Die SARS-CoV-2-Pandemie stellt das Gesundheitssystem vor große Herausforderungen. Patient*innen, die unter einer schweren bzw. lebenslimitierenden Erkrankung leiden, benötigen weiterhin eine umfassende Palliativversorgung: Hier gilt es ein Gleichgewicht zwischen Distanzgebot zum Schutz vulnerabler Gruppen, Ressourcenrestriktionen und der Notwendigkeit einer adäquaten Versorgung herzustellen. Wir stellen eigene Erfahrungen und Best-Practice-Beispiele aus der Palliativversorgung in einem Universitätsklinikum vor und fokussieren dabei auf die Situation onkologischer Patient*innen.

Probleme in der klinischen Versorgung

Im Vergleich zu Nichtkrebserkrankten besteht für Krebspatient*innen generell ein erhöhtes Risiko, durch eine Infektion mit respiratorischen Erkrankungen an einer Pneumonie zu erkranken. Außerdem konnte für sie eine erhöhte Mortalität im Rahmen einer SARS-COV2-Infektion nachgewiesen werden [3]. Damit stellen diese Patient*innen eine besondere Risikogruppe dar, sodass eine verstärkte Empfehlung zum „social distancing“ durch Vermeidung von Arztbesuchen oder Krankenhauseinweisungen zunächst als logische Konsequenz erscheint. Parallel kam es in den Krankenhäusern in der ersten Pandemiewelle (März – Mai 2020) zu einer z. T. deutlichen Ressourcenrestriktion. Es wurden Komplexbehandlungen, Therapien, planbare Operationen/Eingriffe abgesagt, verschoben oder fanden schlichtweg nicht statt. Auch die Fallzahlen in den Notaufnahmen sind in der ersten Welle deutlich gesunken [2]. Zudem wurden z. T. Palliativstationen geschlossen um für Patient*innen, die an SARS-CoV‑2 erkrankt waren, Ressourcen zu generieren. Daraus resultierten verzögerte Aufnahmen ins Krankenhaus und dort eine insgesamt schlechtere Patientenversorgung. Diese Feststellung beruht nicht nur auf eigenen Erfahrungen aus der spezialisierten, konsiliarischen palliativmedizinischen Mitbetreuung, sondern wird auch gestützt durch erste Ergebnisse einer vom Bildungsministerium für Bildung und Forschung(BMBF)-geförderten nationalen Studie zur Palliativversorgung in Pandemiezeiten (PallPan) [1] innerhalb des Netzwerks Universitätsmedizin (NUM). Hier wurden u. a. Mitarbeitende auf Normal‑, Isolier- und Intensivstationen nach ihren Erfahrungen während der ersten Welle befragt.

Welche Probleme treten in der stationären Versorgung auf?

Im klinischen Alltag der stationären Versorgung kommt es zu diversen Problemen, beginnend bei der notwendigen Einhaltung von Hygienemaßnahmen über logistische Herausforderungen bis hin zu Hürden in der direkten Patientenbetreuung, z. B. die Kommunikation betreffend. Wir möchten uns gern auf drei vorrangige Probleme fokussieren und anhand von Best-Practice-Beispielen mögliche Lösungsansätze auch für eine gute Palliativversorgung stationär behandelter Krebspatient*innen aufzeigen.

Besuchsregelung

Schwerkranke Tumorpatient*innen und ihre Angehörigen werden im Rahmen der allgemeinen stationären Palliativversorgung durch ihre jeweiligen Primärversorger behandelt. In den unterschiedlichen Bereichen der stationären Versorgung kam es während der ersten Pandemiewelle zu zunehmenden Einschränkungen der Besuchsmöglichkeiten (z. B. eine Person pro Tag für eine Stunde) bis hin zum vollständigen Besuchsverbot. Die Regelungen variierten in Abhängigkeit der aktuellen COVID-19-Inzidenz. Ausnahmen wurden standortspezifisch festgelegt, zum Teil aber weder für Sterbephasen noch kritische Situationen erlaubt. Hieraus resultierten verschiedene Probleme: Die Patient*innen litten deutlich unter der sozialen Isolation während des Krankenhausaufenthalts und drängten daher auf eine rasche Entlassung. Angehörige konnten durch die geltenden Besuchseinschränkungen den Verlauf der Erkrankung oder eine mögliche Verschlechterung nur schlecht oder gar nicht nachvollziehen. Auch sie litten unter dem Besuchsverbot, sodass andere Kommunikationswege gefunden werden mussten. Eine Beschränkung der Besucheranzahl führt insbesondere bei vielköpfigen Familien zu innerfamiliärer Belastung. Für minderjährige Kinder oder betagte Angehörige war ein Besuch ohne Begleitperson oftmals nicht möglich.

Die Erläuterung der Besuchsregelungen und ihrer Änderungen führen für das Personal zu großem zeitlichem Aufwand und mitunter zu großer Belastung. So gehören zeitaufwendige und kontroverse Diskussionen mit Angehörigen, die die Besuchsregelungen nicht akzeptierten, zum klinischen Alltag. Aggraviert wird diese Situation für das Personal, wenn der Besuchswunsch aus der eigenen Perspektive gut nachvollziehbar war, zum Beispiel bei schwerkranken Patient*innen mit kurzer Prognose und Sterbenden. Die Diskrepanz zwischen eigenem Wunsch und Zwang, sich an die vorgegebene Regelung zu halten, führt zu großen psychischen Belastungen in den Teams. Zugleich stellen Besucher*innen aber eine potenzielle Infektionsquelle sowohl für Patient*innen als auch für das Personal dar und werden daher als mögliches Gesundheitsrisiko wahrgenommen. Das führt ebenso zu Sorgen und Angst vor Infektion bei den Mitarbeitenden.

Kommunikation

Bedingt durch die oben geschilderten Besuchsregelungen ist die Kommunikation zwischen Patient*innen und ihren Angehörigen, aber auch zwischen Angehörigen und Behandler*innen, häufig gestört. Durch fehlende Besuchsmöglichkeiten sind Patient*innen überwiegend auf Telefongespräche oder Videotelefonie beschränkt. Eine Hypakusis bei älteren Patient*innen, unzureichende Fertigkeiten im Umgang mit modernen Kommunikationsmitteln, kognitive Einschränkungen durch Fieber, Delir oder Fatigue erschweren die Situation zusätzlich. Sind Patient*innen passager oder dauerhaft somnolent, ist ohne Unterstützung durch das Behandlungsteam keine Kontaktaufnahme mehr möglich. Zudem gehen insbesondere bei der reinen Telefonie nonverbale Reaktionen des Gesprächspartners verloren. In der Folge kommt es bei Angehörigen häufig zu Verunsicherung über den Zustand der Patient*innen. Dies führt in der Folge zu einem erhöhten Gesprächsbedarf mit dem Behandlungsteam. Gleichzeitig sind Gespräche in der Gruppe, z. B. Patient*in und Angehörige*r oder gar mehrere Angehörige oder Behandler*innen, häufig nicht möglich. So entfallen die besonders in dieser Situation wichtigen Gespräche, die einen gemeinsamen Kenntnisstand aller Beteiligten zum Ziel haben. Hierdurch sind Therapieentscheidungen oder auch die Notwendigkeit einer Betreuung durch einen Pflegedienst oder gar die Notwendigkeit einer stationären Versorgung in (Kurzzeit‑)Pflegeheimen oder Hospizen nach Entlassung häufig für Angehörige nicht nachvollziehbar. Neben dem faktischen Informationsverlust kommt es bei Angehörigen häufig auch zu einer gestörten Wahrnehmung eines sich verschlechternden Allgemeinzustands. Die klinische Situation wird besser eingeschätzt und die Diskrepanz zwischen z. B. telefonischer Auskunft durch behandelnde Ärzt*innen und bisheriger Wahrnehmung durch den Angehörigen ist teilweise massiv. In diesem Kontext sind insbesondere Gespräche schwierig, in denen schlechte Nachrichten überbracht werden müssen. Reaktionen auf nicht sichtbare nonverbale Äußerungen entfallen oder sind nur eingeschränkt möglich. Bei schwerkranken oder sterbenden Patient*innen wird dadurch nicht selten die Krankheitsverarbeitung weiter erschwert.

Abschied und Trauer

Eklatant sind die Auswirkungen der oben beschriebenen Einschränkungen von Besuchs- und Kommunikationsmöglichkeiten im Hinblick auf sterbende Patient*innen, wobei diese bei einer vorliegenden COVID-19-Erkrankung noch deutlich aggraviert sind. Presseberichte solcher Situationen bis hin zu Beispielen isoliert sterbender Patient*innen, die keinen Besuch empfangen konnten oder durften, haben mittlerweile eine breite gesellschaftliche Diskussion und individuelle Auseinandersetzungen mit der eigenen Patientenverfügung angeregt.

In der Finalphase ist die Begleitung durch Angehörige sehr wichtig. Ihre Anwesenheit trägt zur Linderung von auftretender Angst und Unruhe bei. Fehlen Angehörige als Unterstützung, ist „nur“ eine Begleitung durch das häufig knappe und durch die Pandemie weiter ausgedünnte Personal möglich. Durch den vielerorts, wegen geltender Kontaktbeschränkungen, zusätzlichen Ausfall von begleitenden Hospiz- oder Besuchsdiensten und initial sogar auch der Krankenhausseelsorge, stehen auch hier keine Alternativen zur Verfügung. Zur Symptomkontrolle bleibt dann oft nur eine medikamentöse anxiolytische Therapie. Gleichzeitig profitieren auch Angehörige durch die Begleitung im Hinblick auf eigene Betroffenheit, Verarbeitung und Verabschiedung. Unzureichende Kommunikation und mangelnde Wahrnehmung der Krankheitssituation der Patient*innen führen dagegen zu erschwerter Krankheitsakzeptanz bis hin zu einem erschwerten Abschieds- bzw. Trauerprozess. Weiterführende Studien im Hinblick auf die Entwicklung von posttraumatischen Belastungsstörungen werden weiteren Handlungsbedarf aufzeigen.

Standortspezifisch sind daher seit Beginn oder im Verlauf wichtige Ausnahmeregelungen in Kraft getreten. Sie beziehen Schwerkranke oder Sterbende mit und ohne COVID-19-Infektion gleichermaßen mit ein.

Lösungsansätze und Best-Practice-Beispiele

Besuchsregelungen

Die Besuchsregelungen unterliegen Hygieneanforderungen, die an das aktuelle Infektionsgeschehen angepasst werden müssen und daher nur bedingt beeinflussbar sind. Trotzdem sind individualisierte Ausnahmeregelungen wünschenswert. Sie müssen von den jeweiligen Stationen (Mikroebene) klar kommuniziert und verlässlich sein. Zudem sollten sie ebenfalls an die Krankenhausleitung (Mesoebene) kommuniziert werden und ein allgemeines Einverständnis eingeholt werden. Ausnahmeregelungen sollten mindestens den Besuch und die Begleitung sterbender Patient*innen ermöglichen. Eine 24-h-Begleitung durch ein bis zwei nächste Angehörige, wie z. B. auf einer Palliativstation, sollte auf allen Stationen im Einzelfall umsetzbar sein. Festlegungen sollten Personenanzahl und Besuchsdauer umfassen, aber auch z. B. die Begleitungsmöglichkeit minderjähriger Kinder oder (hoch)betagter Angehöriger. Einzuhaltende Hygienemaßnahmen und logistische Abläufe, z. B. Anmeldung eines Besuchs an der zentralen Besucherkontrollstelle einer Klinik, müssen bekannt sein. Wünschenswert, und in der dritten Welle eingeführt, sind zudem Antigenschnelltests, um Besucher*innen, aber auch Personal Sicherheit zu vermitteln. Hier trägt die zunehmende Durchimpfung des medizinischen Personals zur Entlastung von Patient*innen, Angehörigen und auch des Personals selbst bei. Auch schwerkranken Patient*innen, die bereits einen längeren Aufenthalt von mehr als z. B. fünf Tagen in einer Klinik erleben, sollten Besuche nach o. g. Festlegungen erlaubt werden [4]. Neben dem Angehörigenbesuch können so Aufklärungsgespräche oder Therapiezielgespräche mit Patient*innen und Angehörigen gemeinsam mit dem Arzt durchgeführt werden. Dadurch kann das Risiko für Kommunikationsdefizite, erschwerte Krankheitsverarbeitung bei Patient*innen und Angehörigen sowie für komplizierte Abschieds- bzw. Trauerprozesse vermindert werden.

Parallel sollte eine möglichst rasche Entlassung der Patient*innen ermöglicht werden, wodurch eine soziale Isolation durch Besuchseinschränkung vermieden wird. Zur Aufrechterhaltung einer adäquaten Versorgungsqualität ist eine engmaschige interdisziplinäre und multiprofessionelle Zusammenarbeit sowie eine zeitgerechte Palliativversorgung wichtig. So können Patient*innen z. B. mit Unterstützung von Hausärzten und Sozialstationen (allgemeine Palliativversorgung) mit einem Notfallplan und ggf. unterstützt durch spezialisierte ambulante Palliativteams (SAPV) entlassen werden, wodurch in den Kliniken zusätzlich freie Kapazitäten geschaffen werden und so Ressourcen wieder für andere Patient*innen zur Verfügung stehen.

Beispiel

Hr. K. ist 65 Jahre alt und leidet an einem lymphogen metastasierten Hypopharynxkarzinom. Nach Neck-Dissection, Radiatio und massivem lokalen Progress mit großem exulzerierendem Tumor wird eine Therapie mit Pembrolizumab eingeleitet. Klinisch kommt es zu einer deutlichen Verschlechterung bei ausgedehnter Weichteilinfektion und zusätzlich nachgewiesener neu aufgetretener ossärer und pulmonaler Metastasierung. Da Hr. K. tracheotomiert ist, erfolgt eine Kommunikation mit seiner vorsorgebevollmächtigten Ehefrau nur via Smartphone. Die Ehefrau nimmt kognitive Einschränkungen bei der schriftlichen Kommunikation war und ist sehr besorgt. Sie erkundigt sich wiederholt per Telefon bei den behandelnden Ärzt*innen, bleibt aber trotz ausführlicher Telefonate über den Zustand ihres Mannes im Unklaren. Durch den raschen Krankheitsprogress kann sie, ohne ihren Mann gesehen zu haben, den telefonisch geschilderten Zustand kaum nachvollziehen. Aufgrund der kritischen Situation und zur Besprechung des weiteren Prozedere erfolgt ein gemeinsames Gespräch auf der Station. Hierzu erhält die Ehefrau eine Ausnahmegenehmigung. Die zentrale Kontrolle am Klinikeingang wird über Namen und Uhrzeit des Besuchs informiert. Auf der Station erfolgt eine Einweisung in notwendige Hygienemaßnahmen, das Gespräch kann im Einzelzimmer des Patienten mit Wahrung des Mindestabstands durchgeführt werden. Patient und Ehefrau sind über den Besuch sehr erleichtert und dankbar, Fr. K. hat Gelegenheit, alle Fragen gemeinsam mit dem Arzt und ihrem Mann zu besprechen und kann sich selbst ein Bild vom körperlichen Zustand ihres Mannes machen.

Kommunikation

Eingeschränkte Kommunikation wird auch nach Ausnahmeregelungen, wie oben dargestellt, Teil des klinischen Alltags bleiben. Hier können Telefonie und Videotelefonie unterstützen (Abb. 1). In der Regel sind über private Smartphones der Patient*innen Apps zur Videotelefonie verfügbar oder können eingerichtet werden. Hierzu sollte die Klinik vor allem in Zeiten einer Pandemie WLAN kostenlos zur Verfügung stellen. Gegebenenfalls kann bei der Bedienung Personal vor Ort unterstützen. Alternativ sollten von Kliniken eigene Tablets vorhanden sein und ebenso genutzt werden. Dadurch können Patient*innen und Angehörige einen Sichtkontakt aufbauen, aber auch gemeinsame Gespräche mit dem Behandler führen. Dies ist insbesondere bei Aufklärungen, Therapiezielgesprächen, Überbringen schlechter Nachrichten und in der Sterbephase wichtig. Zusätzlich kommt der Videotelefonie eine besondere Bedeutung bei, wenn eine respiratorische Insuffizienz eine Intubation notwendig macht. So können Patient*innen und Angehörige vor Sedierung Kontakt aufnehmen, eine Maßnahme die in vielen Kliniken bei der Betreuung von COVID-Patient*innen bereits zum Einsatz kam.

Abb. 1
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Durch fehlende Besuchsmöglichkeiten sind Patient*innen überwiegend auf Telefongespräche oder Videotelefonie beschränkt. (Mit freundlicher Genehmigung der Autoren, alle Rechte vorbehalten)

Aufseiten des Personals muss die zeitliche Mehrbelastung des Personals in den Tagesverlauf einkalkuliert werden. Inhaltlich können Kommunikationstrainings in der anspruchsvollen Überbringung schlechter Nachrichten per Telefon unterstützen.

Beispiel

Fr. L. ist 75 Jahre alt. Bei ihr wurde ein Glioblastom erstdiagnostiziert und vor fünf Tagen operativ versorgt. Nach der Operation besteht nun eine Hemiparese links. Vor dem Eingriff lebte die Patientin mit ihrem Ehemann in eigener Wohnung, sie hatte ihren Ehemann bei fortgeschrittenem Parkinson-Syndrom gepflegt. Das Ehepaar wurde bisher von dem gemeinsamen einzigen Sohn unterstützt. Der Sohn ist aktuell selbst an COVID-19 erkrankt, der pflegebedürftige Ehemann wurde mit einer Pneumonie in die geriatrische Abteilung eines anderen Krankenhauses aufgenommen. Durch die COVID-19-Erkrankung kann der Sohn weder den erkrankten Vater noch die Mutter besuchen. Mit dem Vater kann er einmal täglich telefonisch in Kontakt treten, hierzu benötigt der Patient Hilfe durch das Pflegepersonal, das ihm das Stationstelefon anreicht. Mit der Mutter hatte er bisher Kontakt über ihr Handy. Nach der Operation kam es jedoch zu einem Delir, sodass der Sohn lediglich Auskunft über das Pflegepersonal bzw. den Stationsarzt erhielt. Im letzten Telefonat wurde dem Sohn eröffnet, dass seine Mutter in der nächsten Woche entlassen werden solle, um sich dann ambulant in der strahlentherapeutischen Abteilung zur kombinierten Radiochemotherapie vorzustellen. Der Sohn ist einerseits erfreut über die sich abzeichnende Entlassung seiner Mutter. Andererseits ist er sehr ungehalten, da Stationsarzt und betreuender Palliativmediziner die Mitarbeit eines Pflegedienstes dringend für nötig erachten. Er selbst sieht keine Notwendigkeit hierzu, muss aber eingestehen, dass er kein Bild über die körperliche Verfassung seiner Mutter hat. Gemeinsam wird ein Videotelefonietermin über ein klinikeigenes Tablet geplant. Hier sehen sich Sohn und Mutter zum ersten Mal nach der Operation. Nach einem gemeinsamen Gespräch mit dem Stationsarzt kann nun mit palliativmedizinischer und sozialdienstlicher Unterstützung zunächst eine Verlegung auf die Palliativstation und in der Folge eine Entlassung nach Hause mit Pflegedienst und ggf. SAPV-Unterstützung nach Genesung des Sohnes geplant werden.

Abschied und Trauer

Allein zu sterben oder sterbende Angehörige nicht zu begleiten, ist für die meisten Menschen undenkbar und auch ethisch nicht vertretbar. Daher muss mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, wie individualisierter Kommunikation und Ausnahmen bei Besuchsregelungen, ein Höchstmaß an Begleitung der Patient*innen ermöglicht werden. Hilfreich sind nach dem Versterben zusätzliche Abschiedsräume. Hier sollten auch mehrere Angehörige die Gelegenheit haben, sich von Patient*innen zu verabschieden. Umsetzbar sind z. B. mehrere zeitlich versetzte Besuche von Kleingruppen. Häufig sind Abschiedsräume, wenn vorhanden, am Ende eines Stationsflurs lokalisiert, sodass sich Publikumsverkehr vermeiden bzw. reduzieren lässt. Können Angehörige, z. B. bei eigener Erkrankung oder wegen großer Entfernung, nicht kommen, können durch das Personal Fotos der Verstorbenen gemacht und an die Hinterbliebenen versendet werden. Des Weiteren sollten möglichst die Mitarbeiter*innen, die den oder die Patient*in in den letzten Lebenstagen betreut haben, für Gespräche im Nachgang zur Verfügung stehen, um speziell die Angehörigen aufzufangen, die nicht persönlich Abschied nehmen konnten.

Trotz dieser Maßnahmen bleibt insbesondere die Sterbebegleitung während der Pandemie eine große Herausforderung.

Beispiel

Fr. M. ist 85 Jahre und an einem metastasierten Mammakarzinom erkrankt. Wegen eines fieberhaften Harnwegsinfekts erfolgt eine notfallmäßige stationäre Aufnahme. Auf der Normalstation der externen Klinik infiziert sie sich mit SARS-COV‑2 bei der bis dato nicht bekannt infizierten Bettnachbarin. Bei respiratorischer Verschlechterung wird sie auf die Intensivstation unserer Klinik übernommen. Hier erfolgt zunächst eine High-Flow-Sauerstofftherapie. Im Verlauf ist eine nichtinvasive Maskenbeatmung notwendig. Bei weiterer Verschlechterung wird mit der Patientin ein Therapiezielgespräch geführt. Die Patientin lehnt eine invasive Beatmung ab. Im Konsens mit dem Behandlungsteam stimmt sie unter entsprechender Symptomkontrolle von Dyspnoe und Angst einer Einstellung der nichtinvasiven Beatmung zu. Es ist davon auszugehen, dass Fr. M. in der Folge kurzfristig versterben wird. Fr. M. hat zwei Söhne, die über das Vorgehen informiert werden. Ein Sohn der Patientin wohnt zu weit entfernt, als dass ein Besuch in absehbarer Zeit möglich ist. Der andere Sohn kommt in Begleitung der Enkelin auf die Intensivstation. Wegen einer eigenen Coronainfektion mit entsprechender Quarantänemaßgabe konnte der Sohn in den vergangenen Tagen keine Besuche durchführen. Nach erneuter Aufklärung über die medizinische Situation und das geplante Prozedere wird eine medikamentöse Therapie mittels Morphin und Midazolam zur Kontrolle von Luftnot und Angst eingeleitet. Parallel wird die Maske entfernt. Die Patientin ist zwar deutlich geschwächt, kann aber mit den anwesenden Angehörigen kommunizieren. Zusätzlich wird per Tablet und Videotelefonie der zweite Sohn involviert. Er kann sich auf diesem Weg von der Mutter verabschieden und nimmt an der Begleitung während der Sterbephase teil. Fr. M. verstirbt eine Stunde später unter Begleitung ihrer Angehörigen sowie der intensivmedizinischen und palliativmedizinischen Behandler.

Fazit für die Praxis

  • Schwerkranke und sterbende Tumorpatient*innen (stationär/ambulant) haben auch zu Pandemiezeiten Bedürfnisse und Bedarfe, die eine umfassende Versorgung unabdingbar machen.

  • Belastend sind besonders: Restriktionen bei Besuchsregelungen und erschwerte Kommunikation.

  • Folgen können sein: Informationsverlust, schlechtere Krankheitsverarbeitung bei Patient*innen und Angehörigen, komplizierte Trauer- und Abschiedsprozesse, zeitliche und psychische Belastung des Personals.

  • Lösungsansätze: individualisierte Besuchsmöglichkeiten, intensivierte (Video‑)Telefonie und enge interdisziplinäre Kooperation, umsichtiges Schnittstellenmanagement und Einbezug ambulanter palliativmedizinischer Unterstützung.