Hilfe- und Pflegebedürftigkeit im Alter in den neuen Bundesländern: Ergebnisse aus der Leipziger Langzeitstudie in der Altenbevölkerung (LEILA75+)

Zusammenfassung

In einer Repräsentativerhebung der über 75-jährigen Leipziger Altenbevölkerung zeigten 61,8% der Studienteilnehmer relevante Einschränkungen in der selbständigen Lebensführung, die mittels einer kombinierten ADL/IADL-Skala erfasst wurden. 17% bedürfen nach dem BSHG-Stufungsmodell einer erheblichen, außergewöhnlichen oder Schwerstpflege.    Vor allem beweglichkeitsbezogene, instrumentelle Aktivitäten des täglichen Lebens (IADL) wie „Lebensmittel einkaufen”, „Wohnung reinigen” und „Besuche machen”, aber auch basalere Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL) wie „Treppen steigen” , „im Freien gehen” oder „duschen oder baden” bereiten mehr als 45% der Befragten Schwierigkeiten. Zwischen 18 und 33% der Studienteilnehmer erleben das Ausführen dieser Aktivitäten sogar als unmöglich. Anteile und Ausmaß an Pflegebedarf erweisen sich erwartungsgemäß als stark altersabhängig mit einem als exponentiell zu bezeichnenden Anstieg jenseits des 85. Lebensjahres. Jenseits von Stichproben- bzw. Lebenserwartungsartefakten ist ein signifikant größerer Anteil Frauen von Einschränkungen betroffen.    Im Vergleich zu Referenzdaten der MuGSLA-Studien konnte festgestellt werden, dass in der in Privathaushalten lebenden Leipziger Altenbevölkerung das durchschnittliche Ausmaß an Schwierigkeiten bei der Ausübung von ADLs/IADLs um etwa 10% höher liegt als im Bundesdurchschnitt. Bei Heimbewohnern liegt der durchschnittliche Anteil derjenigen, die die Ausführung als unmöglich erachten, sogar um mehr als 30% höher.    Auch in den LEILA-Daten lässt sich das von Schneekloth und Mitarbeitern diskutierte Muster replizieren, dass bei einem ausgeglichenen Verhältnis von zur Verfügung stehenden Heimplätzen und bei deutlichen, infrastrukturell bedingten Nachteilen sowohl unter privaten als auch institutionellen Wohnbedingungen ein signifikant höherer Pflege- und Hilfebedarf in den neuen Bundesländern besteht. Das scheint dazu zu führen, dass ältere Menschen in den neuen Bundesländern trotz Behinderungen in der selbständigen Lebensführung, die sich vor allem im IADL-Bereich niederschlagen, länger im Privathaushalt leben bzw. beeinträchtigter in eine institutionelle Lebensform wechseln.

Summary

In a representative sample of the Leipzig population age 75 and older 61.8% of the participants showed relevant deficits in their capacity of independent living as assessed by a combined ADL/IADL scale. According to a staging model of care as promoted by Schneekloth and coworkers, 17% of the sample was in need of care. Especially, mobility-related instrumental activities of daily living (IADL) such as shopping, cleaning and visiting are affected, but also basic activities (ADL) such as climbing stairs, walking or taking a shower/bath. Each of these activities created problems for more than 45% of the participants. Between 18 and 33% of the sample even regarded it as impossible to carry out these activities. Expectedly, the percentages of assistance needed with ADLs/IADLs appeared to be strongly age-related with exponential increases beyond the age of 85. Beyond effects of sampling and life expectancy, significantly more women suffered from decreases in their capacity of independent living. Community-dwelling elderly on average had a 10% higher rate of problems with ADLs/IADLs as compared to German reference data from the studies on “Chances and Limits of Independent Living in Old Age”; the rate of institutionalized participants, who regarded it impossible to carry out these activities, was even higher by about 30%. As discussed by Schneekloth et al., data from the LEILA study support the hypothesized pattern that ecological disadvantages under both community-dwelling as well as insitutionalized living conditions lead to higher percentages of elderly in the former East German states who are in need of care. As a consequence and although more disabled, elderly seem to stay longer under community-dwelling living conditions and move even more disabled into an institutionalized form of living.