Zusammenfassung
Psychoanalytische Fallberichte dienen der Entwicklung der Behandlungsmethode, der Diskussion über alternative Konzepte und insbesondere der Vermittlung der Psychoanalyse in der Ausbildung. Die Praxis der Veröffentlichungen und der kasuistischen Seminare zeigt aber, dass die Verständigung über Fallberichte schwierig ist, weil die Beteiligten uneins darüber sind, ob sie über theoretische Erklärungen, methodische Begründungen oder Deutungsvorannahmen diskutieren möchten. Der konkrete Vorschlag zur Gestaltung einer argumentationszugänglichen Kasuistik soll helfen Klarheit über ihre Gegenstände zu gewinnen und dazu anregen, das Abstraktionsniveau der Diskussion (die "Feinkörnigkeit" der Betrachtung) zu berücksichtigen.
Summary
Psychoanalytic case reports are relevant for the development of methods of treatment, for the discussion of alternative concepts, but are particularly important as part of the psychoanalytic educational process. Their practical use, however, is characterized by difficulties in communication, because participants are often unable to agree on the level of discussion, whether this should be theoretical, methodological or based upon interpretive assumptions. The concrete method for structuring case reports to promote debate proposed here is intended to lead to a clearer understanding of what is involved and to a greater consideration of the level of which discussion is taking place. At the macro, meso or micro level.
Notes
Von Hans-Paul Barth stammt die Bemerkung, dass auch große Kunst in Wahrheit nur gutes Handwerk sei—allerdings meinte er damit keinen geringeren als Johann Sebastian Bach.
Ich möchte auf die Frage, wieso in der Psychoanalyse eine derartige "gemischte Rede" der Psychoanalyse (Riceur) sinnvoll und produktiv ist, hier nicht weiter eingehen; dies Thema (Körner 1995) würde den Rahmen der vorliegenden Untersuchung sprengen.
Diese Alternativen sind etwas schematisch, und dem Leser mögen sie nur als theoretische Varianten erscheinen. Sie dienen aber der Veranschaulichung des "technischen" Aspektes einer intentionalen Beschreibung—und so ganz selten sind sie wohl auch nicht.
Man darf von der Selbstauskunft zu dieser Frage freilich nicht zu viel erwarten; die Begriffe sind sicherlich nicht sehr trennscharf.
Diese Liste muss etwas vage bleiben, tatsächlich sollte sich der Referent bei der Auswahl schon auf den vorzustellenden Patienten konzentrieren. Wichtig ist aber, dass er trotzdem nicht gleich auf ihn hin konkretisiert, sondern den für ihn (den Analytiker) typischen Stil und seine grundlegende theoretische Orientierung doch—und dann eben unabhängig vom Patienten—zu erkennen gibt. Die Diskutanten sollen ja gerade den Schritt von der vorgängigen theoretisch-methodischen Orientierung hin zu diesem konkreten Patienten nachvollziehen und diskutieren können.
Sebastian Krutzenbichler trug am 30.11.2002 im Rahmen des Seminars zur Didaktik der Psychoanalyse der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft eine ausführliche Fallgeschichte im Stil einer argumentationszugänglichen Kasuistik vor.
Literatur
Hoffmann SO (1999) Die phobischen Störungen. Forum Psychoanal 15:237–252
Körner J (1995) Vom Erklären zum Verstehen in der Psychoanalyse. In: Kaiser E (Hrsg) Psychoanalytisches Wissen. Westdeutscher Verlag, Opladen, S 92–108
Sandler J (1976) Gegenübertragung und Bereitschaft zur Rollenübernahme. Psyche—Z Psychoanal 30:297–305
Schwemmer O (1979) Praktische Begründung, rationale Rekonstruktion und methodische Überprüfung. In: Lenk H (Hrsg) Handlungstheorien interdisziplinär II, 2. Halbband. Fink, München, S 535–580
Thomä H, Stuhr (2001) Vorschläge zu einer thematischen Gliederung psychoanalytischer Behandlungsberichte (unveröffentl. Manuskript)
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Überarbeitete Fassung eines Vortrags, gehalten anlässlich des 4. DPG-Seminars zur Didaktik der Psychoanalyse "Sich Verständigen über Kasuistiken" am 30. November 2002 in Berlin
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Körner, J. Die argumentationszugängliche Kasuistik. Forum Psychoanal 19, 28–35 (2003). https://doi.org/10.1007/s00451-003-0145-6
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