Die Vertebro- und Kyphoplastie, als minimalinvasive Wirbelkörperaugmentationsverfahren, fanden in den letzten Jahren zunehmende Verbreitung. Im Zuge der raschen Ausbreitung mehren sich die Fallberichte über Komplikationen durch unsachgemäße Handhabung. Die folgende Arbeit soll einen Überblick über das Risikopotenzial beider Verfahren verschaffen und mögliche Fehlervermeidungsstrategien aufzeigen.

Prinzip

Es beruht bei allen Wirbelkörperaugmentationsverfahren in dem perkutanen, röntgengestützten Einbringen von Knochenzement unterschiedlicher Viskosität in den betroffenen Wirbelkörper—in der Regel unter Durchleuchtung oder Computertomographie.

Bei der Vertebroplastie wird nach Einbringen der Injektionskanüle in den Wirbelkörper dünnflüssiger Knochenzement unter hohem Druck injiziert.

Bei der Kyphoplastie wird über ein spezielles Kanülensystem ein mit Kontrastmittel gefüllter, expandierbarer Ballon in den Wirbelkörper eingebracht. Durch Aufblasen desselben wird ein Hohlraum geschaffen. Nach Entfernen des Ballons kann dieser mit zähflüssigem Knochenzement unter geringem Druck und somit mit geringerer Gefahr des Zementaustritts gefüllt werden.

Prinzipiell beinhalten beide Verfahren in allen Entscheidungs- und Handlungsebenen, d. h. prä-, intra- und postoperativ, mögliche Risiken.

Risiken

Präoperativ

Bei der Indikationsstellung zu einem minimalinvasiven Augmentationsverfahren sollte sich der Behandler folgende Fragen stellen:

  • Ist es das richtige Verfahren?

  • Ist es der richtige Patient?

  • Bin ich der richtige Operateur?

  • Ist es der richtige Wirbel?

  • Ist es das richtige Material?

Richtiges Verfahren

Grundsätzlich sind weder die Vertebroplastie noch die Kyphoplastie geeignet, die etablierten Verfahren der Wirbelsäulenchirurgie zu ersetzen. Sie können für ausgewählte Patienten eine Alternative sowohl zur konservativen als auch zur offenen operativen Therapie darstellen.

Die Indikationsstellung für die Vertebro- bzw. Kyphoplastie beschränkt sich auf Patienten mit Frakturen des Typs A1.1, A1.2 sowie, in ausgewählten Fällen, A3.1. Grundsätzlich ist bei jeder Art von spinaler oder foraminaler Stenose mit entsprechender klinischer Ausfallssymptomatik (Claudicatio spinalis, radikuläre Ausfälle) große Vorsicht geboten, da sich diese Probleme durch eine Zementeinspritzung nicht beheben lassen (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Grenzen der perkutanen Technik, a begleitende Recessusstenose, b Hinterkantenfragment mit konsekutiver Spinalstenose

Richtiger Patient

Ein minimalinvasives Verfahren macht einen inoperablen Patienten nicht zum operablen.

Der Patient muss narkosefähig sein oder, wenn man den Eingriff in Lokalanästhesie durchführen will, zumindest in der Lage sein, für die Dauer des Eingriffs auf dem Bauch zu liegen. Durch massive Adipositas des Patienten können sowohl die Identifikation der anatomischen Landmarken, die zur Platzierung der Instrumente notwendig sind, als auch die Beobachtung des Knochenzements während der Injektion derartig erschwert sein, dass eine sichere Durchführung des Verfahrens nicht möglich ist. Dies gilt im Besonderen für den hochthorakalen und lumbosakralen Bereich, da hier durch benachbarte anatomische Strukturen (Schultern bzw. Becken) radiologische Überlagerungen auftreten können.

Des Weiteren müssen bei der Auswahl der Patienten die absoluten Kontraindikationen für beide Verfahren beachtet werden:

  1. 1.

    Asymptomatische Wirbelkörperfrakturen

  2. 2.

    Therapierefraktäre Koagulopathie oder hämorrhagische Diathese

  3. 3.

    Bakterielle Infektionen

Richtiger Operateur

Ausreichende operative Wirbelsäulenerfahrung ist zu fordern, des Weiteren sollte der Operateur den Nachweis über die Teilnahme an einem theoretisch-praktischen Kurs zum Erlernen der Vertebro- bzw. Kyphoplastie führen. Darüber hinaus sollte er in der Lage sein, Komplikationen, die einen Umstieg auf ein offenes operatives Verfahren erfordern, behandeln zu können.

Richtiger Wirbel

Es sollte große Sorgfalt auf die Identifizierung des für die Schmerzen verantwortlichen Wirbels gelegt werden. Dies ist bei den oft älteren Menschen mit langjähriger Rückenschmerzanamnese und entsprechenden degenerativen Veränderungen im Nativröntgenbild oft schwierig. Die klinischen Beschwerden des Patienten, das Nativröntgenbild sowie die Schnittbildgebung müssen hierbei übereinstimmen.

Im Zweifelsfalle hat sich hier die MRT mit Identifikation eines Knochenödems im betroffenen Wirbelkörper als äußerst hilfreich im klinischen Alltag erwiesen (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Röntgen- vs. MRT-Befund, a Nativröntgen: LWK1 erscheint deformiert, b MRT (STIR-Sequenz): Wirbel über LWK1 frisch frakturiert

Richtiges Material

Eine Vielzahl von Knochenzementen befindet sich auf dem Markt. Für die Verwendung bei der Vertebro- bzw. Kyphoplastie müssen die Materialien definierten Ansprüchen genügen: Sie müssen

  • gut injizierbar sein,

  • eine adäquate Röntgenkontrastgebung haben,

  • ein Verarbeitungsfenster von etwa 10–12 min aufweisen und

  • eine ausreichende Primärstabilität bieten.

In erster Linie werden Zemente auf Basis des Polymethylmethacrylats angewandt. Vergleichbare Ergebnisse wurden auch unter Verwendung von Kalziumphosphatzementen bei osteoporotischen Frakturen erzielt. Die Einsetzbarkeit derselben bei traumatische Frakturen des jüngeren Menschen wird derzeit untersucht.

Intraoperativ

Hier unterscheiden wir in erster Linie zugangs- und zementierungsbedingte Risiken.

Zugangsbedingte Risiken

Beim röntgengestützten Vorschieben der Kanüle in den betroffenen Wirbelkörper sind prinzipiell alle Strukturen und Organe in und um die Wirbelsäule herum in Gefahr, verletzt zu werden.

Bei medialem Abweichen der Kanüle besteht die Gefahr der Perforation in den Spinalkanal mit Verletzung des Rückenmarks bzw. der Cauda equina mit entsprechenden neurologischen Ausfallserscheinungen.

Bei einem lateralen Abweichen der Kanüle ist, in Abhängigkeit vom behandelten Wirbelsäulensegment, eine Perforation in die Lunge bzw. Abdominalorgane möglich. Bei einer Perforation nach anterior können große Gefäße verletzt werden.

Insgesamt wird die Verletzungsrate von benachbarten Strukturen auf den Zugangsweg in den Wirbelkörper bei beiden Verfahren mit deutlich unter 1% angegeben [5, 13]. Die Dunkelziffer bei wenig geübten Anwendern scheint jedoch höher zu liegen.

Als Hauptursachen für die Verletzung benachbarter Strukturen werden in erster Linie eine schlechte Bildgebung sowie die mangelnde Erfahrung des Operateurs angesehen.

Zementierungsbedingte Risiken

Die häufigste Komplikation bei beiden Verfahren stellt der Zementaustritt in den Spinalkanal, das Neuroforamen, die umgebende Muskulatur sowie die Blutgefäße mit Verschleppung in die Lunge dar [4, 6, 14, 15, 17, 19, 21, 23, 24, 25]. Die Zementaustrittsrate variiert deutlich zwischen beiden Verfahren, sie wird für die Vertebroplastie mit 10–70% und für die Kyphoplastie mit <10% angegeben (Abb. 3, 4). Die ungleich höhere Rate an Zementaustritt für die Vertebroplastie ist in der unterschiedlichen Technik begründet: Dünnflüssiger Zement wird unter hohem Druck in den trabekulären Knochen injiziert. Bei der Kyphoplastie wird zähflüssiger Zement in die durch den Ballon geschaffene Höhle unter geringem Druck eingebracht.

Abb. 3
figure 3

Vertebroplastie, Zementaustritt, a paravertebral, b intraspinal, c mit Ausguss epiduraler Venen

Abb. 4
figure 4

Kyphoplastie, retrograder Zementaustritt in Muskulatur

Als Ursachen für einen Zementaustritt können neben einem zu dünnflüssigen Zement und einem zu hohen Injektionsdruck eine schlechte Bildgebung während der Injektionsphase und die Ungeduld des Operateurs während der Injektion genannt werden. Zur Vermeidung von Zementaustritten empfiehlt es sich daher, den Zement möglichst zäh, ohne großen Kraftaufwand, ohne zeitliche Hast bei guter Bildgebung zu injizieren. Bei der Vertebroplastie ist vor der Zementinjektion die Durchführung eines Venogramms mit Kontrastmittel zur Darstellung des venösen Abflusses zu empfehlen.

Postoperativ

Hier sind in erster Linie Infektion sowie Anschlussfraktur zu nennen.

Infektion

Die postoperative Infektion kann lokal im Zugangsbereich als Wundinfekt auftreten, sie kann sich in die paravertebralen Weichteile ausdehnen, in den Spinalkanal einbrechen, die Wirbelkörper oder die Bandscheibe betreffen.

Es gibt verschiedene Faktoren, die einen Patienten für das Auftreten einer postoperativen Infektion prädisponieren. An erster Stelle zu nennen sind Immunsuppression, Diabetes mellitus sowie Adipositas. Aber auch Sterilitätsfehler bei der Vorbereitung und Durchführung des Eingriffs sind ins Kalkül zu ziehen.

Um das Infektionsrisiko zu minimieren, sollten die Patienten entsprechend ihres persönlichen Risikoprofils unter Beachtung der Kontraindikationen selektiert werden, ggf. sollte eine perioperative Antibiotikaprophylaxe durchgeführt werden. Des Weiteren sollte der Eingriff in einem adäquat ausgestatteten Eingriffsraum, mit den für operative Eingriffe üblichen hygienischen Kautelen, durchgeführt werden.

Anschlussfraktur

30–60% neuer Frakturen sind angrenzend (Abb. 5). Ein erhöhtes Risiko für das Auftreten einer Anschlussfraktur besteht bei multiplen vorbestehenden Frakturen sowie einer sekundären Osteoporose. Nach dem heutigen Kenntnisstand gehen wir davon aus, dass das Risiko einer Anschlussfraktur durch das Ausmaß der osteoporotischen Grunderkrankung bestimmt wird [2, 3, 5, 8, 13, 22, 26]. Abhilfe wird hier durch eine konsequente Behandlung der Grunderkrankung geschaffen.

Abb. 5
figure 5

a Vertebroplastie in 4 Höhen, b Anschlussfraktur durch Deckplatteneinbruch, c Zustand nach Augmentation der Anschlussfraktur

Fazit

Minimalinvasive Technik heißt nicht minimales Risiko.

Die Risiken sind überschaubar, wenn der Eingriff von einem erfahrenen Operateur bei guter Bildgebung in einem adäquat ausgestatteten Eingriffsraum mit der Möglichkeit der Komplikationsbehandlung durchgeführt wird.

Hauptrisiko sehen wir in einer unkritischen Ausweitung der Indikationen durch Anwender ohne operative Wirbelsäulenerfahrung.