Zusammenfassung
In den heutigen Industriegesellschaften stehen Unternehmen oftmals vor einem Dilemma: Sollen sie der Marktdynamik folgen und größer werden, um Kosteneffizienz, Reichweite und damit Gewinnmargen im Wettbewerb zu optimieren – müssen sie gar wachsen, um nicht zu weichen? Oder können sie auch ohne eine Wachstumsstrategie ökologisch und sozial verträglich wirtschaften? Zugespitzt formuliert, stehen sie vor der Wahl zwischen einem Streben nach Unternehmenswachstum, das eine Gefahr für die natürliche und soziale Umwelt darstellt, und einem Verzicht auf Unternehmenswachstum, der den Fortbestand des Unternehmens gefährdet.
Dass es hier durchaus Handlungsspielräume gibt und wie diese ausgebaut werden können, davon handelt der vorliegende Artikel. Er beschreibt wachstumsunabhängige, suffizienzfördernde Unternehmenskonzepte anhand von Beispielen aus dem Ernährungssektor. Diese Maßnahmen ermöglichen Unternehmen, als Pioniere eines gesellschaftlichen Wandels zu agieren, die den Suchprozess in Richtung einer Postwachstumsgesellschaft aktiv fördern.
Notes
Der Beitrag verwendet den Begriff der „Zukunftsfähigkeit“, um die zugrunde liegende Definition von Nachhaltigkeit deutlich zu machen. Im Einklang mit der Disziplin der Ökologischen Ökonomik wird ein Primat der Ökologie als elementare Basis gesehen, in dessen Grenzen sich das Soziale und zuletzt das Ökonomische einbetten müssen (vgl. Daly 1999, S. 74; BUND et al. 2008, S. 26).
Das Global Footprint Network errechnet jährlich den sogenannten Earth Overshoot Day, an dem die Menschheit ihr rechnerisches Jahresbudget an erneuerbaren Ressourcen verbraucht hat. Demnach wurden ab dem 19. August 2014 mehr Ressourcen verbraucht als in einem Jahr nachwachsen können. Weitere Informationen finden sich auf der Website: http://www.footprintnetwork.org/de/index.php/GFN/page/earth_overshoot_day/.
Die Bezeichnung Pionier des Wandels nimmt Bezug auf die in der Diffusions- und Transition-Forschung thematisierte Rolle von sogenannten change agents, die als Pioniere beim kulturellen Wandel vorangehen und ein Bewusstsein der dadurch entstehenden Chancen verbreiten (vgl. Kristof 2010, S. 76; WBGU 2011, S. 257).
Dieser Artikel verwendet zur besseren Lesbarkeit jeweils die männliche Form. Die Ausführungen beziehen sich aber gleichermaßen auf weibliche und männliche Personen.
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Grundlage des Artikels ist die in der Schriftenreihe der Vereinigung für Ökologische Ökonomie (VÖÖ) erschienene Masterarbeit an der Universität Oldenburg (vgl. Posse 2015).
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Posse, D. Zukunftsfähige Unternehmen in einer Postwachstumsgesellschaft Lehren aus dem Ernährungssektor. uwf 23, 59–67 (2015). https://doi.org/10.1007/s00550-015-0349-4
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