Einteilung

Bei der konventionellen Klassifikation von Frakturen unterscheidet man:

  • Die traumatische Fraktur

  • Die Stressfraktur mit der „fatigue fracture“ (Ermüdungsfraktur) und der „insufficiency fracture“ (Insuffizienzfraktur)

  • Die pathologische Fraktur, auch als Spontanfraktur bezeichnet

Dagegen steht die logische Klassifikation, die sowohl der Klinik als auch der Radiologie gerecht wird. Sie unterscheidet:

  • Die traumatische Fraktur, die in eine akute und eine chronische (Stressfraktur im engeren Sinne) Fraktur unterteilt wird

  • Die pathologische Fraktur, wozu die Insuffizienz- und die Spontanfraktur gehören

Diagnose und Prognose

Folgende 4 Punkte sollten den Radiologen auf eine Spontanfraktur aufmerksam machen:

  • Schmerzen schon vor dem Bruch

  • Vorgeschichte des Patienten (bekanntes Tumorleiden?)

  • Mottenfraßartiges Aussehen der Ränder einer Spontanfraktur, einem Lodwick-Grad II–III (s. unten) entsprechend

  • Fehlen von >50% der Zirkumferenz (bei einem Röhrenknochen)

Lodwick-Grading

Es sollte jedem, der sich mit der Interpretation von Röntgenbildern befasst, bekannt sein. Dabei handelt es sich um eine Korrelation zwischen der Wachstumsgeschwindigkeit einer osteolytischen Läsion einerseits und der radiologischen Morphologie.

Man unterscheidet 3 Grade, wobei die Grade I und II für eine geografische, d. h. zusammenhängende Osteolyse eingesetzt werden und der Grad III für eine diskontinuierliche und nicht zusammenhängende – mottenfraßartige – Läsion steht. Grad I wird in die Untergruppen A–C eingeteilt. Grad IA entspricht der langsamsten Wachstumsgeschwindigkeit, man findet immer einen Sklerosesaum. Meist handelt es sich um benigne Läsionen wie das nichtossifizierende Knochenfibrom oder auch eine fibröse Dysplasie. Beim Grad IB, der eine höhere Wachstumsgeschwindigkeit als Grad IA hat, findet sich die originäre Kortikalis abgebaut und durch eine neue Schale ersetzt (z. B. bei der einkammerigen juvenilen Knochenzyste), beim Grad IC ist die Kortikalis an einer Stelle immer perforiert, was insbesondere bei Riesenzelltumoren zutrifft. Die nächsthöhere Wachstumsgeschwindigkeit entspricht dem Grad II, sie hat als Ausdruck ihres sehr aggressiven Wachstums einen mottenfraßartigen Rand. Ihm bzw. Grad III entsprechen die meisten Osteo-, Ewing- sowie Fibrosarkome, aber auch akute Osteomyelitiden. Grad III hat die höchste Wachstumsgeschwindigkeit und ist durch diskontinuierliche „mottenfraßartige“ oder permeative Spongiosa- und/oder Kortikalisdefekte charakterisiert.

Das Lodwick-Grading muss man systematisch lernen und üben, um die Befunde richtig interpretieren zu können.

Schwierige Befunde

Manche benignen Läsionen ändern durch eine Traumatisierung ihre Morphologie, z. B. eine traumatisierte fibröse Dysplasie. Durch das Trauma wird Knochen in kurzer Zeit abgebaut, und eine vorher im Lodwick-Grad IA befindliche Läsion wandelt sich dadurch in einen Defekt mit unscharfen Rändern und manchmal auch in ein mottenfraßartiges Aussehen um.

Eine weitere Schwierigkeit bei der Interpretation von osteolytischen Läsionen in Kombination mit einer Spontanfraktur liegt in der Möglichkeit der Verwechslung von Kallus mit Tumorosteoid, das z. B. durch ein spontan frakturiertes Osteosarkom primärer und sekundärer Art produziert wird. Am Rand mancher gutartigen Läsion (z. B. fibroossäre Läsion am Schenkelhals) kann sich ein maligner Prozess wie ein Fibrosarkom entwickeln und Anlass zu einer Spontanfraktur sein. Solche Fälle sind immer außerordentlich schwierig zu diagnostizieren.

Frakturrisiko

Radiologisch besteht eine Spontanfrakturgefährdung bei:

  • jeder Osteolyse im Schenkelhals

  • allen osteolytischen Veränderungen im Wirbelkörper, besonders in den Anhangsgebilden

  • einer Zerstörung von mindestens 1/3 der Kortikalis in großen Röhrenknochen

  • Plasmozytom und Bronchialkarzinom, da die Tumorzellen dieser Läsionen Osteoklasten stimulierende Faktoren bilden können

Prognosefaktoren

Die Heilung einer Spontanfraktur hängt meist, wie bei jeder traumatischen Fraktur, vom Ausmaß der Zerstörung der Vaskularisation und der Knochennerven ab. Letzteren kommt bei der Knochenheilung besondere Bedeutung zu, da die Nervenzellen offensichtlich neurotrophe Stoffe bilden, die die Zellteilung stimulieren. Des Weiteren wird die Heilung vom Ausmaß eines Begleithämatoms v. a. bei hochvaskularisierten Tumoren (z. B. Metastase eines Nierenzellkarzinoms) beeinflusst. Um beide Risikofaktoren besser definieren zu können, sind eine computertomographische Untersuchung ohne und mit Kontrastmittel oder auch eine MRT-Untersuchung durchaus sinnvoll.

Insuffizienzfrakturen

Sie werden heute besonders bei älteren Frauen mit Osteoporose oder Osteomalazie beobachtet, sie können bei guter Aufnahmetechnik eindeutig aus dem Röntgenbild diagnostiziert werden. Sie müssen häufig chirurgisch versorgt werden (z. B. distale Radiusfraktur, Schenkelhalsfrakturen). Die Patienten sollten postoperativ in eine Institution überwiesen werden, in welcher die Grunderkrankungen weiter diagnostiziert und therapiert werden können. Deshalb sollte in den Arztbriefen unbedingt auf die Ursache einer Insuffizienzfraktur hingewiesen und nicht nur die Verletzung und deren Versorgung festgestellt werden. Sonst kommen diese Patienten nach nicht allzu langer Zeit mit der – vermeidbaren – nächsten Fraktur zur Aufnahme.