Einführung

Bei den bösartigen Tumoren der Speiseröhre lassen sich als Hauptformen das Plattenepithel- (SCC) und das Adenokarzinom (Adeno-Ca.) identifizieren, die sich neben der Histologie auch ätiologisch und bezüglich ihrer Lokalisation unterscheiden: Während Plattenepithelkarzinome überwiegend im oberen und mittleren Drittel zu finden sind und mit Tabak und Alkoholkonsum ähnliche Risikofaktoren wie die Tumoren des hinteren Rachens und des Kehlkopfs aufweisen, sind die Adenokarzinome ganz überwiegend im unteren Drittel der Speiseröhre lokalisiert und werden mit den Karzinomen des Mageneingangs zu den bösartigen Tumoren des ösophagogastralen Übergangs (AEG I–III) zusammengefasst. Ursächlich werden hier vor allem Schleimhautveränderungen (Metaplasien) auf dem Boden einer Refluxerkrankung angenommen. Für Letztere hat vor allem Übergewicht eine prädisponierende Rolle, außerdem scheint eine Besiedlung mit Helicobacter pylori hier (im Gegensatz zum Magenkarzinom) protektiv zu wirken [1,2,3].

In Deutschland sind die altersstandardisierten Neuerkrankungsraten des Speiseröhrenkarzinoms seit der Jahrtausendwende für beide Geschlechter geringfügig angestiegen, während die Mortalitätsraten nahezu unverändert geblieben sind [1]. Bereits für die letzten 2 Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts wurde allerdings für einzelne europäische Länder vor allem bei den Männern ein deutlicher Anstieg der Adenokarzinome der Speiseröhre beschrieben, während die Inzidenz des SCC sich kaum verändert hat [4]. Mit Daten aus den bevölkerungsbezogenen Krebsregistern aus Hamburg, dem Saarland und dem Regierungsbezirk Münster wurde für die Jahre 1991–2012 bereits ein ähnlicher Trend in Deutschland gezeigt [5]. Im folgenden Beitrag wird erstmals eine Schätzung der bundesweiten Inzidenz der beiden Formen des Speiseröhrenkrebses vorgenommen, daneben werden die Verteilung der Tumorstadien und Überlebensraten für beide Formen verglichen.

Datenquellen und Methoden

Das Zentrum für Krebsregisterdaten führt seit 2009 jährlich die Krebsregisterdaten aller Bundesländer zusammen und schätzt deren Vollzähligkeit. Die Angaben zur bundesweiten Inzidenz der bösartigen Tumoren der Speiseröhre (ICD-10: C15) beruhen auf einer Schätzung der Neuerkrankungen, die für die noch bestehende Untererfassung in einzelnen Bundesländern korrigiert und Trendaussagen über einen längeren Zeitraum (ab 1999) ermöglicht [1]. Die Inzidenz der histologischen Formen wurde anhand des Anteils der jeweiligen Gruppen an allen erfassten Fällen (nach Alter, Geschlecht und Kalenderjahr) bestimmt. Die Gruppierung erfolgte anhand der Codierung entsprechend der dritten Fassung der Internationalen Klassifikation der Krankheiten für die Onkologie (ICD-O‑3; SCC: 8050–8084, Adeno-Ca.: 8140–8384, 8401, 8480–8490, 8550–8552, 8570–8574, 8576). Unspezifische Histologien (8000–8035) und sonstige Formen (ca. 2 % der Fälle) wurden in der Darstellung der Ergebnisse zusammengefasst. Zur Beurteilung der um demografische Veränderungen bereinigten Trends wurden altersstandardisierte Inzidenzraten nach altem Europastandard berechnet. Die Darstellung der Verteilung der Tumorstadien bei Erstdiagnose für die Jahre 2012–2016 erfolgte nach der 7. Auflage der Klassifikation maligner Tumoren der International Union Against Cancer (UICC).

Relative Überlebenswahrscheinlichkeiten wurden für den Zeitraum 2011–2015 nach der Periodenmethode berechnet [6]. Diese bilden die krebsbedingte Sterblichkeit ab, indem der Quotient aus dem beobachteten Überleben der Betroffenen und dem erwarteten Überleben in der allgemeinen Bevölkerung gleichen Alters und gleichen Geschlechts gebildet wird. Als Berechnungsgrundlage der Erwartungswerte für das Überleben der allgemeinen Bevölkerung werden die Periodensterbetafeln des Statistischen Bundesamts genutzt [7]. Für die Berechnung wurden Daten aus acht Krebsregistern herangezogen, welche die in „Krebs in Deutschland“ beschriebenen Qualitätskriterien erfüllen [1]. Nur über Todesbescheinigung identifizierte Fälle (DCO, zuletzt ca. 9 %) wurden bei den Auswertungen zum „survival“ wegen fehlenden Diagnosedatums ausgeschlossen, bei allen anderen Analysen jedoch berücksichtigt. Sie bildeten die Mehrzahl der Fälle mit fehlender Histologie.

Ergebnisse

Die geschätzte Zahl bösartiger Speiseröhrentumoren in Deutschland stieg von 1999 bis 2016 bei Frauen von 1120 auf 1740 und bei Männern von 4050 auf 5540 an. Die altersstandardisierten Inzidenzraten für das Adeno-Ca. lagen zuletzt bei beiden Geschlechtern mehr als doppelt so hoch wie um die Jahrtausendwende, für die SCC waren dagegen nur geringfügige Veränderungen zu verzeichnen. Rückläufig war für beide Geschlechter die Rate der unspezifischen bzw. sonstigen Histologien (Abb. 1). Für das Jahr 2016 errechneten sich daraus insgesamt rund 3340 neu diagnostizierte Adenokarzinome der Speiseröhre (davon 600 bei Frauen) und 3030 Plattenepithelkarzinome (870 bei Frauen).

Abb. 1
figure 1

Geschätzte altersstandardisierte Inzidenzrate des Ösophaguskarzinoms nach Histologie und Geschlecht (a Männer, b Frauen), Deutschland 1999–2016

Das mediane Erkrankungsalter betrug bei Männern für beide Formen des Ösophaguskarzinoms zuletzt 67 Jahre, Frauen erkrankten mit 70 (SCC) bzw. 73 Jahren (Adeno-Ca.) im Mittel einige Jahre später.

In 56 % aller erfassten Fälle waren die Angaben zum Tumorstadium ausreichend für eine Zuordnung der Stadien I–IV. Der Anteil sowohl früher (UICC I) als auch später Stadien (UICC IV) lag bei den Adeno-Ca. höher als bei den SCC, für beide Formen war die Stadienverteilung für Frauen etwas günstiger als für Männer (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Verteilung der Tumorstadien für das Ösophaguskarzinom nach Histologie und Geschlecht, Deutschland 2012–2016

Die relativen 5‑Jahres-Überlebensraten lagen für das Adeno-Ca. bei 29 % und für das SCC bei 17 %, für Letzteres war die Prognose bei Frauen etwas besser als bei Männern (Abb. 3). Abb. 4 zeigt die höheren Überlebensaussichten beim Adeno-Ca. gegenüber dem SCC vor allem im Stadium I. Im Vergleich zur Periode 2001–2005 hat sich das relative 5‑Jahres-Überleben bei den Adeno-Ca. um 4,1 und bei den SCC um 2,0 % verbessert (ohne Abbildung).

Abb. 3
figure 3

Relatives Überleben bis 10 Jahre nach Diagnose von Speiseröhrenkarzinomen nach Histologie und Geschlecht (Deutschland, Periode 2011–2015)

Abb. 4
figure 4

Relatives 5‑Jahres-Überleben bei Speiseröhrenkarzinomen nach Histologie und Tumorstadium bei Diagnose (Deutschland, Periode 2011–2015)

Diskussion

Die vorliegenden Ergebnisse bestätigen auch für Deutschland den für andere europäische Länder und einige deutsche Regionen bereits für die 1980er- und 1990er-Jahre gezeigten Anstieg der Inzidenz von Adenokarzinomen der Speiseröhre [4, 5]. Dieser Anstieg scheint sich weiter fortzusetzen, inzwischen bilden die Adenokarzinome bei den Männern, aber auch insgesamt die Mehrzahl der bösartigen Speiseröhrentumoren. Berücksichtigt man den rückläufigen Anteil der Fälle mit unspezifischen Angaben zur Histologie, ist für das Plattenepithelkarzinom der Speiseröhre zumindest bei den Männern zuletzt von einem Rückgang der Inzidenz auszugehen. Dies entspricht der Entwicklung bei anderen tabakassoziierten Tumoren, insbesondere dem Bronchialkarzinom [1]. Die Ergebnisse deuten auf eine zunehmende Bedeutung von Übergewicht und Reflux in der Ätiologie dieser Erkrankung hin, fast die Hälfte der Adenokarzinome der Speiseröhre in Deutschland kann auf Übergewicht zurückgeführt werden [8]. Daneben kann der Rückgang der Besiedlung von Helicobacter pylori in der Magenschleimhaut eine Rolle spielen, allerdings dürfte der risikoerhöhende Einfluss dieses Bakteriums auf die Inzidenz des Magenkarzinoms den wahrscheinlichen protektiven Effekt in der Speiseröhre deutlich überwiegen [2, 3].

Die Daten aus den deutschen Krebsregistern bestätigen ferner eine leichte Verbesserung der Überlebensraten, die bereits mit früheren Daten aus Deutschland bzw. Europa gezeigt wurde [911]. Die nach Histologie stratifizierten Ergebnisse zeigen, dass diese nur zum Teil durch eine Verschiebung der Inzidenz in Richtung der mit einer etwas besseren Prognose verbundenen Adenokarzinome erklärt werden kann.

Fazit

Eine Differenzierung der Auswertungen bevölkerungsbezogener Krebsregister für die beiden wesentlichen Formen des Speiseröhrenkarzinoms trägt zum Verständnis der Epidemiologie dieser Erkrankung bei.