Die Insulintherapie begann 1922, nachdem den beiden kanadischen Forschern Banting und Best 1921 die Extraktion von Insulin aus tierischen Bauchspeicheldrüsen gelang. Die ersten verwendeten Insuline waren Normalinsuline [1]. In den 1930er-Jahren wurden intermediäre und langwirksame Insuline entwickelt und in den 1990er-Jahren gelang durch die Entwicklung der schnellwirksamen und anschließend auch der langwirksamen Insulinanaloga ein weiterer Durchbruch in der Insulintherapie. Die Entwicklung geht stetig weiter und derzeit sind noch stabilere und schneller wirksame Insuline auf dem Markt [1].

Ziele

Im Vordergrund der Therapie steht eine möglichst normoglykämische Stoffwechselkontrolle unter Vermeidung von Akutkomplikationen (schwere Hypoglykämie und diabetische Ketoazidose) und Prävention von diabetesbedingten Spätkomplikationen sowie eine normale körperliche und psychosoziale Entwicklung.

In allen Altersgruppen soll eine möglichst physiologische Insulinsubstitution zum Einsatz kommen und laut Guidelines 2018 der International Society for Pediatric and Adolescent Diabetes (ISPAD) wird ein HbA1c-Zielwert von ≤ 7,0 % (53 mmol/mol) empfohlen [2]. Die österreichische Arbeitsgruppe für pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie (APEDÖ) hat schon in den Leitlinien 2010 einen HbA1c-Wert von ≤ 7,0 % (53 mmol/mol) empfohlen [3], wobei dieses Ziel in bestimmten Lebensphasen (Kleinkindesalter, Pubertät) nur bedingt erreicht werden kann [3, 4]. Es ist der niedrigste HbA1c-Wert anzustreben, ohne dass es zu schweren Hypoglykämien kommt.

Der Begriff „time in range“ (Zeit im Zielbereich) hat in den letzten Jahren durch die immer größere Verbreitung von Kontinuierlichen-Glukosemessungs(CGM)-Systemen zunehmend an Bedeutung gewonnen. Durch die CGM stehen deutlich mehr Daten zur Verfügung als bei der herkömmlichen kapillären Blutzuckermessung. Es ist somit möglich geworden, Muster zu identifizieren, z. B. in Bezug auf steigende und fallende Glukosewerte. Das Ziel ist, mehr Zeit innerhalb eines festgelegten Zielbereichs (70–180 mg/dl) zu verbringen; angestrebt werden > 70 %.

Diese Zeit im Zielbereich, die „time in range“, ist zu einer neuen Messgröße zusätzlich zum HbA1c-Wert geworden. Der etablierten Messgröße HbA1c liegt ein Glukosemittelwert über zwei bis drei Monate zugrunde, gibt jedoch keinerlei Informationen über Hypo- und Hyperglykämien. Eine hohe glykämische Variabilität führt zu einem höheren Risiko an Akut- und Spätkomplikationen und sollte daher vermieden werden. Die „time in range“ stellt dar, wie viel Prozent der Zeit der Blutzuckerwert des Patienten im Zielbereich (70–180 mg/dl) und wieviel Zeit er darüber und darunter liegt. So können Ansatzpunkte erkennbar werden, wie Hypo- und Hyperglykämien künftig reduziert werden können [5]. Die Abb. 1 zeigt die empfohlenen Ziele für verschiedene Diabetespopulationen.

Abb. 1
figure 1

CGM basierte Ziele für verschiedene Diabetespopulationen. Adaptiert nach Battelino et al. [5]

Insulinregime

Beim Diabetes mellitus Typ 1 ist die lebenslange Insulinsubstitution die einzig wirksame Therapie. Kein Insulinregime kann derzeit die normale Physiologie zufriedenstellend nachahmen, wobei durch den Einsatz von Insulinpumpen, Hybrid-Closed-Loop-Systemen und Insulinanaloga dieses Ziel mittlerweile besser erreicht werden kann.

Die Insulintherapie sollte immer individuell für jedes Kind, jede(n) Jugendliche(n) angepasst werden und hängt von vielen Faktoren wie Alter, Diabetesdauer, endogene Insulinproduktion (Remissionsphase), psychosoziale Aspekte, Lifestyle (Essensgewohnheiten, Sport, Schule, Arbeit usw.) und der Familienstruktur ab. Die Familie und das Kind bzw. der/die Jugendliche sollen über die verschiedenen Therapiemöglichkeiten ausführlich informiert werden und aktiv in den Entscheidungsprozess für die Wahl der Therapieform einbezogen werden [1, 2].

In der Pädiatrie stehen drei verschiedene Therapieoptionen zur Verfügung.

In der letzten Dekade ist es zu einem Paradigmenwechsel bezüglich der Therapie gekommen, sodass der Einsatz der intensivierten Therapien wie Basis-Bolustherapie und der Insulinpumpentherapie/Hybrid-Closed-Loop-Systeme bevorzugt wird [2].

Konventionelle Insulintherapie

Die konventionelle Insulintherapie ist obsolet und wird nur mehr sehr selten eventuell bei Kleinkindern in starker Remissionsphase eingesetzt, wenn vorübergehend eine tägliche 1‑ bis 2‑malige Insulininjektion ausreichend ist.

Basis-Bolustherapie

Die Basis-Bolustherapie versucht die physiologische Insulinsekretion besser nachzuahmen: 30–45 % des täglichen Insulinbedarfs werden als Basalinsulin in Form eines langwirksamen Insulinanalogon (einmal täglich abends oder morgens und abends) oder Neutrales-Protamin-Hagedorn(NPH)-Insulins (morgens und abends) injiziert, wobei NPH-Insuline nur mehr selten eingesetzt werden. Die weiteren 55–70 % des täglichen Insulinbedarfs werden als Bolusinsulin injiziert, indem die Mahlzeiten entweder mit einem schnellwirksamen Analogon oder mit Normalinsulin abgedeckt werden. Normalinsuline kommen selten noch bei kleineren Kindern zum Einsatz, um die Zwischenmahlzeiten abzudecken. Zusätzlich sollte bei jeder Mahlzeit eine Dosisanpassung in Form von Korrektur je nach Blutzucker- bzw. Sensorglukosewert erfolgen [1].

Insulinpumpentherapie

Bei dieser Therapieform erfolgt die Insulinsubstitution durch eine kontinuierliche subkutane Insulininfusion und ist derzeit, zusammen mit den Hybrid-Closed-Loop-Systemen, die beste Möglichkeit, das physiologische Insulinprofil nachzuahmen. Mittels Insulinpumpe wird Insulin (schnellwirksames Analogon) einerseits in Form einer fix programmierten Basalrate kontinuierlich abgegeben und zusätzlich wird zu den Mahlzeiten die berechnete Insulinmenge als Bolus (Mahlzeiteninsulin und Korrekturinsulin) verabreicht. Der Anteil der Basalrate richtet sich nach dem Alter des Kindes.

Kleinkinder: Basalrate etwa 20–30 %, Schulkinder: Basalrate etwa 30–35 %, Jugendliche: Basalrate etwa 40–45 % des Gesamtinsulins.

Daraus errechnet sich ein Bolusanteil bei Kleinkindern von etwa 70–80 %, bei Schulkindern von etwa 60–70 % und bei Jugendlichen von etwa 50–60 % des Gesamtinsulins.

Die Generation der „smart pumps“ enthalten Bolusrechner, die automatisch das Bolusinsulin und das Korrekturinsulin anhand einprogrammierter Broteinheiten- und Gramm-Kohlenhydrat-Faktoren sowie Korrekturfaktoren berechnen.

Der Einsatz der Insulinpumpentherapie hat in den letzten Jahren stark zugenommen; besonders in der Gruppe der Kleinkinder (unter 5 Jahren) sind mehr als 90 % der Kinder mit Insulinpumpe versorgt [2]. Weitere Indikationen für eine Insulinpumpentherapie sind Patienten mit ausgeprägtem Dawn-Phänomen, nächtlichen Hypoglykämien, rezidivierenden schweren Hypoglykämien, Nadelphobie; aber auch der Wunsch des Patienten sollte in die Indikationsstellung einbezogen werden [2, 4].

Sensorunterstützte Pumpentherapie

In den letzten Jahren ist es auch zum vermehrten Einsatz der sensorunterstützten Pumpentherapie („sensor-augmented pump therapy“) gekommen, die eine Kombination aus Insulinpumpe und CGM ist und der Weg zum Closed-Loop-System, dem artifiziellen Pankreas, ist. Modelle mit Smart-Guard-Funktion verfügen über eine direkte Koppelung der Insulinabgabe an, mittels Glukosesensor gemessenen Glukosewerten im Sinn einer Unterbrechung der Insulinzufuhr bei Hypoglykämie („low glucose suspend“, LGS) bzw. bei drohender Hypoglykämie („predictive low glucose management“, PLGM). Auf Grundlage der gemessenen Sensorglukosewerte und des Trends kann die PLGM-Technologie 30 min im Voraus berechnen, wann ein niedriger Glukosespiegel auftreten wird, und die Insulinabgabe wird daraufhin automatisch angehalten. Wenn sich der Glukosewert normalisiert hat, nimmt PLGM die Insulinabgabe automatisch wieder auf [2].

Hybrid-Closed-Loop-System

Hybrid-Closed-Loop(HCL)-Systeme bestehen aus einer Insulinpumpe und einem CGM-System, das fortlaufend die Gewebeglukose misst. Anhand der am Sensor gemessenen Glukosewerte reguliert ein Algorithmus alle fünf Minuten automatisch die Insulinzufuhr über die Pumpe. Dabei berücksichtigt das System auch, wie viel Insulin insgesamt abgegeben wurde. Die Pumpe erlernt über Tage im manuellen Modus („open modus“), wie die tägliche Insulinverteilung zu erwarten ist, um dann im Automodus auf diese Richtwerte zurückzugreifen [6]. Bisher ist ein HCL-System ab einem Alter von 7 Jahren in Österreich zugelassen, weitere Systeme sind in Entwicklung und in den kommenden Jahren am Markt zu erwarten.

Insulindosis

Die tägliche Insulindosis variiert stark zwischen den Patienten und auch intraindividuell und verändert sich mit der Zeit. Deshalb sind regelmäßige Anpassungen notwendig.

  • Während der Remissionsphase liegt der tägliche Insulinbedarf bei < 0,5 IU/kg/d.

  • Präpubertäre Kinder (nach der Remissionshase) haben einen täglichen Insulinbedarf von 0,7–1,0 IU/kg/d.

  • In der Pubertät steigt der Insulinbedarf auf bis zu 1,0–2,0 IU/kg/d an.

Das Wirkprofil der meisten Insuline ist insofern dosisabhängig, als dass kleinere Dosen eine kürzere Wirkungsdauer und ein früheres Wirkungsmaximum haben [2].

Die Dosis hängt von folgenden Faktoren ab: Alter, Gewicht, Geschlecht, Pubertätsstadium, Diabetesdauer und Phase des Diabetes, Injektionsstelle, Zusammensetzung der Nahrung, Bewegung, Blutzuckerwert und Krankheit [2].

Injektionsstellen bzw. Katheterinjektionsstellen

Die gewöhnlichen Injektionsstellen sind:

  • Bauch: bevorzugt, wenn das Insulin schnell aufgenommen werden soll

  • Oberschenkel: bevorzugt für langsamere Absorption (Basalinsuline)

  • Gluteal: bevorzugt bei kleinen Kindern, für langsamere Absorption (Basalinsuline)

  • Oberarm: sollte bei kleinen Kindern mit geringem subkutanen Gewebe nicht verwendet werden [2].

Kinder und Jugendliche sollen dazu angehalten werden, dass sie konstant an einer Injektionsstelle (Bauch, OS, Gluteal usw.) zu einer gewissen Tageszeit injizieren, aber sie müssen die wiederholte Injektion in eine Stelle vermeiden, um das Auftreten von Lipohyper- und -atrophien zu vermeiden [2].

Insuline

Ultraschnellwirksame Insulinanaloga

Die ultraschnellwirksamen Insuline der zweiten Generation faster-acting Insulin Aspart (Fiasp®) und ultra-rapid Insulin Lispro (Lyumjev®) zeichnen sich durch einen schnellen Wirkeintritt und einer kürzeren Wirkdauer aus. Ihr Wirkprofil ermöglicht die Reduzierung von Blutzuckerspitzen nach den Mahlzeiten und damit eine bessere Stoffwechselkontrolle [2, 7].

Fiasp® kann bei Kindern ab einem Jahr eingesetzt werden [2].

Das ultraschnelle Insulin Lispro-URLi (Lyumjev®) ist für Kinder und Jugendliche noch nicht zugelassen [7].

Schnellwirksame Insulinanaloga

Insulin Lispro und Aspart waren die ersten Insulinanaloga. Derzeit sind in der Pädiatrie drei Typen von schnellwirksamen Insulinanaloga (Lispro, Aspart und Glulisine) zugelassen [2]. Schnellwirksame Insulinanaloga haben einen schnellen Wirkungseintritt und eine kurze Wirkungsdauer und sollen vor den Mahlzeiten ohne Spritz-Ess-Abstand injiziert werden [2].

Normalinsulin

Normalinsuline werden nach wie vor in der Pädiatrie als Teil einer Basis-Bolustherapie zur Abdeckung der Mahlzeiten verwendet. Ein Spritz-Ess-Abstand von 15–30 min vor den Mahlzeiten ist erforderlich [2].

Verzögerungsinsuline

NPH-Insuline (Isophane) können als Basalinsulin in der Basis-Bolustherapie eingesetzt werden [2]. NPH-Insuline sind trübe Suspensionen und müssen vor Gebrauch geschüttelt werden und werden nur mehr selten als Basalinsulin eingesetzt.

Langwirksame Insulinanaloga

Langwirksamen Insulinanaloga sind Glargine, Detemir und Degludec, Glargine 300 IE/ml.

Sie zeichnen sich im Gegensatz zu NPH-Insulin durch eine bessere Vorhersagbarkeit des Insulineffekts und weniger Tag-zu-Tag-Variation aus [2].

Glargine war das erste langwirksame Insulinanalogon, das in der Pädiatrie zugelassen wurde.

Detemir muss meist 2‑mal täglich injiziert werden und weist ein reproduzierbareres Profil auf [2].

Insulin Degludec ist ein ultralanges Insulinanalog, das ab dem 1. Lebensjahr zugelassen ist.

Insulin Glargine 300IE/ml ist eine um 3‑mal höher dosierte Präparation von Insulin Glargine und ist für Kinder ab 6 Jahren zugelassen [2].

In Tab. 1 sind die verschiedenen Insuline mit Wirkbeginn, Peak und Wirkdauer aufgelistet.

Tab. 1 Insulinarten modifiziert nach den Guidelines 2018 der International Society for Pediatric and Adolescent Diabetes (ISPAD; [2])