1 Einleitung

Elektrische Maschinen sind seit ihrer Erfindung bekannt dafür, tonale, störende Geräusche zu erzeugen [1], [2]. Die Beschreibung der elektromagnetischen Anregungskräfte durch Jordan [3] als räumlich und zeitlich wandernde Kraftwellen war wegweisend für weitere Arbeiten zur Verbesserung des akustischen Verhaltens und Auslegungsliteratur el. Maschinen [4]. Die aufkommende Leistungselektronik führte zu neuen Möglichkeiten und Herausforderungen (vgl. z. B. [5], [6]). Einen Überblick über das im 20. Jahrhundert erarbeitete Wissen der Akustik el. Maschinen bietet z. B. die Arbeit von Gieras [7].

In den letzten Jahren sind die Ansprüche an das akustische Verhalten el. Antriebe gestiegen, u.A. durch den Automobilsektor. Aktuelle Anforderungen bzgl. Lärm, Vibrationen und ’Unangenehmheit’ (NVH, engl. Noise, Vibration, Harshness) beinhalten nicht nur die Reduktion der Geräuschemissionen, sondern einen zielgerichteten Entwurf hinsichtlich einer z. B. als komfortabel, kräftig oder markenspezifisch empfundenen Klangcharakteristik, um dem subjektiven Kaufverhalten gerecht zu werden [8], [9]. Hierfür sind effiziente Berechnungsmethoden erforderlich, welche in frühen Entwicklungsphasen das Geräuschverhalten des el. Antriebssystems in zweckmäßiger Näherung vorhersagen können.

Aktuelle akustische Simulationsketten ([10], [11], [12]) verbinden den in den bisherigen Arbeiten zentralen Aspekt der Schwingungsanregung, welcher die Bereiche Schaltungssimulation, Feld- und Kraftberechnung umfasst, mit dem strukturdynamischen Verhalten, welches z. B. mit Methoden der Transferpfadanalyse (vgl. [13]) beschrieben werden kann. In [12] werden Anregungskräfte an den Statorzähnen sowie an den Lagerstellen berechnet, um sie in einem anschließenden Schritt in einer Forced-Response Analyse auf die Statorstruktur aufzuprägen. Das Vorgehen steht beispielhaft für die weiteren referenzierten Ansätze, welche durch die vorwärts gerichtete Untersuchung die Rückkopplung des mechanischen Systems auf das elektromagnetische Verhalten vernachlässigen.

Zur Kopplung ist die Berechnung des strukturdynamischen Verhaltens im Zeitbereich erforderlich, z. B. mittels elastischer Mehrkörpersimulation (EMKS). Dies ermöglicht weiterhin die Abbildung von Nichtlinearitäten. In der EMKS werden die Gehäuse und Wellen typischerweise als elastische Körper durch Methoden der modalen Reduktion (vgl. [14], [15], [16]) ordnungsreduziert abgebildet. Im Gegensatz zu einem direkten Ansatz mittels Finite-Elemente Methode (FEM) ist erst so die Berechnung großer Systeme im relevanten Frequenzbereich in sinnvollen Zeitspannen möglich. In [17] wird eine EMKS mit Fokus auf das strukturdynamische Verhalten der von Kompositmaterialien geprägten el. Maschinen vorgestellt, im Vorgängerprojekt dieser Arbeit [18] und in [19] die EMKS eines Fahrzeugantriebsstrangs, jedoch jeweils mit Kraftanregungsspektren aus der FE unter Vernachlässigung von Rückwirkungen.

Die vorliegende Arbeit stellt die Verknüpfung der dargestellten Ansätze aus den Domänen Elektrotechnik und Strukturdynamik zu einem rückwirkungsbehafteten, physikalisch gekoppelten Systemmodell dar (Abb. 1). Dieser Ansatz ist in der Lage, die Wechselwirkung von Regelung und Leistungselektronik mit der Struktur inkl. maßgeblicher Nichtlinearitäten und Fertigungsabweichungen physikalisch motiviert abzubilden und erlaubt Vorhersagen des NVH-Verhaltens, so dass z. B. eine gezielte Einzelteiloptimierung im Gesamtsystem möglich ist. Der Rechenaufwand, welcher in den Vorarbeiten als Grund für die Vernachlässigung der Kopplung genannt wird (vgl. z. B. [10]), wird begrenzt durch eine Feld-Schaltungs-Simulation mit parallelisierter Vorabberechnung (Kap. 2.2, vgl. [20], [21]), die numerische Entkopplung der Domänen (Kap. 2.3) sowie vorverarbeiteten und nach [11] ordnungsreduzierten Anregungskräften mit Ausnutzung der verbleibenden Symmetrien (Kap. 2.4). Der Fokus der Arbeit liegt auf der elektrotechnischen Domäne und wird abgerundet durch eine kurze Darstellung der EMKS des Antriebsstrangs (Kap. 2.5). Das Systemmodell wird an Prüfstandsmessungen des Antriebsstrangs verifiziert und die Vorhersagegüte bestimmt. Die Arbeit schließt mit Anwendungsbeispielen um exemplarisch das Potential der Methode zur Vorhersage des NVH-Verhaltens aufzuzeigen.

Abb. 1.
figure 1

NVH-Systemmodell

2 Modellbildung

2.1 Einflüsse auf die Kraftanregung

Im Körperschall der einzelnen el. Maschine (Abb. 2) sind neben den Hauptordnungen (Vielfache von Drehfrequenz und Polpaarzahl/Nutzahl, vgl. [3]) und dem sogenannten „PWM-Fächer“ Nebenbänder geringerer Amplitude erkennbar, welche nach Gieras [7] auf Drehschwingungen und Exzentrizitäten, d.h. Fertigungsabweichungen zurückzuführen sind.

Abb. 2.
figure 2

Gemessener Körperschall radial auf der elektrischen Maschine bei einer PWM-Frequenz von 11,3 kHz

Nach dem Maxwellsche Spannungstensor sind die magnetischen Kräfte direkt proportional zum Quadrat der magnetischen Flussdichte \(B\). Die bestimmenden Parameter des magnetischen Flusses, deren dominante Nichtidealitäten betrachtet werden, sind erstens die Erregung, welche aus dem Stromfluss in der Wicklung resultiert, zweitens die Erregung durch die Permanentmagneten, sowie drittens der magnetischen Leitwert des Luftspaltes.

  • Die Stromberechnung wird in Kap. 2.2 beschrieben.

  • Die Streuung der Magnetisierung der Permanentmagnete liegt laut Herstellerdatenblatt und eigener Messung in der Größenordnung \({\pm 5}\)% und wird in der Feldberechnung berücksichtigt.

  • Den dominanten Einfluss auf den Luftspalt stellt die Exzentrizität durch Verlagerung oder Biegung der Welle dar. In verschiedenen analytischen [22], [23], [24] und numerischen [25] Arbeiten wurde u.a. dynamische Exzentrizität als Ursache von Nebenbändern identifiziert und wird daher auch hier modelliert.

2.2 Feld- und Stromberechnung

Zur Modellierung des elektrischen Systems werden die Teilbereiche der Feldberechnung und der Schaltungssimulation nach dem Ansatz aus [20] verbunden und aufgrund des Unterschieds der Zeitkonstanten entkoppelt berechnet. Im Fall einer PMSM mit vergrabenen Permanentmagneten stellt die Betrachtung des magnetischen Feldes als stationär und die damit verbundene Vernachlässigung von zeitabhängigen Effekten wie Wirbelströmen und Stromverdrängung eine zulässige Näherung dar. Die somit lediglich von den Zustandsvariablen Strom und Rotorposition abhängige Feldberechnung kann parallelisiert vorab durchgeführt und die Ergebnisse als konzentrierten Größen in Kennfeldern abgelegt werden.

Die Feldberechnung der PMSM mit Geometrieabweichungen führt in 3D zu einer großen Anzahl an Freiheitsgraden. Eine Reduktion wird mittels der Multi-Slice Methode erreicht (vgl. [26], [27]), welche das Verhalten durch Diskretisierung des Rotors in gegeneinander verschiebbare Scheiben mit in axialer Richtung konstanten Eigenschaften annähert. Wird das gleiche Kennfeld für alle Scheiben verwendet, können Unterschiede der Magnetisierungsabweichungen in den Anregungskräften durch einen Drehwinkeloffset um vielfache einer Polteilung angenähert werden. Die Abbildung der Exzentrizität der Scheiben erweitert in 2D den Zustandsraum um ihren Radius \(r_{\mathit{Ex}}\) und Winkel \(\phi \).

Durch die Symmetrie der PMSM reduziert sich die Anzahl der erforderlichen Feldberechnungen. Um die Kräfte an allen Zähnen zu erhalten wird ein Vollmodell verwendet. Die Statorgeometrie weist Symmetrie durch die Nutteilung auf. Bei Exzentrizität ergeben sich aus erstens der Statorposition um max. eine Nutteilung (Exz. Richtung Nut oder Zahn), zweitens eine volle Rotordrehung sowie drittens den Radius \(r_{\mathit{Ex}}\) die drei Dimensionen, welche alle Fälle abdecken. Das Feld jeder geometrischen Position wird für alle zu erwartenden Stromkombinationen berechnet. Bei Vernachlässigung von Magnetisierungsabweichungen wiederholt sich die Rotorgeometrie nach einer Polteilung, so dass der max. zu berechnende Rotordrehwinkel \(\gamma \) sich auf diesen Wert reduziert.

Die Schaltungssimulation basiert auf dem Verfahren aus [11]. Das Prinzip und die Erweiterung um die Multi-Slice Methode werden hier kurz dargestellt (vgl. [28]). Die vom dreisträngigen Wechselrichter gestellten Spannungen werden zur Berechnung der Stromreaktion der PMSM verwendet und die Ströme der Schaltungssimulation im nächsten Zeitschritt eingeprägt. Das Modell basiert auf der allgemeinen Spannungsgleichung der Synchronmaschine (Gleichung 1) im rotorfesten dq-Koordinatensystem mit dem ohmschen Widerstand \(R\), sowie den von Rotorposition \(\gamma \) und Strom \(i_{\textrm{d}}\), \(i_{\textrm{q}}\) abhängigen Größen: Der von den Permanentmagneten verursachte Fluss \(\psi _{\textrm{f}}\), den Selbstinduktivitäten \(L_{\textrm{dd}}\), \(L_{\textrm{qq}}\) und der Koppelinduktivität \(L_{\textrm{dq}}\).

$$\begin{aligned} u_{d} &= R_{\textrm{dd}} i_{\textrm{d}} + \frac{\textrm{d}}{\textrm{d} t}[\psi _{\textrm{fd}} + L_{\textrm{dd}} \cdot i_{\textrm{d}} + L_{\textrm{dq}} \cdot i_{\textrm{q}}] \end{aligned}$$
(1)
$$\begin{aligned} u_{q} &= R_{\textrm{qq}} i_{\textrm{q}} + \frac{\textrm{d}}{\textrm{d}t}[\psi _{\textrm{fd}} + L_{\textrm{dq}} \cdot i_{\textrm{d}} + L_{\textrm{qq}} \cdot i_{\textrm{q}}] \end{aligned}$$
(2)

Die Ausführung der zeitlichen Ableitung führt zu umfangreichen Gleichungen. Es ist daher zweckmäßig, die Kennfeldparameter aus der Feldberechnung und den aus dem vorherigen Zeitschritt bekannten Strom in den Abkürzungen \(A\), \(B\), \(C\), \(D\), \(X\) und \(Y\) zusammen zu fassen, welche hier aus Platzgründen nicht dargestellt sind.

$$\begin{aligned} u_{d} &= \frac{\textrm{d} i_{\textrm{d}}}{\textrm{d} t} \cdot A + \frac{\textrm{d} i_{\textrm{q}}}{\textrm{d} t} \cdot B + X \end{aligned}$$
(3)
$$\begin{aligned} u_{q} &= \frac{\textrm{d} i_{\textrm{d}}}{\textrm{d} t} \cdot C + \frac{\textrm{d} i_{\textrm{q}}}{\textrm{d} t} \cdot D + Y \end{aligned}$$
(4)

Weiter abkürzend wird im folgenden die Tensorschreibweise verwendet.

$$\begin{aligned} u = \left [ \textstyle\begin{array}{r@{\quad }r} A & B \\ C & D \end{array}\displaystyle \right ] \cdot \frac{\textrm{d}}{\textrm{d}t}i + \left ( \textstyle\begin{array}{r} X \cr Y \end{array}\displaystyle \right ) = M \frac{\textrm{d}}{\textrm{d}t}i + N \end{aligned}$$
(5)

Die Reaktion der elektrischen Maschine auf die angelegte Spannung setzt sich aus der Summe der Einzelreaktionen diskreten Scheiben zusammen. Der Strom ist für alle Scheiben gleich, erscheint jedoch im rotorfesten dq-Koordinatensystem bei Verdrehung der Scheibe \(j\) durch Schrägung oder Torsion um den elektrischen Winkel \({\Theta _{j}}\) verdreht, so dass eine Rotation in ein gemeinsames Koordinatensystem durchgeführt wird.

$$\begin{gathered} u = \sum _{j}^{n} u_{j} = \sum _{j}^{n} \textrm{Rot}(\Theta _{j}) \Big(M_{j} \frac{\textrm{d}}{\textrm{d}t}i + N_{j}\Big) \end{gathered}$$
(6)
$$\begin{gathered} \textrm{mit} \quad \textrm{Rot}(\Theta _{j}) = \left [ \textstyle\begin{array}{r@{\quad }r} \cos (\Theta _{j}) & -\sin (\Theta _{j}) \\ \sin (\Theta _{j}) & \cos (\Theta _{j}) \end{array}\displaystyle \right ] \end{gathered}$$
(7)

Zur Implementierung in der Simulation wird diese Gleichung nach der gesuchten Ableitung des Stromes umgestellt.

$$ \begin{aligned} \frac{\textrm{d}}{\textrm{d}t}i = &\Big[ \sum _{j}^{n}( \textrm{Rot}(\Theta _{j}) M_{j} \textrm{Rot}(\Theta _{j})^{-1})\Big]^{-1} \ldots \\ &\cdot \Big[u - \sum _{j}^{n}(\textrm{Rot}(\Theta _{j})N_{j})\Big] \end{aligned} $$
(8)

2.3 Kopplung der Domänen

Die Feldberechnung liefert die elektromagnetischen Anregungskräfte an den FE-Knoten, welche nach der Eggshell-Methode berechnet werden [29], [30]. Diese müssen der EMKS in jedem Zeitschritt aufgeprägt werden. Da die Zeitkonstante der Strukturdynamik bei Betrachtung von Schwingungen im hörbaren Frequenzbereich (\(<{20}\) kHz) deutlich unter der der Schaltungssimulation liegt, ist analog zur Feld-Schaltungs-Berechnung eine Entkopplung zielführend.

Die elektrotechnische Domäne ist in Matlab/Simulink umgesetzt, die EMKS in SIMPACK. Beide verwenden einen Gleichungssystemlöser mit variabler Zeitschrittweite und „Zero-Crossing Detection“, um trotz der nichtlinearen Schaltvorgänge bzw. Kontaktveränderungen der Struktur eine hohe Ausführungsgeschwindigkeit zu erreichen. Für ein paralleles Entwickeln der Teilbereiche bietet sich als Übergabeparameter der Strom an, das Zahnkraftkennfeld wird in der EMKS hinterlegt. Auf diese Weise ist die EMKS mit einem idealen Regler (durch Vorgabe einer festen dq-Stromkombination) ohne Stromberechnung ebenso lauffähig wie die Stromsimulation mit einer vorgegebenen Drehzahl oder einfachem Drehschwingermodell. Für eine effiziente Zusammenarbeit von Simulink und SIMPACK ist die Aktualisierung der Schnittstellen (Eingabe des Stroms, Ausgabe der Bewegung) mit einer festen Abtastrate erforderlich. Um Abtastartefakte (engl. Aliasing), welche aus Unterabtastung der hochfrequenten Anteile des Stroms durch die EMKS entstehen, zu reduzieren, muss der übergebene Strom mit geringem Phasenverzug tiefpassgefiltert werden. Geeignet ist z. B. ein Butterworth-Filter zweiter Ordnung (Eckfrequenz 20 kHz). Die Abtastrate der Schnittstellen muss als Kompromiss zwischen ausreichender Dämpfung des Filters und Ausführungsgeschwindigkeit gewählt werden (hier 60 kHz).

2.4 Zahnkräfte

Die Knotenkräfte aus der FE-Berechnung müssen für die modale Darstellung der EMKS mit einer begrenzten Anzahl von Kraftangriffspunkten aufbereitet und Aliasing bei der Kennfeldabtastung vermieden werden. Die Ordnungsreduktion aus [11] fasst die Knotenkräfte an jedem Zahn auf einen zentralen Kraftangriffspunkt zusammen und transformiert sie in ein zahnspezifisches Koordinatensystem mit tangentialer und radialer Komponente (vgl. Abb. 3) sowie Kippmoment (durch die Kraftverschiebung). Die unbekannte Axialkraft wird für die kontinuierlich geschrägte Maschine abgeschätzt aus dem Schrägungswinkel und der Annahme, dass die Tangentialkraft normal auf der Zahnflanke steht.

Abb. 3.
figure 3

Knotenkräfte (kl. Pfeile) und resultierende Zahnkraft (gr. Pfeile) am Stator, Rotor ausgeblendet

Aus den Schrittweiten des 5-dimensionalen Kraftkennfelds (Dimensionen Drehwinkel \(\gamma \), Exzentrizität mit Radius \(r_{\mathit{Ex}}\) und Winkel \(\phi \), Strom \(i_{d}\) und \(i_{q}\)) ergeben sich die berücksichtigten Ordnungen, welche sich im Zusammenhang mit der Änderungsgeschwindigkeit des Parameters auf eine zeitliche Kraftfrequenz umrechnen lassen. Die Änderungsgeschwindigkeit des Stromes ist durch den Tiefpassfilter begrenzt und die Änderung der Exzentrizität aufgrund der Massenträgheit gering gegenüber der Änderung der Drehwinkelkoordinate, so dass letztere die dominante Dimension für hochfrequente Kraftanregungen darstellt. Durch Fourierzerlegung der Drehwinkel-Dimension können die hochfrequenten Ordnungen entfernt werden. Eine Rücktransformation in diskrete Kräfte in jedem Zeitschritt der EMKS schließt sich aufgrund des Rechenaufwands aus, so dass vorab ein diskretes, in Drehwinkeldimension höher aufgelöstes (>= Faktor 5) Kennfeld erstellt wird welches lediglich eine lineare Interpolation zwischen den Stützstellen erfordert.

Beim Nachschlagen der Zahnkräfte wird der Ist-Zustand der Simulation durch Rotation und Ausnutzung der Symmetrie auf einen äquivalenten, im Kennfeld vorhandenen Zustand zurück geführt. Die Nachschlagewerte (Index K) des Stromes \(i_{d,K}\) und \(i_{q,K}\) ergeben sich aus Rotation des globalen Stromes im resolverbezogenen dq-Koordinatensystem in das Koordinatensystem der jeweiligen Scheibe. Da aufgrund der Statorsymmetrie das Kennfeld die Winkelkoordinate der Exzentrizität \(\phi \) nur bis zum Wert der Nutteilung \(\tau _{N}\) abbildet, wird sie bei Werten außerhalb dieses Bereichs mittels Modulo-Funktion auf diesen zurück geführt, um \(\phi _{K}\) zu erhalten.

$$ \phi _{K} = \phi \quad \mathrm{mod}\ \tau _{N} $$
(9)

Folglich müssen die nachgeschlagenen Zahnkräfte den Zähnen neu zugeordnet werden, wenn der Exzentrizitätswinkel \(\phi \) außerhalb des Kennfeldbereichs liegt. Dies entspricht einer Rotation der Zahnzuordnung um den ganzzahligen Wert der Zahnverschiebung \(z\).

$$ z = \left \lfloor \frac{\phi }{\tau _{N}}\right \rfloor $$
(10)

Analog muss der Drehwinkel des Rotors \(\gamma \) auf den im Kennfeld vorhandenen Bereich bis \(\gamma _{\max }\) zurück geführt werden. Weiterhin muss die Drehwinkelkoordinate zum Nachschlagen, \(\gamma _{K}\), um die Verdrehung, welche die Zahnverschiebung verursacht, korrigiert werden. Daraus resultiert die Bedingung, dass die Drehwinkelschrittweite der FE-Berechnungen zu einem ganzzahligen Vielfachen der Nutteilung gewählt werden muss.

$$ \gamma _{K} = (\gamma - z \cdot \tau _{N}) \quad \mathrm{mod}\ \gamma _{\max } $$
(11)

Bei Vernachlässigung von Magnetisierungsabweichungen genügt durch die Symmetrie des Rotors die Kennfeldberechnung von \(\gamma \) über eine Polteilung. In diesem Fall ist zu berücksichtigen, dass die Kennfeldstützstelle mit \(r_{\mathit{Ex}} = 0\) redundante Informationen enthält: Die Zahnkräfte wiederholen sich nach einer Polteilung, statt des Vollmodells wäre ein Teilmodell ausreichend. Dies kann bei numerischen Abweichungen (z. B. durch das FE-Netz) zwischen theoretisch gleichen Kräften zu einer Unstetigkeit des Kraftverlaufs bei \(r_{\mathit{Ex}} = 0\) führen, welche zur Erhaltung der Stabilität der Simulation entfernt werden müssen.

Dem Kennfeld wird in den sich wiederholenden Dimensionen Rotordrehwinkel und Exzentrizitätswinkel am Rand die erste Stützstelle, welche entsprechend der Nachschlagevorschrift angepasst wird, als letzte Stützstelle angehangen, um den Nachschlageprozess ohne weitere Berücksichtigung des Kennfeldrandes umsetzen zu können.

2.5 Elastische Mehrkörper-Simulation

Im Rahmen der strukturdynamischen Modellbildung werden die Bauteile und Baugruppen in Form von (elastischen) Körpern und Koppelelementen (Kraftelemente und Gelenke) abstrahiert. Die elastischen Modellelemente werden unter Verwendung der Finite-Elemente-Methode modelliert. Sie beinhalten vollflexible Gehäuse, Wellen und die Fluid-Struktur-Wechselwirkung von Statorgehäuse und Maschinenkühlmittel. Die strukturdynamischen Eigenschaften von Rotor und Stator, die sich durch einen geschichteten Aufbau auszeichnen, werden mit Hilfe von Materialmodellen mit richtungsabhängigen Eigenschaften modelliert und unter Verwendung von Methoden der Multi-Skalen-Modellierung (Repräsentatives Volumenelement – RVE) und Messungen parametriert. Zudem werden die lastabhängigen, nichtlinearen Steifigkeiten der Rillen- und Kegelrollenlager sowie das Anregungsverhaltendes Getriebes in dieser Umgebung eingebunden. Kinematische Kopplungen, d. h. Gelenke, kommen zur Abbildung der Tripoden- und Gleichlaufgelenke der Gelenkwellen zum Einsatz [18], [19], [31], [32], [33].

3 Validierung und Ergebnisse

Der Vergleich zwischen dem gemessenen und simulierten Strangstrom (Abb. 5) im Hochlauf bis 45001/min (entsprechend 450 Hz Strom-Grundfrequenz) zeigt eine gute Übereinstimmung sowohl der Stromharmonischen der Maschine (Ordnung −5, +7, −11, +13, …) als auch der PWM-Fächer bei PWM-Frequenz und ihren Vielfachen. Die Amplitude der PWM-Harmonischen fällt in der Simulation etwas geringer aus als in der Messung. Ein Erklärungsansatz ist das frequenzabhängige Verhalten der Maschineninduktivität, welche bei hohen Stromfrequenzen abnimmt und durch die als stationär angenommene Feldberechnung nicht abgebildet wird.

In Abb. 6 oben ist die Oberflächenbeschleunigung radial auf der elektrischen Maschine dargestellt, welche mit dem Systemmodell berechnet wurde. Der Vergleich zur Messung (unten) offenbart die gute Übereinstimmung der Anregungsordnungen, welche sowohl von elektrischer Maschine als auch den beiden Verzahnungsstufen des Getriebes stammen. In der Simulation weist der Rotor des Beispielantriebsstrangs eine sehr geringe dyn. Exzentrizität auf, so dass das Getriebe gegenüber der akustisch unauffälligen PMSM in diesem Fall das NVH-Verhalten dominiert. Pegelüberhöhungen durch Eigenfrequenzen, insbesondere im niedrigeren Frequenzbereich bis 5 kHz, werden in der Simulation gut abgebildet. Abweichungen sind im Campbell-Diagramm im Hintergrundpegel erkennbar, welcher bei der Messung breitbandig und über den gesamten Drehzahlbereich höher liegt, was u.a. auf Anregungen aus Reibung und der Getriebeölverwirbelung oder auf die Prüfstandsumgebung zurück geführt werden kann. Weiterhin zeigt der PWM-Fächer in der Messung mehr Bänder, vermutet werden kann ein Zusammenhang zu den nicht modellierten parallelen Pfaden der Wicklung.

3.1 Variantenrechnung

Die hohe Ausführungsgeschwindigkeit ermöglicht die Simulation von Varianten, um die Sensitivität des NVH-Verhaltens bezüglich verschiedener Bauteile oder Effekte zu bewerten. Exemplarisch zeigt Abb. 7 die Simulation einer idealen el. Maschine ohne Exzentrizität und Magnetisierungsabweichungen. Die geringen Unterschiede im Vergleich zur Referenzsimulation (Abb. 6 oben) zeigen, dass das NVH-Verhalten des betrachteten Antriebsstranges vom Getriebe dominiert wird, und daher für eine Verbesserung der Geräuschcharakteristik an diesem angesetzt werden müsste. Dies ist u.A. zurückzuführen auf die hohe Polzahl der el. Maschine, wodurch sich die Anregungskräfte mehr über den Umfang verteilen als z. B. bei einer Bruchlochwicklung.

In Abb. 8 ist eine weitere Variantenrechnung dargestellt, in welcher die modalen Dämpfungen aller Moden der Gehäusebaugruppe auf 2 % eingestellt wurden. Für die meisten Moden bedeutet das eine Erhöhung (gemessener Mittelwert 0,4 %). Die Gehäusebaugruppe umfasst das Gehäuse der el. Maschine und des Getriebes sowie die Motortragarme, d.h. die in Abb. 4 halbtransparent dargestellten Komponenten. Erwartungsgemäßliegen die Körperschallpegel im Durchschnitt etwas niedriger, im Gegensatz dazu ist bei 6,4 kHz eine in der Realität stark gedämpfte Mode nun erkennbar. Die Unterschiede zur Referenzsimulation sind im Allgemeinen gering, und deuten darauf hin dass für die Berechnung der NVH-Charakteristik Abweichungen der Dämpfungswerte von untergeordneter Bedeutung sind.

Abb. 4.
figure 4

Betrachteter Antriebsstrang zur Anwendung der Methode

Abb. 5.
figure 5

Strangstrom, oben Simulation, unten Messung

Abb. 6.
figure 6

Oberflächenbeschleunigung normal auf der el. Maschine. Oben Simulation, unten Messung

Abb. 7.
figure 7

Oberflächenbeschleunigung normal auf der el. Maschine. Simulation der el. Maschine ohne Exzentrizität und ohne Magnetisierungsabweichungen

Abb. 8.
figure 8

Oberflächenbeschleunigung normal auf der el. Maschine. Simulation für eine modale Dämpfung von 2 % für alle Moden der Gehäusebaugruppe

4 Zusammenfassung und Ausblick

In der Entwicklung stellt die vorrangige Optimierung des NVH-Verhaltens aufgrund von Zielkonflikten mit Kosten oder Wirkungsgrad den Ausnahmefall dar. Relevanter ist die gezielte Lösung abgegrenzter Schwingungsprobleme möglichst kosteneffizient durch Ausregelung oder Einzelteiloptimierung. Das vorgestellte Verfahren erlaubt beides, und ermöglicht darüber hinaus ein tieferes Systemverständnis des NVH-Verhaltens, in dem beispielsweise die Zusammenhänge zwischen Drehmomentripple der el. Maschine und den Verzahnungsanregungen am validierten Systemmodell untersucht werden können. Die Methodik basiert auf etablierten Berechnungsansätzen und ist für eine hohe Ausführungsgeschwindigkeit möglichst parallelisierbar auf moderne Hardware ausgelegt.