Die Anzahl Patienten mit chronischer Nierenerkrankung steigt mit der Zunahme der durchschnittlichen Lebenserwartung. Ebenso nimmt Diabetes mellitus als Ursache für das Nierenversagen zu. Ein neuer Bericht aus den USA bestätigt zudem den bekannten Umstand, dass Patienten mit einem Hämodialysekatheter ein weit höheres Risiko für Tod, Infekte mit Todesfolge und kardiovaskuläre Ereignisse gegenüber Patienten mit arteriovenösen Fisteln (AVF) oder Shunts aufweisen [20]. Neueste Zahlen belegen, dass nach wie vor bei zu vielen Patienten das Nierenersatzverfahren über einen zentralvenösen Hämodialysekatheter begonnen wird [29]. Anstrengungen, die Anzahl der Neuanlagen von AVF zu erhöhen, haben dazu geführt, dass an Kongressen häufiger über das Problem einer fehlenden Fistelreifung diskutiert wird. Angesichts der genannten Probleme ist der primäre Einsatz einer Kunststoffprothese wieder ein Thema. Die Industrie hat seit der ersten Implantation einer PTFE-Prothese zur Hämodialyse im Jahre 1976 immer wieder modifizierte Grafts auf den Markt gebracht, um deren Offenheitsrate gegenüber der AVF zu verbessern [1]. Zu bemängeln bleibt, dass die Evidenzlage hinsichtlich solcher Prothesen oftmals wegen kleiner Fallzahlen als eher schlecht zu bewerten ist [11]. Zudem erschweren Studien mit Prothesenimplantationen an verschiedenen Lokalisationen die Vergleichbarkeit. Mittlerweile lassen sich Gruppen von verschiedenen Prothesentypen bilden, die sich durch gewisse Merkmale unterscheiden (Tab. 1).
Nach Sichtung der Literatur lassen sich folgende Punkte zusammenfassen:
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Die Bewertung bezüglich der Offenheitsrate von Prothesen mit geänderter Geometrie ist offen.
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Prothesen mit einem Cuff haben in zwei Studien bessere Offenheitsraten gezeigt als herkömmliche Prothesen [15, 23].
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Für eine Prothese, die durch ihre Konfiguration von Spiralen einen laminaren Blutfluss erzeugt, gibt erst vorläufige Kongressmitteilungen von kleinen Serien [10].
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Die abschließende Beurteilung über den Effekt von heparinbeschichteten Prothesen ist ebenfalls offen, da in zwei nicht randomisierten Studien gegensätzliche Ergebnisse bezüglich Offenheit gezeigt wurden [2, 5].
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Früh anstechbare Prothesen aus Polyurethan oder Polytetrafluoroethylen (PTFE), zum Teil in Kombination mit einem Elastomer, werden heute immer häufiger eingesetzt, weil man diese bereits 12 bis 24 h nach der Implantation anstechen kann [3, 4, 6, 9, 12, 21, 26]. Damit lassen sich zentralvenöse Hämodialysekatheter umgehen. Es gibt aber nur wenige Studien mit niedrigen Fallzahlen zu diesen Prothesen. Die Offenheitsrate ist vergleichbar mit herkömmlichen Prothesen. Bisher wurden auch keine höheren Raten von Wundkomplikationen und Infekten berichtet, obwohl ein solches Risiko wegen der nicht abgeschlossenen Wundheilung zum Zeitpunkt der Punktionen denkbar wäre.
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Bei den Hybridprothesen, die sowohl endovaskulär als auch offen implantiert werden, fehlen ebenfalls verlässliche Langzeitresultate [8, 13, 14, 16, 24].
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Für den HeRo-Katheter, bei dem man einen PTFE-Graft mit einer zentralvenös eingeführten Kanüle verbindet, sind die Offenheitsraten vergleichbar mit den üblichen Prothesen [7, 17].
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Die Zahl der Anbieter für Bioprothesen ist in den letzten Jahren zurückgegangen, obwohl diesem Prothesenmaterial wegen der möglichen Infektresistenz ein gewisses Potenzial inne liegt [18, 22, 25]. Erste Fallberichte über Prothesen, deren Wandgewebe/-material aus menschlichen Zellen gezüchtet wurde, sind viel versprechend [19, 27, 28]. Bis zur Serienreife werden aber noch Jahre vergehen. Was solche Prothese kosten werden, steht noch in den Sternen geschrieben.
Fazit
Mehr denn je müssen heute für jeden Patienten individuelle Entscheidungen darüber gefällt werden, welche Art von Dialysezugang gewählt werden kann/soll. Neben dem biologischen Alter, der Lebenserwartung, den Risikofaktoren und den anatomischen Gegebenheiten entscheidet der Zeitpunkt der Hämodialyse darüber, welcher Gefäßzugang sinnvoll ist und ob eine Kunststoffprothese eine vertretbare Option sein könnte.
In der vorliegenden Ausgabe der Gefässchirurgie werden die Wichtigkeit der regelmäßigen klinischen Shuntkontrollen und die Vorteile der apparativen Flussmessung zur Verhinderung von Shuntthrombosen dargelegt. Zwei Beiträge befassen sich mit den heute empfohlenen Behandlungsstrategien von peripheren und zentralen Stenosen von arteriovenösen Fisteln. Für den Gefäss- und Shuntchirurgen ist es wichtig, über das Thema der Kalziphylaxie Bescheid zu wissen, da dieser Stoffwechselstörung mit ihren Folgen im klinischen Alltag eine große Bedeutung zukommt.
Mit der Kasuistik „Shuntchirurgisches Kaleidoskop“ starten wir den Versuch, interaktiv Indikationen und Therapiestrategien mit der Leserschaft zu diskutieren und zugleich zu erfahren, wie sich Shuntchirurgen außerhalb von Mitteleuropa in einer schwierigen Situation entscheiden. Wir rufen alle Leser auf, eigene Fälle oder größere Fallserien in unserer Zeitschrift zur Diskussion zu stellen, damit die Shuntchirurgie innerhalb der Gefäßchirurgie präsenter wird.
Viel Freude bei der Lektüre
Ihr
Matthias Widmer
Literatur
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Interessenkonflikt
M.K. Widmer weist auf folgende Beziehungen hin: Referententätigkeit für die Firmen Atrium/Maquet und Bionova. T Windisch gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Widmer, M., Windisch, T. Die Qual der Wahl beim Dialysezugang. Gefässchirurgie 19, 698–700 (2014). https://doi.org/10.1007/s00772-014-1379-x
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