Zusammenfassung
Hintergrund. Funktionsstörungen des N. lingualis zählen zu den relevanten Komplikationen nach operativer Entfernung unterer Weisheitszähne. Daraus ergibt sich die Fragestellung, ob und ggf. welche Schutzmaßnahmen gegen diese Komplikation ergriffen werden müssen. Mit Hilfe einer Auswertung der einschlägigen Literatur und einer Umfrage zur Lehrmeinung in dieser Frage in 39 deutschsprachigen Universitätskliniken (MKG-Chirurgie in Deutschland, Österreich und der Schweiz) wurde versucht, den gegenwärtigen Meinungsstand zu dieser Frage zu ermitteln.
Stand der Technik. In 54% der befragten Kliniken wird generell empfohlen, bei der Osteotomie ein Raspatorium oder anderes Schutzinstrument lingual unter das Periost einzubringen. In 8% der Kliniken wird dieses Verfahren generell abgelehnt. In den restlichen Kliniken wird die Entscheidung über solche Maßnahmen von Fall zu Fall gelehrt.
Statistische Auswertung und Diskussion. Laut Literaturanalyse genügt die vorliegende Datenqualität zurzeit nicht höchsten statistischen Bewertungsanforderungen. Davon abgesehen ergibt sich zunächst ein höheres Risiko der temporären Läsion des N. lingualis (0,5–19,8%) bei der Lingual-split-Technik gegenüber der vestibulären Osteotomie (0–1,9%). Aus den vorliegenden Literaturdaten lässt sich entgegen der landläufigen Meinung auch bei schwierigen anatomischen Bedingungen statistisch kein Vorteil durch generelles Einsetzen eines Schutzinstruments zwischen Kortikalis und linguales Periost im Hinblick auf temporäre oder permanente Störungen des Nervs finden, wogegen offenbar eine gewisse Risikoerhöhung im Bezug auf eine temporäre Funktionsstörung des N. lingualis in Kauf genommen werden muss. Diskutiert werden muss diese Schutzmaßnahme bei besonders risikoträchtigen Verlagerungen. Eine Unverzichtbarkeit solcher Maßnahmen ist aber aus der Literatur derzeit nicht zu begründen.
Zusammenfassung
Background. Disturbance of lingual nerve function is one of the relevant complications after surgical removal of lower third molars. In the literature, however, protective measures against this complication are not unanimously recommended. In order to find out the current opinion in terms of the state of the art in this field, a questionnaire was sent to the heads of 39 University Departments for Oral and Maxillofacial Surgery in Germany, Austria, and Switzerland. All of them responded.
Technical findings. In 54% of the departments, a periosteal elevator or similar instrument is recommended for the protection of the lingual nerve in every instance, whereas in 8% of the departments this is not recommended. In the remaining departments, the decision about protective measures is made according to the individual anatomical situation.
Statistics and discussion. The literature review revealed insufficient data quality for a sound data-based decision on whether and when to use an instrument to protect the lingual nerve. In any case, the statistical risk of a temporary disturbance of the lingual nerve seems to be higher with use of the lingual split (0.5%–19.8%) than with the lateral osteotomy technique (0%–1.9%). In contrast to widespread opinion, even in anatomically difficult cases, there seems to be no statistical advantage of the standardized use of a protective instrument either in respect to temporary or permanent nerve damage. Yet, a slight increase of temporary lesions seems to be documented when the instrument is used. According to the current literature data, the subperiosteal insertion of an instrument to protect the lingual nerve cannot be considered an essential standard procedure in each case.
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Hägler, G., Reich, R. Risiko und Vermeidung von Läsionen des N. lingualis bei der Weisheitszahnosteotomie. Mund Kiefer GesichtsChir 6, 34–39 (2002). https://doi.org/10.1007/s10006-001-0351-6
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