Das obere Sprunggelenk (Articulatio talocruralis) ist eine anatomische Einheit aus den gelenktragenden Anteilen der distalen Tibia und Fibula, des Corpus tali sowie den verbindenden ligamentären Strukturen. Während es klassischer Weise als Scharniergelenk betrachtet wird, haben kinematische Untersuchungen gezeigt, dass die typischen Bewegungen des Talus in der Sagittalebene (ca. 50° Plantarflektion und 20° Dorsalflektion) von gekoppelten Bewegungen in der Frontal- und Horizontalebene begleitet sind [15, 20, 25]. Diese sind jedoch von geringem Umfang und werden in der Literatur unterschiedlich angegeben. Sasse et al. [40] wiesen eine Außenrotation des Talus von 4,2° und eine Innenrotation von 1,4° im sagittalen Bewegungsumfang von 20/0/35° nach. Michelson et al. [25] fanden geringere Werte für die Rotation und zusätzlich weniger als 1° Varus-/Valgus-Bewegungen in der Horizontalebene.

Durch die ungleichförmige Form der Talusrolle (Abb. 1) und die elastische Aufhängung der Malleolengabel vollführt die Fibula darüber hinaus bei allen Bewegungen des Talus eine dreidimensionale Relativbewegung zur Tibia [15, 30]. Bei maximaler Dorsalflektion rotiert die Fibula um ca. 2° nach außen und beschreibt eine vertikale sowie sagittale Mitbewegung nach hinten und unten [30, 39]. Knöcherne Leitstrukturen und Bandapparat sind gleichermaßen bedeutsam für die Stabilität (Abb. 2; [33, 53]) im oberen Sprunggelenk. Neuere biomechanische Studien, welche die Aktivierung motorischer Einheiten simulierten, haben zudem die Bedeutung der muskulären Stabilisierung des oberen Sprunggelenkes während des Abrollens unterstrichen [26].

Abb. 1
figure 1

Biomechanik des Sprunggelenkes nach Inman [15]. Die unregelmäßige Form des Talus, welcher einem Kegelausschnitt entspricht, und die nicht exakt transversal verlaufende Achse führen zu einer dreidimensionalen Bewegung im Tibiotalargelenk, wenngleich die Hauptkomponente in einer Dorsal-/Plantarflektion besteht. Durch den unterschiedlichen Neigungswinkel der lateralen und medialen Talusfacette kommt es zudem zu einer Relativbewegung der elastisch aufgehängten Fibula zur Tibia

Abb. 2
figure 2

Medialer Kollateralbandapparat (a) mit Lig. tibiotalare posterius (1), Lig. tibiocalcaneare (2), Lig. tibionaviculare (3) und Lig. tibiotalare anterius (4). Lateraler Kollateralbandapparat (b) mit Lig. fibulotalare posterius (5), Lig. fibulocalcaneare (6) und Lig. fibulotalare anterius (7). In dieser Abbildung sind auch die Ligg. tibiofibulare anterius (8) und posterius (9) erkennbar, während das kräftige Lig. tibiofibulare interosseum nur bei tiefer Präparation zur Darstellung kommt

Oberes und unteres Sprunggelenk interagieren eng miteinander und bilden eine Art Kardangelenk, welches die dreidimensionale „Maulschellenbewegung“ (Inversion) des Rückfußes, eine Kombination aus Supination, Plantarflektion und Adduktion und die entsprechenden entgegengesetzten Bewegungen bei der Eversion ermöglicht [15, 51]. Beide Gelenke sind Teil einer kinetischen Kette, welche sich über das gegenläufig rotierende Chopart-Gelenk auf den Mittelfuß fortsetzt. Die folgenden anatomischen und biomechanischen Betrachtungen sollen sich jedoch auf das obere Sprunggelenk beschränken.

Anatomie

Die distale Tibiametaphyse bildet einen kräftigen, lasttragenden Pfeiler, der von Destot [8] als „pilon“ (Stößel) bezeichnet wird. Während der Tibiaschaft einen dreieckigen Querschnitt aufweist, hat die distale Gelenkfläche die Form eines unregelmäßigen Viereckes, welches vorne breiter als hinten und lateral tiefer als medial ist. Sie begrenzt das mediane Gelenkkompartiment und bildet gleichsam das Dach („plafond“) des oberen Sprunggelenkes, welches um 15–20° gegenüber der Horizontalen nach dorsal geneigt ist. Der Innenknöchel (Malleolus medialis) begrenzt das mediale Gelenkkompartiment und läuft nach distal in leichter Varusposition aus. Er besteht aus 2 kräftigen Portionen, dem Colliculus anterior und posterior, an denen die Pars anterior und posterior der tiefen Portion des Ligamentum deltoideum ansetzen, mit der gelenknahen interkollikulären Grube. Hinter dem Colliculus posterior verläuft eine Grube für die Sehnen des M. tibialis posterior und M. flexor digitorum longus.

Die distale Fibula verbreitert sich zum Außenknöchel (Malleolus lateralis) und begrenzt das laterale Gelenkkompartiment. Die hintere Knöchelspitze reicht etwa 1 cm weiter nach distal als der Innenknöchel. Die breite Rückfläche weist eine Rinne als Gleitlager für die Peronealsehnen auf. Die knöchernen Vorsprünge, an welchen vorderes und hinteres Syndesmosenband ansetzen (Tubercula anterius et posterius) sind etwas schwächer ausgebildet als die korrespondierenden Tubercula der lateralen Tibiametaphyse. Zwischen Letzteren befindet sich die unterschiedlich tief ausgeprägte Incisura fibularis, in welche sich die mediale Konvexizität der Fibula exakt einpasst. Die korrekte Lage der Knochen zueinander auf dieser Höhe ist von größter Bedeutung bei traumatischer Sprengung der Knöchelgabel, da hier das biomechanisch bedeutsame Ligamentum tibiofibulare interosseum mit seinen kurzen, kräftigen Fasern die distale Fibula gegen die Tibia stabilisiert [10, 53].

Die anatomisch korrespondierende Gelenkfläche zu distaler Tibia und Fibula wird in allen 3 Kompartimenten vom Taluskörper gebildet, der aufgrund seiner Form auch als Trochlea tali (engl. „talar dome“) bezeichnet wird. Nach Inman [15] stellt diese keinen Zylinder, sondern den Ausschnitt eines Kegelmantels dar, dessen Spitze nach medial zeigt. Dabei entspricht nur die mediale Talusfacette einer Kegelfläche, die laterale hingegen einer Ellipse, wodurch die Pseudorotation des Talus bei Plantar- und Dorsalflektion erklärt wird. Die Bewegungsachse des oberen Sprunggelenkes läuft direkt unterhalb der Malleolen um 8° nach medial ansteigend und um 6° medial nach vorn gerichtet [15, 51].

Tibia und Fibula sind durch den straffen Syndesmosenkomplex verbunden, welche aus dem Ligamentum tibiofibulare anterius, posterius, interosseum, transversale (innominatum) sowie dem distalen, verstärkten Anteil der Membrana interossea, besteht. Diese bietet somit ein federndes Widerlager für die Absorption der axial eingeleiteten Kräfte [10, 33].

Das obere Sprunggelenk wird durch starke Kollateralbänder gegen eine Luxation des Talus aus der Knöchelgabel geschützt. Der mediale Bandapparat, summarisch nach seinem oberflächlichen Aspekt als Ligamentum deltoideum bezeichnet, setzt sich aus sehr heterogenen Anteilen zusammen. Das oberflächliche Deltoid besteht aus den fächerförmig ausstrahlenden Fasern der Ligamenta tibiotalare superficiale, tibiocalcaneare und tibionaviculare. Der tiefer gelegene Anteil des Ligamentum deltoideum ist deutlich kräftiger ausgeprägt und führt als Pars anterior und Pars posterior vom Innenknöchel zum Talus. Den lateralen Kollateralbandapparat bilden, in ansteigender Stärke, das Ligamentum fibulotalare anterius, Ligamentum fibulocalcaneare und Ligamentum fibulotalare posterius. Die fibularen Kollateralbänder sind in allen 3 Orientierungen des Raumes ausgerichtet [51]. Sie sind in ihrer Gesamtheit schwächer als der Innenbandapparat und wesentlich anfälliger für Rupturen beim Vertreten des Fußes [33].

Biomechanik

Die klassischen biomechanischen Untersuchungen aus den 1960er und 1970er Jahren unterstellten dem Außenknöchel die Funktion des primären Stabilisators („Leitstab“) am oberen Sprunggelenk [34, 36, 45]. Tatsächlich führt insbesondere die Verkürzung der Fibula zu einer erheblichen Fehlbelastung des Gelenkes [6, 45, 46]. Bereits die Lateralverschiebung des Talus um 1 mm führt zu einer etwa 40%igen Verringerung der tibiotalaren Kontaktfläche [34, 46].

Eine Reihe jüngerer Studien belegte jedoch die hervorragende Rolle der medialen Strukturen für die Sprunggelenkstabilität [6, 24, 26, 35, 40]. Diese Ergebnisse erklären die Beobachtung, dass die maßgebliche Instabilität bei Sprunggelenkfrakturen nicht in einer reinen lateralen Translation des Talus, der dem frakturierten Außenknöchel folgt, sondern vielmehr in einer anterolateralen Rotation (ggf. mit Valgusstress) besteht, welche durch den frakturierten Innenknöchel oder das rupturierte Ligamentum deltoideum möglich wird [19, 22, 24]. Dies rückt den Innenknöchel und das Ligamentum deltoideum als primäre Stabilisatoren in den Mittelpunkt des Interesses.

Die differenzierte Betrachtung zeigt, dass isolierte Rupturen des oberflächlichen Anteiles des Ligamentum deltoideum (typischer Weise Avulsionen des Colliculus anterior) noch keine Instabilität hervorrufen [25, 44]. Entsprechend ist bei der operativen Versorgung von kleineren Innenknöchelfragmenten, an welchen der oberflächliche Anteil der Deltabandes ansetzt, kein Stabilitätsgewinn zu verzeichnen [24, 28, 44]. Die Refixation größerer, die gesamte Breite des Innenknöchels einnehmender Frakturen („suprakollikuläre Frakturen“ nach Pankovich, [28]) hingegen stabilisiert die kräftige, tiefe Portion des Ligamentum deltoideum. Klinische Studien mit Beobachtungszeiträumen von bis zu 30 Jahren bestätigen die experimentell gewonnenen Erkenntnisse, indem sie für isolierte Fibulafrakturen sehr gute Ergebnisse bei konservativ-funktioneller Therapie nachwiesen [1, 16, 37, 48], während wiederholt gezeigt werden konnte, dass bei Bimalleolarfrakturen die operative Therapie deutlich bessere Resultate erzielen lässt [31, 32, 49].

Wenngleich auch die Bedeutung des Ligamentum deltoideum für die Stabilität im oberen Sprunggelenk unumstritten ist, erscheint die operative Versorgung reiner Innenbandläsionen im Rahmen von Sprunggelenkluxationsfrakturen nach dem derzeitigen Stand nicht notwendig. Die kräftigere, tiefe Portion des Ligamentum deltoideum ist bei der typischer Weise zentral gelegenen Ruptur der direkten Naht ohnehin nur schwer zugänglich [44]. Eine prospektiv-randomisierte Studie [43] sowie verschiedene Fallserien ergaben keine Verbesserung des funktionellen Behandlungsergebnisses von instabilen Sprunggelenkfrakturen (Typ Weber B und C) durch die Exploration und Naht des rupturierten Ligamentum deltoideum. Andererseits finden sich in der Literatur [3] wie auch im eigenen Krankengut fallweise chronische mediale Bandinsuffizienzen insbesondere nach Pronations-Eversions-Frakturen, bis hin zur Entwicklung eines posttraumatischen Pes plano valgus bei Insuffizienz des Ligamentum tibionaviculare [11], sodass auf diesem Gebiet sicherlich noch Klärungsbedarf verbleibt. Einigkeit besteht allerdings hinsichtlich der Notwendigkeit der Versorgung von Innenknöchelfrakturen im Rahmen von Sprunggelenkfrakturen.

Unter axialer Belastung übernehmen die Gelenkflächen die Funktion der primären Stabilisatoren in der Frontalebene und erhöhen den Widerstand gegen die Talusrotation in der Horizontalebene [42]. Daraus ergibt sich mit ansteigender axialer Lastaufnahme bei allen Frakturformen eine erhebliche „Stabilisationsreserve“ gegen die Translation des Talus [26, 35]. Nach Stormont et al. [42] bieten die Gelenkflächen unter Belastung eine 30%ige Stabilität gegen Rotationskräfte sowie eine 100%ige Stabilität gegen Varus-/Valgus-Dislokationen.

Von maßgeblicher Bedeutung für die Stabilität des oberen Sprunggelenkes ist die Integrität der distalen tibiofibularen Syndesmose [10]. Die isolierte Ruptur des Ligamentum tibiofibulare anterius ist biomechanisch nicht bedeutsam [39]. Erst bei Ruptur der kräftigen Ligamenta tibiofibulare posterius und interosseum resultiert eine pathologische Außenrotation des Talus, ohne dass knöcherne Verletzungen vorliegen [39, 47]. Diese kommt unter statischen Bedingungen (bei rein axialer Lasteinleitung) nicht zum Tragen, wird jedoch unter dynamischen Bedingungen (Außenrotationsstress) symptomatisch [47]. Immerhin übernimmt die distale Fibula zwischen 10 und 17% auf den Unterschenkel der eingeleiteten Last, eine Eigenschaft, welche bei Syndesmoseninsuffizienz verloren geht [30]. Verschiedene Autoren haben im Modell einer Bimalleolarfraktur mit hoher Fibulakomponente (Danis-Weber C) eine schrittweise Zunahme der Sprunggelenkinstabilität bei sequenzieller Durchtrennung der einzelnen Bandzügel beobachtet [2, 40]. Boden et al. fanden zudem, dass bei experimenteller Deltabandruptur eine Instabilität des Talus bei Durchtrennung der Syndesmose 3–4,5 mm oberhalb des Tibiaplafonds resultiert [2].

Frakturmechanismus und Klassifikation

Malleolarfrakturen entstehen in über 80% der Fälle durch einen Luxationsmechanismus infolge eines Sturzes oder Fehltritts. Wesentlich seltener sind Dezelerationstraumata im Rahmen von Verkehrsunfällen (ca. 10%), durch direkte Gewalteinwirkung werden weniger als 5% der Knöchelverletzungen ausgelöst [51]. Wie aus den biomechanischen Betrachtungen hervorgeht, muss die Verletzungsanalyse knöcherne und ligamentäre Läsionen gleichermaßen berücksichtigen. Die Morphologie und das Ausmaß der Verletzung werden von der Stellung des Fußes und die Richtung der einwirkenden Kraft zum Unfallzeitpunkt bestimmt. Lauge-Hansen [18, 19] hat aufgrund klinischer Beobachtungen und experimenteller Untersuchungen in hervorragender Weise eine Verbindung zwischen Pathomechanismus und Frakturmorphologie hergestellt. Die resultierende genetische Klassifikation ist somit sowohl für das Verständnis des Frakturmechanismus als auch für die Beurteilung der Stabilität und die unmittelbare Therapiewahl wertvoll, weswegen im Folgenden der Verletzungsmechanismus anhand der Lauge-Hansen-Klassifikation abgehandelt werden soll.

Genetische Klassifikation nach Lauge-Hansen

Die Bezeichnung der 4 Grundtypen der Sprunggelenkverletzungen setzen sich aus der Stellung des Fußes (Pro-/Supination) und der Richtung der Gewalteinwirkung auf den Talus (Abduktion/Adduktion/Eversion) zum Unfallzeitpunkt zusammen. Der von Lauge-Hansen verwendete Begriff der „Eversion“ ist hierbei missverständlich, da er synonym für die dreidimensionale Gesamtbewegung des unteren Sprunggelenkes verwendet wird [51]. Entscheidend für das Verständnis der Pathomechanik ist, dass hierunter die Außenrotation des Talus verstanden wird, weswegen im englischsprachigen Schrifttum statt „Eversion“ der Begriff „external rotation“ verwendet wird. Die relative Häufigkeit anhand größerer Fallstudien ist in Klammern angegeben [12, 19, 29, 51].

  1. 1.

    Supinations-Adduktions-Fraktur (5–20%)

  2. 2.

    Pronations-Abduktions-Fraktur (5–21%)

  3. 3.

    Supinations-Eversions-Fraktur (40–75%)

  4. 4.

    Pronations-Eversions-Fraktur (7–24%)

Die verschiedenen Verletzungen verlaufen in Stadien, welche Subgruppen der Klassifikation bilden und das Ausmaß der Instabilität genau definieren, wobei jeweils alternativ knöcherne oder ligamentäre Strukturen betroffen sein können (z. B. Malleolus medialis und/oder Ligamentum deltoideum). Diese Unterteilung macht die Lauge-Hansen-Klassifkation für den alltäglichen klinischen Gebrauch zwar deutlich „unbequemer“ als z. B. die Einteilung nach Danis und Weber [7, 45], allerdings bekommt sie dadurch—im Gegensatz zu Letzterer—erst eine prognostische und therapeutische Relevanz [35, 54].

Supinations-Adduktions-Fraktur

Sie entsteht durch eine axiale Gewalteinwirkung auf den supiniert stehenden Fuß (Abb. 3), wodurch eine forcierte Adduktion des Talus resultiert. Im ersten Stadium kommt es zu einer distalen, infrasyndesmalen Fibulafraktur, ggf. mit begleitenden Verletzungen des lateralen Bandapparates. Setzt sich die adduzierende Gewalt in Richtung auf den Innenknöchel fort, entsteht eine durch die Hebelwirkung des Talus fast vertikal verlaufende Innenknöchelfraktur (Stadium II). Bei hoher Energie tritt begleitend zur Innenknöchelfraktur eine Impression des medialen Tibiaplafonds auf. Die typische Morphologie der Innenknöchelfraktur erlaubt Rückschlüsse auf den Verletzungsmechanismus auch bei rein ligamentärer Verletzung der lateralen Strukturen.

Abb. 3
figure 3

Verletzungsmechanismus der Supinations-Adduktions-Fraktur (a) und klinisches Beispiel einer Stadium-I-Verletzung im Sinne einer distalen Bandavulsion (b). Graphische Darstellung einer Stadium-II-Verletzung mit typischer vertikal verlaufender Innenknöchelfraktur und medialer Impression des Tibiaplafonds (c)

Pronations-Abduktions-Fraktur

Ihr liegt ein prinzipiell entgegengesetzter Pathomechanismus zugrunde. Die axiale Gewalteinwirkung auf den pronierten Fuß, d. h. mit erhöhter Außenkante, erzeugt eine forcierte Abduktion des Talus in der Malleolengabel (Abb. 4). Zunächst entsteht eine horizontal verlaufende Fraktur des Innenknöchels, selten eine Deltabandruptur (Stadium I). Bei fortgesetzter Gewalteinwirkung kommt es zu einer Ruptur der hinteren und vorderen Syndesmosenbandes bzw. einem Ausriss des hinteren Volkmann-Dreieckes (Stadium II). Die proximalen Fasern des Ligamentum tibiofibulare interosseum und die distalen Anteile der Membrana interossea bleiben intakt, sodass nicht notwendigerweise eine Syndesmoseninsuffizienz resultiert. Im Stadium III schließlich entsteht eine indirekte Fibulafraktur auf Höhe der Syndesmose, welche aufgrund des Abduktionsmechanismus typischer Weise einen lateralen Biegungskeil aufweist. Regelhaft entstehen durch den indirekten Mechanismus auch Trümmerzonen der distalen Fibula, welche die anatomische Reposition erschweren und die Syndesmosenstabilität beeinträchtigen können, auch wenn aufgrund der Frakturhöhe keine komplette Syndesmosenruptur vorliegt. In Analogie zu den Supinations-Adduktions-Frakturen werden auch Impressionen des lateralen Tibiaplafonds beobachtet.

Abb. 4
figure 4

Verletzungsmechanismus der Pronations-Abduktions-Fraktur (a) und klinisches Beispiel einer Verletzung im Stadium III mit horizontal verlaufender Innenknöchelfraktur und indirekter Trümmerfraktur der Fibula (b). Der Talus steht nach posterior subluxiert mit disloziertem knöchernen Ausriss der hinteren tibiofibularen Syndesmose (c)

Supinations-Eversions-Fraktur

Diese häufige Fraktur unterscheidet sich von der Supinations-Adduktions-Fraktur dadurch, dass aufgrund der Rotation des Unterschenkels gegen den in Supinationsstellung fixierten Fuß eine Außenrotation des Talus in der Sprunggelenkgabel resultiert (Abb. 5). Die Krafteinwirkung beginnt am vorderen Syndesmosenband, welches auch knöchern am tibialen Ansatz („Tubercule de Chaput“) oder der Fibula („Wagstaffe-/Le-Fort-Fragment“) ausreißen kann (Stadium I). Die Außenrotation des Talus führt bei fortgesetzter Gewalteinwirkung zur klassischen transsyndesmalen, schräg bis spiralförmig verlaufenden Fibulafraktur, welche auf Höhe des Tibiaplafonds beginnt und unterschiedlich weit nach proximal zieht (Stadium II).

Abb. 5
figure 5

Verletzungsmechanismus der Supinations-Eversions- (Außenrotations-)Fraktur (a) und klinisches Beispiel einer Verletzung im Stadium IV mit der typischen Torsionsfraktur der Fibula und einer Ruptur des Lig. deltoideum mit medialer Diastase (b). Schaliger knöcherner Ausriss der hinteren tibiofibularen Syndesmose im seitlichen Röntgenbild (c)

Durch den typischen ansteigenden Frakturverlauf von anterokaudal nach posterokranial bleiben das Ligamentum tibiofibulare interosseum und posterius sowie die Membrana interossea in diesem Stadium unverletzt und die Syndesmose stabil [35, 47]. Eine relevante Instabilität entsteht erst, wenn die zirkulär fortwirkende Gewalt zu einer Ruptur des hinteren Syndesmosenbandes (bzw. Absprengung eines hinteren Volkmann-Dreieckes) führt (Stadium III). Jedoch bleiben auch in diesem Stadium Membrana interossea und Ligamentum tibiofibulare interosseum intakt, sodass die anatomische Wiederherstellung der tibiofibulären Relation die Kompetenz des Syndesmosenkomplexes wieder herstellt. Im Stadium IV kommt es schließlich zur horizontal bis schräg verlaufenden Avulsionsfaktur des Innenknöchels bzw. Deltabandruptur.

Pronations-Eversions-Fraktur

Sie entsteht durch den prinzipiell gleichen Außenrotationsmechanismus des Talus, welcher jedoch in Pronationsstellung des Fußes in Dorsalextension erfolgt (Abb. 6). Der Talus stellt sich dadurch mit dem breiteren Anteil der Trochlea in der Sprunggelenkgabel ein und schlägt zunächst den Innenknöchel horizontal weg bzw. führt zu einer Deltabandruptur (Stadium I). Die fortgesetzte Außenrotation des aus seiner medialen Aufhängung befreiten und dadurch in eine Valgusfehlstellung eintretenden Talus resultiert im Stadium II in einer kompletten Ruptur des Ligamentum tibiofibulare anterius, interosseum und posterius (bzw. korrespondierenden knöchernen Avulsionen) und somit einer Syndesmoseninstabilität. Im Stadium III entsteht durch die Varusstellung des Talus und Ruptur der Syndesmose eine hohe, suprasyndesmale Fibulafraktur. Im Sonderfall der Maisonneuve-Verletzung resultiert nach kompletter Ruptur der Membrana interossea eine proximale (subkapitale) Fibulafraktur oder eine Ruptur der proximalen tibiofibularen Syndesmose mit entsprechender Luxation des Fibulaköpfchens [21]. Im Stadium IV schließlich rupturiert das Ligamentum tibiofibulare transversum als letzter verbliebener Stabilisator des Talus in der Knöchelgabel.

Abb. 6
figure 6

Verletzungsmechanismus der Pronations-Eversions- (Außenrotations-)Fraktur (a) und klinisches Beispiel einer Verletzung im Stadium IV mit horizontaler Innenknöchelfraktur, disloziertem hinteren Volkmann-Dreieck (Pfeil), hoher Torsionsfraktur der Fibula und einer erheblichen tibiofibularen Diastase als Zeichen der Syndesmoseninsuffizienz (b, c)

Weniger als 5% aller Sprunggelenkfrakturen lassen sich nicht in eine der genannten 4 Kategorien einfügen [19, 50]. Hierzu gehören v. a. Verletzungen, welche durch ein erhebliches Stauchungsmoment ausgelöst werden, wie die isolierte Fraktur des hinteren Volkmann-Dreieckes [23] oder die Kombination aus Innenknöchelfraktur und vorderem Kantenabbruch, von Lauge-Hansen in einem Fallbericht als Pronations-Dorsiflektions-Verletzung bezeichnet [19]. Hierbei handelt es sich möglicher Weise um Übergangstypen zu Pilon-tibiale-Frakturen. Auch Frakturen, welche durch direkte Gewalteinwirkung auf die Malleolarregion entstehen, folgen nicht den genannten Luxationsmechanismen und bedürfen einer individuellen Frakturanalyse [19]. Sehr selten werden verhakte vordere oder hintere Dislokationen der Fibula gesehen, welche eine offene Reposition erfordern, wie bei der sog. Bosworth-Fraktur [14]. Die Besonderheiten kindlicher Frakturen sind unten angeführt.

Danis/Weber- und AO-Klassifikation

In seinem Standardwerk über die Verletzungen des oberen Sprunggelenkes griff Weber [45] die pathologisch-anatomische Klassifikation des belgischen Chirurgen Danis aus dem Jahre 1949 auf [7], welche sich ausschließlich auf die Frakturhöhe der Fibula in Bezug auf den Syndesmosenkomplex bezieht. Sie unterscheidet für die Luxationsfrakturen zwischen infrasyndesmaler Fibulafraktur (Typ A) mit intakter Syndesmose, transsyndesmaler Fraktur (Typ B), bei welcher der Syndesmosenkomplex meist verletzt, jedoch nicht notwendigerweise instabil ist, und den generell instabilen suprasyndesmalen Frakturen (Typ C). Diese Frakturklassifikation hat sich aufgrund ihrer Einfachheit für die alltägliche Anwendung rasch durchgesetzt, sie erlaubt jedoch keine sichere Aussage bezüglich der Stabilität und damit zur Op.-Indikation, insbesondere bei den häufigen Typ-B-Frakturen. Ebenso wenig finden Bandläsionen und Verletzungen der medialen, anterioren und posterioren Strukturen Beachtung.

Die AO-Klassifikation [27] ergänzt die von Danis und Weber vorgenommene Einteilung um nach der Schwere der Begleitverletzungen ansteigende Untergruppen (A1.1 bis C3.3]. Sie erlaubt damit insbesondere eine therapierelevante Differenzierung der Weber-B-Frakturen in stabile und instabile Frakturtypen. Während B1-Verletzungen isolierte Außenknöchelfrakturen darstellen, tritt bei B2-Verletzungen eine Fraktur des Innenknöchels hinzu, womit eine instabile Situation vorliegt. Analog kann zwischen stabilen (A1) und instabilen (A2) Typ A-Verletzungen mit Beteiligung des Innenknöchels unterschieden werden. Die Untergruppen erlauben jedoch keine eindeutigen Rückschlüsse auf den Frakturmechanismus.

Im Sprachgebrauch hat sich zudem eine rein deskriptive Einteilung nach uni-, bi- oder trimalleolären (letztere erstmals von Cotton 1915 [4] als „new type fracture“ bezeichnet) Sprunggelenkfrakturen eingebürgert. Die kräftige hintere Tibiakante tritt hier gewissermaßen als „dritter Knöchel“ hinzu [13]. Das entstehende Fragment wurde erstmals im Jahre von Earle 1828 beschrieben. Im deutschen Sprachraum wird es in Analogie zu dem von Volkmann 1875 erstmalig versorgten ventralen Kantenfragment als „hinteres Volkmann’sches Dreieck“ bezeichnet.

Ohnehin haben sich in der langen Geschichte der Frakturbehandlung am oberen Sprunggelenk zahlreiche Eigennamen für spezielle Frakturformen herausgebildet, die in unterschiedlichen Schulen bis heute in Gebrauch sind [51]. Hierzu gehören die bereits oben angeführten knöchernen Syndesmosenausrisse, wobei die Avulsionsverletzung des Ligamentum tibiofibulare anterius an der lateralen Tibiavorderkante bereits 1822 von Cooper dargestellt und erst wesentlich später von Tillaux und Chaput in anderem Zusammenhang aufgegriffen wurde. Die von den chirurgischen „Urvätern“ Pott und Dupuytren beschriebenen hohen Fibulafrakturen werden traditionsgemäß zuweilen noch mit deren Namen bedacht [54].

Klassifikation kindlicher Sprunggelenkfrakturen

Kindliche Frakturen des oberen Sprunggelenkes werden in Analogie zu den übrigen gelenknahen Frakturen anhand ihrer Beziehung zur epiphysären Wachstumsfuge nach Aitken bzw. Salter und Harris [38] eingeteilt, wenngleich prinzipiell die gleichen Frakturmechanismen wie von Lauge-Hansen beschrieben angenommen werden [5, 52]. Eine Sonderheit stellen die sog. Übergangsfrakturen (Biplane- und Triplane-Frakturen] der distalen Tibia dar [17]. Sie resultieren aus dem sequenziellen Epiphysenfugenschluss im Adoleszentenalter, welche Frakturlinien in bis zu 3 Ebenen, frontal, sagittal und horizontal, erkennen lassen.

Die distale Wachstumsfuge der Tibia, welche für den Großteil des Längenwachstums des Unterschenkels verantwortlich ist, verknöchert über einen Zeitraum von etwa 18 Monaten im Alter von 12.5 bis 14 Jahren. Dieser Prozess beginnt am Übergang vom medialen zum mittleren Drittel der Epiphyse und setzt sich zunächst nach medial und dann nach lateral fort, wobei als letzter Abschnitt der vordere, laterale Epiphysenfugenanteil verknöchert. Aus diesem Grunde sind jugendliche isolierte, epiphysäre Verletzungen des „Tubercule de Tillaux-Chaput“ im Sinne einer Salter-Harris-II- bzw. „Two-plane-Fraktur“ relativ häufig, während diese Verletzungen im Erwachsenenalter fast ausschließlich in der Sequenz der Malleolarfrakturen bei fortdauernder Gewalteinwirkung als zusätzliche Verletzungen auftreten.

Bildet sich ein zusätzlicher dorsaler metaphysärer Keil, so liegt eine „Triplane-Fraktur“ vor [17]. Endet die metaphysäre Fraktur im Bereich der Epiphysenfuge, handelt es sich um eine „Triplane-I-Fraktur“, setzt sie sich in die Epiphyse fort und bildet somit eine 2., dorsale Epiphysenfraktur, so spricht man von einer „Triplane-II-Fraktur“ (Abb. 7; [17]).

Abb. 7
figure 7

Einteilung der Übergangsfrakturen aus dem klassischen Lehrbuch von v. Laer [17] und klinisches Beispiel einer Triplane-II-Verletzung bei einem 13-jährigen Knaben. Die Lokalisation der Frakturlinien und der Epiphysenfugenverletzung in allen 3 Ebenen wird im CT deutlich

Fazit für die Praxis

Die dynamische Funktion des oberen Sprunggelenkes wird durch eine Kombination von Formschluss, Bandführung und muskulärer Stabilisierung erreicht. Die Verletzungsanalyse muss daher neben der Frakturmorphologie das Vorliegen von Rupturen bzw. knöchernen Avulsionen des medialen und lateralen Kollateralbandapparates sowie des tibiofibularen Syndesmosenkomplexes—zu welchem auch die Membrana interossea und die proximale Syndesmose gehören—berücksichtigen. Entscheidend für die Stabilität im oberen Sprunggelenk und die Indikationsstellung zur Operation ist die Länge und Stellung der distalen Fibula, die Kompetenz der medialen Strukturen und des Syndesmosenkomplexes.

Die genetische Lauge-Hansen-Klassifikation erlaubt das Verständnis des Luxationsmechanismus, die Indikationsstellung und Planung des operativen Vorgehens in über 95% der Sprunggelenkfrakturen. Die Danis-Weber-Klassifikation muss um die Untergruppen der AO-Klassifikation ergänzt werden, um eindeutige Aussagen bezüglich der Stabilität machen zu können. Kindliche Frakturen werden in Analogie zu anderen Gelenkfrakturen nach ihrer Beziehung zur Wachstumsfuge klassifiziert, wobei die Übergangsfrakturen der distalen Tibia beim 12- bis 14-jährigen Jugendlichen einen Sonderfall darstellen, welcher der dreidimensionalen Analyse bedarf.