Zusammenfassung
Hintergrund
Schwerstkranken kann in vielen Modellregionen Deutschlands durch eine verbesserte Betreuung nach den Standards der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) eine häusliche Versorgung über längere Zeiträume und ein Versterben zu Hause ermöglicht werden. Dem steht eine ambulante Unterversorgung vieler Sterbender in Regionen ohne Versorgungsverträge gegenüber.
Ziele und Methoden
Ziel der Studie war es, förderliche und hinderliche Faktoren für die häusliche Versorgung von Palliativpatienten zu identifizieren. Hierzu wurden mit 91 Tumorpatienten Interviews geführt und mit standardisierten Instrumenten medizinische, psychosoziale und soziodemografische Parameter erhoben.
Ergebnisse
Von den befragten Palliativpatienten litten 43% unter mittleren bis starken Schmerzen. Etwa die Hälfte der Patienten fühlte sich depressiv, jeder Vierte ängstlich. Hospizdienst, Psychologen und Sozialarbeiter waren dennoch nur selten an der häuslichen Versorgung beteiligt. Häufig kam es zu Unterbrechungen oder Abbruch der ambulanten Betreuung.
Schlussfolgerung
Schnellstmöglich sollten flächendeckend Verträge zur spezialisierten ambulanten Palliativversorgung abgeschlossen werden, um eine adäquate Versorgung durch qualifizierte und interdisziplinäre „Palliative-Care-Teams“ sicherzustellen. Unnötige Krankenhauseinweisungen können so vermieden und psychosoziale Versorgungsdefizite behoben werden.
Abstract
Background
In many model regions of Germany, palliative home care can be improved for cancer patients over longer periods so that most of these patients could die at home. However, there is a shortage of ambulatory care for dying patients in regions without special agreements for this type of care.
Methods
The aim of the study was to identify beneficial as well as impedimentary factors of outpatient palliative care. Therefore we interviewed 91 tumour patients and collected medical, psychosocial and sociodemographic data with standardized questionnaires.
Results
Nearly half of the patients (43%) had moderate to strong pain during domestic care and felt depressed (44%) and anxious (26%). Home hospice services, social workers, and psychologists were rarely involved in home care. Ambulatory home care was often interrupted because of hospital stays.
Conclusion
Palliative symptom control in outpatients should be performed by qualified and interdisciplinary palliative-care teams, so that patients can receive more psychosocial support and hospital stays can be prevented.
Notes
Gesetzesgrundlage „Spezialisierte ambulante Palliativversorgung“ (SAPV): „Versicherte mit einer nicht heilbaren, fortschreitenden und weit fortgeschrittenen Erkrankung bei einer zugleich begrenzten Lebenserwartung, die eine besonders aufwändige Versorgung benötigen, haben Anspruch auf spezialisierte ambulante Palliativversorgung.“ (§ 37b, Abs. 1, SGB V; [20]). Die SAPV umfasst neben diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen auch die Koordination aller beteiligten Einrichtungen sowie eine 24-Stunden-Ruf-, Not- und Kriseninterventionsbereitschaft [12].
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Interessenkonflikt
Die korrespondierende Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Studie wurde von der Else-Kröner-Fresenius-Stiftung gefördert.
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Perner, A., Götze, H., Stuhr, C. et al. Ambulante Palliativversorgung von Tumorpatienten im Raum Leipzig. Schmerz 24, 38–45 (2010). https://doi.org/10.1007/s00482-009-0863-9
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