Operationen der HWS unter der Regie von Neurochirurgen, Unfallchirurgen oder Orthopäden dürfen auch im Hinblick auf die stürmische Entwicklung der Wirbelsäulenchirurgie in den letzten 40 Jahren inzwischen als Standardverfahren bezeichnet werden. Je nach Indikation werden ventrale und dorsale Zugänge gewählt, wobei diese auch von den Vorlieben und Erfahrungen des Operateurs bestimmt werden.

Die dorsale Stabilisierung, die ihren Beginn mit der von Hadra [12] erstmals 1891 beschriebenen Drahtumschlingung der Dornfortsätze C5/6 erlebte, kann zweifelsfrei auf die längste Tradition zurückblicken.

Seit der Erstbeschreibung der ventralen Spondylodese nach Diskektomie durch Robinson u. Smith [24] 1955 wird der Muskel kompromittierende dorsale Zugang zunehmend durch den atraumatischen, ventralen Weg zur Halswirbelsäule abgelöst. Nicht nur neue Operationstechniken wie Navigation und computerassistierte Chirurgie, sondern gerade die stete Weiterentwicklung der zur Stabilisierung einsetzbaren Implantate kennzeichnen das Bemühen um eine größtmögliche Risikominimierung des Eingriffs.

Der wirbelsäulenchirurgisch tätige Operateur muss aber die mit dem Eingriff verbundenen Komplikationsmöglichkeiten kennen, um das angestrebte operative Ergebnis erzielen zu können. Die Komplikationsmöglichkeiten sind bei der Versorgung von Halswirbelsäulenverletzungen vielfältig und beginnen schon mit der Indikationsstellung. Bereits 1972 schrieb Ian Macnab [17]:

„Poor results will occur from operating for poor indications—the wrong patient, operating at the wrong level or in the wrong way, or even operating at the wrong time“.

Mit dieser plakativen Kategorisierung werden tatsächlich bereits wesentliche Faktoren für operative Misserfolge und die typischen 3 Komplikationszeitpunkte genannt, nämlich

  1. 1.

    präoperativer Indikationsfehler

  2. 2.

    intraoperative Komplikationen

  3. 3.

    postoperative Komplikationen

Indikationsfehler

Bei der primären Klassifikation und Bewertung einer Halswirbelsäulenverletzung prädestinieren sie zu versorgungsstrategischen Komplikationen. Sie gehen meist Hand in Hand mit einer falschen Implantatwahl und unzureichender Segmentstabilisierung. Ein uniformes, die Besonderheit der Läsion nicht berücksichtigendes Behandlungskonzept und die Missachtung gesicherter biomechanischer Erkenntnisse stellen die beiden wesentlichen Fehlerquellen dar.

Die Verletzungslokalisation, das Ausmaß der mutmaßlichen Instabilität und das Wissen um die mechanischen Qualitäten der zur Verfügung stehenden Implantate spielen eine Schlüsselrolle für operativen Erfolg oder Misserfolg.

Operationstechnische Komplikationen

Anatomische Zugänge

Neben Lagerungsschäden wohnt dem dorsalen Zugang zur Halswirbelsäule nur ein geringes Risiko inne, sieht man von muskulären Funktionsstörungen durch postoperative Innervationsstörungen und Narbenbildungen ab. Lediglich an der oberen Halswirbelsäule ist bei der Präparation nach lateral Vorsicht geboten. Neben der präparatorischen Verletzung neurogener Strukturen wie des N. occipitalis major ist die A. vertebralis bei einer zu unbefangenen lateralen Weichteilmobilisation gefährdet. Ein iatrogenes Verletzungspotenzial besteht an der oberen HWS bei Freilegung des dorsalen Atlasbogens und des Isthmus am atlantoaxialen Gelenk vor transartikulärer Verschraubung nach Magerl. Bedeutsame Komplikationsmöglichkeiten hängen aber mehr mit dem Einsatz des Osteosynthesematerials zusammen und werden unten dargestellt.

Im Gegensatz zum dorsalen Zugangsweg ist bei der ventralen Freilegung der Halswirbelsäule, insbesondere bei Missachtung der anatomischen Strukturen, der anatomischen Schichten oder nach Voroperationen ein vielfältiges Risikopotenzial gegeben. An neurogenen Strukturen sind nicht nur die Ansa cervicalis superficialis et profunda und an der oberen HWS der N. hypoglossus, sondern v. a. der N. laryngeus recurrens gefährdet. So werden Lähmungen der Stimmlippe in 5% der Fälle beschrieben [2]. Aus Hals-Nasen-Ohren-ärztlicher Sicht ist auch eine Verletzung des N. laryngeus superior nicht unproblematisch, da mit ihm ein Verlust der Hochtöne verbunden ist (Sänger). Heiserkeit als mögliche Komplikation nach ventralem Zugang betrifft bis zu 51% der Patienten [29] und sollte deshalb nicht unterschätzt werden.

Eine weitere zugangsabhängige Gefährdung des Patienten resultiert aus Komplikationen der Atemwege. Bei der Exposition der Vorderfläche der Halswirbelsäule müssen die Trachea und der Ösophagus zur Gegenseite gehalten werden. Mögliche Ursachen für Kompromittierungen der Atemwege stellen pharyngeale Ödeme [21], Hämatome [4], Liquorleckagen [21], Angioödeme [15] und in der mittel- bis längerfristigen postoperativen Phase die Dislokation des Knochenspantransplantats und des Osteosynthesematerials dar [22].

Sagi et al. [25] führten eine retrospektive Analyse an 311 Patienten mit ventralen HWS-Fusionsoperationen durch, um die Häufigkeit derartiger Komplikationen der Atemwege quantifizieren zu können. 6,1% ihres Patientenguts entwickelten Atemwegsprobleme, immerhin 1,9% benötigten eine Reintubation. Disponierend für diese vital bedrohliche Komplikation wirken eine Operationszeit von mehr als 5 h, ein Blutverlust über 300 ml und mehrsegmentale Expositionen der HWS, die den 2.–4. Halswirbelkörper mit einschließen.

Im Gegensatz hierzu stellt die operationsabhängige Ösophagusperforation eine Rarität dar. Eine groß angelegte Recherche bei den Mitgliedern der Cervical Spine Research Society 1989 ergab eine Häufigkeit von 0,25% bei über 10.000 Fusionsoperationen. Meist handelte es sich um Eingriffe am Segment C5/6. 6 Perforationen ereigneten sich während der Operation und wurden in gleicher Sitzung versorgt. Postoperative Probleme traten in ihrem Gefolge nicht auf. Häufigste Ursache für die übrigen 16 berichteten Fälle waren überwiegend implantatabhängig, wurden erst postoperativ diagnostiziert und erforderten bei 14 Patienten eine Reexploration, Dränage, Naht und i. v. Antibiose [20].

Nicht zuletzt aus Gründen der Aufklärungspflicht ist die postoperative Dysphagie als häufig anzutreffender Frühbefund nach ventraler Spondylodese bedeutsam. Beinahe wäre man geneigt, sie weniger als Komplikation, denn als typische Operationsfolge zu betrachten, zumal gemäß einer prospektiven Untersuchung von Bazaz et al. [3] immerhin jeder 2. Patient derartige Beschwerden entwickelt. Ihre Ursachen sind vielfältig, ein Zusammenhang mit einer Stimmbandlähmung fand sich in 1,3% der erfassten 249 Patienten. Kausal scheint eine segmentale Schädigung des vegetativen autonomen Plexus zu sein.

Glücklicherweise sind klinisch relevante, persistierende, dysphagische Beschwerden über den 6. postoperativen Monat hinaus eine Seltenheit. Zwar konnten bei 17,8% der nachuntersuchten Patienten Restsymptome zu diesem Zeitpunkt festgestellt werden, die aber nur bei 10 Patienten (entsprechend 4,8% des gesamten Patientenguts) ein klinisch bedeutsames Ausmaß erreichten (9 Patienten „moderate“, 1 Patient „severe“). Für sich spricht, dass bei 7 dieser 10 Patienten eine mehrsegmentale Fusionsoperation durchgeführt wurde.

Eine, wenn auch seltene Komplikation der ventralen Dekompression ist die Verletzung der A. vertebralis. Golfinos et al. [9] fanden bei einer retrospektiven Analyse ihres Patientenguts lediglich bei 4 der 1215 Patienten diese Komplikation (0,3%). In 3 Fällen gelang die primäre Naht, in 1 weiteren erfolgte nach Darstellung des Gefäßes die Ligatur. Postoperative Ischämien wurden nicht festgestellt, wobei die geringe Zahl an Patienten hierzu sicherlich keine verbindlichen Rückschlüsse erlaubt.

In der Gesamtschau bietet der ventrale Zugang ein großes Spektrum berücksichtigungswürdiger Risiken, derer sich gerade auch der routinierte Operateur bewusst sein sollte und die Eingang in das Aufklärungsgespräch mit dem Patienten finden müssen (Tabelle 1).

Tabelle 1 Zugangsabhängige Komplikationen

Implantat/Technik

Ohne Zweifel stellen die Auswahl des richtigen Implantats, das Wissen um seine mechanischen Belastbarkeitsgrenzen, das Abgleichen der Implantateigenschaften mit der Verletzungsentität und nachfolgend die angemessene Operationsstrategie den Schlüssel zum Erfolg für die Stabilisierungs- und Fusionsoperationen an der Halswirbelsäule dar. Die dabei zu berücksichtigenden verschiedenen Gesichtspunkte wie Knochenqualität, Verletzungslokalisation, beabsichtigte Fusionsstrecke und Ausmaß der Instabilität sind Kernelemente einer guten präoperativen Planung. Es liegt auf der Hand, dass in diesem Zusammenhang die Erfahrung und Kenntnisse des Operateurs wesentlichen Einfluss auf das spätere Outcome nehmen. Dennoch muss berücksichtigt werden, dass die Biologie des Patienten der entscheidende Parameter für die angestrebte Fusion darstellt, bei deren Ausbleiben jedes Implantat an seine Belastungsgrenzen stößt.

Tabelle 2 gibt einen Überblick über die beiden großen Gruppen der implantatabhängigen Komplikationen, wobei Überschneidungen verfahrensimmanent sind.

Tabelle 2 Systematik der implantatabhängigen Komplikationen

Ventrale Implantate

Die Bedeutung einer additiven osteosynthetischen Stabilisierung durch ein ventral einzubringendes Implantat ergab sich aus den zunehmend zu beobachtenden Komplikationen bei ungesicherter Spaninterposition [3]. Unter mechanischen Gesichtpunkten können 2 Plattenmodelle unterschieden werden:

  • nichtwinkelstabile HWS-Platten und

  • winkelstabile HWS-Platten

Sie können über uni- oder bikortikale Schrauben fixiert werden.

Implantatfehlplatzierungen

Sie stehen zunächst mit den implantatmechanischen Eigenschaften nicht in Zusammenhang. Sieht man von der fehlerhaften Auswahl des Osteosynthesematerials ab (Abb. 1), ergeben sich prinzipiell folgende, mögliche Szenarien bereits beim Anlegen des ventralen Implantats:

Abb. 1
figure 1

Ventrale Span-Schrauben-Spondylodese bei kompletter Instabilität (Luxation C4/5)

  • Plattenlage zu weit lateral: Gefahr von Nervenirritationen und mangelhafter Plattenstabilität

  • Platten zu lang: ungünstige mechanische Hebelkräfte auf die kranialen oder kaudalen Plattenabschnitte mit hoher Lockerungsneigung und Kompromittierung der angrenzenden Bandscheibenräume, deshalb prädestinierend zu sekundären Anschlussinstabilitäten und Lockerungen (Abb. 2a)

    Abb. 2
    figure 2

    a Implantatfehlplatzierung: Platte zu lang, Aufhebung der physiologischen Lordose, Irritation angrenzender Wirbelsegmente, b nachfolgende Plattenlockerung

  • Fehlende Plattenbiegung, dadurch Missachtung der physiologischen HWS-Lordose; Resultat: statische und muskuläre Überbeanspruchungen sowie „unphysiologische“ Implantatbelastungen (Abb. 2b)

  • Schraubenfehllage im Intervertebral- oder Frakturspalt (Abb. 3)

    Abb. 3
    figure 3

    Implantatfehlplatzierung: a Schraubenfehllage im Intervertebralspalt, Aufhebung der physiologischen HWS-Lordose, Plattenlage zu weit kranial, b Schraube im Frakturspalt

  • Stabilisierung des falschen Wirbelsäulensegments

Implantatversagen

Die unzureichende Reposition bei Luxationsverletzungen birgt ein erhebliches Risiko für den weiteren postoperativen Verlauf. Gerade bei nicht mehr ganz frischen Luxationen kann sich die Wiederherstellung des physiologischen Wirbelsäulenalignements schwierig gestalten. Verbleibt eine Subluxationsstellung, entstehen translatorische Scherbelastungen auf die HWS-Platte, und eine sekundäre Redislokation in die präoperative Ausgangsposition mit simultaner Lockerung des Implantats sowie Knochenspandestruktion ist meist unvermeidlich (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Ungenügende Reposition einer Luxation C4/5 mit sekundärer hochgradiger Spinalkanalstenose durch Redislokation

Auch bei korrekter Operationstechnik und ausreichender Implantatverankerung kann das postoperative Ergebnis von krankheitsspezifischen, biomechanischen Gegebenheiten beeinflusst werden. So stellt eine Fraktur bei Spondylitis ankylosans eine komplette Instabilität dar, die ein lediglich ventrales Plattenimplantat mit Sicherheit überlastet, sodass eine Lockerung v. a. beim Eintritt einer verzögerten Knochenheilung droht. Die Frakturzone beim Morbus Bechterew ist die einzig mobile Segmentebene im Sinne eines Falschgelenks, und alle Momente, die bei der Kopfbewegung entstehen, maximieren sich in dieser Zone. Durch die Differenz zwischen notwendiger und erreichter Stabilität kommt es zwangsläufig zu einer Überforderung des Implantats. Deshalb ist gerade bei diesen speziellen Verletzungsformen mit ihren typischen biomechanischen Folgen ein kombiniertes, ventro-dorsales Verfahren anzuraten, um ein Implantatversagen zu vermeiden.

Auch wenn Lowery u. McDonough [16] bei ihren Nachuntersuchungen noch eine Lockerungsrate der ventralen HWS-Platten von 35% beschrieben, hat sich die Frequenz derartiger Hardware-Komplikationen mit der Einführung der Verriegelungsplatte reduziert [13].

Die Konsequenzen des Implantatversagens können vielfältig sein: Lowery u. McDonough [16] stellten in dem von ihnen nachuntersuchten Patientengut eine Reinterventionsnotwendigkeit von 7% fest. Chataigner et al. [5] publizierten 2 Fälle von Schraubenperforationen in den Gastrointestinaltrakt bei nichtwinkelstabilen Plattenfixationen an der HWS. 2001 folgte die erste Beschreibung einer gleichartigen Komplikation bei Cervical spine locking plate [8]. Für derartige Ereignisse können jedoch nicht nur biomechanische Gründe ursächlich sein. Zu berücksichtigen sind auch Lockerungen in Folge von postoperativen Infektionen. So beschrieben Fujibayashi et al. [7] einen Fall, bei dem das eingebrachte Platten- und Schraubenmaterial nach einer Staphylokokkeninfektion radiologisch nicht mehr auffindbar war und vermutlich per via naturales verloren ging. Interessanterweise konnte eine Leckage der Speiseröhre auch nicht mittels Kontrastmittel nachgewiesen werden.

Eine weitere ernste Komplikation bedeutet die Dislokation des Spaninterponats nach dorsal in den Spinalkanal mit konsekutiver neurologischer Störung. Publikationen hierüber sind selten, eine Veröffentlichung über 10 Patienten stammt von Kraus u. Stauffer [14] aus dem Jahr 1975. Die Prognose ist insbesondere dann als ungünstig einzustufen, wenn eine komplette Lähmung oder der vollständige Verlust der Schmerz- und Temperaturdiskriminierung trotz Rückkehr des bulbokavernösen Reflexes über 48 h persistieren.

Auch Dislokationen von Knochentransplantat und Osteosynthesematerial nach ventral können zu einer vitalen Bedrohung des Patienten führen. So beschrieben Riew et al. [22] einen Fall mit letalem Ausgang am 3. postoperativen Tag durch Verlegung der oberen Luftwege und nachfolgenden hypoxischen Hirnschaden. Insofern sind eine engmaschige postoperative Überwachung und Führung des Patienten fester Bestandteil des postoperativen Managements.

Schlussendlich ist die Fusion von der biologische Heilungspotenz des Patienten abhängig. Mögliche Ursache für das seltene Ausbleiben der knöchernen Heilung können neben Vaskularisationsstörungen so genannte Low-grade-Infekte sein. Insbesondere die Länge der Fusionsstrecke beeinflusst die Einheilungsquote. Ripa et al. [23] stellten bei der Nachuntersuchung von 92 Patienten eine Komplikationsrate von 2% und eine Fusionsrate von 98,9% fest. Insgesamt ist bei der Fusion eines Bewegungssegmentes in unter 2% mit einem Ausbleiben der Fusion zu rechnen. Hingegen steigt die Pseudarthroserate bei 2 Segmenten auf 10–36%, bei 3 überbrückten Segmenten auf 44–54% [26, 31]. Eine mögliche Ursache hierfür sahen DiAngelo et al. [6] in einer extensiven Spanbelastung bei HWS-Extensionsstellung.

Dorsale Implantate

Ihre Verwendung an der Wirbelsäule hat eine lange Geschichte [12]. Ihre in biomechanischen Tests bewiesene und bis heute unbestrittene überlegene Stabilität verschaffte ihnen eine weit verbreitete Anwendung. Die Auswahl an Implantaten umfasst:

  • Cerclagedraht

  • Schrauben-Platten-Systeme

  • Schrauben-Stab-Systeme

  • winkelstabile Systeme

  • nichtwinkelstabile Systeme

  • Magerl-Haken

Implantatfehlplatzierungen

Um dieses Risiko minimieren zu können, ist das Wissen um die anatomischen Besonderheiten an der Halswirbelsäule Voraussetzung. An anatomischen Strukturen sind in besonderem Maß gefährdet:

  • A. vertebralis

  • Nervenwurzeln (Abb. 5)

    Abb. 5
    figure 5

    Anatomische Komplikationspotenziale an der HWS bei dorsaler Schraubenapplikation

  • Dura

  • Rückenmark

Für die Schrauben-Platten-Versorgung stehen folgende Fixationsalternativen zur Verfügung:

  • transartikuläre Verschraubung C1/2 nach Magerl (mit und ohne okzipitozervikale Platte oder Galli-Fusion)

  • Instrumentation der Massae laterales

    a):

    nach Roy-Camille

    b):

    nach Magerl

    c):

    nach An (Abb. 6)

    Abb. 6
    figure 6

    Anatomische neuroforaminale Varianten, a Aussackung des Neuroforamens C1/2, b Pedikelanomalie

  • transpedikuläre Schraubenverankerung

In der Technik nach Roy-Camille werden bis zu 50% Verletzungen der Facettengelenke beschrieben. In der Technik nach Magerl können zwar eine größere Schraubenlänge und damit eine bessere Schraubenhaltekraft erreicht werden, nicht zu vernachlässigen sind aber die 4–10% Verletzungen der dorsalen Spinalwurzeln, die diesem Verfahren anhaften. Der besonderen Vor- und Nachteile der genannten Operationstechniken sollte man sich bei der Wahl des Operationsverfahrens bewusst sein.

Komplikationsmöglichkeiten eröffnen sich in besonderem Maß bei der transartikulären Verschraubung nach Magerl. Grob et al. [11] beschrieben 1991 eine Gesamtkomplikationsrate der atlantoaxialen Fusion von 5,9% bei einer Pseudarthroserate von 0,6%. Schraubenfehllagen fanden sich in 15%, allerdings keine Verletzung der A. vertebralis. Die umfangreichste Übersicht lieferte eine Mitgliederbefragung der American Association of Neurological Surgeons: Bei 2000 Patienten kam es in etwa 4% zu einer einseitigen Verletzung der A. vertebralis. Da diese ausschließlich einseitig waren, kam es nur in 3 Fällen zu einer bleibenden neurologischen Störung [30].

Um anatomische Besonderheiten erfassen zu können, die Einfluss auf die Anwendbarkeit der dorsalen Verschraubung nehmen, ist ein präoperatives Computertomogramm unabdingbar [18]. In 15–20% bestehen nämlich anatomische Normabweichungen, im Wesentlichen Vergrößerungen des Neuroforamens C1/2 mit Verlagerung der Vertebralarterie, die einer transartikulären Verschraubung entgegenstehen können (Abb. 6). Gleiches gilt für anatomische Varianten der Pedikel, deren Kenntnis eine Veränderung der Operationsstrategie einfordern.

Die transpedikuläre Verschraubung an der HWS geht auf Abumi et al. [1] zurück, die 1994 die ersten Ergebnisse über dieses Verfahren publizierten. Unter biomechanischen Gesichtspunkten liefert die transpedikuläre Schraubenapplikation die höchste Stabilität. Dennoch beherbergt sie mit der möglichen Verletzung neurovaskulärer Strukturen ein nicht unerhebliches Risiko, selbst im Zeitalter der Wirbelsäulennavigation. Miller et al. [19] veröffentlichten 1996 eine anatomische Untersuchung über den Vergleich zwischen geschlossener und halboffener transpedikulärer Schraubentechnik. Zwar konnte durch die anatomisch kontrollierte Verschraubung die Pedikelperforationsrate reduziert werden, dennoch war in bis zu 50% der Fälle eine Pedikelverletzung nachweisbar. Eine umfangreiche klinische Nachuntersuchung führten Abumi et al. [1] durch, die mit diesem Fixationsverfahren die längste Erfahrung haben dürften. Ihre Analyse umfasste 669 transpedikuläre Schrauben, deren postoperative Lage via Computertomographie objektiviert wurde. In 6,7% stellten die Autoren Pedikelperforationen fest, wobei lediglich 2 Schrauben eine Radikulopathie verursachten. Eine Verletzung der A. vertebralis kam nie vor. Die Einschätzung, dass die transpedikuläre Schraubentechnik nur mit einer geringen Komplikationsrate behaftet ist, ist zwar ermutigend, sollte aber nicht über das reale Komplikationsrisiko insbesondere bei einem mit dieser Technik noch nicht sehr vertrautem Operateur hinwegtäuschen.

Implantatversagen

Nicht nur die Technik der Implantatpositionierung, sondern auch die Auswahl des richtigen Implantats ist kennzeichnend für die Erfolgschancen bei der dorsalen Instrumentation. So wurden Implantatwanderungen von C1/2-Transfixationen bis in die Orbita beschrieben, ohne dass weitergehende Schädigungen entstanden (Olerud, pers. Mitteilung).

In besonderem Maß spielen bei den dorsalen Operationsverfahren die Wechselwirkungen zwischen Verletzungsentität, ihren biomechanischen Auswirkungen und Implantatwahl eine Rolle.

In einer differenzierten Studie haben Wellmann et al. [28] die Vor- und Nachteile der dorsalen Verfahren instruktiv unter Berücksichtigung der aktuellen Literatur dargestellt und kamen zu dem Schluss, dass die Drahtcerclage nicht zuletzt aufgrund ihrer leichten Anwendbarkeit und unbestrittener ökonomischer Vorteile die weiteste Verbreitung genießt. Sie ist aber in besonderem Maß auf die knöcherne Integrität der ventralen Säule angewiesen. Die Autoren kamen zu der Einschätzung, dass die Drahtcerclage insbesondere dann effizient sei, wenn die Instabilität nicht groß bzw. die Belastung gering sind. Fehlt die ventrale Abstützung, kommt es zum Bruch des Implantats und zum Korrekturverlust (Abb. 7).

Abb. 7
figure 7

Implantatversagen bei fehlender ventraler Abstützung

Neben der Implantatüberlastung beinhaltet die sublaminare Cerclagetechnik selbst ein bemerkenswertes Risikopotenzial, das sich wie folgt zusammenfassen lässt:

  1. 1.

    Blutungskomplikationen:

    • epidural

    • subdural

    • intramedullär

  2. 2.

    Dura-/Rückenmarkverletzung

  3. 3.

    Einengung des Spinalkanals

  4. 4.

    Epidurale Fibrosierungen

Dennoch ist die Gesamtrate der Komplikationen dorsaler Stabilisierungsverfahren moderat; Wellmann et al. [28] berichteten über 5% Wundinfekte bei einer Fusionsrate von 97%.

Gegen eine allzu großzügige Anwendung der dorsalen Operationsmethoden an der Halswirbelsäule sprechen v. a. die lediglich durchschnittlichen klinischen Ergebnisse. Hauptursache persistierender Beeinträchtigungen sind postoperative Nackendauerschmerzen. In einer vergleichenden Follow-up-Untersuchung [27] klagten 56% der dorsal fusionierten Patienten über Nackenschmerzen, nach ventraler Fusion waren es hingegen 24% mit HWS-assoziierten Symptomen.

Die wesentlichen Komplikationsschwerpunkte gemäß einer von Graham [10] publizierten Untersuchung der Cervical Spine Research Society liegen für die ventralen Eingriffe in der zugangsbedingten viszeralen Problematik und der implantatmechanisch begründeten Instabilität und für die dorsalen Eingriffe in der neurovaskulären Gefährdung.