Die Therapie der distalen Radiusfraktur ist ein Thema von anhaltender, in den letzten Jahren sogar zunehmender Aktualität. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen.

Die distale Radiusfraktur ist unverändert mit 10–20% der häufigste Knochenbruch des Menschen. Neuere Studien zeigen eine zunehmende Inzidenz dieser Verletzung im Verlauf der letzten Dekaden. Für europäische Populationen liegt die mittlere jährliche Inzidenz zwischen 220 und 480 Fällen/100.000 Einwohner. Während die altersspezifische Inzidenz für Männer nur gering mit dem Alter zunimmt, steigt die Frakturhäufigkeit für Frauen in den Jahren der Menopause und danach deutlich an. In einer Zeit der fortschreitenden Überalterung der Bevölkerung ist mit einer weiter zunehmenden Anzahl von Behandlungsfällen zu rechnen [12, 13, 17, 20, 23, 24, 26]. Zudem wird das Auftreten altersassoziierter Frakturen durch die Osteoporose im höheren Lebensalter begünstigt.

Jedoch werden die funktionellen Ansprüche an die Hand im Alter nicht geringer. Eine ungestörte Handgelenkfunktion sollte deshalb das Behandlungsziel sein. Die Wiederherstellung der knöchernen Form nach distalen Radiusfrakturen erscheint dafür als der beste Weg, weshalb operative Verfahren zunehmend favorisiert werden. Neue Implantatentwicklungen, insbesondere die in den letzten Jahren zunehmend verbreiteten winkelstabilen Platten-Schrauben-Systeme, tragen dem Rechnung. Letztere bieten zudem offensichtliche Vorteile bei Frakturen des osteoporotischen Knochens.

Die klinische Relevanz der distalen Radiusfraktur und die veränderten Therapiekonzepte finden Niederschlag in einer erheblich gesteigerten publikatorischen Auseinandersetzung mit dem Thema. Die große Anzahl von Artikeln ist für den Chirurgen nur schwer zu überblicken und in klinische Handlungsempfehlungen umzusetzen. Ziel der vorliegenden Untersuchung war deshalb die inhaltliche und methodologische Bewertung der vorliegenden Publikationen zur Therapie distaler Radiusfrakturen mit dem Ziel der Ableitung von Behandlungsempfehlungen oder zumindest der Formulierung zukünftiger Forschungsschwerpunkte.

Methodik

Suchstrategien

Es erfolgte eine systematische Literaturrecherche in Pubmed und der Cochrane Library für Publikationen ab dem Jahr 1966. Nach Durchsicht der Abstracts wurden potenziell relevante Artikel in Kopie beschafft. Die Datenbankrecherche wurde durch eine Handsuche von in der Datenbank nicht gelisteten relevanten Zeitschriften und die Ermittlung von Sekundärliteratur über die Literaturverzeichnisse ergänzt. Eine Beschränkung auf Artikel in englischer und deutscher Sprache erfolgte nicht.

Pubmed

Es wurden folgende Suchabfragen verwendet:

  • („distal radial fracture“ [TW] OR „distal radius fracture“ [TW] OR „colles“ [TW] OR „smith“ [TW]) AND („systematic review“ [TW] OR „meta-analysis“ [PT])

  • („distal radial fracture“ [TW] OR „distal radius fracture“ [TW] OR „colles“ [TW] OR „smith“ [TW]) AND („locking plate“ [TW] OR „fixed angle“ [TW])

Cochrane-Library

Es wurden folgende Suchabfragen verwendet:

  • („distal radial fracture“ OR „distal radius fracture“ OR „wrist“ [All Fields]) AND („surgery“ OR „treatment“ OR „therapy“ OR „orthopaedic procedure“ [All Fields])

  • („distal radial fracture“ OR „distal radius fracture“ OR „wrist“ [All Fields]) AND „outcome“ [All Fields]

  • („distal radial fracture“ OR „distal radius fracture“ OR „wrist“ [All Fields]) AND („clinical trial“ OR „controlled trial“ [All Fields])

Kriterien der Berücksichtigung von Studien

Da die Zielstellung der Arbeit die Bewertung von Behandlungsmethoden war, wurde die Literatursuche auf Therapiestudien beschränkt. Nicht berücksichtigt wurden epidemiologische und diagnostische Arbeiten. Angestrebt wurde die Analyse von Studien mit einem hohen Evidenzniveau entsprechend dem Schema des Centre for Evidence-based Medicine in Oxford (http://www.cebm.net/levels_of_evidence.asp) (Tab. 1) [21]. Primär zielte die Analyse auf die Erfassung und Bewertung von systematischen Übersichtsarbeiten („systematic reviews“) und Metaanalysen (Evidenzlevel 1a).

Tab. 1 Evidenzgraduierung für Therapiestudien nach dem Schema des Centre for Evidence-based Medicine in Oxford [21]

Zur Bewertung von winkelstabilen Osteosynthesesystemen wurden darüber hinaus auch alle anderen verfügbaren Studien berücksichtigt. Dies schloss folgende Studientypen ein:

  • randomisierte kontrollierte Studien (RCT: „randomized controlled trial“) (Evidenzlevel 1b)

  • quasi randomisierte Studien (Evidenzlevel 1b)

  • randomisierte kontrollierte Studien (RCT) schlechter Qualität (Evidenzlevel 2b)

  • Kohortenstudien hoher Qualität (Evidenzlevel 2b)

Erfasst, aber nicht inhaltlich bewertet, wurden folgende Publikationstypen:

  • Kohortenstudien niedriger Qualität (Evidenzlevel 4)

  • Fallserien mit mindestens 5 Fällen (Evidenzlevel 4)

  • Fallserien mit weniger als 5 Fällen (Evidenzlevel 4)

  • Fallberichte („case report“) (Evidenzlevel 4)

  • Laborforschung (Evidenzlevel 5)

  • Expertenmeinungen (Evidenzlevel 5)

Datenerfassung und -kategorisierung

Für systematische Übersichtsarbeiten wurden folgende Angaben erfasst:

  • Anzahl ausgewerteter Studien und eingeschlossener Patienten

  • Behandlungsmethoden

  • Outcome-Kriterien

  • Methodologie inklusive der evtl. Durchführung von Metaanalysen

Nur zur Bewertung winkelstabiler Osteosynthesesysteme wurden darüber hinaus detaillierte Angaben gesammelt:

  • Fallzahl

  • Nachuntersuchungszeitraum

  • Outcome-Parameter: klinische Messwerte, radiologische Messwerte und Angaben zur Lebensqualität

  • Komplikationen

Ergebnisse

Systematische Übersichtsarbeiten: Cochrane-Reviews

Es konnten insgesamt 8 Cochrane Reviews zu distalen Radiusfrakturen identifiziert werden. Dabei handelte es sich um 7 vollständige Übersichtsarbeiten („full reviews“ [3, 4, 5, 6, 7, 8, 10]) und 1 Protokoll („protocoll“ [9]). Letzteres wurde von der weiteren Analyse ausgeschlossen. Die 7 „full reviews“, alle verfasst von Handoll et al., decken alle relevanten Aspekte der Behandlung distaler Radiusfrakturen ab, von der Anästhesie über konservative und operative Behandlungsmethoden bis hin zur Rehabilitation. Die eigene Analyse wurde auf die konservativen und operativen Behandlungen beschränkt.

Zur Beurteilung der Eignung verschiedener geschlossener Repositionsmethoden wurden 3 Studien mit insgesamt 404 Patienten durch Handoll u. Madhok [3] analysiert. Die Repositionsmethoden unterschieden sich zwischen allen Studien, sodass für die insgesamt 6 Techniken keine Zusammenfassung der Daten („pooling“) erfolgen konnte. Insgesamt waren die Ergebnisse der 3 Studien nicht hinreichend, um die Bevorzugung einer Repositionstechnik allgemein zu empfehlen.

Die Effektivität verschiedener konservativer Behandlungsmethoden wurde anhand von 37 Studien mit insgesamt 4215 Patienten untersucht [4]. Dabei wurde der Einfluss verschiedenster Verfahren wie Dauer der Ruhigstellung, Anzahl der immobilisierten Gelenke und Art der verwendeten Materialien analysiert. Methodologische Schwächen und die Heterogenität der Studien ließen eine Metaanalyse nicht zu. Eine Behandlungsempfehlung für eine oder mehrere der verwendeten konservativen Behandlungsmethoden konnte nicht ausgesprochen werden.

Handoll u. Madhok [5] analysierten 48 Studien mit 3371 Patienten unter der Fragestellung, ob und ggf. welche chirurgischen Methoden zur Behandlung von distalen Radiusfrakturen geeignet sind. In den untersuchten randomisierten und quasi randomisierten Studien kamen als operative Therapieverfahren Fixateur externe, perkutane Bohrdrahtosteosynthese, offene Reposition und interne Fixation sowie Knochenersatzmaterialien zum Einsatz. Insgesamt 25 verschiedene Behandlungsvergleiche fanden sich in den 48 Studien. 25 Studien verglichen konservative mit operativen Maßnahmen. Eine Zusammenfassung einzelner Studien war wegen der erheblichen Heterogenität bezüglich Patienten, Interventionen und Ergebnismessung sowie methodologischer Unzulänglichkeiten erheblich erschwert. Obwohl chirurgische Maßnahmen mit einer verbesserten anatomischen Rekonstruktion assoziiert waren, gab es keine Beweise dafür, dass dies auch zu besseren klinischen und funktionellen Ergebnissen führte. Die Autoren schlossen, dass keine ausreichende Evidenz vorliegt, um zu entscheiden, ob und durch welche chirurgischen Maßnahmen dauerhaft bessere Ergebnisse zu erzielen sind.

In einer systematischen Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2007 setzten sich Handoll et al. [10] speziell mit der perkutanen Bohrdrahtosteosynthese auseinander. Sie analysierten dafür 13 randomisierte oder quasi randomisierte Studien mit insgesamt 940 Patienten. 6 Studien verglichen die perkutane Bohrdrahtosteosynthese mit konservativen Behandlungsmethoden, 3 Studien verschiedene Spickungstechniken untereinander, 2 Studien Drähte mit biodegradierbaren Pins und 1 Studie unterschiedlich lange postoperative Ruhigstellungszeiten. Alle Studien waren durch deutliche methodologische Schwächen charakterisiert. Erheblich höhere Komplikationsraten lagen nach Spickung in Kapandji-Technik und nach Verwendung biodegradierbarer Pins vor, sodass eine allgemeine Anwendung dieser Verfahren von den Autoren nicht empfohlen wurde. Die konventionelle Bohrdrahtosteosynthese führte zu gleichwertigen oder tendenziell besseren Ergebnissen als die konservative Therapie, jedoch konnte eine überlegene Spickungstechnik nicht ermittelt werden.

Schließlich analysierten Handoll et al. [8] 15 Studien mit 1022 Patienten, in denen die externe Fixation mit der konservativen Behandlung verglichen wurde. Die Fixateur-externe-Therapie zeigte bessere Resultate bezüglich der Erhaltung der Reposition und der Formwiederherstellung. Jedoch fand sich keine Überlegenheit in den funktionellen und klinischen Ergebnissen. Die externe Fixation war mit einer hohen Rate von Komplikationen assoziiert, dabei handelte es sich meist um geringfügige Probleme wie Pin-Track-Infektionen. Das Komplexe Regionale Schmerzsyndrom (CRPS) trat nach externer Fixation häufiger auf als nach konservativer Therapie, jedoch war dieser Unterschied nicht signifikant.

Systematische Übersichtsarbeiten: andere Reviews

Margaliot et al. [18] führten eine Literaturanalyse zum Vergleich zwischen externer Fixation und Plattenosteosynthese bei distalen Radiusfrakturen durch. Sie ermittelten 28 Studien mit 917 Patienten zur Fixateur-externe-Therapie und 18 Studien mit 603 Patienten zur Plattenosteosynthese. Bei allen Studien handelte es sich jedoch um Fallserien. Ein direkter Vergleich zwischen den beiden Methoden fand in keinem Fall statt. Das von Margaliot et al. [18] vorgenommene Pooling der Ergebnisse der einzelnen Fallserien war damit methodologisch zweifelhaft, und keinesfalls handelte es sich um eine Metaanalyse im Sinne der Definition von Sackett et al. [22]. Therapeutische Empfehlungen können aus der Untersuchung von Margaliot et al. [18] nicht abgeleitet werden.

Publikationen zu winkelstabilen Plattenosteosynthesen

Unter den existierenden systematischen Übersichtsarbeiten gab es nur eine, in der Studien zu Plattenosteosynthesen am distalen Radius analysiert wurden. In dieser Übersichtsarbeit von Handoll u. Madhok [5] fanden sich unter 48 randomisierten Studien zu chirurgischen Interventionen lediglich 4 Arbeiten, die Ergebnisse nach Plattenosteosynthesen beschrieben. In keiner davon wurden winkelstabile Platten verwendet. Deshalb können die vorliegenden systematischen Übersichtsarbeiten zur Beurteilung der Effektivität winkelstabiler Osteosynthesen am distalen Radius nicht herangezogen werden.

Durch die systematische Literaturrecherche in Pubmed und der Cochrane-Library konnten 64 Arbeiten aus den Jahren 2002–2007 ermittelt werden, die sich mit winkelstabilen Plattenosteosynthesen am distalen Radius beschäftigten (Tab. 2). Die publikatorische Frequenz nahm in den ersten Jahren zu und betrug seit 2005 mindestens 14 Arbeiten pro Jahr. Die Evidenzgraduierung nach dem Centre for Evidence-based Medicine in Oxford ergab eine große Anzahl biomechanischer Studien (n=17) und zahlreiche Expertenmeinungen (n=16), also Arbeiten auf dem niedrigsten Evidenzlevel 5, die für Behandlungsempfehlungen keine Verwendung finden können.

Tab. 2 Durch die Literaturrecherche identifizierte Studien zu winkelstabilen Plattenosteosynthesen

Bei 28 von 64 Publikationen handelte es sich um klinische Studien. In der Mehrzahl lagen Fallserien (n=25) vor. Für diese 25 Fallserien betrugen die mittlere Fallzahl 50 (5–114) und die mittlere Nachuntersuchungszeit 14 Monate (5–37). Der DASH-Score wurde in 11 Studien verwendet und lag im Mittel bei 14 Punkten. Die typische Bewertung der winkelstabilen Plattenosteosynthese bei distalen Radiusfrakturen lautete „easy, safe, and effective, with good clinical and radiological outcome“. Berichte über Komplikationen fanden sich in nur 9 Arbeiten. Da diese 25 Fallserien (Evidenzlevel 4) keine vergleichenden Arbeiten darstellen, lassen sich daraus keine allgemeingültigen Aussagen zur Effektivität der Methode oder gar therapeutische Empfehlungen ableiten.

Bei den verbleibenden 3 Publikationen handelt es sich um 1 randomisierte Therapiestudie und 2 Kohortenstudien. Diese 3 vergleichenden Arbeiten wurden dem Evidenzlevel 2b zugeordnet. In der Kohortenstudie von Walz et al. [25] wurden winkelstabile Platten mit konventionellen dorsalen und palmaren Plattenosteosynthesen verglichen. Wright et al. [27] untersuchten in ihrer retrospektiven Kohortenstudie die Ergebnisse von winkelstabilen Platten und Fixateur externe. In der einzigen randomisierten Therapiestudie (Randomized Controlled Trial niedriger Qualität) von Koshimune et al. [16] fand ein Vergleich von winkelstabilen mit nichtwinkelstabilen palmaren Plattenosteosynthesen statt. Walz et al. [25] untersuchten nur radiologische Outcome-Parameter und fanden eine geringere Redislokationsrate nach winkelstabiler als nach konventioneller Plattenosteosynthese. In der Studie von Wright et al. [27] zeigten sich ebenfalls bessere radiologische Ergebnisse nach winkelstabiler Osteosynthese im Vergleich zum Fixateur externe. Allerdings unterschieden sich in dieser Studie die Ergebnisse für die Beweglichkeit und den DASH-Wert nicht. In der randomisierten Studie von Koshimune et al. [16] schließlich fanden sich für den Vergleich winkelstabile gegen nichtwinkelstabile palmare Plattenosteosynthesen keine signifikanten Unterschiede bezüglich der Handgelenkbeweglichkeit und der radiologischen Parameter. Damit zeigten die 3 vorliegenden, vergleichenden Therapiestudien zwar radiologische Vorteile für die winkelstabile Plattenosteosynthese im Sinne einer besseren Formwiederherstellung, jedoch keine relevanten Unterschiede für funktionelle Parameter und die Lebensqualität.

Insgesamt spiegelt die zunehmende publikatorische Frequenz den vermehrten klinischen Einsatz winkelstabiler Plattenosteosynthesen bei distalen Radiusfrakturen wider. Da die identifizierten Arbeiten überwiegend ein geringes Evidenzniveau zeigen und nur wenige vergleichende Studien vorliegen, können die publizierten Daten einen Vorteil des Einsatzes winkelstabiler Systeme bisher nicht nachweisen.

Diskussion

Lange Zeit wurde die distale Radiusfraktur als unbedeutende, konservativ zu behandelnde Verletzung mit grundsätzlich guten Ausheilungsergebnissen eingeschätzt. Seit den 1980er Jahren wird sie jedoch zunehmend als komplexe Verletzung wahrgenommen [15], deren sehr variable Prognose von zahlreichen Faktoren abhängt, unter denen der Frakturtyp und das gewählte Behandlungsverfahren besonders bedeutsam sind. Knöcherne Fehlstellungen und Fehlformen als Folge der distalen Radiusfraktur können zu Bewegungseinschränkungen, Schmerzen, Subluxation des distalen Radioulnargelenks, mediokarpaler Instabilität und posttraumatischer Arthrose führen. Um den hohen funktionellen Ansprüchen an die Handfunktion zu genügen, wird gegenwärtig eine Ausheilung in anatomischer Stellung angestrebt. In den letzten Jahren wurde eine Tendenz zur Operation deutlich. Die operative Frakturbehandlung mit Osteosynthese gilt als Verfahren der Wahl bei allen dislozierten und instabilen Frakturen. Neue Implantate, insbesondere winkelstabile Platten-Schrauben-Systeme, werden zunehmend favorisiert und sind im Begriff, traditionelle Osteosyntheseverfahren aus den Behandlungskonzepten zu verdrängen.

Im gleichen Maß, wie sich die Wahrnehmung der distalen Radiusfraktur hin zu einer problematischen Verletzung veränderte, hat die vermehrte Auseinandersetzung mit dieser Verletzung zu einem Zuwachs von Artikeln und publizierten Daten geführt. Allerdings geht eine erhöhte Publikationsfrequenz nicht zwangsläufig mit einem Zugewinn an Wissen und Behandlungssicherheit einher, da die veröffentlichten Informationen häufig unzureichend sind [2, 11]. Darüber hinaus kann der einzelne Arzt die Vielzahl verfügbarer Zeitschriften und Artikel nicht mehr überblicken und noch viel weniger sinnvoll analysieren, sodass dieser „information overload“ wiederum zu einer Verschwendung von Zeit und Ressourcen beim Versuch der Bewertung verfügbarer Evidenz führt [2].

In der Chirurgie besteht die Notwendigkeit, rasche und alle relevante Informationen berücksichtigende Entscheidungen zu treffen. Dafür bedarf es zusammenfassender und validierter Beurteilungen zur Effektivität medizinischer Interventionen [19]. Systematische Übersichtsarbeiten und Metaanalysen sind dafür geeignete fundamentale Entscheidungshilfen. Während Erstere definiert sind als Bewertung von Publikationen nach klar festgelegten Methoden und Kriterien [1], handelt es sich bei Metaanalysen um ein statistisches Verfahren, bei dem die Ergebnisse mehrerer Einzelstudien zu einer vergleichbaren Fragestellung zu einem Gesamtergebnis zusammengefasst werden [14, 22].

Durch eine systematische Literaturanalyse wurden die existierenden Publikationen zur Therapie der distalen Radiusfraktur inhaltlich und bezüglich ihrer Evidenzgüte bewertet. Dabei zeigte sich insgesamt eine unzureichende Datenlage. In 7 Cochrane-Reviews konnte für eine Vielzahl konservativer und operativer Behandlungsmaßnahmen keine Überlegenheit einzelner Methoden nachgewiesen werden. Zwar zeigte sich, dass operative Maßnahmen mit einer besseren Wiederherstellung der knöchernen Form und günstigeren radiologischen Resultaten assoziiert waren, ein funktioneller Vorteil der operativen Therapie konnte jedoch nicht aufgezeigt werden. Noch problematischer stellte sich, trotz einer zunehmenden Anzahl von Publikationen in den letzten 6 Jahren, die Datenlage zu den winkelstabilen Platten-Schrauben-Systemen dar. Die klinischen Arbeiten wiesen ein geringes Evidenzniveau auf, da es sich überwiegend um Fallserien und um nur 3 vergleichende Studien handelte. Der dargestellte Vorteil der besseren anatomischen Rekonstruktion durch winkelstabile Platten konnte klinisch-funktionell nicht nachvollzogen werden.

Die systematische Literaturanalyse ergab somit, dass trotz einer großen Anzahl von Publikationen Handlungsempfehlungen nur sehr beschränkt abzuleiten sind. Insbesondere konnte der im klinischen Alltag offensichtlich scheinende Vorteil der winkelstabilen Platten-Schrauben-Systeme nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin (noch) nicht nachgewiesen werden. Daraus leitet sich keineswegs die Forderung nach der Rückkehr zu in der Vergangenheit bewährten Therapieprinzipien ab. Jedoch sind Letztere nicht grundsätzlich abzulehnen. Darüber hinaus wird deutlich, dass die Einführung neuer Methoden in der Chirurgie häufig zunächst von deren technischer Durchführbarkeit und offensichtlichen praktischen Vorteilen abhängt und erst sekundär bewiesene Aspekte der Lebensqualität und Funktionalität zur Effektivitätsbeurteilung herangezogen werden. Dadurch ergibt sich in der gegenwärtigen Situation ein großer Bedarf an aussagekräftigen klinischen Studien, die als Grundlage für zukünftige, gesicherte Handlungsempfehlungen dienen können.

Hinweise für die Praxis

Die vorliegenden Publikationen zur Therapie der distalen Radiusfraktur erlauben keine klaren, evidenzbasierten Behandlungsempfehlungen. Es kann lediglich vorsichtig geschlussfolgert werden, dass operative Verfahren und hier insbesondere winkelstabile Platten-Schrauben-Systeme zu einer besseren Formwiederherstellung des distalen Radius führen. Eine klinisch-funktionelle Überlegenheit konnte jedoch bisher für keine Behandlungsmethode erwiesen werden.