchtrennung des schützenden Weichteilmantels Bakterien aus der Umgebung in die Knochenwunde eindringen können. Aber dennoch kommt es nicht bei jeder offenen Fraktur zu einer Infektion! Führt man eine primär geschlossene Fraktur einer operativen Behandlung zu, wird diese in eine offene Fraktur überführt. Zwar ist die Kontamination unter sterilen Bedingungen gering, aber durch die Manipulation und Gewebetraumatisierung während der Operation können Voraussetzungen geschaffen werden, die die Entwicklung einer Infektion begünstigen. Hierzu gehören neben der Gewebetraumatisierung die Dauer der Operation und letztendlich meist die Implantation eines großen Fremdkörpers (Implantat). Wird eine kritische Anzahl an Bakterien im Situs überschritten, ist die köpereigene Immunabwehr nicht mehr in der Lage, die Erreger erfolgreich zu phagozytieren, und die Bakterien können sich auf der Oberfläche des Implantats absiedeln und aus der planktonischen in die sessile Form übergehen (Biofilm) [14]. Damit ist die Kaskade der sog. frustranen Phagozytose [68] in Gang gesetzt, und es resultiert das klinische Bild der implantatassoziierten Infektion [67, 68, 69, 70]. Findet dieser Prozess im Frakturspalt statt, wird die Konsolidierung verhindert, und es liegt eine Infektpseudarthrose vor.

Erreger

Den typischen Erreger im Falle einer Infektpseudarthrose gibt es nicht, auch wenn bei implantatassoziierten Infektionen besonders häufig multiresistenter Staphylococcus epidermidis (MRSE) nachgewiesen werden. Auch Staphylococcus aureus, Pseudomonaden und teilweise auch gramnegative Erreger können Ursache der Infektion sein [4, 7, 10, 48, 53, 74]. Klinisch sind Infektionen mit MRSE häufig eher inapparent und zeigen eine geringe entzündliche Reaktion, oft über Jahre. Nicht selten gelingt die Eradikation des Erregers nicht. Trotz Resektion und Implantatwechsel oder -entfernung ist eine Persistenz der Bakterien möglich, sodass im klinischen Alltag nicht immer von einer Heilung der Infektion, sondern eher von einer Infektberuhigung ausgegangen werden muss [23, 55].

Diagnostik

Bildgebung

Primär ist die konventionelle Radiografie die Methode der Wahl, um die Konsolidierung einer Fraktur zu beurteilen.

Bei komplexem Frakturverlauf und eingeschränkter Beurteilbarkeit durch Implantate ist die CT-Diagnostik (CT: Computertomografie) das Verfahren der Wahl. Allerdings kann auch mit ihr eine Infektion der Pseudarthrose nicht nachgewiesen werden. Die Identifikation von Sequestern jedoch ist als Hinweis auf eine Infektion anzusehen, wenn die klinische Situation ebenfalls für eine solche spricht [23, 62].

Die nuklearmedizinischen Verfahren stellen hervorragende Methoden zum Ausschluss von Pseudarthrosen und Infektionen dar, aber lediglich die PET-CT (PET: Positronenemissionstomografie) hat den Vorteil, dass neben der exakten Lokalisation des Fokus semiquantitativ auch ein Hinweis auf das Vorhandensein einer Infektion am Knochen erhalten werden kann [42].

Die MRT (Magnetresonanztomografie) eignet sich ebenfalls zur Darstellung einer vermehrten Wasseraufnahme im Gewebe und besonders zur Beurteilung der umliegenden Weichteile, durch Implantate ist ihre Interpretation jedoch erschwert.

Die Sonografie spielt für die Diagnostik einer Infektpseudarthrose im klinischen Alltag keine Rolle.

Histologie

Die definitive Diagnose der Infektpseudarthrose kann erst mit dem histologischen Nachweis der Infektion und des Erregers gestellt werden [32], wofür die Entnahme von repräsentativen Gewebeproben unabdingbar ist. Mit der Untersuchung von Bohrmehl, z. B. beim Wechsel eines Marknagels, ist dieser Nachweis nicht immer möglich, falls die Region der Pseudarthrose nicht dezidiert dargestellt wird.

Weitere Parameter/Diagnosestellung

Laborparameter helfen bei der Diagnosestellung nur bedingt weiter, da keiner spezifisch für eine Infektpseudarthrose ist. Im klinischen Alltag etablierte sich die Veränderung der CRP-Werte über die Zeit als zur Verlaufsbeurteilung praktikabel [6].

In seltenen Fällen kann das klinische Bild der Infektpseudarthrose auch durch eine Implantatallergie vorgetäuscht werden, wobei bisher nicht geklärt ist, ob die immunologische Reaktion auf das Implantat Ursache oder Wirkung eines Infektgeschehens darstellen kann [64].

Somit ergibt sich bei fehlender knöcherner Konsolidierung in einem Zeitraum länger als etwa 6 Monate nach der Frakturversorgung, Schmerzen, klinischen Infektzeichen, CRP-Erhöhung und dem Nachweis einer Infektion in der Histologie mit Erregernachweis die Diagnose einer Infektpseudarthrose.

Begleiterkrankungen

Die Genese von Infektpseudarthrosen, deren Behandlung und der Erfolg der Therapie werden wesentlich von den Begleitumständen des Patienten mit bestimmt. Neben den nicht beeinflussbaren Größen wie Unfallgeschehen, Alter und Art der Verletzung haben Faktoren wie Übergewicht (und die damit assoziierten Erkrankungen!), Nikotinkonsum, Alkoholkonsum, soziales Umfeld und psychische Variationen einen wesentlichen Effekt auf die Entstehung, die Therapie und den Erfolg der Behandlung von Infektpseudarthrosen.

Da die Immunkompetenz des Gewebes wesentlich durch die Qualität der Gewebedurchblutung bestimmt wird und auch die Knochen- und Gewebeheilung von ihr abhängen, ist die Perfusion des Gewebes der Schlüssel zum Erfolg bei der Prävention und Therapie von Infektpseudarthrosen. Aus diesem Grund ist die Mitbehandlung von Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus, Varikose und Durchblutungsstörungen sowohl bei der primären Frakturbehandlung als auch bei der Sanierung von Infektpseudarthrosen essenziell [5, 15, 21, 23, 43, 49, 52, 54, 62, 65].

Therapie

Behandlungsplan

Aus obigen Überlegungen ergibt sich, dass bei der Behandlung von Infektpseudarthrosen verschiedene Aspekte berücksichtigt werden müssen.

Neben dem Alter, der Lokalisation, dem vorhandenen Implantat, der Defektgröße und der Weichteilsituation sind die Begleiterkrankungen, der funktionelle Anspruch und die Compliance des Patienten für die Durchführung der oft lang andauernden Behandlung entscheidend [23, 35, 52, 56, 62, 65].

Lokalisation

Generell sind Infektpseudarthrosen an der unteren Extremität für die Lebensqualität des Patienten wesentlich bedeutender als diejenigen an der oberen Extremität. („Auf den Armen läuft man nicht!“) Außerdem ist die Durchblutungssituation an den Beinen, besonders an der distalen Tibia, schlechter als in der Nähe des Körperstamms. Damit sind die Voraussetzungen für Knochenheilung und Infektabwehr in dieser Region eher schlechter.

Sequestrektomie/Implantatentfernung

Grundprinzip der konsequenten Chirurgie septischer Knochenerkrankungen ist die radikale Resektion/Entfernung von avitalem Gewebe (Sequester, Fremdkörper). Daraus ergibt sich, dass die Behandlung der Infektpseudarthrose die komplette Materialentfernung und die Sequestrektomie beinhaltet. Bei kurzem schräg oder quer verlaufendem Pseudarthrosenspalt bietet sich die Resektion des erkrankten Segments an, sind mehr als 2/3 der Zirkumferenz erhalten, können auch die Resektion eines sequestrierten Biegungskeils und die anschließende Defektauffüllung erfolgreich sein.

Die Erfahrungen und Berichte über ein-, zwei- oder mehrzeitiges Vorgehen spiegeln ein heterogenes Bild der aktuellen Behandlungsalternativen wider [10, 15, 23, 44, 48, 58, 60, 62, 63]. Unter Berücksichtigung der pathophysiologischen Erkenntnisse über Biofilmbildung, Resistenzbildung und multifaktorielle Ursachen von Infektpseudarthrosen erscheint nach unserer klinischen Tätigkeit das mehrzeitige, individuelle Behandlungskonzept mit konsequenter Sequestrektomie, Implantatentfernung und anschließender Rekonstruktion der Weichteile und der knöchernen Strukturen als Verfahren der Wahl.

Eine besondere Herausforderung stellen Infektpseudarthrosen im metaphysären Bereich dar, da hier oft das benachbarte Gelenk am Infektgeschehen beteiligt ist und die Sanierung des Gelenkinfekts eine Erweiterung der therapeutischen Überlegungen beinhaltet.

Stabilisierung

Die Stabilität der Osteosynthese ist eine Voraussetzung für die erfolgreiche Konsolidierung einer Fraktur. Neben den internen Osteosyntheseverfahren kann diese auch durch den Fixateur externe oder eine Gipsanpassung erreicht werden [10, 15, 47, 57, 62]. Bei primärer Plattenosteosynthese bietet sich nach Metallentfernung und Resektion der Pseudarthrose die temporäre Stabilisierung mit Gips an, um die endostale Perfusion nicht weiter zu kompromittieren. Nach der Implantatentfernung können die bildgebende Diagnostik und ggf. Optimierung der Durchblutungssituation für die Planung der plastischen Deckung genutzt werden. Vorhandene Weichteildefekte werden sehr vorteilhaft und komfortabel mit der Vakuumversiegelung temporär gedeckt. Im Zuge der Weichteildeckung sind die erneute Osteosynthese und Defektfüllung möglich.

Lediglich am Femur ist die Stabilisierung mit einem Gips nicht ausreichend und für den Patienten belastend. Daraus folgt, dass nach Pseudarthrosenresektion und Implantatentfernung zur Eradikation und Identifikation des Erregers bei ausreichender Durchblutung und Weichteildeckung die erneute Stabilisierung, möglichst mit einem Marknagel, vorgenommen werden kann. Neben der Osteosynthese mit Fixateur externe besteht auch die Möglichkeit des Implantatwechsels zur Erhaltung der Stabilität bei gleichzeitiger Infekteradikation ohne zusätzliche Kompromittierung der periostalen Perfusion [10, 48].

Osteosynthese

Das universelle Implantat zur Erlangung einer ausreichenden Stabilität und für die oft langwierige Behandlung der Infektpseudarthrose ist der Fixateur externe in allen seinen Facetten [1, 4, 11, 21, 22, 25, 28, 33, 37, 38, 41, 44, 47, 51, 52, 54, 59, 62, 74, 79]. Allerdings sind die Nachteile des Verfahrens, wie mangelnder Komfort, Verlegung des Markraums und Behinderung des Zugangs für die Weichteildeckung im Therapiekonzept zu berücksichtigen. Unschlagbar ist der Fixateur externe bisher als Instrument zur Rekonstruktion von knöchernen Defekten an langen Röhrenknochen mittels Segmenttransport und Kallusdistraktion. Von der primären Verkürzung nach der Resektion über den Segmenttransport bis hin zur sekundären Verlängerung und Achskorrektur sind alle Verfahren umsetzbar.

Bei knöchernen Defekten bis etwa 3 cm kann neben der Defektauffüllung mit Spongiosa auch die Verkürzung in Betracht gezogen werden, da dadurch die Weichteilsituation mitunter entspannt wird. In diesen Fällen stellt der Marknagel das ideale Implantat dar. Voraussetzungen sind eine ausreichende knöcherne Substanz zu dessen Verriegelung und die sichere Infekteradikation [48]. Beim Segmenttransport bei einliegendem Marknagel sind die Verankerungsmöglichkeiten des Transportsystemsin der Kortikalis beschränkt. Die Verwendung von Custom-made-Marknägeln ist zu empfehlen, da durch zusätzliche Schrauben die Stabilität erhöht und im mittleren Bereich die Fixierung der Transportsegmente zum Docking optimiert werden können (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Custom-made-Marknagel zur Rekonstruktion bei Femurdefekt nach Infektpseudarthrose

Resultiert nach der Infekteradikation ein Weichteildefekt, der einer plastischen Deckung zugeführt werden muss, bietet sich besonders im metaphysären Bereich vorher die Osteosynthese mit vorzugsweise winkelstabilen Platten an. Der Vorteil ist im Komfort für den Patienten durch einen sog. Fixateur interne zu sehen, der durch die winkelstabilen Schrauben in der Platte die Vorteile der stabilen Fixierung bei gleichzeitig fehlender externer Weichteilkompromittierung bietet. Segmenttransport bzw. Kallusdistraktion sind mit ihm jedoch nicht möglich.

Alter

Die Behandlungsstrategie hängt jenseits der 6. Lebensdekade auch vom Alter des Patienten ab. Neben der langen Behandlungsdauer bei erhöhter Komorbidität ist eine geringere Erfolgsaussicht der Knochenregeneration nach Segmenttransport ab dem 65. Lebensjahr zu erwarten. Um möglichst rasch eine altersentsprechende Funktionalität zu erreichen, ist die Indikation für Verkürzungen, Arthrodesen oder Gelenkersatz in dieser Altersgruppe weiter zu stellen.

Knochendefektrekonstruktion

Ziel der Rekonstruktion von resezierten Knochendefekten sollte die Wiederherstellung eines vitalen Röhrenknochens zur Erhaltung der Funktion und Stabilität sein.

Durch die Auffüllung von Knochendefekten mit autologer Spongiosa wird zwar biologisch aktives Gewebe in den Defekt verpflanzt, das Remodelling hin zu einem Röhrenknochen kann jedoch mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Je größer das Volumen der Spongiosa, desto länger dauert die Erschließung der Partikel für die lokale Perfusion. Außerdem geht die Entnahme von Spongiosa immer mit einem Morbiditätsrisiko für die Entnahmestelle einher. Dennoch ist die Spongiosaplastik für die Auffüllung von kleinen (Partial)-Defekten aus oben genannten Gründen ein geeignetes Verfahren.

In ähnlicher Weise wird bei der Masquelet-Technik [39] verfahren, bei der das Knochendefektlager nach der Resektion des infizierten Knochens mit einem Zementplatzhalter aufgefüllt wird. Dadurch kommt es zur Induktion einer Membran, welche als Transplantatlager für die nach etwa 6 bis 16 Wochen zu transplantierende Spongiosa dient. Die Osteosynthese erfolgt meist mit einer Platte. Es sind Erfolge bei der Knochenrekonstruktion beschrieben [13, 20, 30, 61, 73, 78], die eigenen Erfahrungen konnten bisher nicht überzeugen.

Den Goldstandard für die Rekonstruktion von Defekten an langen Röhrenknochen stellt weiterhin der Segmenttransport nach dem Prinzip der Kallusdistraktion dar. Unter Berücksichtigung des operativen Aufwands, des Patientenkomforts und der Alternativen bietet sich dieses Verfahren ab einer Defektlänge von etwa 3 cm an. Während bis zu einer Länge von etwa 5 cm der Transport über einen Ring am Ringfixateur oder mit dem Monorail-Fixateur umgesetzt werden kann, sollten bei größeren Distanzen ein Seilzugmechanismus oder bifokaler Transport angestrebt werden, um die Kompromittierung der Weichteile zu limitieren. Bei isolierten diaphysären Defekten kann der Transport auch mit einem temporären Fixateur externe über den liegenden Marknagel vorgenommen werden [1, 10, 11, 18, 33, 35, 38, 44, 47, 50, 58, 60, 62, 75].

Bei unzureichender lokaler Weichteilsituation und Knochendefekt bietet sich der freie Gewebetransfer zur Defektrekonstruktion an. Vorteil dieses Verfahrens ist die zeitnahe Rekonstruktion des Defekts mit vaskularisiertem Knochen. Ein Nachteil ist jedoch in der limitierten Dimension der verfügbaren Spenderknochen (Fibula, Skapularand usw.) zu sehen, die eine funktionelle Nutzung oft erst nach Jahren erlaubt (Abb. 2). Für die Überbrückung von (Partial-)Defekten bis etwa 8 cm ist die Methode hervorragend geeignet, setzt aber eine intensive und harmonische interdisziplinäre Kooperation voraus. Der vaskularisierte Knochentransfer reicht von lokal gestielten Fibulaanteilen über freie osteomyokutane Lappen (paraskapular) bis zum freien Fibulatransfer. Dadurch wird in einer Sitzung die Defektauffüllung mit vitalem und Knochengewebe erreicht. Trotz der genannten Vorteile muss berücksichtigt werden, dass die Fibula erst durch Hypertrophie nach mehreren Monaten/Jahren die für große Röhrenknochen erforderliche mechanische Stabilität erreicht, sodass in diesen Zeitraum weiterhin eine zusätzliche Stabilisierung erforderlich ist [2, 9, 24, 56, 66, 76, 77]. Auch der Quertransport der vaskularisierten ipsilateralen Fibula zur Defektauffüllung an der Tibia wurde beschrieben [3].

Abb. 2
figure 2

Freier Fibulatransfer bei einer Defektstrecke von 18 cm an der Tibia 1,5 Jahre nach Transplantation

Totraummanagement

Kann bei der Sequestrektomie im metaphysären Bereich die Kortikalis erhalten werden, verbleiben oft große Kavitäten. Diese wieder mit vitalem Gewebe zu füllen, stellt weiterhin eine der Herausforderungen in der septischen Chirurgie dar.

Während die Defektfüllung mit vitalem Knochen- oder Muskelgewebe größeren Volumina vorbehalten bleibt und besonders in Kombination mit der plastischen Weichteildefektdeckung Vorteile bietet (Abb. 3), stehen eine Vielzahl von Präparaten zur Verfügung, welche die Knochenregeneration anregen sollen. Da es sich dabei um avitale Materialien handelt, liegt ein Schwerpunkt auch in der gleichzeitigen Applikation von Antibiotika, um ein Infektrezidiv zu vermeiden. Trotz zahlreicher Publikationen und teilweise guter Resultate kann eine Evidenz für diese Methoden bisher nicht nachgewiesen werden [11, 16, 17, 27, 34, 40, 43, 62, 72].

Abb. 3
figure 3

Defektauffüllung am Pilon mit osteomyofasziokutanem Paraskapularlappen

Implantatwechsel

Wie bereits erwähnt, ist bei symptomatischen Infektpseudarthrosen neben der Instabilität immer von einer chronischen Osteomyelitis im umgebenden Knochengewebe auszugehen. Bei einliegendem Implantat kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass dieses kontaminiert und mit einem Biofilm behaftet ist. Bei der konsequenten Sequestrektomie als wesentlicher chirurgischer Maßnahme der Infekteradikation ist die Entfernung aller Implantate zwingender Bestandteil des chirurgischen Konzepts. Damit stellt sich die Frage, welches Osteosyntheseverfahren bei weiterhin bestehender Instabilität indiziert ist. Zur definitiven Infektsanierung und Prävention sollte aus oben genannten Gründen auf den Einsatz eines internen Verfahrens möglichst verzichtet werden. Bei einem zwei- oder mehrzeitigem Vorgehen bietet sich bis auf eine Instabilität am Femur vorübergehend die Immobilisierung mit einem Cast an. Zur endgültigen Versorgung ist die Stabilisierung mit einem Fixateur externe zu empfehlen, da mit diesem Verfahren alle Möglichkeiten der Therapie und Rekonstruktion umgesetzt werden können. Allerdings besteht der wesentliche und erhebliche Nachteil im fehlenden Komfort für den Patienten, der Behinderung der Bildgebung sowie verfahrenimmanenten Komplikationen. Des Weiteren ist bei der Therapieplanung zu berücksichtigen, ob durch einen Verfahrenswechsel eine zusätzliche Traumatisierung des Gewebes resultiert und damit der Vorteil des neuen Verfahrens durch die aus dem Wechsel erwachsenden Nachteile aufgehoben wird. Bei internen Osteosyntheseverfahren sollte zur definitiven Implantation ein keimnegativer Situs vorliegen.

Da eine suffiziente Stabilisierung des Femurs weder durch Cast noch durch Fixateur externe zu erreichen ist, stellt der Marknagel das ideale Implantat für die Stabilisierung dar. Zur Reduktion der Erreger wird im Fall einer Infektpseudarthrose der Markraum debridiert, sequestrektomiert und nach Jet Lavage und Tisch- und Instrumentenwechsel ein neues Implantat in exakt der gleichen Position (keine zusätzliche Traumatisierung) eingesetzt. Zusätzlich zur systemischen Antibiotikatherapie werden lokal wirksame Antibiotikaträger in maximaler Dosierung appliziert [60].

Bei geplanter Revision ist das Prozedere identisch, bei negativem Keimnachweis erfolgt die definitive Versorgung mit einem neuen Implantat, welches nun neu positioniert wird, um eine möglichst hohe Stabilität zu erreichen. Auch bei diesem Vorgehen werden lokale Antibiotikaträger appliziert.

Mit diesem konsequenten chirurgischen Vorgehen konnte in etwa 90 % des eigenen Kollektivs die Eradikation des Infekts unter Erhalt der Mobilität und des primär gewählten Osteosyntheseverfahrens erreicht werden (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Pseudarthrose (a) mit Infekt (b) nach Sequestrektomie und 4-maligem Marknagelwechsel (c) zur Infektsanierung; Ausheilung nach 2 Jahren mit 3 cm Beinverkürzung und freier Funktion (d)

Knochenregeneration

Neben der Anwendung von Knochenwachstumsfaktoren als invasive Methode kommen niederenergetisch gepulster Ultraschall, extrakorporale Stoßwellenbehandlung (ESWT) und Magnetfeldtherapie (PEMF: pulsierende elektromagnetische Felder) als nichtinvasive Verfahren zur Anwendung [62]. Die Erfahrungen zeigen, dass auch hier der wesentliche Faktor für eine erfolgreiche Anwendung die gelungene Infekteradikation darstellt.

Immer zahlreicher kommen sog. Knochenersatzstoffe auf den Markt, wobei in Anwendungsstudien usw. teilweise beeindruckende Ergebnisse erzielt werden, eine Evidenz jedoch bisher für kein Verfahren angegeben werden kann. Oft werden den Knochenersatzstoffen Antibiotika beigemischt und damit neue Medizinprodukte hergestellt, deren Wirkung nicht deklariert werden kann. Lediglich bei der PEMF-Behandlung wurden in experimentellen Studien auch antimikrobielle Wirkungen beschrieben [45].

Indikation zur operativen Behandlung einer Infektpseudarthrose

Liegen eine funktionelle Beeinträchtigung des Patienten durch die Pseudarthrose, Schmerzen und/oder klinisch eine aktive Infektion vor, ist die operative Revision als Therapie der Wahl anzusehen. Da das klinische Erscheinungsbild sehr vielfältig sein kann und die individuellen Faktoren des Patienten berücksichtigt werden müssen, sollten primär die Anamnese und die aktuelle Situation genau analysiert werden. Vor der Planung chirurgischer Maßnahmen sollten evtl. vorhandene Begleiterkrankungen optimiert und der Umfang der möglichen Therapiemaßnahmen realistisch mit dem Patienten besprochen werden. Neben der Eradikation der Infektion durch Sequestrektomie und Implantatentfernung sind die Möglichkeiten der Wiedererlangung einer ausreichenden knöchernen Stabilität durch Resektion und Verkürzung oder Knochenrekonstruktion bis hin zur Amputation in Erwägung zu ziehen.

Bei kritischer Weichteilsituation ist die enge Kooperation mit den plastischen Chirurgen ebenso unabdingbar wie die testgerechte Antibiotikatherapie.

Für die Osteosynthese kommen bei langen Röhrenknochen der Fixateur externe als universellstes Implantat, aber auch der Marknagel oder winkelstabile Plattenosteosynthesen in geeigneten Situationen in Frage. Die Möglichkeiten zur Defektauffüllung sind vielfältig, bei zirkulären Defekten > 3 cm bietet sich die Verkürzung, darüber hinaus der Segmenttransport zur Knochenrekonstruktion an. Semizirkuläre Defekte können mit Spongiosaplastik, Knochenersatzmaterialien oder auch vaskularisiertem Knochentransfer überbrückt werden.

Fazit für die Praxis

  • Infektpseudarthrosen an langen Röhrenknochen stellen weiterhin eine Herausforderung für Patienten, Chirurgen und Kostenträger dar.

  • Zur Vermeidung von chronischen Verläufen ist das frühzeitige konsequente Management durch radikale Chirurgie und Antibiotikatherapie unter Berücksichtigung der individuellen patienteneigenen Faktoren erforderlich.

  • Die Komplexität des Krankheitsbildes erfordert die enge interdisziplinäre Abstimmung der Therapie.

  • Durch strenge Indikationsstellung, Berücksichtigung von Risikofaktoren, strikte Hygienemaßnahmen und schonende Operationstechnik kann die Inzidenz von Infektpseudarthrosen gesenkt werden.