Verschiedene Grundlagenarbeiten zeigen einen deutlichen Einfluss des Immunsystems auf die Entstehung und den Verlauf von gastrointestinalen Tumoren. Eine Infiltration des Tumorgewebes mit Zellen des adaptiven Immunsystems ist z. B. bei Karzinomen des Magens, der Leber oder des Dickdarms mit einer verbesserten Krankheitsprognose assoziiert, möglicherweise als Zeichen einer relevanten Antitumorimmunantwort [2, 12, 14, 15]. Andererseits können chronische Entzündungen, z. B. chronisch entzündliche Darmerkrankungen, oder Infektionen, z. B. Helicobacter-pylori- oder Hepatitis-Virusinfektionen, mit einem erhöhten Tumorrisiko assoziiert sein. Da das Immunsystem bei gastrointestinalen Tumoren sehr unterschiedliche, teilweise konträre Rollen spielen kann, muss man davon ausgehen, dass eine therapeutische Beeinflussung des Immunsystems in Abhängigkeit vom jeweiligen Kontext tumorfördernde oder -hemmende Effekte hat.

Trotz zahlreicher Grundlagenarbeiten zur Rolle des Immunsystems bei gastrointestinalen Tumoren gibt es bisher nur wenige klinische Daten, die eine Validierung dieser Konzepte beim Menschen ermöglichen.

Für den klinisch tätigen Rheumatologen ergeben sich folgende Fragen:

  • Haben Patienten mit rheumatischen Erkrankungen ein erhöhtes Risiko für gastrointestinale Malignome?

  • Muss unter konventioneller oder biologischer DMARD („disease-modifying antirheumatic drugs“)-Therapie mit einem erhöhten Tumorrisiko gerechnet werden?

  • Welche Vorsorgeuntersuchungen werden empfohlen?

Und letztendlich stellt sich hinsichtlich der DMARD-Therapie die relevante Frage:

  • Wie soll ein Patient mit gastrointestinalem Tumor behandelt werden

    • in einer kurativen Situation direkt nach und mehrere Jahre nach der Tumorerkrankung sowie

    • in einer palliativen Situation?

Für die vorliegende Übersicht wurde eine intensive Literatursuche über Pubmed sowie in den einschlägigen Kongressabstracts durchgeführt. Für andere gastrointestinale Tumorentitäten als das sporadische kolorektale Karzinom (KRK) ließen sich nahezu keine Daten finden. Daher wird sich der Artikel im Folgenden auf diesen Typ der gastrointestinalen Tumore beschränken. Neben den allgemeinen Empfehlungen zur Tumorvorsorge und -nachsorge soll v. a. der Einfluss einer immunmodulierenden DMARD-Therapie bei bestehender Erkrankung und bei Zustand nach KRK diskutiert werden.

Tumorvorsorge

Die Inzidenz des KRKs betrug in Deutschland im Jahr 2010 68,7–84,3/100.000 Einwohner (RKI, Krebs in Deutschland 2009/2010). Damit stellt das KRK weiterhin die dritthäufigste Tumorerkrankung beider Geschlechter dar. Aufgrund der schlechten Prognose fortgeschrittener Tumorstadien gilt das KRK mit einer Mortalität von 30–33,6/100.000 Einwohner gleichzeitig als dritthäufigste tumorbedingte Todesursache. Um die Inzidenz und Mortalität des KRKs zu reduzieren, werden verschiedene Vorsorgemaßnahmen empfohlen (Leitlinienprogramm Onkologie [Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF]: S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom, 2014 [11]). Neben einer Reduktion von Risikofaktoren, wie z. B. Tabakkonsum, Übergewicht, Bewegungsmangel und ballaststoffarme Ernährung, handelt es sich dabei um verschiedene Verfahren zur Krebsfrüherkennung. Wann diese Früherkennungsmaßnahmen durchgeführt werden sollen, hängt unter anderem vom individuellen Erkrankungsrisiko des einzelnen Patienten ab.

Bei normalem Erkrankungsrisiko soll mit der KRK-Früherkennung ab dem Alter von 50 Jahren begonnen werden. Entsprechend den aktuellen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten wird aufgrund der hohen Sensitivität und Spezifität der Untersuchung eine komplette Koloskopie empfohlen. Bei unauffälligem Befund soll eine Kontrollkoloskopie nach 10 Jahren erfolgen. Personen, die eine komplette Koloskopie ablehnen, sollte eine Sigmoidoskopie angeboten werden. Zusätzlich zur Sigmoidoskopie sollte jährlich ein fäkaler okkulter Bluttest (FOBT) durchgeführt werden. Ein positiver FOBT stellt eine Indikation für eine komplette Koloskopie dar. Patienten, bei denen zur Früherkennung eine komplette Koloskopie durchgeführt wurde, benötigen keinen FOBT. Die einzelnen Früherkennungsmaßnahmen sollten bei unauffälligem Befund entsprechend den genannten Intervallen wiederholt werden, eine allgemeine obere Altersgrenze für die Durchführung der Untersuchung gibt es im Moment nicht.

Eine komplette Koloskopie zur Vorsorge wird empfohlen

Bei Patienten mit einem erhöhten KRK-Risiko gelten besondere Empfehlungen zur Früherkennung. Dies betrifft Patienten mit Vordiagnose eines kolorektalen Adenoms/Karzinoms, Verwandte von Patienten mit kolorektalem Karzinom/Adenom, Patienten mit hereditären kolorektalen Karzinomen (hereditäres kolorektales Karzinom ohne Polyposis, familiäre adenomatöse Polyposis, MUTYH-assoziierte Polyposis) und Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Bezüglich der genauen Empfehlung zur Früherkennung bei Patienten mit erhöhtem KRK-Risiko verweisen wir auf die entsprechenden Leitlinien (Leitlinienprogramm Onkologie [Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF]: S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom, 2014 [11]).

Aktuelle und zukünftige Tumortherapien

Die Behandlung des KRK umfasst derzeit stadien- bzw. lokalisationsabhängig in aller Regel eine multimodale Therapie, bestehend aus chirurgischer Resektion (Primärtumor und/oder Metastasenchirurgie), lokaler Strahlentherapie (Rektumkarzinom) und medikamentöser Tumortherapie (Chemotherapie ± zielgerichtete Substanzen wie monoklonale Antikörper oder Tyrosinkinaseinhibitoren). Die Mehrzahl aller KRK-Fälle (75 %) werden primär, nicht zuletzt aufgrund verbesserter Früherkennungs- und Vorsorgemaßnahmen, in lokalisierten Stadien (UICC Stadium I–III) diagnostiziert. Durch optimierte qualitätskontrollierte chirurgische Resektionsverfahren an zertifizierten Zentren (Darmzentren) und stadienabhängig (ab Stadium II) indizierter adjuvanter Chemotherapie bzw. neoadjuvanter Radiochemotherapie (jeweils 5-Fluoropyrimidin-basiert) können mittlerweile 60–90 % der Patienten in lokalisierten Stadien geheilt werden. Aus präklinischen Studien ist bekannt, dass für einen Teil der KRK-Patienten auch eine immunologische Tumorkontrolle („immune surveillance“) an der günstigen Langzeitprognose beteiligt ist [8, 15].

Die Identifizierung dieser „immunsensitiven“ KRKs steht derzeit im Mittelpunkt der präklinischen und klinischen Forschung, nicht zuletzt da sich gerade bei diesem Patientenkollektiv eine immunsuppressive Therapie ungünstig auf den Krankheitsverlauf bzw. die Rezidivwahrscheinlichkeit auswirken könnte. Die mittlerweile zur Verfügung stehende komplette molekulare Charakterisierung des KRK-Tumorgenoms hat wesentlich zum verbesserten Verständnis der molekularen Ursachen des KRK beigetragen und gleichzeitig neue Therapieoptionen eröffnet [3]. Grundsätzlich wird ein hypermutiertes KRK (Mutationsrate: > 12 pro106 Basen; ca. 15–20 % aller KRK) von einem nicht hypermutiertem KRK (Mutationsrate: < 12 pro 106 Basen; ca. 80–85 % aller KRK) unterschieden. Hypermutierte KRK scheinen aufgrund der hohen Frequenz von Neoantigenen eine erhöhte Immunogenität aufzuweisen und sind daher für immunmodulatorische Interventionen besonders empfindlich. Erste Studien mit neuen Immuntherapeutika (sog. Immuncheckpoint-Inhibitoren wie PD-1- bzw. PD-L1-Antikörper) bestätigen die hohen Ansprechraten von hypermutierten im Vergleich zu nicht hypermutierten KRK, sodass in naher Zukunft die Immuntherapie neben Chirurgie, Strahlentherapie und Chemotherapie eine weitere tragende Säule in der Behandlung dieser KRK-Subgruppe darstellen wird [10]. Da hypermutierte KRK im Wesentlichen den bereits mittels immunhistochemischen und/oder molekularen Routineverfahren diagnostizierbaren sporadischen oder hereditären Mikrosatelliten (MSI)-instabilen Tumoren entsprechen, wird in Zukunft die Bestimmung des MSI-Status nicht nur für Patienten mit Verdacht auf familiäres KRK (gemäß Amsterdam- bzw. Bethesda-Kriterien) von erheblicher prognostischer und therapeutischer Relevanz sein.

Hypermutierte KRK sind für immunmodulatorische Interventionen empfindlich

Bei 25 % der KRK-Patienten liegt primär bereits eine synchrone Metastasierung (UICC Stadium IV) vor, und bis zu 40 % der primär lokalisierten KRK-Patienten entwickeln im Verlauf eine metachrone Metastasierung. Die Prognose von Patienten mit metastasierten KRK hat sich in den letzten 3 Jahrzehnten durch kontinuierliche Weiterentwicklung der medikamentösen Tumortherapie sowie Einsatz von lokoregionären Therapieverfahren erheblich verbessert. So konnte die mediane Lebenserwartung metastasierter KRK-Patienten von 6 Monaten (ohne spezifische Therapie) auf mittlerweile 30–40 Monate (sequenzielle Chemotherapie ± Antikörper sowie lokoregionäre Therapien bei limitierter Metastasierung) verlängert werden. Im Gegensatz zu vielen anderen malignen Erkrankungen besteht selbst bei Vorliegen einer limitierten Metastasierung durch multimodale Behandlungskonzepte sogar häufig noch eine kurative Behandlungsoption. Innerhalb der medikamentösen Tumortherapie stehen heute neben wirksamen Zytostatika (5-Flurouracil, Capecitabine, Irinotecan, Oxaliplatin) auch zielgerichtete Substanzen zur Verfügung, die entweder gegen Mediatoren der Tumorangiogenese (VEGF bzw. VEGF-Rezeptor) oder gegen den epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor (EGFR) gerichtet sind. Die Auswahl bzw. Sequenz der eingesetzten Therapeutika richtet sich nach individuellem Therapieziel, Allgemeinzustand, Alter, Komorbiditäten sowie verfügbaren prädiktiven Biomarkern (KRAS-, NRAS- bzw. BRAF-Mutationsstatus, ggf. auch Lokalisation des Primärtumors).

Tumornachsorge

Eine strukturierte Tumornachsorge nach kurativ intendierter Primärtherapie wird allen KRK-Patienten mit einem relevant erhöhten Rezidivrisiko (ab UICC Stadium II, einschließlich Stadium IV nach kurativer Metastasentherapie) empfohlen [Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom, 2014 [11]]. Eine regelmäßige Nachsorge sollte aber nur dann durchgeführt werden, wenn im Falle eines Rezidivs therapeutische Konsequenzen zu erwarten sind. In verschiedenen Studien und Metaanalysen konnte ein mortalitätsreduzierender Effekt von strukturierten Nachsorgeprogrammen gegenüber einer rein symptomorientierten Nachsorge beim KRK nachgewiesen werden [9]. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass frühe, noch asymptomatische KRK-Rezidive (Lokalrezidive bzw. limitierte Fernmetastasierung) häufiger einer (sekundären) kurativen Therapie zugeführt werden können als ausgedehnte symptomatische Rezidive. Umfang, Frequenz und Gesamtdauer der strukturierten Nachsorge sind zwar nicht für alle Untersuchungen evidenzbasiert, aber die nationale S3-KRK-Leitlinie empfiehlt derzeit das in Tab. 1 dargestellte rationale Nachsorgeschema über einen Zeitraum von 5 Jahren.

Tab. 1 Nachsorgeempfehlungen der S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom, 2014 [10]

Inwieweit Patienten, bei denen nach kurativer Primärtherapie eines KRK aufgrund einer synchronen oder metachronen Autoimmunerkrankung eine medikamentöse Immunsuppression erforderlich wird, von einer intensivierten oder verlängerten (über 5 Jahre hinaus) strukturierten Nachsorge profitieren, ist nicht bekannt. Da vermutlich nur eine kleine KRK-Subgruppe einer effektiven immunologischen Tumorüberwachung unterliegt (s. oben), werden retrospektive epidemiologische Studien zur KRK-Rezidivhäufigkeit für alle Patienten unter Immunsuppression vermutlich keine verwertbare Informationen zu dieser Thematik liefern können. Die Entscheidung über Art und Umfang einer immunsuppressiver Therapie sowie Frequenz und Dauer von Tumornachsorgeuntersuchungen sollte daher bei allen KRK-Patienten nach kurativ intendierter Primärtherapie mit Indikation zur Immunsuppression stets in enger Abstimmung zwischen Rheumatologen und dem betreuenden Onkologen erfolgen. Hier müssen Behandlungsbedürftigkeit und Prognose der Autoimmunerkrankung gegenüber dem individuellen Rezidivrisiko (initiales Tumorstadium, Abstand zur Primärtherapie, molekularer KRK-Subtyp u. a.) sorgfältig gegeneinander abgewogen werden.

Konventionelle DMARD- und Biologika-Therapie bei kolorektalem Karzinom

Inzidenz bei rheumatoider Arthritis

Bei 13.000 Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) mit über 48.000 Patientenjahren zwischen 1998 und 2005 wurden Tumorinzidenzen mit der US National Cancer Institute SEER (Surveillance, Epidemiology, and End-Results) Database verglichen. Die standardisierte Inzidenz-Ratio (SIR) war für das KRK 0,5 (95 %-KI: 0,4–0,8, n = 37), für das Ösophaguskarzinom 1,8 (95 %-KI: 1,1–1,3, n =10) und für das Pankreaskarzinom 0,7 (95 %-KI: 0,4–1,3, n =12) [19]. Alle anderen gastrointestinalen Tumoren traten nur vereinzelt auf. In einer schwedischen Registerstudie [1] mit 3 bezüglich Erkrankungsdauer verschiedenen RA-Kohorten und Verlinkung zum schwedischen Krebsregister fand sich in der Kohorte mit längerer Krankheitsdauer eine niedrigere SIR für KRK. Die Kohorte mit inzidenter RA dagegen zeigte eine identische SIR. Bei einer Stratifizierung der SIR anhand der Krankheitsdauer der RA fand sich eine abnehmende SIR mit zunehmender Krankheitsdauer [SIR für RA > 10 Jahre: 0,64 (95 %-KI: 0,53–0,77)]. Die reduzierte Inzidenz bei RA-Patienten könnte der gehäuften Einnahme von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) in dieser Bevölkerungsgruppe geschuldet sein. Dennoch wird von einer prophylaktischen Einnahme von NSAR oder ASS zur Risikoreduktion eines KRK ausdrücklich in der aktuellen S3-Leitlinie abgeraten [11]. Hinweise für eine gehäufte Inzidenz des KRK bei der RA finden sich somit nicht.

Inzidenzen unter konventioneller DMARD- und Biologika-Therapie

In einer britischen Kohorte mit Biologika-naiven Patienten unter Therapie mit konventionellen DMARDs wurde ebenfalls die SIR gegenüber der Normalbevölkerung für KRK errechnet, diese fand sich mit 0,96 (95 %-KI: 0,56–1,54) im Bereich der Normalbevölkerung.

In der US-Kohorte mit über 13.000 RA-Patienten wurde nahezu die Hälfte mit Biologika, überwiegend TNF-Inhibitoren, behandelt. In dieser Gruppe fand sich auch im Vergleich zur konventionellen DMARD-Gruppe kein erhöhtes Risiko für ein KRK (95 %-KI: 0,8 [0,3–1,7]; [19]). Die spanische Biobadaser-Kohorte von Patienten unter Anti-TNF-Therapie wurde mit einer konventionellen DMARD-Kohorte sowie der Normalbevölkerung verglichen. Die SIRs für KRK waren 0,23 (95 %-KI: 0,03–0,82) für die Anti-TNF-Kohorte vs. 0,36 (95 %-KI: 0,01–1,98) für die konventionell behandelte Kohorte [4].

In der britischen Biologika-Kohorte [13] fand sich bei über 11.000 RA-Patienten unter Anti-TNF-Therapie vs. cDMARD („conventional disease-modifying antirheumatic drugs“)-Therapie eine Tendenz zu einer erniedrigten, aber nicht signifikanten Hazard Ratio von 0,51 (95 %-KI: 0,32–1,06). Einzig die dänische Kohorte zeigte eine erhöhte Hazard Ratio für Anti-TNF-Therapie vs. konventionelle DMARDs mit 3,52 (95 %-KI: 1,11–11,15) [7]. Somit findet sich bei leichter Heterogenität der Datenlage kein deutlicher Hinweis auf eine erhöhte Inzidenz für KRK unter Immunsuppression bei entzündlich rheumatischen Patienten. Eine Anti-TNF-Therapie scheint bei nicht sehr ausführlicher Datenlage ebenfalls nicht mit einer erhöhten Inzidenz im Vergleich zu konventionellen DMARDs einherzugehen.

Bei der Interpretation der Daten muss allerdings beachtet werden, dass die Beobachtungszeit meist deutlich unter der für das KRK zu fordernden Zeit von 10 Jahren liegt.

Antirheumatische Therapie während der Therapie eines kolorektalen Karzinoms

Im Hinblick auf koinzidente Autoimmunerkrankungen wie die RA sind das jeweilige immunsuppressive Potenzial der verwendeten Zytostatika (Kombinationschemotherapie > Monotherapien) sowie die im Rahmen der Antiemese eingesetzte Steroidbegleitmedikation (in aller Regel Dexamethason, bis zu 20 mg/Woche) zu berücksichtigen. Aufgrund der überlappenden Hämatotoxizitäten ist die Mehrzahl der DMARDs (v. a. Methotrexat) unter einer laufenden adjuvanten oder palliativen medikamentösen Tumortherapie eines KRK kontraindiziert. Im Hinblick auf die bereits krankheits- bzw. tumortherapiebedingte Immunsuppression kann auch in aller Regel auf weitere RA-spezifische Immunsuppressiva unter einer laufenden Tumortherapie verzichtet werden. Im Bedarfsfall kann auf lokale (intraartikuläre) Therapiemaßnahmen oder einen bedarfsorientierten Einsatz von Steroiden (im Intervall zwischen den Chemotherapiezyklen) zurückgegriffen werden. Zum simultanen Einsatz von Biologika unter fortlaufender medikamentöser Tumortherapie eines KRK liegen keine ausreichenden Erfahrungen vor. Der Einsatz von Biologika während einer laufenden adjuvanten oder palliativen medikamentösen Tumortherapie des KRK wird daher, nicht zuletzt auch aufgrund des potenziell erhöhten Infektionsrisikos, nicht empfohlen.

Antirheumatische Therapie nach kolorektalem Karzinom

Grundsätzlich muss hier die Frage nach der palliativen vs. kurativen Therapiesituation gestellt werden. In der palliativen Situation steht sicherlich die Lebensqualität des Patienten an einer vorderen Stelle beim Therapieentscheid, sodass im direkten Gespräch mit dem Patienten der Einsatz möglicher Immunsuppressiva besprochen werden muss. Es existiert hierzu keine relevante Datenlage für ein auch nur annähernd evidenzbasiertes Vorgehen.

In palliativer Situation steht Lebensqualität an vorderer Stelle

Anhand des britischen und des deutschen Biologika-Registers wurde versucht, das Tumorrezidivrisiko unter immunsuppressiver Therapie zu eruieren. Differenziert wird jeweils zwischen Patienten mit konventionellen DMARDs, Anti-TNF-Therapie und Therapie mit Rituximab. In den britischen Registerdaten (BSRBR) findet sich unter Anti-TNF-Therapie vs. cDMARD kein erhöhtes Tumorrezidivrisiko [6, 16]. Dieses ist mit einer adjustierten HR von 0,55 (95 %-KI: 0,35–0,87) formal sogar niedriger. Dies dürfte jedoch einer Verzerrung entsprechen, da die mediane Zeit zwischen Tumor und Therapie bei 11,5 vs. 7,9 Jahre liegt. Für Rituximab-Patienten lag die mediane Zeit bis zur Therapie bei 5,4 Jahren. Hier fand sich eine unadjustierte HR bei 0,47 (95 %-KI: 0,11–1,94). Bei der geringen Zahl an soliden Rezidivtumoren finden sich kaum KRKs, sodass aufgrund dieser Daten das Risiko beim KRK nicht weiter differenziert werden kann.

Auch in den Daten der Rabbit-Kohorte mit letztem Update am Jahreskongress des American College of Rheumatology (ACR) 2013 [17, 18] wurde gezeigt, dass die durchschnittliche Zeit zwischen Auftreten eines Tumors und dem Einsatz eines Biologikums von den behandelnden Rheumatologen bei Rituximab (3,4 Jahre) kürzer gewählt wurde als bei TNF-Inhibitoren. Hier wurden 19 Patienten mit gastrointestinalem Tumor (überwiegend KRK) behandelt, davon jeweils 4 mit TFN-Inhibitoren, 4 mit Rituximab und 10 mit cDMARDs. Für das Gesamtkollektiv sind hier die Rezidivraten der Tumorerkrankung dokumentiert, aufgrund der geringen Fallzahl ist für das KRK keine Aussage möglich.

Schlussfolgerung

Auf Basis der vorhandenen Daten können keine evidenzbasierten Empfehlungen gegeben werden.

In aller Regel ist eine DMARD-Therapie während einer Tumortherapie bei Patienten mit KRK verzichtbar. Sollte dennoch eine solche Therapie unumgänglich sein, ist insbesondere der kombinierten Hämatotoxizität von Chemotherapie und DMARD-Therapie durch engmaschige Kontrolle und Kommunikation zwischen Onkologe und Rheumatologe Rechnung zu tragen. Immunmodulierende Medikamente wie Sulfasalazin und Hydroxychloroquin wären auch aufgrund der niedrigeren Hämatotoxizität hier zu bevorzugen. Überbrückend können Glukokortikoide eingesetzt werden, die auch von hämatologischer Seite in höheren Dosen zur Antiemese Verwendung finden (v. a. hochpotente Glukokortikoide wie Dexamethason).

In einer palliativen Situation hat die Lebensqualität des Patienten einen hohen Stellenwert, der Einsatz von DMARDs sollte daher nach Krankheitsaktivität und Prognose der malignen Grunderkrankung im individuellen Gespräch mit dem Patienten erfolgen. Aufgrund der zuletzt deutlich steigenden Lebenserwartung in palliativer Situation werden von onkologischer Seite KRK-Patienten immer häufiger Therapiepausen ermöglicht (sog. On-off-Konzepte). Innerhalb dieser Therapiepausen wäre bei entsprechender RA-Krankheitsaktivität der Einsatz von DMARDs durchaus zu vertreten.

Schwierigkeiten bereitet in der klinischen Praxis die Situation einer DMARD-Therapie nach beendeter Tumortherapie in einer kurativen Situation aufgrund der unzureichenden Datenlage. Auf Basis der hier nicht dargestellten Wirkmechanismen sind sicherlich konventionelle DMARDs, insbesondere Sulfasalazin und Hydroxychloroquin, zu bevorzugen. Intraartikuläre Glukokortikoide oder Radiosynoviorthesen können zur Reduktion der entzündlichen Krankheitsaktivität eingesetzt werden. Sulfasalazin und Hydroxychloroquin sind ggf. aufgrund der theoretischen Überlegungen zu bevorzugen. Bei fehlendem Ansprechen muss dann ggf. doch Methotrexat oder Leflunomid nach Diskussion mit dem Patienten eingesetzt werden. Sollte die Therapie mit einem Biologikum unumgänglich sein, wurde in den letzten Jahren neben TNF-Inhibitoren vermehrt Rituximab eingesetzt. Die Rolle von TNF-α bei der Tumorapoptose [5] und der primäre Einsatz von Rituximab in der Lymphomtherapie haben am ehesten zu diesem Vorgehen beigetragen, obwohl eindeutige klinische Daten fehlen, die dieses Vorgehen unterstützen, und auch für Rituximab keine Datenlage besteht, die den unbedenklichen Einsatz befürwortet. Zu anderen Non-TNF-Biologika existieren keine Daten hinsichtlich eines Rezidivrisikos, eine Aussage ist damit nicht möglich.

Therapieentscheidung in fachlichem Austausch mit dem Onkologen

Spätrezidive sind nach über 5 Jahren beim KRK selten, auch wenn dies nicht für Patienten unter immunsuppressiver Therapie gezeigt wurde. Daher kann ggf. im weiteren Verlauf auch eine intensivierte Immunsuppression erwogen werden. Aufgrund der insgesamt unklaren Datenlage sollte vor einer Therapieentscheidung zu einer immunsuppressiven Therapie neben dem direkten Gespräch mit dem Patienten stets ein direkter fachlicher Austausch mit dem betreuenden Onkologen gesucht werden, um das individuelle Tumorrezidivrisiko gegen den Nutzen einer immunsuppressiven Therapie besser abschätzen zu können.

Fazit für die Praxis

  • In aller Regel ist eine DMARD-Therapie während einer Tumortherapie bei Patienten mit KRK verzichtbar. Im Falle einer dringlichen Therapieindikation muss v.a. eine evtl. kombinierte Hämatotoxizität berücksichtigt werden.

  • In einer palliativen Situation sollte der Einsatz von DMARDs nach Krankheitsaktivität und Prognose der malignen Grunderkrankung im individuellen Gespräch mit dem Patienten erfolgen.

  • Nach beendeter Tumortherapie in einer kurativen Situation sind aufgrund der unzureichenden Datenlage konventionelle DMARDs, insbesondere Sulfasalazin und Hydroxychloroquin, zu bevorzugen. Intraartikuläre Glukokortikoide oder Radiosynoviorthesen können zur Reduktion der entzündlichen Krankheitsaktivität eingesetzt werden.

  • Es sollte ein direkter fachlicher Austausch mit dem betreuenden Onkologen gesucht werden, um das individuelle Tumorrezidivrisiko gegen den Nutzen einer immunsuppressiven Therapie besser abschätzen zu können.